Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.09.2017, Az.: 13 WF 76/17

Ende der Vormundschaft über einen Staatsangehörigen der Republik Guinea

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
05.09.2017
Aktenzeichen
13 WF 76/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 26437
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Meppen - 21.06.2017 - AZ: 9 F 157/16 VM

Fundstelle

  • NZFam 2017, 1165

Amtlicher Leitsatz

1. Das Ende der Vormundschaft für einen Staatsangehörigen der Republik Guinea bestimmt sich gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach dem Recht der Republik Guinea.

2. Die danach maßgebliche Volljährigkeit wird nach dem Recht der Republik Guinea mit Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht. Für die Bestimmung der Volljährigkeit ist in Guinea seit 2008 allein der Code de l'enfant einschlägig. Die Vorschriften des guineischen Code civil, die eine Volljährigkeit mit 21 Jahren bestimmt haben, sind seit Inkrafttreten des Code de l'enfant nicht mehr anzuwenden (im Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juli 2017 - 12 UF 217/16 und gegen OLG Bremen, Beschluss vom 23. Februar 2016 - 4 UF 186/15, FamRZ 2016, 990 [Ls.]).

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen vom 21. Juni 2017 aufgehoben. Zur Klarstellung wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 2 seit dem 18. Mai 2017 nicht mehr Vormund des Beteiligten zu 1 ist.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Nachdem der am 18. Mai 1999 in ... (Republik Guinea) geborene Beteiligte zu 1 ohne seine Eltern in die Bundesrepublik eingereist war, ist durch Beschluss vom 6. April 2016 das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt worden; das Jugendamt des Landkreises Emsland (Beteiligter zu 2) wurde zum Vormund für den Beteiligten zu 1 bestellt.

Ab Mai 2017 gab es Schriftverkehr zwischen dem Jugendamt und dem zuständigen Familiengericht zu der Frage, wann der Beteiligte zu 1 volljährig wird und wann somit die Vormundschaft endet. Das Familiengericht vertrat darin unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen (Beschluss vom 23. Februar 2016 - 4 UF 186/15, FamRZ 2016, 990) die Auffassung, dass der Beteiligte zu 1 aufgrund des anzuwendenden Rechts der Republik Guinea erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres volljährig werde.

Das Jugendamt hat demgegenüber - nach einer entsprechenden Rückfrage bei der Botschaft der Republik Guinea in Berlin - die Ansicht vertreten, dass der Beteiligte zu 1 mit Vollendung des 18. Lebensjahres am 18. Mai 2017 volljährig geworden sei. Hilfsweise hat das Jugendamt die Entlassung als Vormund beantragt.

Das Familiengericht hat den Antrag auf Entlassung zurückgewiesen und festgestellt, dass der Beteiligte zu 2 weiterhin als Vormund im Amt verbleibt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2, der an seiner Auffassung festhält, dass der Beteiligte zu 1 mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig geworden sei.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Ende der Vormundschaft unterliegt gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem Recht der Republik Guinea. Die nach diesem Recht maßgebliche Volljährigkeit des Beteiligten zu 1 (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juli 2017 - 12 UF 217/16, juris, Rn. 10) ist mit Vollendung seines 18. Lebensjahres am 18. Mai 2017 eingetreten; die Vormundschaft ist seit diesem Zeitpunkt beendet.

Der Senat weicht insofern von der Auffassung des Oberlandesgerichts Bremen ab, das zur Begründung seiner anderslautenden Entscheidung ausgeführt hat (aaO., Rn. 9 ff.):

Gemäß des in Guinea geltenden Code civil, Titre XVI, Chapitre I: De la Majorité, Art. 443 wird die Volljährigkeit in Guinea mit Vollendung des 21. Lebensjahres erreicht (vgl. auch Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, Band VI, Guinea, S. 33; Hausmann in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., 7. Teil, Rn. 7.921; Textfassung des code civil guineen in Französisch: https://assets.hcch.net/upload/cc_gn.pdf).

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Regelung mittlerweile abbedungen worden ist, wie von der Beschwerdeführerin mit Hinweis auf den "Code de l´enfant" behauptet.

Bei dem "Code de l´enfant Guineen" vom 19.8.2008 handelt es sich um ein Gesetzeswerk, das die Rechte von Kindern in Guinea näher regelt. In seinen "Dispositions preliminaires", also einleitenden Bestimmungen, lautet der erste Satz des Art. 1: "Tout être humain âgé de moins de 18 ans est un Enfant" (vgl. https://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRONIC/98741/117564/F-1366184401/GIN-98741.pdf). Es wird somit - in Übereinstimmung mit Art. 2 KSÜ - definiert, bei welchen Personen es sich um Kinder im Sinne des "Code de l´enfant" handelt und damit der Anwendungsbereich für das Gesetz geregelt. Das Gesetz enthält allerdings keine Regelung über den Eintritt der Volljährigkeit (majorité) in Guinea. Daher muss diesbezüglich die in Art. 441 des "Code de l´enfant" getroffene Kollisionsregel gelten. Danach sind bezüglich jeglicher durch den "Code de l´enfant" nicht geregelter Sachgebiete, die in speziellen Normen geregelt sind, diese speziellen Gesetze weiterhin zu beachten (Art. 441: "Dans toutes les matières qui n´ont pas été réglées par le présent Code et qui sont régies par les Lois et Règlements particuliers, les Cours et les Tribunaux continueront de les observer.").

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass durch den "Code de l´enfant" die durch das Bürgerliche Gesetzbuch Guineas in Art. 443 getroffene Regelung der Volljährigkeit nicht abbedungen wird. Auf den "Code de l´enfant" kann somit keine Beendigung der Vormundschaft gemäß § 1882 BGB gestützt werden. ...

Der Senat folgt nicht der Auffassung, dass Art. 443 Code civil durch den Code de l´enfant nicht abbedungen worden sei. Dagegen spricht, dass es sich bei dem Code de l'enfant um ein umfassendes Gesetzeswerk handelt, das in insgesamt 443 Artikeln neben allen zivilrechtlichen Aspekten des Kindschaftsrechts unter anderem auch strafrechtliche Fragen regelt. In zivilrechtlicher Hinsicht enthält der Code de l´enfant unter anderem Regelungen zur Entlassung aus der elterlichen Sorge ("Emancipation"; Art. 271 ff.), die die bisherigen Regelungen des Code civil zu dieser Materie ersetzen und teilweise von ihnen abweichen.

Der Senat folgt der von der Botschaft der Republik Guinea per E-Mail vom 13. Juni 2017 auf Anfrage des Jugendamts erteilten Auskunft, dass nach dem Recht der Republik Guinea für die Bestimmung der Volljährigkeit seit 2008 nur noch der Code de l'enfant einschlägig ist, durch den das Volljährigkeitsalter auf 18 Jahre festgesetzt wird (so auch OLG Hamm, aaO., Rn. 18 f.). Das steht im Einklang mit einer Auskunft, die dem Senat von der deutschen Botschaft in Conakry erteilt wurde. Danach hat das guineische Justizministerium auf Anfrage der deutschen Botschaft bereits mit Schreiben vom 19. April 2016 ausdrücklich mitgeteilt, dass für die Bestimmung der Volljährigkeit nur noch der Code de l'enfant einschlägig sei, der das Volljährigkeitsalter auf 18 Jahre festsetze. Die übrigen Vorschriften des guineischen Code civil, die eine Volljährigkeit mit 21 Jahren bestimmen, seien seit Inkrafttreten des Code de l'enfant stillschweigend aufgehoben und nicht mehr anzuwenden; sie sollen auch formal in einer kommenden Rechtsreform gestrichen werden.

Daraus ergibt sich, dass die Vormundschaft für den Beteiligten zu 1 seit Vollendung seines 18. Lebensjahres am 18. Mai 2017 beendet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG).