Amtsgericht Lingen
Beschl. v. 27.08.2009, Az.: 4 C 779/09 (V)

Bibliographie

Gericht
AG Lingen
Datum
27.08.2009
Aktenzeichen
4 C 779/09 (V)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 44812
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGLINGE:2009:0827.4C779.09V.0A

In dem Rechtsstreit

...

hat das Amtsgericht Lingen am 27. August 2009 durch den Richter am Amtsgericht Dr. Reichenbach beschlossen:

Tenor:

  1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

  2. Gerichtskosten werden nicht erhoben, notwendige Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Klägerin möchte den Beklagten u.a. auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch nehmen. Sie behauptet, es sei in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2009 zu erheblichen körperlichen Übergriffen des Beklagten auf sie gekommen, nachdem sich dieser unerlaubt Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft gehabt habe. Er habe mit einer Fingernagelschere auf sie eingestochen und "wie von Sinnen" auf sie eingeschlagen; erst nachdem sie in einem günstigen Moment sich ins Badezimmer habe retten und einschließen können, seien die Übergriffe beendet gewesen. Der alkoholkranke Beklagte sei auch bei diesem Anlass erheblich alkoholisiert gewesen.

2

Der Beklagte bestreitet diese Übergriffe.

3

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil ihr Klagebegehren mutwillig im Sinne von § 114 ZPO ist. Es ist grds. davon auszugehen, dass Mutwilligkeit dann vorliegt, wenn eine begüterte Partei in der Situation der Klägerin, die die Prozesskosten jedenfalls zunächst aus eigenen Mitteln bestreiten müsste, von einer Prozessführung gegen den Beklagten absehen würde. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die beklagte Partei vermögenslos ist und auf lange Zeit keine sinnvolle Perspektive besteht, bei ihr im Falle des Obsiegens nennenswerte Beträge beitreiben zu können (Fischer, in: Musielak, ZPO, 6. Aufl. [2008], § 114, Rdn. 41). Prozesskostenhilfe zur Erwirkung eines Titels gegen einen vollkommen Vermögenslosen kommt daher nicht in Betracht; eine Klage ist nur dann nicht mutwillig, wenn sie überhaupt irgendeinen ökonomischen Sinn macht (vgl. OLG Koblenz, Beschl.v. 3.2.2000, Az. 8 W 68/00, BeckRS 2000, Nr. 30470484).

4

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Versagung von Prozesskostenhilfe wegen Vermögenslosigkeit der beklagten Partei ein eng begrenzter Ausnahmefall ist (Fischer a.a.O.), und dass dabei auch - jedenfalls wenn, wie hier, eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 BGB in Rede steht - die erleichterte Vollstreckungsmöglichkeit nach § 850f Abs. 2 ZPO Bedeutung hat ( OLG Celle, Beschl.v. 15.6.2000, Az. 11 W 22/00 ).

5

Allerdings geht das Gericht davon aus, dass auch in Anbetracht dieser Umstände die Vollstreckung gegen den Beklagten "endgültig und für alle Zeiten" (Fischer, a.a.O. m.N.) aussichtslos ist. Der Beklagte ist 44 Jahre alt und bereits Rentner. Nach Angaben der Klägerin ist er alkoholkrank. Die von dem Beklagten bezogene Rente ist minimal. Zudem hat er zwei minderjährige Kinder, denen er vorrangig zu Unterhalt verpflichtet ist (vgl. auch § 850 f Abs. 2 ZPO ). Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte jemals eine realistische Chance hat so viel Geld zu erwirtschaften, dass er den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auch nur ansatzweise zu erfüllen in der Lage ist.

6

Soweit das OLG Frankfurt (NJOZ 2007, S. 5351 [5354]) auch die bloße Möglichkeit ausreichen lassen, dass der Beklagte einmal erben oder eine Schenkung erhalten könnte, überzeugt diese Überlegung nicht. Denn wenn für eine Erbschaft oder Schenkung überhaupt kein realistischer Anhaltspunkte besteht, handelt es sich dabei lediglich um eine denktheoretisch immer mögliche Hoffnung, aufgrund die eine begüterte Partei aber nicht vertrauen und deshalb Prozesskosten investieren würde. Dies zumal sich im Falle des Beklagten dann immer noch die Frage stellt, ob nicht dessen Abkömmlinge vorrangig aus einem solchen unerwarteten Vermögenszufluss zu befriedigen wären.

Hockemeier
Hanfeld-Grzanna
Albrecht