Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 04.05.2012, Az.: 6 B 44/12
Unterbringung eines Obdachlosen nach erteiltem Hausverbot für Obdachlosenunterkünfte; Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit eines Obdachlosen
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 04.05.2012
- Aktenzeichen
- 6 B 44/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 39746
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2012:0504.6B44.12.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 6 Abs. 1 GG
- § 11 SOG ND
Fundstelle
- KommJur 2012, 7 (Pressemitteilung)
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen das Hausverbot vom 29.3.2012 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig eine Obdachlosenunterkunft zur Verfügung zu stellen.
Dem Antragsteller wird unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe gewährt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen ein ihm auferlegtes Hausverbot für die Obdachlosenunterkünfte der Antragsgegnerin und begehrt von ihr seine erneute Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft.
Seine Ehefrau bewohnte bis zur Zwangsräumung am 26.3.2012 mit einem gemeinsamen Kind eine im Gebiet der Antragsgegnerin gelegene Wohnung. Diese Wohnung musste der Antragsteller bereits zum 22.8.2011 verlassen. Dazu erklärte er der Antragsgegnerin am 26.3.2012, er sei seitdem "mal hier mal da untergekommen" und habe auf die Zwangsräumung seiner Ehefrau gewartet. Die Eheleute begehrten von der Antragsgegnerin die Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft; ihr Kind wurde vom Jugendamt in Obhut genommen.
Mit Verfügung vom 26.3.2012 wies die Antragsgegnerin die Eheleute für die Zeit bis zum 30.6.2012 auf Grund bestehender Obdachlosigkeit in eine Notunterkunft ein; auf diesen Bescheid wird Bezug genommen.
Ausweislich eines Vermerks einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin wurde diese am 28.3.2012 von der Ehefrau des Antragstellers um ca. 17:05 Uhr auf dem Parkplatz mit der Bitte angesprochen, ihr in der Obdachlosenunterkunft ein eigenes Zimmer zu geben, weil es eine Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann gegeben habe, die es ihr unmöglich mache, weiterhin mit ihm zusammen in einer Wohnung zu wohnen. Nähere Angaben habe sie dazu nicht machen wollen. Die Mitarbeiterin forderte die Ehefrau auf, sich am Abend an den Ordnungsdienst zu wenden und unterrichtete den Ordnungsdienst dahingehend, dass der Antragsteller heute für eine Nacht in einem anderen Zimmer im Nachbargebäude unterzubringen sei. Nach erneutem Verlassen des Bürogebäudes habe sie den Antragsteller getroffen, der sich in aggressivem Tonfall nach seiner Frau erkundigt und die Vermutung geäußert habe, diese habe eine eigene Wohnung haben wollen. Sie habe eine Erörterung "auf der Straße" abgelehnt und dem Antragsteller angeboten, am nächsten Tag ins Büro zu kommen.
Vom Abend des 28. auf den 29.3. wies der Ordnungsdienst der Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Notunterkunft im benachbarten Haus zu, wobei der Antragsteller im Rahmen seines von Ordnungskräften begleiteten Umzugs durch Lärmen und Brüllen unter wiederholter Sachbeschädigung an Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen und Äußerungen beleidigender und bedrohender Art gegenüber den Ordnungskräften hinhaltenden Widerstand leistete. Schließlich wurde die Polizei gerufen und dem Antragsteller wurde ein Hausverbot erteilt, woraufhin er fluchend und drohend vor deren Erscheinen das Haus verließ. Auf den diesbezüglichen Bericht des Ordnungsdienstes vom 28.3.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Am 29.3.2012 beschwerten sich fünf Bewohner der Obdachlosenunterkünfte ausweislich eines Vermerks der Antragsgegnerin über den Antragsteller und teilten übereinstimmend mit, sie seien aufgrund des Vorfalls vom gestrigen Abend sehr verängstigt und hätten zeitweise Angst um ihre körperliche Unversehrtheit gehabt. Übereinstimmend baten sie darum, den Antragsteller und seine Frau nicht mehr in der Obdachlosenunterkunft unterzubringen.
Am gleichen Tag erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller wegen dieser Vorfälle unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein unbefristetes, unter den Vorbehalt des Widerrufs gestelltes Hausverbot für die beiden von ihr zur Obdachlosenunterbringung genutzten Gebäude und deren Grundstücke. Mit Bescheid vom selben Tag widerrief die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller zu sofort ihre Einweisungsverfügung. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag widerrief sie ihre Einweisungsverfügung auch gegenüber der Ehefrau und wies diese zugleich in eine andere Räumlichkeit ihrer Obdachlosenunterkunft ein. Bei Aushändigung dieser Verfügungen an die gemeinsam erschienenen Eheleute erklärte der Antragsteller, dass er sich nunmehr zunächst ein Hotelzimmer nehmen werde. Auf den diesbezüglichen Vermerk der Antragsgegnerin vom 29.3.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Aufgrund der Vorfälle wurden der Antragsgegnerin zusätzliche Leistungen des Ordnungsdienstes (Rechnung vom 31.3.2012) berechnet. Den vom Antragsteller verursachten Sachschaden schätzte die Antragsgegnerin gegenüber der Polizei auf 170.- €.
Da die Ehefrau des Antragstellers angab, dieser habe sich einen nachgemachten Schlüssel für die Haustür ihrer Obdachlosenunterkunft verschafft, ließ die Antragsgegnerin bei Sachkosten von ca. 77 € Schloss und Schlüssel austauschen.
Ausweislich der Verwaltungsvorgänge lehnte die Antragsgegnerin eine vom Antragsteller begehrte erneute Obdachgewährung unter Hinweis auf dessen Grundrecht auf Freizügigkeit und der damit verbundenen Möglichkeit ab, auch in anderen Gemeinden untergebracht werden zu können. Ein entsprechendes Angebot ihrer Nachbargemeinde habe der Antragsteller abgelehnt. Mit Schreiben vom 13.4.2012 bestätigte sie diesem die Aufrechterhaltung ihrer Entscheidungen und den von ihr vertretenen Standpunkt in der Sache. Gemäß ihrem Vermerk vom 20.4.2012 lehnte sie auf telefonische Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auch eine Unterbringung in einer Pension ab.
Am 20.4.2012 hat der Antragsteller Klage gegen den Widerruf der Einweisungsverfügung vom 29.3.2012 erhoben und einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Hausverbot, hilfsweise die vorläufige Zuweisung einer Notunterkunft beantragt. Mit Schreiben vom 24.4.2012 hat er seine Klage auch gegen den Hausverbotsbescheid der Antragsgegnerin gerichtet. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe sich mit seiner Frau bereits am Vorfallstag ausgesöhnt, wolle Streit wie auch den Genuss von Alkohol in Zukunft vermeiden. Inzwischen seien seit dem Vorfall etwa vier Wochen vergangen, in denen er sich mit seiner Frau nur in der Öffentlichkeit habe treffen können. Zwischenzeitlich habe er mehr als 400.- € für Hotelübernachtungen ausgeben müssen, obwohl seine monatliche Rente nur 516,71 € betrage. Das ihm erteilte Hausverbot sei weder geboten noch verhältnismäßig gewesen. Jedenfalls fehle es an einem sachlichen Grund, der ein weiteres Festhalten am Hausverbot rechtfertige. Er habe bisher im Gebiet der Antragsgegnerin gewohnt bzw. sich dort aufgehalten und möchte dies auch weiterhin, zumal sich seine Ehefrau dort befinde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Hausverbotsbescheid wiederherzustellen,
hilfsweise, der Antragsgegnerin aufzugeben, ihm per sofort vorläufig eine Notunterkunft zuzuweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, der Antragsteller habe die ihm nach Absprache mit dem Gericht für die Dauer des Eilverfahrens angebotenen Unterbringungsmöglichkeiten (bislang) nicht genutzt. Zwar wende er sich formal gegen das ihm erteilte Hausverbot, doch gehe es ihm an sich darum, dass ihm eine Notunterkunft zugewiesen werde. Deshalb sei die Frage zu stellen, weshalb er die ihm angebotenen Möglichkeiten nicht wahrgenommen habe. Er begehre wohl nicht die Beseitigung seiner Obdachlosigkeit. Ihm gehe es allein darum, gemeinsam mit seiner Ehefrau unterzukommen. Es sei nicht ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau Heimstatt in ihrer Obdachlosenunterkunft habe, nachdem die Eheleute seit der Zwangsräumung des Antragstellers vom 22.8.2011 bis zur Zwangsräumung seiner Ehefrau am 26.3.2012 keine gemeinsame Unterkunft gehabt hätten. Sie bestreite, dass sich der Kläger bis zur Zwangsräumung seiner Frau in ihrem Gebiet aufgehalten habe. Sie bestreite, dass sich die Eheleute in einer Weise versöhnt hätten, dass eine Wiederholung vergleichbarer Vorfälle nicht drohe. Dagegen spreche, dass sich die Ehefrau des Klägers bereits mehrfach wegen häuslicher Gewalt schutzsuchend an die Behörden gewandt habe. Deren Zusammenleben wechsele zwischen Versöhnung und Streit, in dessen Verlauf es auch zu Gewalt gegen Sachen und Personen komme. Beide neigten zu unkontrolliertem, exzessivem Alkoholgenuss. Ohnehin sei davon auszugehen, dass der Wille zum Zusammenleben einseitig vom Kläger ausgehe. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich bei der behaupteten Versöhnung um eine "Zwangsversöhnung" handele und die Ehefrau unmittelbar nach gemeinsamer Unterbringung erneut darum bitten werde, vom Antragsteller getrennt zu werden. Auch der Schutz der übrigen Bewohner der Obdachlosenunterkunft verbiete es ihr, den Eheleuten gemeinsame Unterkunft zu gewähren. Bei seiner Einweisung am 26.3.2012 sei der Antragsteller eindringlich auf die Hausordnung und die Ahndung von Verstößen mit einem Haus- und Betretungsverbot hingewiesen worden. Dazu habe konkreter Anlass bestanden, weil es im Rahmen vorangegangener Unterbringungen des Antragstellers zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen sei. Auch im Übrigen sei der Antragsteller als gewaltbereit bekannt. Es fehle ihm an der erforderlichen Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
Dabei geht die Kammer davon aus, dass das Begehren des Antragstellers darauf gerichtet ist, unter vorläufiger Aussetzung des Hausverbots (erneut) in eine Obdachlosenunterkunft der Antragsgegnerin in möglichst großer räumlicher Nähe zu seiner Ehefrau eingewiesen zu werden. Dabei ist die Kammer nicht an den Wortlaut der bislang formulierten Anträge gebunden, sondern hat das Rechtsschutzbegehren interessenkonform auszulegen. Dahinter tritt das formulierte formelle Stufenverhältnis von Haupt- und Hilfsantrag zurück. Ein ausdrücklich auf Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft mit seiner Ehefrau gerichtetes Begehren hat die Kammer dem Vortrag des Antragstellers indes nicht entnommen.
Das auf vorläufige Zuweisung einer solchen Obdachlosenunterkunft gerichtete Begehren beurteilt sich nach § 123 VwGO; insoweit hat der Antragsteller Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Soweit er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen das Hausverbot begehrt, ist § 80 Abs. 5 VwGO einschlägig. Danach kann das Gericht aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen oder wiederherstellen.
Ermächtigungsgrundlage für das gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Hausverbot ist das Hausrecht, das als notwendiger Annex zur öffentlich-rechtlichen Sachkompetenz einer Behörde von deren Leiter kraft der ihm zustehenden Organisationsgewalt zur Gewährleistung und Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebs ausgeübt wird. Der Ausspruch eines Hausverbots hat insoweit einen präventiven Charakter als es darauf abzielt, künftige Störungen des Betriebsablaufs in der Behörde oder öffentlichen Einrichtung zu vermeiden und dient dem öffentlichen Interesse an der unbeeinträchtigten Funktionsfähigkeit der Behörde bzw. Einrichtung. Dabei dient die Sicherstellung des ungestörten Ablaufs des Betriebs zugleich der Wahrung der Rechte von Mitarbeitern wie auch der übrigen "Kunden", d.h. der die Behörde oder Einrichtung tatsächlich oder potentiell in Anspruch nehmenden Menschen, deren Rechte den Rechten des von einem Hausverbot Betroffenen regelmäßig nicht nachstehen.
Ausweislich der Satzung der Antragsgegnerin über die Benutzung der Obdachlosenunterkünfte vom 9.12.2009 werden die im Hausverbot angeführten Obdachlosenunterkünfte zweier benachbarter Häuser in Form unselbständiger Anstalten des öffentlichen Rechts geführt (§ 1 Abs. 1). Alle dem Satzungszweck entsprechend genutzten Unterkünfte sind Teil einer öffentlichen Einrichtung (§ 1 Abs. 2), die der Unterbringung von Obdach- und Wohnungslosen dient (§ 2); das Benutzungsverhältnis ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet (§ 3 Abs. 1 S. 1). Das von der Antragsgegnerin in Wahrnehmung der ihr für diese öffentliche Einrichtung zustehenden Organisationsgewalt verhängte Hausverbot beruht somit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Die Organisation eines störungsfreien Dienstbetriebs und damit auch die Befugnis, vom Hausrecht Gebrauch zu machen, gehört zu den laufenden Geschäften der Verwaltung, die vom Hauptverwaltungsbeamten der Antragsgegnerin und der ihm nachgeordneten Verwaltung wahrgenommen werden (§ 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 NKomVG).
Ein Hausverbot muss auf einer Tatsachengrundlage beruhen, die die Prognose trägt, das künftig mit Störungen gerechnet werden muss, zu deren Verhinderung das Hausverbot notwendig ist. Dies erfordert dementsprechend grundsätzlich, dass der Betroffene in der vorangegangenen Zeit den Hausfrieden gestört hat und einer zu erwartenden Wiederholung derartiger Störungen mit einem Hausverbot wirksam begegnet werden kann. Allerdings muss die Behörde / Einrichtung auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Menschen zurechtkommen und diese ihr Anliegen verfolgen lassen und kann nicht sogleich auf ein Hausverbot zurückgreifen. Diese Möglichkeit ist regelmäßig erst eröffnet, wenn der Dienstbetrieb insbesondere durch beleidigendes, bedrohendes oder aggressives Verhalten nachhaltig gestört wird (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 1.8.2011 - 21 L 1077/11 -, m.w.N., [...]). Dabei ist insbesondere Charakter und Eigenart der jeweiligen Behörde oder Einrichtung bzw. der von dieser jeweils wahrzunehmenden Aufgabe und den daraus resultierenden Bezügen zu dem in Betracht zu ziehenden Kreis betroffener Menschen nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, wobei auch zu berücksichtigen ist, inwieweit die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe durch die Verhängung eines Hausverbots gefördert oder auch beeinträchtigt wird.
Dementsprechend sind vorliegend die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten der von der Antragsgegnerin wahrgenommenen Aufgabe der Obdachlosenunterbringung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Hausverbots maßgeblich einzubeziehen, denn die Antragsgegnerin hat im Rahmen der ihr obliegenden Aufgabe der Gefahrenabwehr einem von ihr zunächst untergebrachten Obdachlosen unter Aufhebung seiner Einweisung ein Hausverbot für alle von ihr nach § 1 Abs. 1 ihrer Satzung vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte erteilt.
Die Antragsgegnerin ist gemäß § 97 Abs. 1 Nds. SOG die zur Gefahrenabwehr berufene Behörde. Sie ist grundsätzlich auf ihren Bezirk, somit ihr Stadtgebiet, beschränkt (§ 100 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG). Örtlich zuständig ist sie, soweit in ihrem Stadtgebiet die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden (Art. 100 Abs. 1 S. 2 Nds. SOG). Insoweit hat sie gemäß § 11 Nds. SOG nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eine - konkrete - Gefahr, d.h. eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird (§ 2 Nr. 1 lit. a) Nds. SOG), abzuwehren.
Der Zustand unfreiwilliger Obdachlosigkeit wird im Hinblick auf die damit typischerweise verbundene Gefährdung insbesondere von Gesundheit und Leben, d.h. der körperlichen Integrität des Obdachlosen, als eine Störung der öffentlichen Sicherheit angesehen. Im Rahmen ihrer Aufgabe zur Gefahrenabwehr hat die Antragsgegnerin daher die unfreiwillige Obdachlosigkeit in ihrem Stadtgebiet nach pflichtgemäßem Ermessen zu beseitigen. Sie hat in Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 4 Nds. SOG) insbesondere unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen. Insoweit ist sie regelmäßig nur verpflichtet, zur Behebung der unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben des Obdachlosen eine den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügende vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen, wobei dem Obdachlosen grundsätzlich kein Auswahlrecht unter den bereitgehaltenen Unterkünften zusteht.
Nach gegenwärtiger Erkenntnislage ist der Antragsteller bereits am 22.8.2011 im Wege der Zwangsräumung aus einer im Stadtgebiet der Antragsgegnerin gelegenen gemeinsamen Wohnung mit der Ehefrau obdachlos geworden. Nach seiner eigenen Einlassung gegenüber der Antragsgegnerin hat er die Zwangsräumung seiner Ehefrau abwartend wohl keine anderweitige Unterkunft gefunden, sondern ist - wie es der Antragsteller am 26.3.2012 selbst formuliert hat - "mal hier mal da untergekommen". Dementsprechend hat er am Tag der Zwangsräumung seiner Ehefrau mit dieser gemeinsam die Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft von der Antragsgegnerin begehrt, die ihrerseits die Obdachlosigkeit auch des Antragstellers nicht in Frage gestellt, sondern beide gemeinsam in ihre Obdachlosenunterkunft eingewiesen hat. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller entgegen seinem Vorbringen nicht obdachlos war bzw. ist, weil er über eine anderweitige ausreichende Unterkunft verfügt, sind nicht erkennbar. In gleicher Weise ist nicht erkennbar, dass die örtliche Zuständigkeit einer anderen Gefahrenabwehrbehörde begründet gewesen oder zwischenzeitlich begründet worden wäre. Vielmehr entstand und besteht die Obdachlosigkeit des Antragstellers im Gebiet der Antragsgegnerin, von der der Antragsteller nach eigener Aufenthaltsbestimmung die Unterbringung begehrt, so dass die Zuständigkeit der Antragsgegnerin zur Beseitigung seiner Obdachlosigkeit anzunehmen ist.
Der Umstand, dass sich der Antragsteller seit Verhängung des Hausverbots nach eigener Einlassung bis zur Erschöpfung seiner finanziellen Möglichkeiten mit gewerblichen Unterkünften beholfen hat, bevor er um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchte, widerspricht nicht durchgreifend der Annahme (weiterhin) bestehender Obdachlosigkeit, denn für eine anhaltende Lösung des Wohnungsproblems des Antragstellers und seiner Ehefrau ist nichts ersichtlich. Auch die wohl andauernde Nichtannahme der unter gerichtlicher Vermittlung von der Antragsgegnerin für die Dauer des Eilverfahrens angebotenen Zwischenlösung - nämlich einer vorübergehenden Unterbringung des Antragstellers in einer Obdachlosenunterkunft einer benachbarten Kommune - durch den Antragsteller, lässt dessen Obdachlosigkeit vorliegend nach derzeitiger Würdigung durch die Kammer nicht entfallen. Insbesondere lässt dies nicht den Schluss auf eine nunmehrige Freiwilligkeit der Obdachlosigkeit zu, da für dieses Verhalten und die von ihm auf das Gebiet der Antragsgegnerin begrenzte Aufenthaltsbestimmung - soweit für die Kammer ersichtlich - insbesondere der Wunsch bestimmend ist, wieder mit seiner Ehefrau zusammen zu leben und zu wohnen.
Die der Antragsgegnerin im öffentlichen Interesse obliegende Aufgabe, die mit einer Obdachlosigkeit des Antragstellers - wie auch seiner Ehefrau - verbundenen Gefahren zu bekämpfen, diesem mithin eine menschenwürdige Obdachlosenunterkunft zur Verfügung zu stellen, besteht nach derzeitiger Einschätzung der Kammer auch fort, insbesondere dürfte ihr nicht eine anhaltende fehlende Unterbringungsfähigkeit und Unterbringungswilligkeit des Antragstellers (vgl. VG München, B. v. 24.10.2002 - M 22 E 02.2459 u.a.; zust. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage, Abschnitt F Rn. 815) entgegenstehen.
Nach Maßgabe der Verwaltungsvorgänge hat der Antragsteller entsprechend dem Vorbringen der Antragsgegnerin in der Nacht vom 28. auf den 29. März die Ordnung in der Obdachlosenunterkunft und deren Betrieb intensiv und nachhaltig gestört. Seine verbalen Ausfälle und Beleidigungen von Mitarbeitern, die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Sachen, die vorgenommenen Beschädigungen bis hin zur erheblichen Störung und Belästigung der übrigen in der Einrichtung untergebrachten Personen erforderten fraglos ein Einschreiten der Antragsgegnerin, die eine Wiederholung derartiger Verhaltensweisen des Antragstellers insbesondere auch angesichts dessen bekannten Lebenswandels im Übrigen einerseits befürchten und andererseits wirksam verhindern musste. Dabei war von ihr auch einzubeziehen, dass der Antragsteller außerhalb der Obdachlosenunterbringung bereits wiederholt der Gewaltanwendung gegenüber seiner Ehefrau wie auch gegenüber Dritten zumindest erheblich verdächtig war und sein Auftreten insgesamt zu entsprechenden Befürchtungen Anlass gab. Zudem war gerade der Wunsch seiner Ehefrau, nicht weiter mit ihm zusammen wohnen zu müssen, der Auslöser für die Umsetzung des Antragstellers und dessen dadurch ausgelöste Fehlreaktion gewesen.
Auch bei Berücksichtigung dieser Vorfälle fehlt es jedoch nach Würdigung der Kammer noch nicht an einer Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers, auch wenn die im Übrigen hinsichtlich des Antragstellers bislang anzunehmenden Umstände, insbesondere seine Neigung zu Gewalt und Alkohol, seine Unterbringung in jedweder Wohnung aufgrund einer damit einhergehenden sozialen Unverträglichkeit und deshalb zu befürchtender sozialer Konflikte schwierig gestalten. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich in Obdachlosenunterkünften aufgrund der gesellschaftlichen Gegebenheiten in nicht unerheblichem Maße soziale Problemfälle sammeln, die einerseits die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe besonders anspruchsvoll machen, aber andererseits auch die Grenze des unter den Bewohnern der Unterkunft wechselseitig notwendig Hinzunehmenden im Vergleich zu einem durchschnittlichen bürgerlichen Wohnumfeld verschieben, ohne dass damit indes die Berechtigung der Antragsgegnerin, für Ordnung auch innerhalb ihrer Obdachlosenunterkünfte zu sorgen, nachhaltig beschränkt wäre. Auch die Belange der Ehefrau des Antragstellers, die die Antragsgegnerin zum Anlass der Umsetzung genommen hatte, sind nach den bislang bekannten Umständen maßgeblich zu relativieren. Zwar besteht Grund zu der Annahme, dass es bereits in der Vergangenheit wiederholt Probleme mit sog. häuslicher Gewalt gegeben hat, doch haben die Eheleute stets wieder zusammen gefunden, wie sie sich wohl auch unmittelbar nach den maßgeblichen Vorfällen wieder versöhnt haben sollen. Die Vermutung der Antragsgegnerin, dass der Wille zum Zusammenleben einseitig vom Kläger ausgehe und nicht auszuschließen sei, dass es sich bei der behaupteten Versöhnung um eine "Zwangsversöhnung" handele, ist bislang nicht anhand greifbarer Tatsachen substantiiert, insbesondere hat die Antragsgegnerin die von ihr mit gerichtlicher Verfügung vom 23.4.2012 erbetene Stellungnahme der Ehefrau des Antragstellers nicht beigebracht. Dementsprechend sind auch die Auswirkungen des Grundrechts der Eheleute aus Art. 6 Abs. 1 GG im Rahmen der gebotenen Abwägung zugunsten des Antragstellers in Betracht zu ziehen, ohne dass das vorliegende Verfahren dazu nötigte, Bedeutung und Reichweite dieses Grundrechts im Rahmen der ordnungsrechtlich determinierten Obdachlosenunterbringung auszuloten. Hier genügt die Feststellung, dass die von Art. 6 Abs. 1 GG unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellte Ehe auch im Rahmen der Obdachlosenunterbringung von Eheleuten jedenfalls nicht ohne zureichenden sachlichen Grund rechtlich oder tatsächlich beeinträchtigt werden darf, ohne dass damit notwendig ein Rechtsanspruch obdachloser Eheleute auf Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft begründet wäre.
Ist mithin im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass es (noch) nicht an der Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers fehlt, so ist die Antragsgegnerin einerseits verpflichtet, die mit einer Obdachlosigkeit des Antragstellers verbundenen Gefahren durch Zuweisung einer menschenwürdigen Unterkunft zu beseitigen. Andererseits lässt sich das Hausverbot jedenfalls solange nicht einschränkungslos aufrecht erhalten, wie die Antragsgegnerin neben den beiden im Hausverbot aufgeführten benachbarten Gebäuden erklärtermaßen über keine weiteren Obdachlosenunterkünfte verfügt, die ihr eine Unterbringung des Antragstellers ermöglichten. Zudem ist dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Zwar mag das hinsichtlich seiner Dauer uneingeschränkt für beide benachbarten Häuser und damit für sämtliche von der Antragsgegnerin vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte ausgesprochene Hausverbot geeignet sein, vom Antragsteller ausgehende Störungen des Betriebs der Unterkünfte künftig zu vermeiden. Auch kann man ein umfassendes Hausverbot insoweit als erforderlich ansehen, als ein anderes, milderes, aber gleichermaßen geeignetes Mittel fehlt, den Antragsteller von einer erneuten Störung abzuhalten. Jedoch ist ein solches alle Obdachlosenunterkünfte umfassendes, zeitlich unbeschränktes Hausverbot nicht mit dem ebenfalls im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurzelnden Erfordernis der Angemessenheit der Maßnahme vereinbar. Bei der vorliegend bejahten Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers war ein zeitlich befristetes Hausverbot zur Einwirkung auf den Antragsteller als Reaktion auf dessen erhebliches, aber - soweit ersichtlich - erstmaliges Fehlverhalten in einer Obdachlosenunterkunft der Antragsgegnerin angebracht, so dass dem Antragsteller unter Wahrung seines Aufenthaltsbestimmungsrechts wie auch seines Wunsches auf Aufrechterhaltung der ehelichen Beziehung die Perspektive einer weiteren Unterbringung am Ort gewahrt blieb. Bei Würdigung der bislang bekannten Gesamtumstände dürfte eine diesbezügliche Ermessensbetätigung der Antragsgegnerin die Monatsfrist nicht maßgeblich überschreiten. Die im Hausverbot ausgesprochene, voraussetzungslos geregelte Möglichkeit eines Widerrufs bringt eine inhaltsleere Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, die weder die rechtlichen und tatsächlichen Wirkungen des ausgesprochenen Hausverbots begrenzt noch dem Antragsteller eine erkennbare Perspektive eröffnet. Damit allein ist dem Gebot der Angemessenheit nicht Rechnung getragen. Zudem fragt sich, ob ein beide Häuser umfassendes Hausverbot erforderlich und angemessen ist, insbesondere da sich die Antragsgegnerin mit einem solchen alle zur Verfügung stehenden Obdachlosenunterkünfte umfassenden Hausverbot sehenden Auges der Möglichkeit beraubte, ihrer Gefahrenabwehraufgabe durch Unterbringung des Antragstellers nachzukommen. Insoweit kam eine Beschränkung des Hausverbots auf das Gebäude zur Unterbringung der Ehefrau in Betracht, so dass dem Antragsteller im Nachbargebäude Unterkunft hätte gewährt werden können. Dies hätte den Eheleuten zudem eine weitergehende Aufrechterhaltung ihrer ehelichen Gemeinschaft ermöglicht, ohne der Ehefrau die Rückzugsmöglichkeit in eine eigene geschützte Umgebung zu nehmen. Dabei verkennt die Kammer nicht die gesteigerten Probleme, die Einhaltung eines in dieser Weise räumlich beschränkten Hausverbots zu überprüfen und durchzusetzen, doch rechtfertigen diese im Zuschnitt der von der Antragsgegnerin vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte begründeten tatsächlichen Schwierigkeiten es voraussichtlich nicht, den Antragsteller wie geschehen vollkommen von der Unterbringung auszuschließen. Im vorliegenden Verfahren genügt es indes festzustellen, dass die weitere Aufrechterhaltung des Hausverbots rechtswidrig sein dürfte, so dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung angezeigt ist.
Dem Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers wird entsprochen, da er mittellos ist und sein Rechtsschutzbegehren aus vorstehenden Gründen ausreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG. Die Herabsetzung des Auffangwerts erfolgt mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter der begehrten Entscheidung (vgl. Ziffer 1.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, NVwZ 2004, 1327).