Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.04.1993, Az.: 14 U 62/92

Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten ohne Abzug für ersparte Eigenkosten; Anrechnung der Kosten für Öl- und Schmierstoffe, Bereifung und Reparatur- (Inspektions-)Anteile als ersparte Eigenkosten bei der Schadensregulierung; Grundsatz der Vorteilsausgleichung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.04.1993
Aktenzeichen
14 U 62/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 15478
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1993:0401.14U62.92.0A

Fundstellen

  • NJW-RR 1993, 1052-1053 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1994, 741-742 (Volltext mit red. LS)

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 1993
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 30. Januar 1992 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt 1.413,80 DM.

Tatbestand

1

Am 15.12.1990 verursachte der Beklagte mit dem Pkw Porsche 911 Carrera 2 des Klägers einen Verkehrsunfall. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Beklagte den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Streitig sind lediglich noch die Positionen Mietwagenkosten (der Kläger hat 7.768,80 DM verlangt, der Beklagte hat nach Klageerhebung 6.603,48 DM gezahlt) und merkantiler Minderwert (der Kläger hat 7.334,90 DM verlangt, der Beklagte hat nach Klageerhebung 3.500,00 DM gezahlt); weiter hat der Kläger eine Kostenpauschale von 40,00 DM geltend gemacht, die der Beklagte für überhöht gehalten hat.

2

Unter Berücksichtigung der vom Beklagten geleisteten Zahlungen hat der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.040,22 DM nebst 14 % Zinsen auf 15.143,70 DM für den Zeitraum vom 26.06.1991 bis zum 25.11.1991 und 14 % Zinsen auf 5.040,22 DM seit dem 26.11.1991 zu zahlen.

3

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

4

Er war der Ansicht, daß der Kläger sich bei den Mietwagenkosten 15 % ersparte Eigenkosten anrechnen lassen müsse, daß der merkantile Minderwert entsprechend einem von ihm vorgelegten Sachverständigengutachten lediglich 3.500,00 DM betrage und daß eine Kostenpauschale von nur 30,00 DM gerechtfertigt sei.

5

Das Landgericht hat die Klageforderung bis auf einen Betrag von 10,00 DM (30,00 DM statt 40,00 DM Kostenpauschale) und bis auf den 4 % übersteigenden Zinsbetrag für gerechtfertigt angesehen und den Beklagten entsprechend zur Zahlung verurteilt.

6

Gegen dieses Urteil wendet der Beklagte sich mit seiner Berufung; er vertritt weiterhin die Ansicht, daß der Kläger sich von den Mietwagenkosten 15 % ersparte Eigenkosten anrechnen lassen müsse; außerdem meint er, das Landgericht habe den merkantilen Minderwert um 248,43 DM zu hoch berechnet, weil von einem gegenüber dem Neupreis um 10.000,00 DM niedrigeren Zeitwert des beschädigten Fahrzeugs ausgegangen werden müsse. Demgemäß erstrebt der Beklagte mit seiner Berufung, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, unter Änderung des angefochtenen Urteils eine Klageabweisung in Höhe weiterer 1.413,80 DM.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Berufung (§§ 511, 511 a, 518 519 ZPO) ist unbegründet.

8

1.

Zutreffend hat das Landgericht dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz der gesamten Mietwagenkosten (7.768,80 DM) zugesprochen. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt hier kein Abzug für ersparte Eigenkosten in Betracht.

9

a)

Grundsätzlich muß sich der Halter eines Kraftfahrzeugs, der für die Dauer der Reparatur seines unfallbeschädigten Fahrzeugs vom Schädiger Erstattung der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges verlangen kann, ersparte Eigenkosten anrechnen lassen; hierzu gehören die Kosten für Öl- und Schmierstoffe, Bereifung und Reparatur- (Inspektions-)Anteile (BGH NJW 1963, 1399 f. und 1400 f.). Dies folgt aus dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Vorteilsausgleichung: Besteht zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang, ist eine Anrechnung des Vorteils aus der Sicht des Geschädigten zumutbar, entspricht sie dem Zweck des Schadenersatzes und entlastet sie den Schädiger nicht unbillig, dann ist der Vorteil auf den Schadenersatzanspruch anzurechnen; der Geschädigte darf nicht besser stehen, als er ohne das schädigende Ereignis stünde (st. Rspr. des BGH, vgl. nur BHGZ 91, 206, 209 f.). So liegen die Dinge hier. Der Kläger konnte sein Fahrzeug während der Dauer der Reparatur nicht benutzen; dadurch hat er Eigenkosten erspart, was für ihn einen wirtschaftlichen Vorteil bedeutete. Dieser Vorteil war eine unmittelbare und adäquate Folge des schädigenden Ereignisses, nämlich der Beschädigung des Fahrzeugs durch den Beklagten. Die Anrechnung des Vorteils ist aus der Sicht des Klägers zumutbar, weil er anderenfalls wirtschaftlich besser stünde als ohne das Schadensereignis; er hat sich eines Mietfahrzeugs auf Kosten des Beklagten bedient und dadurch sein eigenes Fahrzeug geschont sowie anteilige Betriebskosten gespart. Dem Zweck des Schadenersatzes entspricht es, eine solche Besserstellung des Geschädigten zu verhindern. Dies wird durch die Vorteilsausgleichung erreicht (vgl. BGH NJW 1963, 1399).

10

b)

Nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung, welcher der Senat bisher gefolgt ist, muß der Vorteilsausgleich und damit eine Anrechnung ersparter Eigenkosten auch dann vorgenommen werden, wenn ein Kraftfahrzeughalter für die Dauer der Reparatur seines unfallbeschädigten Fahrzeugs keinen typgleichen Ersatzwagen, sondern ein Fahrzeug einer niedrigeren Klasse anmietet (OLG Düsseldorf VersR. 1969, 429; OLG Nürnberg MDR 1978, 491; OLG Köln, DAR 1985, 385; KG DAR 1976, 241; NZV 1988, 23; OLG Karlsruhe VersR. 1980, 390; DAR 1990, 20; OLG Frankfurt DAR 1990, 144; a.A. OLG Frankfurt NJW 1984, 1902; LG Berlin NJW-RR 1991, 151 [LG Berlin 25.06.1990 - 58 S 86/90]), Dem vermag der Senat für den vorliegenden Fall nicht zu folgen.

11

aa)

Der geschädigte Kraftfahrzeughalter ist gemäß § 249 BGB wirtschaftlich so zu stellen, wie er ohne die Beschädigung seines Fahrzeugs stünde. Er ist deshalb grundsätzlich berechtigt, für die Dauer der Reparatur seines beschädigten Fahrzeugs ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug anzumieten; eine Verpflichtung gemäß § 254 Abs. 2 BGB, sich zum Zweck der Schadensminderung mit einem leistungsschwächeren oder weniger komfortablen Fahrzeug begnügen zu müssen, besteht grundsätzlich nicht (BGH NJW 1982, 1518, 1519) [BGH 02.03.1982 - VI ZR 35/80]. Erst wenn ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzugs seines Fahrzeugs die aufgewendeten Mietwagenkosten nicht mehr für erforderlich halten durfte, wenn also ein typgleiches Fahrzeug nur zu einem besonders hohen Mietzins zu haben ist und nur für eine kurze Zeit benötigt wird, kann der Geschädigte gehalten sein, sich mit einem weniger komfortablen Wagentyp zu begnügen (BGH, a.a.O.). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Zwar wäre ein typgleiches Fahrzeug nur zu besonders hohen Kosten anzumieten gewesen - nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers für 399,00 DM pro Tag zuzüglich 4,95 DM pro gefahrenen Kilometer -; aber wegen der langen Reparaturdauer von 35 Tagen benötigte der Kläger das Ersatzfahrzeug nicht nur für eine kurze Zeit. Deshalb durfte er ein typgleiches Fahrzeug anmieten, und zwar selbst dann, wenn - wofür hier keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - er mit einer langen Reparaturdauer rechnen mußte (vgl. BGH, a.a.O.).

12

bb)

Begnügt sich der geschädigte Kraftfahrzeughalter während der Dauer der Reparatur seines beschädigten Fahrzeugs mit der Benutzung eines leistungsschwächeren oder weniger komfortablen Fahrzeugs und mietet er deshalb einen Ersatzwagen einer niedrigeren Klasse an, bringen ihm die ersparten Eigenkosten einen gleichhohen wirtschaftlichen Vorteil ein wie bei der Anmietung eines typgleichen Ersatzwagens. Auch in einem solchen Fall sind deshalb die ersparten Eigenkosten grundsätzlich im Wege des Vorteilsausgleichs auf den Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten anzurechnen. Wenn allerdings, wie hier, die fiktiven Kosten für die zulässige Anmietung eines typgleichen Ersatzwagens abzüglich der ersparten Eigenkosten die tatsächlich vom Geschädigten aufgewendeten Mietwagenkosten erheblich übersteigen, ist für einen Vorteilsausgleich kein Raum mehr. Denn die Anrechnung ersparter Eigenkosten führte in einem solchen Fall zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers; er käme in den Genuß zweier Vorteile, nämlich zum einen die Anrechnung ersparter Eigenkosten und zum anderen den Verzicht des Geschädigten auf Anmietung eines typgleichen Ersatzwagens. Dies entspräche nicht mehr dem Zweck des Schadenersatzes, weil der letztgenannte Vorteil nicht im adäquaten Kausalzusammenhang mit dem schädigenden Ereignis steht, sondern ausschließlich auf dem freiwilligen Verhalten des Geschädigten beruht. Eine Schadensminderung durch überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten soll den Schädiger aber nicht entlasten (BGHZ 55, 329, 332, 334) [BGH 16.02.1971 - VI ZR 147/69]. Deshalb entfällt hier die Anrechnung ersparter Eigenkosten. Der Kläger hat ohne rechtliche Verpflichtung einen Ersatzwagen einer niedrigeren Klasse angemietet (Mazda 626 statt Porsche 911 Carrera 2) und dafür 8.856,43 DM brutto aufwenden müssen; bei einer Mietdauer von 35 Tagen à 399,00 DM und 4.750 gefahrenen Kilometern ä 4,95 DM für einen Porsche 911 Carrera 2 ergäben sich Kosten von 37.477,50 DM. Davon wären ersparte Eigenkosten von bis zu maximal 20 % der Mietwagenkosten abzuziehen, so daß der Beklagte 29.982,00 DM zu erstatten hätte. Die Differenz zwischen den vom Kläger tatsächlich aufgewendeten und den vom Beklagten hypothetisch zu ersetzenden Mietwagenkosten ist so groß, daß eine Anrechnung ersparter Eigenkosten den Beklagten unbillig entlastete.

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cc)

Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 2. Dezember 1966 (NJW 1967, 552) nicht entgegen. Dort wird zu der Frage Stellung genommen, ob ein Geschädigter allein wegen der Anmietung eines Ersatzwagens einer niedrigeren Klasse einen Anspruch auf zusätzlichen Ersatz gegen den Schädiger (aus § 253 BGB) erhält oder nicht; nur diese Frage wird verneint. Die Entscheidung sagt jedoch nichts dazu, ob die Anrechnung ersparter Eigenkosten - die in dem dort entschiedenden Fall erfolgt war - in der hier vorliegenden Fallkonstellation zu unterbleiben hat oder nicht.

14

dd)

Die außergerichtliche Regulierungspraxis der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungen steht im Einklang mit der hier vertretenen Ansicht. Dem Senat ist bekannt, daß sich ein geschädigter Kraftfahrzeughalter in der Regel keine ersparten Eigenkosten bei der Anmietung eines Ersatzwagens einer niedrigeren Klasse anrechnen lassen muß, wenn es zu einer einvernehmlichen Schadensregulierung kommt.

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2.

Zutreffend hat das Landgericht dem Kläger den nach der Methode Ruhkopf/Sahm mit 7.334,90 DM berechneten merkantilen Minderwert in der gesamten Höhe zuerkannt. Zwar ist bei der Berechnung des merkantilen Minderwertes eines unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs der Schätzung eines Sachverständigen, der das Fahrzeug begutachtet hat, der Vorrang vor tabellarischen Berechnungsmethoden zu geben (OLG Köln NZV 1992, 404). Das vom Beklagten dem Landgericht vorgelegte Sachverständigengutachten war jedoch zum Nachweis des darin festgestellten Minderwertes von 3.500,00 DM ungeeignet. Der Gutachter hat das instandgesetzte Fahrzeug nicht besichtigt; aus dem Gutachten ergibt sich nicht, daß die Festsetzung des Minderwertes aufgrund des Alters und des Zustandes des Fahrzeugs sowie unter Berücksichtigung des Marktes für Fahrzeuge dieses Typs erfolgte. Damit wurden wesentliche Schätzungsgrundlagen nicht beachtet.

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Das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine Herabsetzung des vom Landgericht angenommenen merkantilen Minderwertes. Der Beklagte geht - ebenso wie der Kläger - bei seiner Berechnung von der Methode Ruhkopf/Sahm aus und kommt wegen des behaupteten niedrigeren Zeitwerts des beschädigten Fahrzeugs auf einen um 248,43 DM niedrigeren Minderungsbetrag. Da die angewandte Berechnungsmethode lediglich einen Anhalt für eine Schätzung des merkantilen Minderwertes gibt, schätzt der Senat (§ 287 ZPO) angesichts der geringen Differenz von ca. 3 % Zwischen dem vom Kläger begehrten und dem vom Beklagten errechneten Betrag den merkantilen Minderwert ebenso wie das Landgericht auf 7.334,90 DM; dies auch insbesondere deshalb, weil dem Senat bekannt ist, daß hochwertige Kraftfahrzeuge wie der Porsche 911 Carrera 2 einen geringeren Wertverlust als erheblich preisgünstigere Kraftfahrzeuge erleiden, so daß der Zeitwert des beschädigten Fahrzeugs eher in der Nähe der vom Kläger genannten Größenordnung als in der vom Beklagten behaupteten liegen dürfte.

17

3.

Nach alledem hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Er muß deshalb die Kosten des Berufungsverfahrens tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.