Amtsgericht Osnabrück
Urt. v. 18.06.2009, Az.: 31 C 73/09 *6*
Befreiung des Rechtsanwalts von der Herausgabe des Geldes an seinen Mandanten bei Kenntnis von der Vorauslagung der Kosten für die erste Instanz durch eine Rechtsschutzversicherung; Pflicht des Rechtsanwalts zur Abrechnung gegenüber der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten als Schuldnerin und zur Mitteilung der erfolgreichen Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss
Bibliographie
- Gericht
- AG Osnabrück
- Datum
- 18.06.2009
- Aktenzeichen
- 31 C 73/09 *6*
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 37821
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGOSNAB:2009:0618.31C73.09.6.0A
Rechtsgrundlagen
- § 407 Abs. 1 BGB
- § 675 Abs. 1 BGB
- § 677 Alt. 2 BGB
- § 67 Abs. 1 S. 1 VVG
Fundstelle
- JurBüro 2009, 647-649
...
hat das Amtsgericht Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 07.05.2009
durch
die Richterin Wellmeyer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.342,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2008 zu zahlen.
- 2.)
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.)
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- 4.)
Der Streitwert wird auf 1.342,45 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung geleisteter Kostenvorschüsse geltend.
Die Klägerin ist ein Rechtsschutzversicherungsunternehmen, der Beklagte ist Rechtsanwalt und vertrat im Jahr 1999 eine Versicherungsnehmerin der Klägerin in einem Zivilrechtsstreit vor dem Amtsgericht Osnabrück. Die Klägerin gewährte Deckungsschutz für das Verfahren und zahlte an den Beklagten insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.613,43 EUR als Vorschuss für Rechtsanwalts- und Gerichtskosten.
Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich vom 26.11.1999, in welchem der Gegenseite die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden. Mit Schreiben vom 26.11.1999 unterrichtete die Beklagte die Klägerin von dem abgeschlossenen Vergleich.
Am 29.12.1999 erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss aus welchem sich ergab, dass die Gegner des Rechtsstreits an die Versicherungsnehmerin der Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.625,60 DM, welches 1.342,45 EUR entspricht, zu erstatten haben. Mit Schreiben vom 06.06.2000, Bl. 68 d. Akten, bat die Klägerin den Beklagten um Übersendung des Kostenfestsetzungsantrags und des Kostenfestsetzungsbeschlusses sowie die erteilten Zwangsvollstreckungsaufträge.
Unstreitig war die Zwangsvollstreckung zunächst erfolglos. Im Jahre 2002 konnte der Beklagte aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss jedoch vollständig vollstrecken, was er am 22.05.2002 seiner Mandantin mitteilte. Wegen des Inhalts der Mitteilung wird auf das Schreiben Bl. 29 d.A. Bezug genommen. In der Folgezeit zahlte der Beklagte den eingenommenen Betrag an seine Mandantin aus.
Der Klägerin wurde hiervon keine Mitteilung gemacht.
Am 20.09.2007 fragte die Klägerin bei dem Beklagten an, wie der Sachstand sei, insbesondere, ob Gelder eingezogen werden konnten. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 05.10.2007 mit, dass die Zwangsvollstreckung insoweit erfolgreich war und das Geld an die Mandantin ausgezahlt worden sei.
Die Klägerin ist der Ansicht, gegen den Beklagten einen Anspruch aus §§675 Abs. 1, 667 Var. 2 BGB in Verbindung mit §67 Abs. 1 Satz 1 VVG habe. Dieser sei nicht berechtigt gewesen, die im Rahmen der Zwangsvollstreckung erlangten Gelder an die Mandantin auszuzahlen, vielmehr hätten diese Gelder allein der Klägerin zugestanden. Der Beklagte habe auch nicht mit befreiender Wirkung an seine Mandantin leisten können.
Zudem sei die Forderung der Klägerin weder verjährt noch verwirkt, zumal der Beklagte sich als Rechtsanwalt auf diese Einreden nicht berufen könne, solange er nicht ordnungsgemäß abgerechnet habe.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.342,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, er habe die Gelder im guten Glauben an die Mandantin ausgezahlt, da noch verschiedene Hauptforderungen offen gewesen seien und er die eingenommenen Gelder zunächst auf diese Hauptforderungen verrechnet habe.
Auch habe er vom direkten Forderungsübergang keine Kenntnis gehabt.
Darüber hinaus beruft sich der Beklagte auf die Einrede der Verjährung. Der Kostenfestsetzungsbeschluss sei der Klägerin bereits im Jahr 2000 übersandt worden, weshalb sie bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Forderung hatte und die Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe.
Darüber hinaus sei die Forderung verwirkt. Die Klägerin habe sich erstmals im Jahr 2007 nach dem Sachstand erkundigt, zuvor sei sie fast 8 Jahre untätig gewesen. Der Beklagte habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit rechnen müssen, dass noch Forderungen seitens der Klägerin geltend gemacht würden.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.342,45 EUR aus übergegangenem Recht nach §67 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. bzw. §86 Abs. 1 VVG n.F. i.V.m. §§675, 667 Alt. 2. BGB.
I.
Nach §§675 Abs. 1, 677 Alt. 2 BGB ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich verpflichtet, seinem Mandanten alles herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Demnach sind auch die von dritter Seite eingenommenen Gelder grundsätzlich an den Mandanten auszukehren.
Dieser Kostenerstattungsanspruch geht gemäß §67 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. (§86 Abs. 1 VVG n.F.) an den Rechtsschutzversicherer über, wenn diese dem Versicherungsnehmer die Kosten verauslagt hatte.
Dies ist vorliegend unstreitig der Fall.
Da der Beklagte aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss zum Aktenzeichen 43 C 351/99 des Amtsgerichts Osnabrück vollstreckt hat, stand dieses Geld damit nicht der Mandantin, sondern allein der Klägerin zu.
Der Vortrag des Beklagten, wonach er zunächst die Gelder auf die Hauptforderung verrechnet habe und daher an die Mandantin ausgezahlt habe, ist dabei unbeachtlich. Der Beklagte hat unstreitig aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckt. Er kann dieses Geld nicht auf andere Forderungen verrechnen. Das aufgrund einer Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vereinnahmte Geld war auf Grund des Forderungsübergangs in jedem Fall an die Klägerin auszuzahlen.
II.
Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten ist zudem nicht dadurch untergegangen, dass der Beklagte das Geld an seine Mandantin ausgekehrt hat.
Ein Rechtsanwalt wird durch die Herausgabe des Geldes an seinen Mandanten nicht frei, wenn er Kenntnis davon hatte, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten verauslagt hatte, §407 Abs. 1 BGB.
Unstreitig war dem Beklagten hier bekannt, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten für seine Mandantin ausgelegt hatte. Er selber hatte diese Gelder eingezogen.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass er nicht gewusst habe, dass der Kostenerstattungsanspruch im Wege der Legalzession an die Klägerin übergegangen sei. Zwar schadet dem Schuldner gem. §407 Abs. 1 BGB tatsächlich nur positive Kenntnis, bloßes Kennenmüssen genügt nicht. Allerdings reicht grundsätzlich die Kenntnis vom Abtretungstatbestand, also der tatsächlichen Umstände; auf eine unzutreffende rechtliche Würdigung kann sich der Schuldner nicht berufen. Damit reichte es vorliegend aus, dass der Beklagte wusste, dass die Klägerin die Kosten für die erste Instanz verauslagt hatte (vgl. hierzu auch OLG München, RuS 199, S. 158; AG Hamburg, Versicherungsrecht 2007, S. 390; AG Cham Versicherungsrecht 2001, S. 94).
Der gesetzliche Forderungsübergang war auch bereits im Jahr 1999 festgeschrieben, weshalb sich der Beklagte auch hierauf nicht berufen kann.
Dementsprechend ist der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erstattung der vom Beklagten vereinnahmten Kosten in Höhe von 1.342,45 EUR nicht durch Zahlung an seine Mandantin untergegangen.
III.
Der Einspruch der Klägerin ist zudem nicht einredebehaftet.
1.
Der Beklagte kann dem Anspruch die Einrede der Verjährung nicht entgegenhalten.
Bei dem geltend gemachten Anspruch aus Geschäftsbesorgung gelten die allgemeinen Verjährungsvorschriften. Unstreitig hat der Beklagte im Jahr 2002 erfolgreich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckt, sodass der Anspruch der Klägerin auf Auskehrung des Erlangten im Jahr 2002 entstanden ist.
Gem. §195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist jedoch zusätzlich die Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen erforderlich. Vorliegend hatte die Klägerin erst durch Schreiben des Beklagten vom 05.10.2007 Kenntnis davon erlangt, dass die Zwangsvollstreckung erfolgreich war. Zwar wusste sie unstreitig bereits vorher, dass ein Kostenfestsetzungsbeschluss zu ihren Gunsten existiert. Von der erfolgreichen Zwangsvollstreckung wusste sie hingegen bis zum Jahre 2007 nichts. Vielmehr ergibt sich aus dem Schreiben der Rechtsschutzversicherung vom 06.06.2000, Bl. 68 d. Akten, dass dem Gerichtsvollzieher mehrere Zwangsvollstreckungsaufträge erteilt worden sind. Die Klägerin wusste daher, dass der Beklagte versucht, aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu vollstrecken. Kenntnis davon, dass die Zwangsvollstreckung erfolgreich war erlangte die Klägerin hingegen erst am 05.10.2007.
Der Verjährungsbeginn ist auch nicht etwa deshalb früher eingetreten, weil die Klägerin sich bis zum Jahr 2007 nicht nach dem Ausgang des Zwangsvollstreckungsverfahrens erkundigt hat, denn die Klägerin durfte darauf vertrauen, dass der Beklagte sie nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens über dessen Ausgang aufklärt und ihr gegenüber abrechnet. Dies ist seine anwaltliche Pflicht und dies hat er auch ausdrücklich mit Schreiben vom 26.11.1999, Bl. 20 d. Akten, angekündigt.
Da die Klägerin erst im Jahre 2007 Kenntnis erlangte, wäre die Forderung damit erst zum 31.12.2010 verjährt.
2.
Auch ist der Anspruch der Klägerin nicht verwirkt.
Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (Palandt/Heinrichs, §242, Rn. 87 m.w.N.).
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass das Zeitmoment vorliegend durchaus erfüllt sein könnte. Die Klägerin hat sich erstmals im Jahr 2007, also etwa 7 Jahre nach Zusendung des Kostenfestsetzungsbeschlusses, nach dem Stand des Verfahrens erkundigt.
Diese Frage kann jedoch dahinstehen, denn das Umstandsmoment ist vorliegend in jedem Fall nicht erfüllt. Dieses liegt nur dann vor, wenn sich der Verpflichtete mit Rücksicht auf ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser das ihm zustehende Recht nicht mehr geltend machen werde.
Dabei ist bereits grundsätzlich fraglich, ob das von der Klägerin dargestellte Verhalten dazu führen konnte, dass beim Beklagten ein entsprechendes Vertrauen geschaffen wurde. Allein aus dem Schweigen der Klägerin lässt sich das Umstandsmoment nicht begründen. Auch das Schreiben der Klägerin vom 06.06.2000 in welchem sie ankündigt, auf die Angelegenheit zurückzukommen, wenn der Kostenfestsetzungsbeschluss übersandt worden sei, dürfte alleine nicht ausreichen, um beim Beklagten Vertrauen dahingehend hervorzurufen, dass einige Zeit später keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden würden.
In jedem Fall aber scheitert das Umstandsmoment hier daran, dass der Beklagte seinerseits in der Pflicht war, der Klägerin gegenüber ordnungsgemäß abzurechnen und ihn insoweit eine Bringschuld trifft.
Gem. §23 der Berufsordnung der Rechtsanwälte hat der Rechtsanwalt spätestens mit Beendigung des Mandats gegenüber dem Mandanten oder dem Gebührenschuldner unverzüglich abzurechnen. Unverzüglich meint damit ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von§121 BGB.
Diese Pflicht hat der Beklagte vorliegend verletzt, indem er gegenüber der Klägerin als Schuldnerin nicht abgerechnet hat und keine Mitteilung gemacht hat, dass er aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss erfolgreich vollstrecken konnte.
Die Klägerin als Rechtsschutzversicherung konnte sich aber gerade darauf verlassen, dass der Beklagte als Rechtsanwalt seinen Pflichten nachkommt und - soweit er Gelder aus der Zwangsvollstreckung einnimmt, die der Klägerin zustehen - unverzüglich gegenüber dieser abrechnet.
Durch das Schweigen der Klägerin konnte daher bei dem Beklagten kein Vertrauen dahingehend geweckt werden, dass diese ihre Forderung nicht mehr geltend machen werde.
Eine Verwirkung des Anspruchs ist damit nicht gegeben. Dem Anspruch der Klägerin steht damit auch keine Einrede entgegen.
IV.
Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Verzugszinsen gem. §288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 13.03.2008 unter Fristsetzung bis zum 10.04.2008 aufgefordert, den beigetriebenen Betrag an sie zu zahlen. Der Beklagte befand sich daher ab dem 11.04.2008 mit der Zahlung in Verzug.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus §91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus§§709 Satz 2 ZPO.