Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.08.1993, Az.: 10 U 3/91

Schadensersatz aus vorvertraglichem Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens; Zustandekommen eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses durch Ausschreibung und Abgabe eines entsprechenden Angebotes; Beachtung der Vergabevorschriften als Sorgfaltspflicht; Einwendung rechtmäßigen Alternativverhaltens; Ausschluss von Angeboten im Ausschreibungsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.08.1993
Aktenzeichen
10 U 3/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 22135
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1993:0805.10U3.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 05.12.1990 - AZ: 12 O 65/90

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz aus vorvertraglichem Vertauensverhältnis

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 1993
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K. sowie d
ie Richter am Oberlandesgericht R. und Sch.
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. Dezember 1990 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf Kosten der Klägerin zurück gewiesen.

    Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

  2. II.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der, Vollstreckung Sicherheit in der entsprechenden Höhe leistet.

    Die Sicherheit darf von beiden Parteien durch eine unbefristete, unbedingte, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

  3. III.

    Beschwer für die Klägerin: 67.903,62 DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die sich mit der Gewinnung und dem. Vertrieb von Naturstein befaßt, nimmt die Beklagte wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten auf Schadensersatz in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Nachdem bereits eine entsprechende Ausschreibung vom 14. Juni 1987 erfolglos geblieben war, forderte die Beklagte, hier handelnd durch das Wasser- und Schiffahrt samt H. (im folgenden nur: ...), im Rahmen einer auf sechs Anbieter beschränkten Ausschreibung auch die Klägerin zur Abgabe eines Angebotes über die Lieferung von Wasserbausteinen auf. In den Vorgaben des Aufforderungsschreibens, vom 24. Juli 1987 hieß es u.a.:

"...

2.
Für die Bewerbung sind die Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Leistungen im Wasserbau (BwL/W) zu beachten.

...

8.
Dem Angebot sind die Eignungsnachweise der Steinlieferungen gemäß Abschnitt 4.1. der 'Technischen Lieferbedingungen für Wasserbausteine (TLW)' - Ausgabe 1984 - beizufügen.

9.
Änderungsvorschläge und Nebenangebote sind nicht zugelassen ..."

3

Den Bewerbungsbedingungen (BwL/W) zufolge beabsichtigte die Auftraggeberin, gemäß der "Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen -", Teil A "Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen" (in folgenden nur noch: VOL/A) zu verfahren. Allerdings sollte die VOL/A nicht Vertragsbestandteil werden und dem Bieter kein klagbares Recht auf deren Anwendung geben (Bl. 34/35 d.A.).

4

Für das Los C. (W.), wo die Ausschreibung als Material Wasserbauschüttsteine aus Basalt, Grauwacke oder harten Sandstein von kubischer Form vorsah, gab die Klägerin am 7. August 1989 ein Angebot über die Lieferung von Basaltsteinen in Höhe von 237.430,65 DM ab. Den Zuschlag erhielt eine Firma B., die ein Angebot über die Lieferung von Oolith-Steinen im Werte von 118.349,10 DM abgegeben hatte. Als weitere Mitbieterin hatte sich noch eine Firma N. B. an der Ausschreibung beteiligt, allerdings kein vollständiges Angebot (Position 3.17. für Pflastersteine fehlte) abgegeben.

5

Ihre auf Ausgleich eines entgangenen Gewinns gerichtete Schadensersatzklage hat die Klägerin damit begründet, die Beklagte hätte, da zur Einhaltung der VOL/A verpflichtet, bei der Angebotslage allein ihr - der Klägerin - den Zuschlag erteilen dürfen. Bei dem Angebot der Firma B. habe es sich um ein im Sinne der Ausschreibung ausgeschlossenes Nebenangebot gehandelt. Überdies habe die Beklagte das Oolith-Gestein in der Vergangenheit zumindest seit 1984 wegen einer ihr bekannten Minderwertigkeit gegenüber den hier ausgeschriebenen Gesteinsarten bewußt nicht mehr verwendet.

6

Zur Schadenshöhe hat die Klägerin behauptet, durch die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes eine Gewinneinbuße in Höhe von 71.477,50 DM (Bl. 22 d.A.) erlitten zu haben. Allenfalls komme ein Abschlag in Höhe von 3.573,88 DM für ersparte Verwaltungskosten in Betracht. Der entgangene Gewinn resultiere aus der Differenz zwischen Angebotspreis und den eingesparten Kosten für Einkauf und Fracht.

7

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 71.477,50 DM nebst 9 % Zinsen seit Zustellung zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne sich schon deshalb nicht auf die Einhaltung der VOL/A berufen, weil ihr nach den Ausschreibungsbedingungen ein einklagbares Recht auf Anwendung dieser Bestimmungen nicht zustehe. Dessen ungeachtet könne die Klägerin, da die Beklagte bei Gesamtwürdigung des Ausschreibungsergebnisses, die Ausschreibung wegen Eintritts von wesentlichen Änderungen der Ausschreibungsgrundlagen oder aus sonst schwerwiegenden - Gründen hätte aufheben können, keinesfalls Ersatz eines ergangenen Gewinns verlangen. So sei aus den mit dem Angebot der Firma B. vorgelegten Gutachten der Firma Dr. M. Materialprüfung für Straßenbau GmbH hervorgegangen, daß auch Oolith den Anforderungen der TLW-Ausgabe 1984 entsprochen habe, überdies hätte die Klägerin mit ihrem Angebot auch wegen unzulässiger wettbewerbsbeschränkender Abreden den Zuschlag nicht erhalten dürfen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der in erster Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

11

Durch Urteil vom 5. Dezember 1990 hat das Landgericht Hannover die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe zwar Verfahrens fehlerhaft der Firma B. den Zuschlag erteilt. Doch wäre die Beklagte nach dem Ergebnis der Ausschreibung hier durchaus zu deren Aufhebung befugt gewesen. Die Klägerin könne sich deshalb nicht darauf berufen, daß sie im Falle verfahrenskonformen Vorgehens durch die Beklagte den Zuschlag erhalten hätte. Auch spreche nichts dafür, daß die Klägerin, bei anderweitiger Ausschreibung unter Einbeziehung von Oolith-Gestein den Zuschlag erhalten hätte. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 110-113 d.A.) Bezug genommen.

12

Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin bei nur geringer Einschränkung ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie vertritt nachhaltig die Ansicht, die Beklagte habe sich ihr gegenüber durch die bestimmungswidrige Vergabe des Zuschlags an die Firma B. schadensersatzpflichtig gemacht, wobei sie den entgangenen Gewinn nunmehr auf 67.903,62 DM (71.477,80 DM ./. 3.573,88 DM für ersparte Verwaltungskosten) beziffert. Die Klägerin behauptet weiter, selbst im Falle einer Aufhebung der Ausschreibung und damit verbundenen Neuausschreibung auf der Basis von Oolith-Gestein hätte die Beklagte ihr bei einem wesentlich günstigeren Angebotspreis von 97.990,41 DM den Zuschlag erteilen müssen, da sie billigste Bieterin geblieben wäre. Jedenfalls in Höhe von 16.799,04 DM aus der Verhinderung dieses Zuschlags stehe ihr entgangener Gewinn als Schadensersatz zu. Wegen der näheren Einzelheiten hierzu und der Berechnung wird auf den Schriftsatz vom 4. März 1991 nebst Anlagen (Bl. 159-162 d.A.) Bezug genommen.

13

Demgemäß beantragt die Klägerin nunmehr,

unter teilweise Abänderung des am 5. Dezember 1990 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover - 12 O 65/90 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 67.903,62 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 21. März 1990 (Zustellung der. Klage) zu zahlen,

14

hilfsweise,

für den Fall einer Maßnahme nach § 711 ZPO der Klägerin nachzulassen, Sicherheit in Form einer Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Spar- und Darlehenskasse zu leisten.

15

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

16

hilfsweise,

für den Fall einer Maßnahme nach § 711 ZPO anzuordnen, daß Sicherheit auch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse sein darf.

17

Die Beklagte vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Erstmals durch das Konkurrenzangebot der Firma B. in Verbindung mit dem diesem Angebot beigefügt gewesenen Gutachten eines Dr. M. habe das Widerfahren,- daß das angebotene Oolith-Gestein entgegen den Erfahrungen in den zurückliegenden Jahren den Technischen Lieferbedingungen für Wasserbausteine (TLW) - Ausgabe 1984 - entspreche und deshalb für die vorgesehenen. Instandsetzungsarbeiten an den Strombauwerken in Betracht komme. Bei konsequenter Handhabung der haushaltsrechtlichen Vorgaben und einer tatsächlichen Übung beim W. hätten unter diesen umständen die gravierenden Preisdifferenzen zwischen Basalt und Oolith-Gestein eine Aufhebung der Ausschreibung geboten., Hiervon habe man seitens des W. schließlich aber, abgesehen, weil nach der bereits vorangegangenen erfolglosen Ausschreibung die Instandsetzungsarbeiten im Hinblick auf die fortgeschritten Jahreszeit dringend bei noch niedrigen Wasserständen der W. hätten ausgeführt werden müssen. Insgesamt sei das Angebot der Klägerin für die Beklagte unter Berücksichtigung haushaltsrechtlicher Vorgaben nicht mehr wirtschaftlich gewesen, wobei hinzukomme, daß im Bereich des Loses C. (W.) praktisch ein funktionierender Wettbewerb nicht mehr bestanden habe.

18

Auch der Höhe nach tritt die Beklagte dem Ersatzbegehren weiterhin entgegen. Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens im einzelnen wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

19

Mit Urteil vom 13. Juni 1991 hat der Senat die Berufung zurückgewiesen und dazu ausgeführt, der Zuschlag von seitens des W. an die Konkurrenzfirma der Klägerin sei zwar bestimmungswidrig erfolgt. Doch sei eine auf Ausgleich des entgangenen Gewinns gerichtete Schadensersatzpflicht der Beklagten zu verneinen, weil das W. die Ausschreibung hätte aufheben können, so daß die Klägerin selbst bei rechtmäßigem Alternatiwerhalten nicht zum Zuge gekommen wäre.

20

Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25. November 1992 (VIII ZR 170/91) das Senatsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, allerdings den Ausgangspunkt des Senats zu den Folgen rechtmäßigen Alternativsverhaltens gebilligt.

21

Der Senat hat nunmehr gemäß Beweisbeschluß vom 6. Mai 1993 (Bl. 159-161 d.A., Bd. II) durch Vernehmung der Zeugen R. und B. dazu Beweis erhoben, ob die Firma B. im Rahmen der Ausschreibung vom 24. Juli 1987 auf Oolith-Gestein zurückgegriffen hat, das erstmalig den Anforderungen der TLW 1984 entsprach und ob dem W. dieser Umstand erst aufgrund dieses Angebots der Firma B. bekannt geworden ist. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über den Senatstermin vom 24. Juni 1993 (Bl. 175-180 d.A., Bd. II) verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin hat auch nach Durchführung der Beweisaufnahme keinen Erfolg.

23

Da zwischen den Parteien ein Vertrag nicht zustande gekommen ist und auch Anhaltspunkte für eine Verletzung von Rechtsgütern der in §§ 823 ff. BGB genannten Art nicht bestehen und auch eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB nicht ersichtlich ist, kommt als Anspruchsgrundlage für das Schadensbegehren, wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, allein eine Verletzung "vorvertraglicher Pflichten".(culpa in contrahendo) in Betracht.

24

Die Voraussetzungen hierfür liegen insoweit auch vor, als die. Beklagte im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens zugunsten der Klägerin bestehende Pflichten verletzt hat. Gleichwohl bleibt dem Ersatzbegehren der Erfolg versagt, weil eine Verpflichtung zum Ersatz des hier behaupteten Schadens nicht besteht.

25

1.

Durch die Ausschreibung der Beklagten und die Abgabe eines entsprechenden Angebotes durch die Klägerin ist zwischen den Parteien ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande gekommen, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtete und beiderseitige Sorgfaltspflichten begründete (ständige Rechtsprechung: BGHZ 49, 77, 82; 60, 221, 226; NJW 1981, 1673). Deren schuldhafte Verletzung verpflichtet zur Leistung von Schadensersatz (BGHZ 49, 77, 79; Baurecht 1985, 75, 76; OLG Düsseldorf Baurecht 1986, 107, 108; Febar Baurecht 1989, 553, 556). Zu den einzelnen Sorgfaltspflichten zählt vorrangig die Beachtung der Vergabevorschriften (OLG Düsseldorf, a.a.O.), d.h. hier die Beachtung der VOL/A.

26

Zu Unrecht hält die geklagte dem entgegen, die Klägerin könne sich auf die Einhaltung dieser Bestimmung durch die Beklagte nicht berufen, weil nach der Angebotsaufforderung in Verbindung mit den Bewerbungsbedingungen die VOL/A nicht Vertragsbestandteil werden und dem Bieter kein klagbares Recht auf deren Anwendung zustehen sollte. Denn dies besagt nicht, daß die Beklagte damit von einer Beachtung der VOL/A freigeworden wäre. Dagegen spricht, daß die BwL/W der Beklagten in diesem Zusammenhang ausdrücklich betonen, der Auftraggeber verfahre nach den VOL/A. Überdies besagt die Einschränkung, Teil A der VOL werde nicht Vertragsbestandteil, für das hier, allein in Rede stehende vorvertragliche Vertrauensverhältnis nichts. Daneben kommt dem weiterem Hinweis, wonach die VOL/A "nicht einklagbar sein soll", nur die Bedeutung zu, daß eine aktive Beeinflussung des Vergabeverfahrens durch die jeweiligen Bieter im Klageverfahren ausgeschlossen sein soll. Daraus läßt sich allerdings nicht ableiten, daß sekundäre Ersatzansprüche bei schuldhafter Nichtbeachtung der Vergabevorschriften ausgeschlossen sein sollen (so auch OLG Düsseldorf Baurecht 1990, 349).

27

2.

Den an sie selbst durch die VOL/A gestellten Anforderungen hat die Beklagte (hier durch die WSA) nicht entsprochen und damit Sorgfaltspflichten verletzt. Im Rahmen der beschränkten Ausschreibung waren gemäß Ziffer 9 des Aufforderurigsschreibens vom 24. Juli 1989 Änderungsvorschläge und Nebenangebote aus drücklich ausgeschlossen. Demgemäß hätte die Beklagte der Firma B. von vornherein einen Zuschlag nicht erteilen dürfen, diese Fa. vielmehr gemäß § 25 Ziffer 1 Abs. 1 g VOL/A. wegen nicht zugelassenen Nebenangebots/Änderurigsvorschlages ausschließen messen. Als Nebenangebot und Änderungsvorschlag im Sinne von §§ 25 Ziffer 1 Abs. 1 g, 17 Ziffer 3 Abs. 3 VOL/A versteht man, wie schon das Landgericht in dem angefochtenen Urteil mit Recht betont, "jede Abweichung vom geforderten Angebot, ohne daß es auf den Grad oder die Gewichtung oder den Umfang der Abweichung ankommt.". Die Beklagte zieht auch selbst nicht in Zweifel, daß das Angebot über Oolith-Steine als Abweichung von den in der Ausschreibung vorgegebenen Gesteinsarten von vornherein hätte unberücksichtigt bleiben müssen. Darauf, ob die Qualität der alternativ angebotenen Oolith-Steine den vorgegebenen "Technischen Lieferbedingungen für Wasserbausteine" entsprach, kommt es in diesem Zusammenhang nicht weiter an.

28

3.

Hatte sich die Beklagte mithin durch die unzulässige Vergabe des Zuschlags an die Konkurrenzfirma einer Verletzung der gegenüber der Klägerin als Mitkonkurrentin einzuhaltenen Sorgfaltspflichten schuldig gemacht, konnte das Schadensersatzbegehren der Klägerin gleichwohl nur dann erfolgreich sein, wenn der Klägerin bei vorschriftsmäßigem Vorgehen der behauptete Schaden nicht entstanden wäre. Da die Klägerin als Schadensersatz entgangenen Gewinn, also das - sogenannte positive Interesse, verlangt, sie gemäß § 249 BGB aber nur so zu stellen ist, wie sie stehen würde, wenn es nicht zu der fehlerhaften Vergabe gekommen wäre (BGH NJW 1981, 1673), konnte sie nur dann berechtigterweise entgangenen Gewinn geltend machen, wenn sie bei ordnungsgemäßen Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten hätte (OLG Düsseldorf, Baurecht 1989, 185, 198; Baurecht 1986, 107, 109; Jäckle NJW 1990, 2520, 2525). Denn bei Verletzung vorvertragliche Pflichten besteht nur dann ein Ersatzanspruch auf das Erfüllungsinteresse, wenn ohne die Pflichtverletzung der Vertrag mit den vom Geschädigten angestrebten Inhalt wirksam zustande gekommen wäre (vgl. Jäckle a.a.O., m.w.N.). Dies kann indessen hier nicht angenommen werden.

29

a)

Der Klägerin ist allerdings darin zu folgen, daß bei Einhaltung der Vergabe vor Schriften neben der Firma B. auch die Firma N. B. als einzige weitere Mitkonkurrentin den Zuschlag nicht hätte erhalten dürfen. Denn unstreitig war das Angebot dieser Firma nicht ordnungsgemäß vorgelegt (Position 3.17. fehlte) und deshalb gemäß § 25 Ziffer 1 Abs. 1 a VOL/A ausgeschlossen. Allein verblieben wäre das an sich ordnungsgemäße Angebot der Klägerin. Dieses hätte indessen ebenfalls nicht zum Erfolg geführt. Ob dieses. Angebot schon wegen unzulässiger Preisabsprache, worüber die Parteien streiten, nach § 25 Abs. 1 Ziffer 1 f VOL/A hätte unberücksichtigt bleiben müssen, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Denn das W. hätte nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme bei verfahrenskonformer Vorgehensweise die Ausschreibung aus wichtigem Grunde aufheben müssen und aufgehoben. Damit hätte es in jedem Fall das Zustandekommen eines Vertrages mit der Klägerin berechtigterweise verhindert, so daß die Klägerin auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Beklagten den hier als Schaden geltend gemachten entgangenen Gewinn nicht erzielt hätte.

30

b)

Die einzelnen Voraussetzungen unter denen die Aufhebung einer Ausschreibung erfolgen kann, sind in § 26 VOL/A geregelt. Danach kann abgesehen von den hier nicht weiter in Betracht kommenden Alternativen. (Ziffer 1 a bis c) die Ausschreibung dann aufgehoben werden, wenn andere schwerwiegende Gründe bestehen (§ 26 Ziffer 1 d VOL/A). Als solche sind allerdings nur solche Umstände von Belang, die, wie der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil vom 25., November 1992 (Seite 9) hervorgehoben hat, erst nachträglich, d.h. nach Beginn der Ausschreibung bekannt geworden sind. Hiervon ausgehend wird insbesondere im Schrifttum (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB Teil A und B, Kommentar, 11. Aufl. A, § 26 Rn. 9; Heiermann/Riedl/Rusam/Schwaab, Handkommentar zur VOB Teil A und B, 5. Aufl., Rn. 11 zu A § 26) zutreffend darin ein wichtiger Grund im Sinne von § 26 VOL/A gesehen, daß an sich ausgeschlossene, aber gleichwohl eingereichte Nebenangebote/Änderungsvorschläge den Auftraggeber "nach dem Bisherigen nicht vorwerfbar" (Ingenstau/Korbion, a.a.O.) die Erkenntnis vermitteln, daß die Leistung ganz oder in Teilen "sachgerechte" und "kostengünstiger" ausgeführt werden kann (vgl. auch OLG Nürnberg, NJW 1986, 437 [OLG Nürnberg 18.09.1985 - 4 U 3597/84]). Dies war vorliegend der Fall. Die Beklagte hat bewiesen, daß das W. erst im nachhinein durch das Angebot der Firma B. innerhalb des Ausschreibungsverfahrens von einer verbesserten Qualität des angebotenen Oolith-Gesteins und dessen Verwendungsfähigkeit für die in Aussicht genommene Instandsetzungsarbeiten am Flußbett der W. erfahren hat.

31

Der Zeuge R., in dem hier maßgeblichen Zeitraum Amtsvorsteher des Wasser und Schiffahrtsamtes H. M., hat ausgesagt, noch bei Beginn der Ausschreibung sei man seitens des W. gestützt auf Gesteinsuntersuchungen von verschiedenen Steinbrüchen im Jahre 1981, davon ausgegangen, daß Oolith-Gestein nicht hinreichend frostbeständig und deshalb für eine Verwendung als Schüttstein in Flußbetten ungeeignet sei. Erstmals mit ihrem Angebot über Oolith-Gestein im Rahmen der beschränkten Ausschreibung habe die Firma B. ein Gutachten der Fa. Dr. M. Materialprüfung für den Straßenbau GmbH vom 1. März 1989 (Bl. 82-85 d.A., Bd. II) vorgelegt. Daraus habe sich ergeben, daß die untersuchte und angebotene Gesteinsart aus dem Steihbruch S. den Technischen Lieferbedingungen für Wasserbausteine (TLW) - Ausgabe 1984 - entspreche. Dieser Steinbruch sei offenbar bei den Untersuchungen im Jahre 1981 nicht, er faßt worden. Seitens des W. habe man daraufhin, da das Oolith-Angebot der Firma B. den technischen Anforderungen entsprochen habe und wesentlich preisgünstiger als das Angebot der Klägerin gewesen sei, der Firma B. den Zuschlag erteilt.

32

Der Zeuge B. hat ausgesagt, man habe die Produktion von Wasserbausteinen in dem Steinbruch S. erst 1988 aufgenommen. Im Hinblick darauf, daß bei öffentlichen Ausschreibungen jeweils Prüfzeugnisse mitzuliefern seien, die nicht älter als zwei Jahre sein dürften, sei das Gutachten der Dr. M. GmbH in Auftrag gegeben worden. Da dies für die Verwendungsfähigkeit des geprüften Oolith-Gesteins für Schüttsteine in Flußbetten positiv ausgefallen sei, habe man sich seitens der Firma B. abweichend von den Ausschreibungsanforderungen des W. unter Vorlage des Gutachtens Dr. M. GmbH an der Ausschreibung beteiligt. Die besondere Qualität des Oolith-Gesteins im S. Steinbruch habe ihren Grund mit darin, daß Oolith-Gestein dort besonders rein und ohne Mergel und Schieferadern vorhanden sei.

33

Aufgrund dieser in sich schlüssigen und glaubhaften Bekundungen der beiden Zeugen steht fest, daß aus Sicht des W. erst nach. Vorlage des Gutachtens Dr. M. im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens dergestalt eine veränderte Sachlage eingetreten war, daß die Lieferung von frostbeständigen Wasserbausteinen bei Einhaltung der technischen Bedingungen mit mehr als 50 % niedrigeren Kosten, zu erreichen war, mithin nachträglich wichtige Gründe für eine Aufhebung der Ausschreibung im Sinne von § 26 Ziffer 1 d VOL/A eingetreten waren.

34

Allerdings regelt § 26 VOL/A lediglich die Voraussetzungen, unter denen eine Ausschreibung aufgehoben werden kann, während sich die Beklagte gegenüber dem Schadensersatzbegehren der Klägerin auf die Rechtmäßigkeit eines Alternatiwerhaltens in diesem Zusammenhang nur berufen kann, wenn, wie der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil hervorgehoben hat, die Aufhebung der Ausschreibung hätte erfolgen müssen oder dies - jedenfalls - einer Übung des W. entsprochen hätte.

35

Eine solche einschlägige. Übung läßt sich nicht feststellen. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß das W. bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften die Ausschreibung unter den gegebenen Umständen hätte aufheben müssen und aufgehoben hätte. Die Ausschreibung hat nicht in erster Linie dem. Schutz des jeweiligen Bewerbers, sondern - für sämtliche Bieter erkennbar - den Erfordernissen sparsamer Haushaltsführung für den öffentlichen Auftraggeber zu dienen (BGH NJW 1980, 1890). Mit Recht betont die Beklagte deshalb unter Hinweis auf das bei der Auftragsvergabe durch das W. zu beachtene Vergabehandbuch für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - Wasserstraßen (VHBL/W), daß der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 BHO) zu beachten ist (0.3 Grundsätze der Anwendung - Ziffer 13 -) und daß die Auftragserteilung eine wirtschaftliche und sparsame. Verwendung der Mittel gewahrleisten muß (Ziffer 76). Vor diesem Hintergrund hätte sich ein lediglich ausschreibungsbedingtes Festhalten an dem Basaltgestein-Angebot nach. Veränderung im Kenntnisstand der ausschreibenden Behörde nicht mehr rechtfertigen lassen. Allein schon der gravierende Preisunterschied von mehr als 50 % der Kosten bei im Ergebnis gleichwertigen Leistung hätte einem der Klägerin günstigen Zuschlag entgegenstehen müssen und bei verfahrenskonformer Vorgehensweise die noch allein in Betracht kommende Aufhebung der Ausschreibung zwingend geboten. Daß es dazu bei korrekter Handhabung des Ausschreibungsverfahrens durch das W. letztendlich auch gekommen wäre, unterstreicht die Aussage des Zeugen R., man habe seitens des W. nach Prüfung der Angebote vor der Wahl gestanden, die Ausschreibung aus haushaltsrechtlichen Gründen aufzuheben oder die Arbeiten sofort zu vergeben. Da eine nochmalige, d.h. hier dritte Ausschreibung die Durchführung der Arbeiten im Jahre 1989 unmöglich gemacht hätte, dies aber ein Ausdehnen der Schäden am Flußbett nach sich gezogen hatte, habe man sich aus terminlichen Gründen für die zweite Möglichkeit entschieden. Die Klägerin wäre hiernach in keinem Fall mit ihrem Angebot zum Zuge gekommen, so daß sie einen darauf gestützten Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns nicht verlangen kann.

36

4.

Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz hilfsweise einen entgangenen Gewinn in Höhe von 16.799,04 DM geltend macht und vorbringt, selbst im Falle berechtigter Aufhebung der Ausschreibung und Durchführung einer neuen Ausschreibung auf der Basis von Oolith-Gestein hätte sie als Mindestbietende den, Zuschlag gegenüber der Fa. B. erhalten, so daß ihr ein Gewinn jedenfalls in Höhe von 16.799,04 DM entgangen sei, hilft dies ihrem Ersatzbegehren auch nicht zum Erfolg.

37

Ob das W. unter den von der Klägerin geschilderten Umständen überhaupt zu einer erneuten Ausschreibung verpflichtet war oder sich nicht vielmehr nach den Bekundungen des Zeugen R. eine freie Vergabe nach § 3 Ziffer 1 f VOL/A aufdrängen mußte, mithin schon deshalb ein ersatzfähig entgangener Gewinn zu verneinen ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn ein auf das Erfüllungsinteresse gerichteter Schadensersatzanspruch aus vorvertraglichem Vertrauensverhältnis besteht nur dann, wenn - wie bereits ausgeführt - ohne Pflichtverletzung der Vertrag mit den vom Geschädigten erstrebten Inhalt wirksam zustande gekommen wäre. Diese Voraussetzungen hat der Geschädigte darzulegen und zu beweisen. Das hat die Klägerin nicht getan.

38

Bereits in seinem Urteil vom 13. Juni 1991 hat der Senat - durch das Revisionsurteil des Bundesgerichtshofes nicht beanstandet - folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 25 Ziffer 3 VOL/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, wobei der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist. Diese Formulierung legt nahe, daß der Bieter den Beweis, sein Angebot sei das "wirtschaftlichste", wohl kaum wird führen können (vgl. OLG Düsseldorf Baurecht 1986, 107, 109 zu § 25 VOB/A), zumal allein das Kriterium des niedrigsten Angebots nicht entscheidend ist. Das OLG Düsseldorf (a.a.O.) trägt dem dahin Rechnung, daß es den ausreichenden Kausalitätsnachweis jedenfalls dann bejaht, wenn "mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit" bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der durch die Verletzung der Vergabevorschriften benachteiligte Bieter den Zuschlag erhalten hätte (so auch Jäckle, a.a.O.). Nach anderer Ansicht hat die hypothetische Erwägung darauf abzustellen, ob der Zuschlag "mit Sicherheit" erteilt worden wäre (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam/Schwaab, a.a.O., Einleitung Rn. 3) oder "hätte erteilt werden müssen" (Feber, Baurecht 1989, 573, 557). Diese eher in Nuancen voneinander abweichenden Auffassungen führen hier nicht zu abweichenden Ergebnissen. Denn bereits nach der dem jeweiligen Bietet günstigsten Auffassung läßt sich "eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit" für den Erfolg der Klägerin in einer neuen Ausschreibund nicht gewinnen (§ 286 ZPO).

Im Unterschied zu den bisher in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - entschiedenen Fällen (vgl. die Nachweise bei Feber, Baurecht 1989, 553, 555) müßte die Klägerin nämlich nachweisen, daß sie in einer tatsächlich nicht durchgeführten Ausschreibung erfolgreich geblieben wäre. Sie beruft sich dazu in ihrem Klagevorbringen - notgedrungen - auf einen Preisvergleich zwischen einem potentiellen Angebot für Oolith-Gestein und dem erfolgreichen Angebot der Firma B. Unberücksichtigt bleibt dabei jedoch, daß auch weitere Bieter sich an der anders gearteten Neuausschreibung hätten beteiligen und den Zuschlag auf ein im Vergleich zur Klägerin noch "wirtschaftlicheres Angebot" im Sinne von § 25 VOL/A hätten erhalten können. Damit erscheint - prognostisch gesehen - das Ergebnis einer unterstellten Neuausschreibung völlig offen. Die Erwartung der Klägerin, im Fall einer erneuten Ausschreibung auf der Basis von Oolith-Gestein erfolgreiche Bieterin zu werden, reduziert sich mithin auf eine bloße "Chance", die indessen nicht berechtigt, von einer entsprechenden Zuschlagserteilung auszugehen (BGH NJW 1981, 1673)."

39

Hieran hält der Senat fest.

40

Überdies spricht die Aussage des Zeugen B. dafür, daß der Steinbruch S. derzeit der einzige war, in dem geeignetes Oolith-Gestein gewonnen werden konnte. Da die Fa. B. für diesen Steinbruch nach der Aussage des Zeugen einen "Alleinverkaufsvertrag", für Wasserbausteine mit dem Eigentümer des Steinbruchs abgeschlossen hatte, durfte die Klägerin kaum in der Lage gewesen sein, gleichwertiges Oolith-Gestein anzubieten.

41

5.

Ein auf Ersatz ihrer vergeblichen Aufwendungen gerichtetes Schadensersatzbegehren (negatives Interesse) hat die Klägerin, trotz eines Hinweises im Revisionsurteil (Seite 14) nicht geltend gemacht. Ein solches müßte allerdings auch an der erfolgreichen Einwendung rechtmäßigen Alternativverhaltens der Beklagten scheitern, da die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ausschreibungsverfahrens mit ihrem Angebot nicht zum Zuge gekommen wäre.

42

6.

Die Nebenentscheidungen beruhen, auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Beschwer für die Klägerin: 67.903,62 DM.