Amtsgericht Lüneburg
Urt. v. 26.01.1984, Az.: 14 Cs 15 Js 15772/83 (262/83)

Strafbarkeit eines Radfahrers wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,77 g Promille; Absolute Fahruntüchtigkeit eines Radfahrers bei einer Blutalkoholkonzentration zwischen 1,5 und 2 Promille

Bibliographie

Gericht
AG Lüneburg
Datum
26.01.1984
Aktenzeichen
14 Cs 15 Js 15772/83 (262/83)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 18866
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGLUENE:1984:0126.14CS15JS15772.83.0A

Fundstelle

  • NJW 1985, 337-338 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Trunkenheit im Verkehr

Das Amtsgericht Lüneburg hat
in der Sitzung vom 26. Januar 1984,
an der teilgenommen haben:
Richter am Amtsgericht Scholz als Strafrichter,
Referendarin Maurer als Beamter der Staatsanwaltschaft,
... als Verteidiger,
Justizhauptsekretär Schmidt als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gern. § 316 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 14 Tagessätzen zu je 50,- DM und in die Kosten des Verfahrens verurteilt.

Gründe

1

I.

Der am 7.12.1935 in Gernrode/Harz geborene Angeklagte ist von Beruf Möbelträger. Er hat ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.500,- DM. Der Angeklagte ist ledig und hat drei erwachsene Kinder, für deren Unterhalt er nicht mehr aufzukommen hat. Der Angeklagte ist bisher nicht bestraft. Er ist nicht im Besitze einer Fahrerlaubnis.

2

II.

In der Hauptverhandlung ist folgender Sachverhalt festgestellt worden:

3

Am 9./10.7.1983 unternahm der Angeklagte zusammen mit sechs anderen Radfahrern von Lüneburg aus eine Fahrradtour. Am Abend des 9.7. wurde an der Elbe eine Grillparty gefeiert. Insgesamt wurden an diesem Abend zwei Kisten Bier und eine Flasche Korn leer getrunken. Am anderen Morgen beabsichtigte man, Kaffee zu trinken. Zu diesem Zweck fuhr der Angeklagte mit seinem Fahrrad nach Lauenburg in die Oberstadt. Dort kaufte er Kaffee und Zigaretten und trank nach seiner Erinnerung drei oder vier Schnäpse und ein kleines Bier. Anschließend ließ er sich mit einem Taxi zu den an der Elbe wartenden Kollegen bringen, da er anders glaubte, den Kaffee nicht transportieren zu können. Während des darauffolgenden Frühstücks wurde nach Angaben des Angeklagten Alkohol nicht mehr getrunken. Anschließend wurde die Fahrradtour in Richtung Lüneburg fortgesetzt. Die Radfahrer befuhren den entlang der B 209 auch für Gegenverkehr zugelassenen Radweg. Der Angeklagte fuhr als letzter der Gruppe. Kurz vor der Abzweigung nach Lüdershausen näherten sich der Gruppe zwei Radfahrer von vorn. In Höhe der Abzweigung sah der Angeklagte nach rechts, um festzustellen, ob von dort jemand kommen würde. In diesem Augenblick erhielt der Angeklagte nach seinen Angaben einen Schubs durch einen der entgegenkommenden Radfahrer und stürzte. Er blutete am Kopf.

4

Der Angeklagte wurde nach Begutachtung des Notarztes in das Krankenhaus nach Lüneburg gebracht. Der Unfall ereignete sich nach den Feststellungen der Polizei um 11.45 Uhr. Im Krankenhaus in Lüneburg wurde dem Angeklagten um 13.10 Uhr eine Blutprobe entnommen, welche nach dem verlesenen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Göttingen vom 12.7.1983 (wie Bl. 7 d.A.) einen für die Beurteilung zu dem Zeitpunkt der Blutentnahme maßgeblichen Mittelwert von 1,77 g Promille ergab.

5

Der Radfahrer, mit dem der Angeklagte zusammengestoßen war, hatte sich vom Unfallort entfernt und konnte auch später nicht ermittelt werden.

6

Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, den Bekundungen des Zeugen POW Neben und dem verlesenen Gutachten des Rechtsmedizinischen Instituts der Universität Göttingen.

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III.

Demgemäß hat sich der Angeklagte einer fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß § 316 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Der Angeklagte hat mit einem Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen, obwohl er infolge des Genusses von Alkohol zum Zeitpunkt der Fahrt fahruntüchtig war. Auch das Fahrrad ist ein "Fahrzeug" im Sinne des § 316 StGB.

8

Allerdings war nicht festzustellen, daß der Angeklagte Schuld an dem Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden Fahrradfahrer hatte. Er selbst hat angegeben, vorschriftsmäßig auf dem Fahrradweg gefahren zu sein. Andere Zeugen für den Unfallhergang waren nicht vorhanden. Der entgegenkommende Fahrradfahrer hatte sich unerkannt entfernt und konnte auch später nicht ermittelt werden. Die mit dem Angeklagten fahrenden Radfahrer fuhren sämtlich vor ihm und hatten von dem Unfallgeschehen nichts mitbekommen. Somit war das Verschulden des Angeklagten an dem Zusammenstoß zwar durchaus möglich, konnte jedoch nicht festgestellt werden.

9

Auch andere alkoholbedingte Ausfallerscheinungen konnten nicht festgestellt werden.

10

Der Angeklagte war jedoch schon allein aufgrund der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,77 g Promille, welche für den Zeitpunkt der Fahrt festzustellen war, als fahruntüchtig im Sinne des § 316 StGB anzusehen.

11

Das haben die zutreffenden Angaben des Sachverständigen Dr. Schuster, Gießen, ergeben, die das Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung macht.

12

Danach sind Radfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille und mehr grundsätzlich unbedingt fahruntüchtig, auch wenn weitere Beweisanzeichen, insbesondere alkoholbedingte Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler nicht festgestellt werden können.

13

Zwar ist bisher ein Grenzwert, bei dessen Erreichen ein Verkehrsteilnehmer als absolut fahruntüchtig angesehen wird, in der Rechtsprechung nur für Fahrer motorisierter Fahr zeuge anerkannt. So hat der BGH in seinem Beschluß vom 9.12.1966 (4 StR 119/66 - BGHSt 21/157, 167) bestimmt, daß alle Kraftfahrer ab einem Blutalkoholgehalt von 1,3 Promille unbedingt fahruntüchtig sind, während zuvor die 1,3 Promille-Grenze nur für Kraftradfahrer galt, demgegenüber Kraftwagenfahrer erst ab 1,5 Promille als unbedingt fahruntüchtig angesehen wurden (vgl. BGHSt 13/278). Der Entscheidung lag ein Gutachten des Bundesgesundheitsamtes zur Frage "Alkohol bei Verkehrsstraftaten" zugrunde.

14

Einen Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit bei Radfahrern anzunehmen, hat sich der BGH bisher außerstande gesehen (vgl. BGHSt 19/82 -. 30/251). Er hat dies damit begründet, daß die bisher vorliegenden medizinischen Untersuchungen diesen Schluß nicht zuließen. Der Verkehr stelle an die Leistungsfähigkeit der Radfahrer teilweise andere Anforderungen als an Kraftwagenfahrer und Kraftradfahrer. So würden Gleichgewichtsstörungen auf die Fahrweise des Radfahrers meist verhältnismäßig frühzeitig einwirken, da dieser mehr als der Kraftradfahrer beim Fahren das Gleichgewicht halten müsse. Auch mögen seelisch geistige Ausfallerscheinungen, insbesondere mangelnde Aufmerksamkeit, zumal beim langsamen Fahren, bei dem Radfahrer wegen der leichten Bedienung des Fahrrades häufig eher zu erwarten sein als beim Kraftwagenführer oder beim Kraftradfahrer. Andererseits erfordere die technische Bedienung schneller Motorfahrzeuge mit ihren weitaus/größeren Gefahren für andere größere Umsicht und erheblicheres Geschick (vgl. BGH 19/82, 84).

15

Auch für Fahrer von führerscheinfreien Fahrrädern mit Hilfsmotor (sog. Mofa 25) hatte der BGH noch in seinem Beschluß vom 29.8.1974 (4 StR 134,74 - BGHSt 25/360) eine allgemeine Grenzziehung abgelehnt und dies damit begründet, daß Fahrräder mit Hilfsmotor - wie dies auch vom Gesetzgeber geschehen sei - eher den Radfahrern als den Kraftradfahrern gleichgesetzt werden müssen. Aus den damals vorliegenden medizinischen Untersuchung hatte sich jedoch ein allgemeiner Grenzwert für Radfahrer nicht herleiten lassen (BGH a.a.O.).

16

Nachdem jedoch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Göttingen im Jahre 1980 neuere Untersuchungen an 71 Radfahrern und Mofafahrern unter Leitung von Professor Dr. Schewe durchgeführt und veröffentlicht hatte (vgl. Zeitschrift f. Blutalkohol, 1980, S. 298 ff.), hat die Rechtsprechung auch für Mofafahrer den Grenzwert von 1,3 Promille anerkannt (vgl. OLG Köln, Beschluß vom 27.2.1981 - 3 Ss 73/81, veröffentlicht in Blutalkohol 1981, S. 267 -; OLG Hamm, Vorlagebeschluß vom 25.3.1981 - 7 Ss 2198/80 -; AG Lüneburg, Urteil vom 21.7.1981 - 14 Ds 22/81 -).

17

Der BGH hat dies unter Aufgabe seiner in BGH St 25/360 niedergelegten Auffassung in seinem Beschluß vom 29.10.1981 (4 StR 262/81 - BGHSt 30/251) bestätigt und dabei darauf hingewiesen, daß die Auffassung des Senats, "in Ermangelung anderer Erkenntnisse sei der Fahrer eines Mofa hinsichtlich der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit dem Radfahrer gleichzusetzen, für welchen er in Einklang mit der ärztlichen Wissenschaft bisher noch keinen absoluten Grenzwert feststellen konnte, heute nicht mehr aufrechterhalten werden könne" (vgl. BGH a.a.O. S. 253).

18

Hinsichtlich der seinerzeit nicht entscheidungserheblichen Frage nach einem Grenzwert für Radfahrer hat der BGH in diesen Beschluß ausgeführt;

"Die neueren Untersuchungsergebnisse legen es nahe, auch für den Radfahrer einen nach dem heutigen Erkenntnisstand zwischen 1,5 Promille und 2 Promille liegenden Wert der absoluten Fahruntüchtigkeit zu bestimmen. Die Untersuchungen von Schewe lassen nämlich erkennen, daß auch beim Radfahrer im Bereich einer Blutalkoholkonzentration um 1,3 Promille im allgemeinen bereits mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zu rechnen ist. Dies umsomehr, als die technische Vervollkommnung des Fahrrades (Gangschaltung usw.) weiter voranschreitet und seine Bedienung aber auch die - wenn auch mit eigener Körperkraft zu erzielende - Geschwindigkeit, höhere Anforderungen an seine Beherrschung im weiter zunehmenden Straßenverkehr stellt."

19

Diese Ausführungen hat das Institut für Rechtsmedizin der Universität Gießen unter Leitung von Professor Dr. Dr. Schewe zum Anlaß genommen, in Zusammenarbeit mit dem Hax-Planck-Institut für physiologische und klinische Forschung, BadNauheim, experimentelle Untersuchungen zur Frage des Grenzwertes alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit bei Fahrradfahrern durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liegen nunmehr vor - ohne allerdings bisher veröffentlicht worden zu sein; Die Veröffentlichung ist vorgesehen im Märzheft 1984 der Zeitschrift "Blutalkohol" - und wurden vom Sachverständigen Dr. Schuster, der an dieser Untersuchung maßgeblich beteiligt war, dem Gericht vorgetragen.

20

Der Sachverständige hat ausgeführt, daß nach den Versuchsergebnissen für Fahrradfahrer bei Blutalkoholkonezentrationen von 1,5 Promille und darüber der Schluß auf "alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit" gerechtfertigt sei, wenn man auf die alkoholbedingte Beeinträchtigung der Fahrsicherheit abstelle. Im einzelnen hat der Sachverständige darauf hingewiesen, daß Versuche auf den gleichen Teststrecken durchgeführt wurden, wie in den früheren Versuchen, welche den "Mofa-Entscheidungen" zugrundegelegen hätten. Daher sei es möglich gewesen, die damaligen Untersuchungsergebnisse in diese Untersuchung mit einzubeziehen. Dabei habe sich ergeben, daß im Alkoholversuch die Leistung bei 0,8 Promille auf 23,8 % abgefallen sei, bei 1,3 Promille auf 18,2 % und bei 1,5 Promille auf nur noch 3,5 % der jeweils = 100 % gesetzten Nüchternleistung. Von den nun insgesamt zu beurteilenden 150 Probanden seien nur bei fünf im Bereich 1 Promille bis 1,35 Promille noch keine Leistungsabfälle festgestellt worden. Bei 1,5 Promille sei es aber ausnahmslos zu Einbußen, teilweise erheblicher Art, gekommen.

21

Als die Versuchspersonen von einem Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille auf 1,7 Promille "gebracht" werden sollten, seien bereits 6 Personen wegen vorliegender. Fahrunfähigkeit ausgefallen, d.h. sie waren so betrunken, daß sie nicht mehr Fahrradfahren konnten. Bei den verwertbaren Untersuchungsergebnissen des 2. Testversuchs im Bereich von 1,7 Promille seien ausnahmslos höhere Fehlerquoten und demgemäß größerer Leistungsabfall beobachtet worden.

22

Das Gericht tritt der sich aus diesen vorgetragenen Untersuchungsergebnissen gezogenen Schlußfolgerung bei und hat demgemäß eine Blutalkoholkonzentration von 1,5 Promille als absolute Grenze der Fahruntüchtigkeit von Radfahrern angesehen.

23

Dabei war zu beachten, daß der Richter bei der Entscheidung einer Rechtsfrage, für deren Beantwortung, wie vielfach im medizinischnaturwissenschaftlichen Bereich, einschlägige wissenschaftliche Forschungsergebnisse vorhanden sind, bei seiner Überzeugungsbildung dann an diese gebunden ist, wenn sie in den maßgeblichen Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei als richtig und zuverlässig anerkannt sind (so BGHSt 30/251, 252 f.).

24

Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse genügen diesen Anforderungen. Sie wurden nach den Bekundungen des Sachverständigen Dr. Schuster auf der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin im September 1983 vorgetragen und haben keinen Widerspruch gefunden.

25

Das Gericht hatte allerdings bei der Festlegung einer solchen generellen Grenzziehung die Frage zu prüfen, ob nicht die vorgelegten medizinischen Erkenntnisse für den juristischen Bereich eines "Sicherheitszuschlages" bedurften, wie es seinerzeit der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1966 betreffend der 1,3 Promille-Grenze für angezeigt hielt. (BGHSt 21/157, 167). Der BGH hatte seinerzeit ausgeführt, daß "angesichts einstweilen noch bestehender Unzulänglichkeiten in personeller und sachlicher Hinsicht bei der Bestimmung des Blutalkohols" ein Sicherheitszuschlag, - sogar über das damals von den Gutachtern empfohlene Maß hinaus - angenommen werden müsse (vgl. BGH a.a.O.).

26

Der Sachverständige Dr. Schuster hat auf Befragen des Gerichts dazu ausgeführt, daß die seinerzeit vom BGH angerührten Unzulänglichkeiten bei dem heutigen Stand der Technik und der personellen Besetzung der mit Alkoholbestimmung betrauten Institute, die überdies ständig von unabhängigen Sachverständigen überprüft würden, nicht mehr gegeben seien.

27

Dementsprechend hat der BGH auch bei der Festlegung der 1,3 Promille - Grenze für Mofafahrer die Frage eines Sicherheitszuschlages nicht mehr erörtert.

28

Auch das erkennende Gericht hält daher einen für die rechtliche Beurteilung notwendigen "Sicherheitszuschlag" für entbehrlich.

29

Das folgt auch schon daraus, daß das medizinische Untersuchungsergebnis unter durchweg für die Radfahrer besonders günstigen Voraussetzungen zustandegekommen ist. An den Versuchen nahmen ausnahmslos gesunde, ganz überwiegend junge, aber volljährige Probanden teil. Bei den untersuchten 79 Personen betrug das Durchschnittsalter 26 Jahre, wobei die jüngste Person in, die älteste 44 Jahre alt war. Außerdem war zu berücksichtigen, daß die untersuchten Personen durch die Versuchssituation zur Selbstkontrolle besonders motiviert waren, die Fahrstrecken kannten und keinerlei Überraschungen ausgesetzt waren. Hinzu kommt, daß nur mehr oder weniger ungefährliche Fahrversuche vorgenommen wurden, um die Versuchsperson nicht zu gefährden. Es wurden keine Bremsversuche oder einarmiges Fahren (wie Abbiegen mit gleich zeitiger Anzeige der Richtungsänderung durch Herausstrecken eines Armes) usw. durchgeführt.

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Somit war festzustellen, daß der ausnahmslose Leistungsabfall bereits unter günstigsten Voraussetzungen festgestellt wurde.

31

Somit war auf der Grundlage der vorgelegten medizinischen Erkenntnisse in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur 1,3 Promille-Grenze bei Kraftfahrer und in Ergänzung der vom BGH am Ende seiner "Mofa"-Entscheidung geäußerten Annahme (vgl. BGH 33/251, 254 f.) festzustellen, daß Radfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille und mehr absolut fahruntüchtig im Sinne des § 316 StGB sind.

32

Dem stehen auch nicht die vom BGH in einer seiner früheren Entscheidungen hervorgehobenen Unterschiede zwischen Fahrern motorisierter Fahrzeuge einerseits und Radfahrern andererseits entgegen (vgl. BGHSt 19/82, 84). Einerseits hat der BGH unter dem Eindruck neuerer medizinischer Untersuchungsergebnisse bereits in seiner "Mofa-Entscheidung" zu erkennen gegeben, daß er an dieser unterschiedlichen Betrachtungsweise bei Vorliegen weiterer medizinischer Erkenntnisse nicht mehr festzuhalten gedenke. Zum anderen ist den sicherlich nicht zu leugnenden unterschiedlichen Leistungsanforderungen ja auch durch die gegenüber der 1,3 Promille-Grenze abweichende Grenzziehung - nämlich 1,5 Promille - ausreichend Rechnung getragen.

33

Der Angeklagte hat nach den getroffenen Feststellungen fahrlässig gehandelt. Er fühlte sich nach eigenen Angaben "nicht ganz nüchtern, aber noch fahrtüchtig". Bei ihm zuzumutender Anspannung seiner geistigen Fähigkeiten hätte er jedoch zu dem Schluß kommen können und müssen, daß er nicht mehr am öffentlichen Straßenverkehr als Fahrzeugführer teilnehmen dürfte.

34

Bei der Strafzumessung war neben der Tatsache, daß der Angeklagte bisher unbestraft ist, auch zu berücksichtigen, daß von einen alkkoholisierten Radfahrer im ganzen gesehen eine gegenüber Kraftfahrern geringere Gefährdung der Allgemeinheit ausgeht. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß es durch alkoholbedingte Unsicherheit von Radfahrern häufig zu sogenannten Folgeunfällen kommt, bei denen schneller fahrende Kraftfahrer solchen Radfahrern ausweichen müssen, und die Gewalt über ihr Fahrzeug verlieren. Auch sind nicht selten Unfälle zu registrieren, bei denen Radfahrer bei Zusammenstößen mit Pkw's von diesen "aufgenommen" werden und nach Zerstörung der Windschutzscheibe es zu erheblichen Verletzungen der Insassen des Pkw's kommt.

35

Bei der Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß § 316 StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. Dreher/Tröntle, StGB § 316 Anmerkung 1, A), so daß solche allgemeinen Gefahren "auch wenn sie im konkreten Fall nicht drohten" bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit erhöht nämlich die Gefahr derartiger Unfälle drastisch. Demgemäß erschien es dem Gericht angemessen, gegen den Angeklagten eine Geldstrafe in Höhe von 14 Tagessätzen zu verhängen.

36

Die Höhe eines Tagessatzes war entsprechend den finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten auf 50,- DM festzusetzen.

37

Eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB, bzw. die Anordnung einer sog. "isolierten Sperrfrist" gemaß § 69 a StGB kam ebensowenig in Betracht wie die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 44 StGB.

38

Alle diese gesetzlichen Bestimmungen beziehen sich nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur auf den Kraftfahrer. Eine Anwendung auf den Radfahrer verbietet sich daher.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.

Scholz Richter am Amtsgericht