Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 07.07.2010, Az.: 3 B 41/10
Aufgabe; Aufgabenzuweisung; Bau; grobe Unangemessenheit; Haushalt; Höhe; Kosten; Neubau; Selbstverwaltung; Sparsamkeit; Unangemessenheit; Unvertretbarkeit; Verband; Verbandsbeitrag; Verwaltungsgebäude; Wasser- und Bodenverband; Wirtschaftlichkeit; Wirtschaftsverhalten; Zuweisung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 07.07.2010
- Aktenzeichen
- 3 B 41/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 47976
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 64 WasG ND
- § 78 WVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Wirtschaftsverhalten eines Verbandes kann nur dann vom Gericht gerügt werden, wenn die im Einzelfall gewählte Lösung sachlich schlechthin unvertretbar ist, Das setzt etwa voraus, dass die Kosten für den Verband in erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen oder das Wirtschaftsverhalten mit den gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erkennbar nicht mehr im Zusammenhang steht (kostenbezogene oder aufgabenbezogene Unvertretbarkeit).
Gründe
I.
Der Antragsteller hat Grundbesitz im Verbandgebiet des Antragsgegners und wird regelmäßig zu Verbandsbeiträgen herangezogen. Der Antragsgegner ist ein Wasserverband, der bei Inkrafttreten des niedersächsischen Wassergesetzes im Jahre 1960 im Hinblick auf die Unterhaltung der Gewässer 2. Ordnung ausgedehnt wurde. Nach der Satzung hat der Antragsgegner vornehmlich die Aufgabe, die Gewässer 2. Ordnung zu unterhalten, im so genannten Altgebiet kommen weitere Aufgaben hinzu. Nach der Satzung sind Mitglieder des Verbandes die jeweiligen Grundstückseigentümer.
Der Antragsgegner plant einen Neubau des Verwaltungsgebäudes auf dem Betriebsgelände in Echem, wobei mit Kosten von rund 500.000,00 EUR gerechnet wird.
Der Antragsteller will den Neubau verhindern und hat deswegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er trägt vor, er müsse durch seine Verbandsbeiträge den überflüssigen Neubau mitfinanzieren.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden.
Die Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschrift liegen nicht vor. Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass dem Antragsgegner die Planung und der Bau des neuen Verwaltungsgebäudes untersagt werden.
Nach § 64 NWG (i.d.F.v. 19.2.2010) i.V.m. § 78 Abs. 3 WVG und § 64 WVVO ist der Antragsgegner zum wirtschaftlichen und sparsamen Haushalten bei der Erfüllung seiner Aufgaben verpflichtet. Diese Grundsätze muss der Verband auch im Interesse seiner Mitglieder beachten. Denn nach § 78 WVVO haben die Mitglieder dem Wasser- und Bodenverband Beiträge zu leisten, wenn es zur Erfüllung seiner Aufgaben und seiner Verbindlichkeiten und zur ordentlichen Haushaltsführung erforderlich ist. Das Haushaltsrecht fordert demnach den schonenden Einsatz der durch Beiträge finanzierten Geldmittel. Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, dass die Verbände ein Selbstverwaltungsrecht haben, was ihnen einen gewissen Gestaltungsspielraum bei Durchführung der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben eröffnet. Ein Verband hat als Organe die Verbandsversammlung oder den Verbandsausschuss sowie den Vorstand oder die Verbandsvorsteher. Ihnen sind durch das Wasserverbandsgesetz bestimmte Aufgaben zugewiesen (vgl. §§ 46 ff WVG). Die Aufgaben werden eigenverantwortlich wahrgenommen, und wegen der organschaftlichen Verfassung des Verbandes hat das einzelne Mitglied kein subjektiv öffentliches Recht auf Durchführung von Verbandsaufgaben in einer bestimmten Art und Weise. Es wird vom Gesetz nicht vorausgesetzt, dass das einzelne Mitglied mit jeder Entscheidung eines Organs einverstanden ist und jede einzelne konkrete Betätigung des Verbandes billigt. Auch das Verwaltungsgericht hat den Entscheidungsspielraum der Verbandsorgane zu respektieren, gerade wenn es um die Frage geht, ob eine Maßnahme dem Grundsatz eines wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltens zuwiderläuft. Das Gericht darf seine eigene Bewertung, was sinnvoll ist oder was nicht, nicht an die Stelle der Verbandsorgane setzen, sondern ist auf eine Verhältnismäßigkeitskontrolle beschränkt. Ein Wirtschaftsverhalten des Verbandes kann nur dann vom Gericht gerügt werden, wenn die im Einzelfall gewählte Lösung sachlich schlechthin unvertretbar ist, wenn es also nach Lage der Dinge mit Blick vor allem auf die Verbandsaufgaben keine sachlichen Gründe dafür gibt, die mit dem Wirtschaftsverhalten verbundenen Kosten über die Verbandsbeiträge auf die einzelnen Verbandsmitglieder abzuwälzen. Das setzt etwa voraus, dass die Kosten für den Verband in erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen oder das Wirtschaftsverhalten mit den gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erkennbar nicht mehr im Zusammenhang steht (kostenbezogene oder aufgabenbezogene Unvertretbarkeit). Im Ergebnis darf der Verband damit ein Wirtschaftsverhalten dann für erforderlich halten, wenn diese Lösung unter dem Blickwinkel der Verbandsaufgaben und der konkreten Kosten noch als angemessen angesehen werden kann, d.h. wenn für das Wirtschaftsverhalten sachlich einleuchtende Gründe sprechen.
Im vorliegenden Fall fehlt es an substantiierten Anhaltspunkten dafür, dass der Neubau eines Verwaltungsgebäudes sachlich schlechthin unvertretbar ist, insbesondere die Kosten für den Verband in erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen oder der Neubau mit den gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erkennbar nicht mehr im Zusammenhang steht. Der Verbandsausschuss des Antragsgegners hat sich u. a. am 3. März 2010 mit dem Neubau beschäftigt, der Vorstand am 30. September 2009. Das Raumprogramm sieht Empfangs- und Wartebereich, sieben Büros, einen Besprechungsraum, Aktenlager und weitere Nebenräume vor. Bereits in der Vorstandssitzung vom 4. August 2009 ist zum Neubau ausgeführt worden, dass die Verwaltung von Lüneburg nach Echem umziehen solle: Es bestehe in Lüneburg ein Sanierungsbedarf, es gebe auch Interessenten für Lüneburg, und der Neubau in Echem solle durch den Verkauf des Bürogebäudes Lüneburg finanziert werden. Damit wird deutlich, dass der Neubau eines Verwaltungsgebäudes in Echem ein „Ersatzbau“ für das Lüneburger Verwaltungsgebäude ist. Unbestreitbar ist für die Aufgabenwahrnehmung des Verbandes ein Verwaltungsgebäude erforderlich. Für den Umzug der Verwaltung von Lüneburg nach Echem gibt es nachvollziehbare Gründe, wenn am alten Standort Sanierungsbedarf besteht, und es Interessenten für Lüneburg gibt. Wenn der Neubau in Echem durch den Verkauf des Bürogebäudes Lüneburg finanziert werden soll, ist auch nicht ersichtlich, dass der Neubau für die einzelnen Verbandsmitglieder und den Antragsteller mit unvertretbaren Beitragsteigerungen verbunden sein wird. Der Antragsteller muss ebenso wie das Gericht eine Einschätzungsprärogative des Verbandes anerkennen, der Antragsteller kann seine eigene subjektive Sicht der Dinge nicht an die Sicht der Verbandorgane setzen, die im Rahmen der Selbstverwaltung des Antragsgegners den Umzug nach Echem und den Neubau eines Verwaltungsgebäudes dort für sachgerecht halten. Der Neubau eines Verwaltungsgebäudes kann vom Gericht nicht als willkürliche und offenkundige Aufgabenüberschreitung gerügt werden oder als Maßnahme, die mit unvertretbaren Kosten für die Verbandsmitglieder verbunden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.