Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 24.01.2006, Az.: 8 U 205/05
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 24.01.2006
- Aktenzeichen
- 8 U 205/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 42109
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2006:0124.8U205.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - AZ: 4 O 243/04
Tenor:
Der Senat weist den Kläger darauf hin, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen.
Gegen das angefochtene Urteil gibt es nichts zu erinnern.
Tatbestand:
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte gem. § 2287 BGB weder ein Anspruch auf Löschungsbewilligung in Bezug auf das streitbefangene Wohnrecht zu noch kann er Herausgabe der Wohnung und Nutzungsentschädigung verlangen. Die vom Erblasser der Beklagten unter der Bedingung ihres Überlebens mit seinem Tod eingeräumte beschränkt persönliche Dienstbarkeit ist auch gegenüber dem Kläger wirksam begründet worden.
Der Kläger hat nicht den ihm obliegenden Beweis dafür erbracht, dass der Erblasser in der Absicht, ihn zu beeinträchtigen, der Beklagten die Schenkung gemacht hat.
- 1.
Der Erblasser hat die Schenkung vor seinem Tod vollzogen, so dass gem. § 2301 Abs. 2 BGB die Vorschrift über Schenkungen unter Lebenden und damit § 2287 BGB Anwendung findet.
Die Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ins Grundbuch ist am 13. Januar 2003 (Bl. 137 d.A.) erfolgt.
Die aufschiebende Bedingung des Todes des Erblasser hindert den Vollzug nicht. Aus dem Wesen der Bedingung und dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 BGB folgt, dass das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft tatbestandlich mit seiner Vornahme vollendet ist - die Parteien daher fortan bindet - und seine Wirksamkeit mit dem Bedingungsfall eintritt, ohne dass die Willenseinigung der Partei noch Bestand haben müsste (BGH NJW 1994, 3227, 3228 [BGH 21.09.1994 - VIII ZR 257/93]).
Der Vollzug der Schenkung durch Leistung des zugewendeten Gegenstandes setzt voraus, dass der Schenker das Vermögensopfer erbracht und der Beschenkte zumindest ein Anwartschaftsrecht erhalten hat. Insoweit kann auch die Zuwendung unter der aufschiebenden Bedingung des Überlebens des Bedachten vollzogene Schenkung sein. Hierfür entscheidend ist, dass der Schenkende zu Lebzeiten alles zur Verwirklichung der Zuwendung Erforderliche getan hat und daran bis zu seinem Tode gebunden ist (KG NJW 1971, 1808). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dem Erblasser war eine Löschung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit ohne Mitwirkung der Beklagten als Begünstigte nicht einseitig möglich. Dass dieses Anwartschaftsrecht weder vererblich noch übertragbar oder pfändbar war, ändert an der gesicherten Rechtsposition der Beklagten nichts, sondern stellt lediglich eine Auswirkung des übertragenen Rechts, der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit, dar.
Der Behauptung des Klägers, es liege eine Schenkung unter Auflage vor, so dass der Erblasser einseitig gem. § 527 BGB die Herausgabe verlangen könne, kann nicht gefolgt werden. Eine Schenkung unter Auflage gem. § 525 BGB liegt nur dann vor, wenn der Empfänger mit der Auflage zu einer Leistung verpflichtet sein soll, die aus dem Zuwendungsgegenstand zu entnehmen ist. Daran fehlt es hier. Zudem war die Begründung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft möglicherweise das Motiv der Schenkung, nicht aber deren Auflage. Denn es ist nicht dargetan, dass der Erblasser mit der Schenkung die Vollziehung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft verlangen können sollte.
Ob unter den Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Rückforderung des Wohnrechts hätte erfolgen können, kann dahingestellt bleiben. Derartige außergewöhnliche Umstände können sich auf nahezu alle schuldrechtlichen und dinglichen Verträge auswirken, ohne dass dieses - seltene - Risiko die durch den Vertrag begründete Rechtsstellung des Begünstigten zuvor in irgend einer Weise beeinträchtigt.
Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, es könne nicht sein, wenn der vollzogenen Schenkung zu Lebzeiten unbedingte Rechtswirksamkeit zukomme, während das bei einem inhaltsgleichen Testament oder einem inhaltsgleichen Erbvertrag wegen Verstoßes gegen § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB (richtig wohl: § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB) nicht der Fall gewesen wäre. Die zu Lebzeiten des Erblassers bereits vollzogene Schenkung rechtfertigt nach dem Willen des Gesetzes, wie er in § 2301 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt, eine abweichende Regelung gegenüber dem bloßen Schenkungsversprechen unter einer Überlebensbedingung oder einer letztwilligen Verfügung, bei denen der Rechtserwerb erst mit dem Tod des Erblassers eintritt.
- 2.
Der Kläger hat auch nicht den ihm obliegenden Nachweis geführt, dass die Schenkung des Erblassers in der Absicht erfolgt ist, ihn als Schlusserben zu beeinträchtigen. Nach feststehender Rechtsprechung ist die Vorschrift des § 2287 BGB, die den Vertragserben betrifft, auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testamentes entsprechend anzuwenden, das nach dem Tode des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist (BGHZ 66, 8, 15 m.w. Nachw.).
Grundsätzlich kann und darf der Erblasser nach § 2286 BGB über sein Vermögen trotz der eingegangenen Bindung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden frei verfügen. Missbraucht der Erblasser jedoch die ihm verbliebene Verfügungsmacht, dann genießt der Vertragserbe oder Schlusserbe den Schutz des § 2287 BGB. Die Benachteiligungsabsicht im Sinne der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden und daher - vielleicht von Ausnahmefällen abgesehen - in einer solchen Lage praktisch immer gegeben (BGHZ 66, 8, 15; BGHZ 82, 274, 282). Dennoch greift die Vorschrift nicht bei fast jeder Schenkung dieser Art ein. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat (BGH a.a.O.). Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte. Die Beweislast dafür, dass ein solches, vom Beschenkten dargetanes Interesse nicht vorlag, trägt der Schlusserbe (BGH a.a.O.). Ob der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte, hängt davon ab, ob die Gründe, die den Erblasser zu der Verfügung bestimmt haben, ihrer Art nach so sind, dass der Schlusserbe sie anerkennen und dass er die Beeinträchtigung daher hinnehmen muss. Dabei sind die Bindung des Erblassers an das gemeinschaftliche Testament einerseits und seine Gründe für die Benachteiligung des Schlusserben andererseits unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände zueinander in Beziehung zu setzen und deren Gewicht miteinander zu vergleichen (BGHZ 83, 44, 46).
Für die Anerkennung eines lebzeitigen Eigeninteresses genügt es danach nicht, dass nach dem gemeinschaftlichen Testament beim Erblasser ein Sinnenswandel eingetreten ist, wenn im Übrigen die Umstände, wie sie im Zeitpunkt dieser Verfügung vorlagen, unverändert fortbestehen (BGHZ 77, 264, 268 f.).
Dagegen liegt ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse nach der Rechtsprechung dann vor, wenn der Erblasser mittels der Schenkung seine Versorgung und Pflege im Alter sichern wollte ( BGH FamRZ 1977, 539, 540; BGHZ 88, 269, 270) oder wenn die Schenkung als Dank für geleistete oder noch zu leistende Dienste, Pflege oder Hilfe erfolgt (OLG Köln ZEV 2000, 106, 107).
Vorliegend hat der Kläger als der durch die Verfügung benachteiligte Schlusserbe nicht bewiesen, dass die Schenkung ohne ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers von diesem getroffen worden ist.
Die Beklagte ist insoweit der ihr obliegenden Darlegungslast nachgekommen. Sie hat im Einzelnen vorgetragen, dass der Erblasser mit der Einräumung des Wohnrechts die Beklagte an sich binden, damit die Beziehung zwischen ihm und der Beklagten auf eine sichere Grundlage stellen und sich so die tägliche Versorgung und Pflege im Alter sichern wollte. Diese Beweggründe für die Schenkung werden gestützt durch die Tatsache, dass die Beklagte ihre seit 13 Jahren bewohnte Wohnung mit Schreiben vom 10. September 2002 (Bl. 123 d.A.) gekündigt und ihre Tätigkeit als Kinderbetreuerin aufgegeben hatte, um mit dem Erblasser eine nichteheliche Lebensgemeinschaft einzugehen, als dieser mit notariell beglaubigter Urkunde vom 18. November 2002 (Hülle Bl. 91 d.A.) der Beklagten das Wohnrecht eingeräumt hat. Damit war Zweck der zu Weihnachten 2002 erfolgten Schenkung - wie der Kläger im Schriftsatz vom 21. Januar 2005 (Bl. 128 f.d.A.) selbst einräumt - die "Belohnung" der Beklagten für die Begründung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Mitte Dezember 2002 und die Sicherstellung von deren Fortdauer. Dann aber wollte der Erblasser mit der Schenkung eine gedeihliche Grundlage für die nichteheliche Lebensgemeinschaft schaffen und zwar in der naheliegenden Hoffnung, dass ihm die Zuwendung und Betreuung der Beklagten bis zum Tode erhalten bleibe (vgl. BGH NJW 1992, 2630, 2631 [BGH 17.06.1992 - IV ZR 88/91] betreffend eine eheliche Lebensgemeinschaft). Daran ändert nichts die Tatsache, dass die Beklagte ein wenig älter als der Erblasser ist, denn allein das Alter lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass die Beklagte nach den Vorstellungen des Erblassers nicht noch lange Zeit in der Lage gewesen wäre, sein Bedürfnis nach Zuwendung, Versorgung und Pflege zu erfüllen.
Demgegenüber kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des OLG Köln vom 30.09.1991 - 2 W 140/91 -, FamRZ 1992, 607 berufen. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der dortige Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist. Dort ist ausgeführt, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse dann nicht bejaht werden kann, wenn sich nach Abschluss der bindenden Verfügung eine engere personale Bindung zum Beschenkten entwickelt hat und der Erblasser dieser Zuneigung durch die Schenkung Ausdruck verleihen will. Vorliegend ist das billigenswerte Eigeninteresse des Erblassers - abweichend von dem geschilderten Fall - darin zu sehen, dass der Erblasser die Beklagte durch den schon zu Lebzeiten geschlossenen Schenkungsvertrag stärker an sich binden wollte in der naheliegenden Hoffnung, sich ihre Zuwendung und Betreuung für den letzten Lebensabschnitt im Rahmen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu sichern.
Gründe
II.
Die Klage auf Herausgabe diverser Bücher, Musik-CD`s, Zinnteller und -krüge sowie sämtliches Ess- und Kochgeschirr einschließlich Trinkgläsern und Besteck ist unzulässig.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Daran gemessen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH NJW 1999, 954 [BGH 14.12.1998 - II ZR 330/97]). Diese Voraussetzungen erfüllt der vorliegende Klageantrag nicht. Es fehlt an einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist bereits im Erkenntnisverfahren zu klären, welche Gegenstände im Einzelnen die Beklagte herauszugeben hat. Diese Frage kann nicht durch eine unbestimmte Antrags- und Urteilsformel in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dieses ist auf die Entscheidung solcher Streitfragen nicht zugeschnitten und bietet dafür nicht die nötigen Rechtsgarantien (BGH NJW 1981, 749 [BGH 24.11.1980 - II ZR 194/79]; NJW 1983, 1056).
Mangels einer konkreten Bezeichnung der herausverlangten Gegenstände ist es dem Gerichtsvollzieher im Rahmen einer etwaigen Zwangsvollstreckung nicht möglich, diese zu identifizieren, zumal die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 14. Februar 2005 (Bl. 72 ff.d.A.)vorgetragen hat, dass sie Haushaltsgegenstände aus ihrer früheren Wohnung mit denen des Klägers vermischt hat.
An der Unbestimmtheit des Klageantrags ändert auch nichts die Tatsache, dass der Kläger sein Herausgabeverlangen auf die im Klagantrag zu 5) bezeichneten Gegenstände beschränkt hat, die sich am 26. August 2003, dem Todestag des Erblassers, im Nachlass befunden haben. Damit mögen diese Gegenstände für die Beklagte identifizierbar sein, nicht aber für den Gerichtsvollzieher im Rahmen einer etwaigen Zwangsvollstreckung.
Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme oder Rücknahme der Berufung bis zum
23. Februar 2006
gegeben.
Die Frist zur Vorlage der Berufungserwiderung entfällt.