Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 18.10.1994, Az.: 5 U 81/94
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 18.10.1994
- Aktenzeichen
- 5 U 81/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 25383
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1994:1018.5U81.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- 03.05.1994 — 7 O 2931/93
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 04. Oktober 1994 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht . die Richterin am Oberlandesgericht . und den Richter am Oberlandesgericht .
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 03. Mai 1994 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts . wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 10.500,-; DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,-; DM.
Tatbestand:
Mit der am 01.10.1993 eingereichten und dem Beklagten am 13.01.1994 zugestellten Klage hat der Kläger im Wege der Stufenklage Auskunft über den Nachlaß des am 27.12.1966 verstorbenen . hinsichtlich näher bezeichneter in . und . gelegener Grundstücke durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens, die eidesstattliche Versicherung, daß der Bestand des Nachlasses richtig angegeben ist und nach Erteilung der Auskunft Zahlung eines Pflichtteils in Höhe von einem Viertel des Nachlaßwertes verlangt.
Der Kläger ist Sohn des am 27.12.1966 verstorbenen . und dessen Ehefrau .. Diese hatten durch gemeinschaftliches Testament ihre ebenfalls inzwischen verstorbene Tochter, die Ehefrau des Beklagten, zur Alleinerbin eingesetzt. Der Kläger und eine weitere Schwester wurden auf dem Pflichtteil gesetzt. Der Beklagte ist Alleinerbe seiner verstorbenen Ehefrau.
1970 hatte der Kläger aus dem Vermögen seines Vaters als Pflichtteil 25.000,-; DM erhalten. Dabei war lediglich das Vermögen im Bereich der Bundesrepublik zugrundegelegt worden. Der ebenfalls vorhandene Grundbesitz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR war nicht berücksichtigt worden.
Für die Grundstücke in . und . hat der Beklagte Anträge auf Rückübertragung bei den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen nach dem Vermögensgesetz gestellt.
Der Kläger verlangt letztlich eine Erhöhung seines Pflichtteils.
Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit dem am 03.05.1994 verkündeten Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage wegen. Verjährung abgewiesen, weil die Klage nicht rechtzeitig eingereicht, jedenfalls aber nicht demnächst zugestellt worden sei.
Mit seiner Berufung beantragt der Kläger,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen,
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Auskunft über den Nachlaß des am 27.12.1966 verstorbenen ., zuletzt wohnhaft . in . zu erteilen, und zwar
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hinsichtlich der in . gelegenen Grundstücke, Gemarkung . und .
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hinsichtlich der in . gelegenen Grundstücke, Gemarkung . ehemals . Flurstücke . nunmehr Flur . Flurstücke ., ., ., ., ., ., . des Grundbuchs von . bestehend aus einer Ziegelei, Gebäudeflächen und Hofflächen,
jeweils durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens;
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zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, daß er nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angeben hat, als er dazu imstande ist;
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nach Erteilung der Auskunft an den Kläger den sich daraus ergebenden Pflichtteil in Höhe von 1/4 des Nachlaßwertes zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger wendet sich gegen die Annahme des Landgerichts, daß die Verjährungsfrist entweder am 29.09.1993 oder 03.10.1993 zu laufen begonnen habe. Für den Beginn der Verjährung sei auf dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Bescheide der für die Anträge nach dem Vermögensgesetz zuständigen Behörden abzustellen. Die Bescheide seien noch nicht ergangen. Im übrigen sei ihm nicht zuzurechnen, daß die Klage erst am 13.01.1994 zugestellt werden konnte. Die Kostenanforderung sei seinen Prozeßbevollmächtigten am 11.11.1993 zugegangen, diese hätten sie mit Schreiben vom 15.11.1993 an die Verkehrsanwälte weitergeleitet. Dieses Schreiben sei am 18.11.1993 dort eingegangen. Der Kläger sei dann aufgefordert worden, den Kostenvorschuß zu zahlen. Die Einzahlung sei am 12.12.1993 erfolgt. Von der Gutschrift auf dem Konto des Verkehrsanwaltes am 16.12.1993 habe dieser am 20.12. erfahren und den Vorschuß sofort an das Landgericht weitergeleitet. Dort sei der Betrag erst am 30.12.1993 eingegangen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
Das Rechtsmittel des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß etwaige Pflichtteilsansprüche des Klägers gegen den Beklagten verjährt sind.
Mit dem BGH (NJW 1993, 2176 [BGH 23.06.1993 - IV ZR 205/92]) geht der Senat davon aus, daß § 2313 BGB auf Vermögenswerte anwendbar ist, wenn dem Erben Ansprüche nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) zustehen. Dem Kläger steht danach grundsätzlich ein Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 BGB gegen den Beklagten zu, wenn dieser aufgrund des Vermögensgesetzes Ansprüche geltend machen kann. Das ist nach dem Vorbringen der Parteien hinsichtlich der im Antrag des Klägers benannten Grundstücke der Fall.
Dieser Pflichtteilsanspruch ist jedoch verjährt. Die Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB begann mit dem Entstehen des Anspruchs (vgl. BGH a.a.O.). Entstanden sind die Ansprüche des Beklagten auf Rückübertragung (§ 3 Abs. 1 Vermögensgesetz) oder Entschädigung (§ 8 und 9 Vermögensgesetz) mit dem Inkrafttreten des Vermögensgesetzes. Dies gilt auch dann, wenn die Ansprüche gemäß § 30 Vermögensgesetz erst durch Antrag bei den zuständigen Stellen geltend gemacht werden mußten, denn die Ansprüche erhöhten mit ihrem Entstehen den Wert des Nachlasses.
Wenn demgegenüber . (DtZ. 1993, 234, 235, 236) die Verjährungsfrist erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides über den Anspruch nach dem Vermögensgesetz beginnen lassen will, folgt dem der Senat nicht. Die kurze Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB von drei Jahren soll rasch für Rechtssicherheit sorgen (vgl. de Leve, DtZ. 1994, 270); das gilt erst recht, wenn -; wie vorliegend -; in entsprechender Anwendung des § 2313 BGB der Lauf der Verjährungsfrist erneut in Gang gesetzt wird. Der BGH hat für den ähnlich gelagerten Fall der Ansprüche nach dem Lastenausgleichsgesetz entschieden, daß die Verjährungsfrist nicht erst mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem die Lastenausgleichsbehörde den Entschädigungsanspruch der Höhe nach festgesetzt hat, sondern mit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung aufgrund derer der Anspruch nach dem Lastenausgleichsgesetz hätte geltend gemacht werden können (BGH FamRZ 1977, 128 zum 21. Änderungsgesetz zum Lastenausgleichsgesetz). Der BGH hat dazu ausgeführt, daß derartige Ansprüche auch nicht ungewiß im Sinne des § 2313 Abs. 2 BGB sind, wenn und weil die Höhe des Anspruchs noch nicht feststeht. Ungewiß im Sinne dieser Vorschrift ist ein Anspruch nur, wenn nicht sicher ist, ob er überhaupt besteht oder ob er dem Erblasser oder einem anderen zusteht (vgl. BGH a.a.O., S. 130).
Der Kläger hätte jedenfalls nach Inkrafttreten des Vermögensgesetzes seine Ansprüche gegen den Beklagten im Wege der Feststellungsklage geltend machen können, so daß die Verjährungsfrist für den Zahlungsanspruch mit dem Inkrafttreten des Vermögensgesetzes zu laufen begonnen hat. Das Vermögensgesetz ist als Recht der ehemaligen DDR am 29.09.1990 mit dem Einigungsvertrag in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt II 1990, 1360; GBl DDR 1990, 1988), wobei dahinstehen kann, ob es zunächst im Bereich der DDR in Kraft getreten ist und seit dem 03.10.1990 als partielles Bundesrecht fortgilt (so Fiebig/Reichenbach, NJW 1991, 321, 326) oder ob es auch am 29.09. in der Bundesrepublik in Kraft getreten ist (so wohl Casimir, DtZ. 1993, 362, 363). Jedenfalls bestanden Ansprüche des Beklagten seit dem 29.09.1990. Damit erweist sich die erst am 01.10.1990 eingereichte Klage als verjährt, so daß die Verjährungsrede des Beklagten durchgreift (so im Ergebnis ebenso OLG Koblenz, DtZ. 1993, 253, 254).
Folgt man dem nicht und nimmt an, daß der Beklagte erst ab dem 03.10.1990 Ansprüche nach dem Vermögensgesetz geltend machen konnte (so u. a. unter Annahme der Hemmung, OLG Celle, FamRZ 1993, 497, 498) erweist sich die Einrede der Verjährung ebenfalls als begründet. Denn die am 01.10.1993 eingereichte Stufenklage, die grundsätzlich zur Unterbrechung der Verjährung geeignet war (vgl. BGH NJW 1975, 1408, 1409), ist dem Beklagten erst am 13.01.1994 zugestellt worden, so daß erst zu diesem Zeitpunkt eine Unterbrechnung gemäß § 209 BGB in Betracht kam. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährungsfrist aber bereits abgelaufen.
Eine Rückwirkung auf dem Zeitpunkt der Klageeinreichung gemäß § 270 Abs. 3 ZPO scheidet aus, denn die Zustellung ist nicht "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt.
§ 270 Abs. 3 ZPO will dem Kläger, nachdem auch in Anwaltsprozessen die Amtszustellung der Klage eingeführt worden ist, die Verantwortung für eine Verzögerung der Klagezustellung abnehmen, die seinem Einflußbereich entzogen und ausschließlich in dem gerichtlichen Geschäftsbetrieb begründet ist. Dagegen sind der klagenden Partei Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozeßführung hätten vermeiden können (vgl. BGH NJW 1994, 1073).
Danach beruht die Verzögerung nicht auf der Tatsache, daß der Kläger keine Streitwertangaben gemacht hat. Die klagende Partei darf eine Streitwertanfrage des Gerichts abwarten und diese innerhalb einer angemessenen Frist beantworten. Das ist vorliegend geschehen, so daß die Zeit bis zur Beantwortung der Streitwertanfrage dem Kläger nicht als verschuldet zuzurechnen ist. Zuzurechnen ist dem Kläger aber die Verzögerung, die dadurch entstanden ist, daß er nach Aufforderung den für die Zustellung der Klage notwendigen Prozeßkostenvorschuß nicht rechtzeitig eingezahlt hat. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hat sein Prozeßbevollmächtigter am 11.11.1993 die Kostenrechnung des Gerichts vom 04.11.1993 mit der Aufforderung erhalten, 918,-; DM einzuzahlen. Der Kostenvorschuß ist aber erst am 30.12.1993 bei der Regierungsbezirkskasse Weser-Ems eingegangen. Das ist dem Kläger, der für das Verhalten seines Prozeßbevollmächtigten einzustehen hat, zuzurechnen.
Nach Erhalt der Kostenrechnung am 11.11.1993 hätte die Bezahlung dieser Kostenrechnung spätestens am 30. November 1993, einem Dienstag, erfolgt sein müssen. Das ist nicht geschehen. Die nachfolgende Verzögerung der Zustellung der Klage ist allein dem Kläger zuzurechnen, wobei er sich nicht darauf berufen kann, daß die Weihnachtsfeiertage die Buchung verzögert hätten, denn bei rechtzeitiger Überweisung hätte die Zustellung bereits Anfang Dezember 1993 erfolgen können.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß es infolge der Einschaltung der Verkehrsanwälte zu einer ihm nicht zuzurechnenden Verzögerung der Einzahlung gekommen ist. Nach Angabe des Streitwerts durch den Kläger mußte es ihm und seinen Prozeßbevollmächtigten klar sein, daß angesichts der drohenden Verjährung auf eine Aufforderung, den Prozeßkostenvorschuß einzuzahlen schnell reagiert werden mußte. Er und seine Anwälte mußten dafür Sorge tragen, daß die Einzahlung möglichst umgehend erfolgen konnte. Daß dies nicht geschehen ist, ist ihm zuzurechnen, denn er muß auch das etwaige Verschulden seiner Anwälte mitverantworten.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 und 546 ZPO.