Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 04.12.2002, Az.: 3 A 232/00

Aufenhtaltstage; Beihilfe; Eingliederungshilfe; Heilbehandlung; logopädische Therapie; Sprachheilkindergarten; Sprachtherapie; stationäre Unterbringung; ärztliche Verordnung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
04.12.2002
Aktenzeichen
3 A 232/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43421
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine Beihilfe für Durchführung einer logopädischen Therapie im Rahmen einer Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem BSHG in Form des Besuchs des Sprachheilkindergartens ohne ärztliche Verordnung.

Auch bei ärztlicher Verordnung der logopädischen Therapie kommt die Gewährung einer Beihilfe bei stationärer Eingliederungshilfe nur für die Behandlungstage, nicht aber für die gesamte Zeit der stationären Unterbringung in Betracht.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt aus übergeleitetem Recht Beihilfe zu Aufwendungen für logopädische Behandlungen zweier Kinder eines Beamten der Bundesrepublik Deutschland.

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Am 13.03.1998 wurden die Kinder anlässlich eines Sprechtags für Hör– und Sprachgeschädigte einem „Fachberater für Hör– und Sprachgeschädigte beim Niedersächsischen Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben“ vorgestellt, der eine baldmögliche Aufnahme der Kinder in einen Sprachheilkindergarten für die Dauer von 12 Monaten empfahl. Diesbezügliche amtsärztliche Stellungnahmen vom 16.03.1998 lauteten dahin, dass die Durchführung der empfohlenen Maßnahme amtsärztlicherseits / ärztlicherseits für erforderlich erachtet werde.

3

Mit Bescheiden vom 11.05.1998 gewährte der Kläger den Eltern der Kinder Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem BSHG in Form des Besuchs des Sprachheilkindergartens der Heilpädagogischen Hilfe A. – im folgenden: Einrichtung – für längstens ein Jahr und zog die Eltern mit Leistungsbescheiden vom 04.09.1998 jeweils zu einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 30.- DM heran. Diese Hilfeleistung wurde mit Bescheiden vom 18.06.1999/08.07.1999 und 01.11.2000 um jeweils ein weiteres Jahr auf der Grundlage im Vergleich zur Erstbescheinigung gleichlautender amtsärztlicher Stellungnahmen verlängert.

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Mit Schreiben vom 15.01.1999 wies die Einrichtung den Kläger unter Übersendung informatorischer Rechnungen zum Zwecke der Beantragung einer Beihilfe darauf hin, dass Heilbehandlungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV nicht durchgeführt würden und teilte unter dem 02.06.1999 mit, dass die Kinder durch einen staatlich geprüften Logopäden in ihrer Einrichtung sprachtherapeutisch versorgt würden. Auch ausweislich der den Beihilfeantragsschreiben des Klägers vom 06.12.1999 beigefügten informatorischen Rechnungen zur Beantragung einer Beihilfe werden in der betreuenden Einrichtung Heilbehandlungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV nicht durchgeführt. Auf Anforderungen der Beklagten ist dieser eine Aufstellung vom 01.12.1999 der Einrichtung über die geleisteten Sprachheilbehandlungen bezüglich beider Kinder zugesandt worden.

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Auf einen Beihilfeantrag vom 11.12.1999 anerkannte die Beklagte für jede für das erste Halbjahr 1999 ausgewiesene Behandlung einen Betrag von 20.- DM als beihilfefähig und gewährte für 99 Behandlungen auf der Basis eines Bemessungssatzes von 80% eine Beihilfe in Höhe von 1.584.- DM. Mit Bescheid vom 07.07.2000 gewährte die Beklagte auf einen Beihilfeantrag vom 08.05. bzw. 29.06.2000 auf gleicher Grundlage Beihilfeleistungen in Höhe von 1040 DM (80% von 1300 DM) für 65 Heilbehandlungen beider Kinder im zweiten Halbjahr des Jahres 1999.

6

Demgegenüber begehrt der Kläger mit Widerspruch vom 21.02.2000 die Gewährung von 20.- DM pro Tag der Anwesenheit in der Einrichtung unter Bezugnahme auf Nr. 4.2 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 der Beihilfevorschriften. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 03.03.2000 mangels Überleitungsanzeige als unzulässig zurück.

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Mit Bescheid vom 10.04.2000 teilte der Kläger mit, dass er die Beihilfeansprüche gemäß § 90 BSHG auf sich übergeleitet habe und erhob mit Schreiben vom gleichen Tag ohne weitere Ausführungen erneut Widerspruch und beantragte mit drittem Schreiben dieses Tages unter Beifügung einer Kostenaufstellung der Einrichtung die Gewährung von Beihilfe. Mit weiterem Beihilfeantrag vom 27.09.2000 erhob der Kläger Widerspruch gegen einen Beihilfebescheid vom 07.07.2000 und erinnerte an die ausstehende Bescheidung des Widerspruchs vom 10.04.2000. Mit Schreiben vom 06.10.2000 wies die Beklagte daraufhin, dass der erneute Widerspruch wegen zwischenzeitlicher Bestandskraft des Beihilfebescheids ebenfalls unzulässig sei und wies die Widersprüche vom 21.02. und 10.04.2000 mit Bescheid vom 01.11.2000 wegen fehlender Widerspruchsbefugnis als unzulässig zurück, weil die Überleitung erst mit Schreiben vom 10.04.2000 erfolgt sei.

8

In Umsetzung einer Stellungnahme des Niedersächsischen Landesamts für Zentrale Soziale Aufgaben vom 23.11.2000 hat der Kläger in Verfolgung seines Rechtsstandpunktes am 06.12.2000 Klage erhoben.

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Mit Bescheid vom 30.11.2000 berichtigte der Kläger seine Überleitungsanzeige vom 10.04.2000 gegenüber der Beklagten dahingehend, dass sämtliche Beihilfeansprüche des Beihilfeberechtigten bezüglich der teilstationären Betreuung beider Kinder ab dem 01.01.1999 auf den Kläger übergeleitet würden.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.069,71 € zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klagen abzuweisen.

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Die Beklagte vertritt die Ansicht, eine Beihilfegewährung komme nicht für solche Aufenthaltstage der Kinder in der Einrichtung in Betracht, an denen keine logopädische Behandlung erfolgt sei.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klagen sind unbegründet. Ein Beihilfeanspruch besteht nicht. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für „eine vom Arzt schriftlich verordnete Heilbehandlung“. Eine derartige ärztliche Verordnung liegt nicht vor.

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Als ärztliche Verordnung im beihilferechtlichen Sinne lassen sich auch nicht die die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens bezüglich der Gewährung von Eingliederungshilfe für Behinderte nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes jeweils eingeholten amtsärztlichen Stellungnahmen werten. Bei diesen handelt es sich gerade nicht um Verordnungen von Heilbehandlungen eines behandelnden Arztes. Vielmehr hat der Kläger seinen verwaltungseigenen Amtsarzt im Rahmen der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Kinder und der Erforderlichkeit einer seitens eines Fachberaters für Hör– und Sprachgeschädigte vorgeschlagenen Art der Hilfegewährung als medizinischen Sachverständigen zugezogen. Dessen Stellungnahme lautet denn auch lediglich dahingehend, dass die vorgeschlagene Maßnahme, nämlich die Aufnahme in einen Sprachheilkindergarten, für erforderlich erachtet wird. Dabei war die Gewährung medizinischer Hilfeleistungen im Sinne einer ärztlich verordneten Heilbehandlung – sofern diese vom Amtsarzt überhaupt konkret in den Blick genommen worden ist – nicht Aufgabe des Amtsarztes, der zur ärztlichen Behandlung der Kinder weder beauftragt noch befugt war.

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Eine ärztliche Verordnung im Sinn der Beihilfevorschriften stellt die amtsärztliche Stellungnahme auch bereits deshalb nicht dar, weil sie – ihrem Charakter als Begutachtung der empfohlenen Hilfegewährung nach dem Bundessozialhilfegesetz gemäß – die logopädische Therapie weder nach Art noch Umfang spezifiziert. Diese den zentralen Gegenstand der ärztlichen Verordnung bildenden Entscheidungen durften jedoch nicht der leistungserbringenden wie rechnungstellenden Einrichtung überlassen bleiben.

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Zudem hat die Einrichtung selbst den Beklagten in den diesem übersandten „informatorischen Rechnungen“ ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der Einrichtung keine Heilbehandlungen durchgeführt würden. Dieser Umstand spricht ebenfalls dafür, dass zumindest im Regelfall bei Hilfeleistungen der vorstehenden Art die Durchführung von medizinischen Heilbehandlungen nicht in Rede steht, so dass auch insoweit keine Veranlassung zu der Annahme besteht, der Amtsarzt habe sich zur Notwendigkeit einer logopädischen Therapie äußern oder gar deren ärztliche Verordnung selbst vornehmen wollen. Vorliegend brauchte das Gericht daher nicht der Frage nachzugehen, ob entgegen vorstehender Mitteilung der Einrichtung tatsächlich eine im beihilferechtlichen Sinne verordnungsfähige logopädische Therapie durchgeführt worden ist; so dass weder Art und Umfang der logopädischen Betreuung noch die Qualifikation des dazu eingesetzten Personals aufzuklären waren.

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Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte auch für solche Aufenthaltstage in im Sprachheilkindergarten Beihilfe gewähren sollte, an denen keine logopädische Behandlung erfolgte, die Gewährung von Eingliederungshilfe im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes somit ersichtlich alleiniger Zweck der Unterbringung gewesen ist. Gemäß § 6 Absatz 1 Nr. 3 Satz 1 BhV sind Aufwendungen für eine „Heilbehandlung“ beihilfefähig, wozu gemäß nachfolgenden Satz 2 auch eine Sprachtherapie, die von einem Logopäden durchgeführt wird (Satz 3), gehört. Aus dieser Begrifflichkeit ergibt sich nicht, dass im Falle jedweder stationären Unterbringung auch die mit dieser verbundenen Aufwendungen beihilfefähig sind. Vielmehr ist Voraussetzung, dass die stationäre Unterbringung gerade wegen der Heilbehandlung erfolgt. Heilbehandlung in diesem Sinn ist jedoch nicht die als Eingliederungshilfe gewährte Unterbringung in der Einrichtung als solche, sondern allenfalls eine in diesem Rahmen, d.h. bei Gelegenheit der stationären Unterbringung, erfolgte logopädische Therapie. Auch die Höchstbetragsregelungen unter Abschnitt VIII zu Nr. 3 der Hinweise des Bundesministers des Innern zu § 6 Absatz 1 Nr. 3 gibt für die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für einen stationären Aufenthalt keinen Anhaltspunkt; vielmehr werden lediglich für Einzel– und Gruppenbehandlungen gestaffelt nach deren Dauer unterschiedliche Höchstsätze festgelegt, ohne dass insoweit eine stationäre Unterbringung in Bezug genommen würde.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 Abs. 1, 2 Nr. 3, 4 i.V.m. 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001 - BGBl. I, S. 3987) liegen nicht vor.