Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.10.1983, Az.: 3 U 136/83
Verjährung von Forderungen aus steuerberatender Tätigkeit; Entstehung eines Gebührenanspruchs des Steuerberaters
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.10.1983
- Aktenzeichen
- 3 U 136/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 12837
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1983:1026.3U136.83.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 24.02.1983 - AZ: 4 O 841/82
Rechtsgrundlagen
- § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a.F.
- § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB a.F.
- § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F.
- § 1 Nr. 5 HGB a.F.
- § 72 StBerG
- § 198 BGB
- § 208 BGB a.F.
Fundstelle
- NJW 1984, 442 (amtl. Leitsatz)
In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 1983
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... S. M. und B.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Februar 1983 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin erbrachte für die Beklagten auftragsgemäß in den Kalenderjahren 1977 und insbesondere 1978 zahlreiche Leistungen steuerberatender Art, für die sie mit insgesamt fünf Rechnungen vom 30.6. bzw. 30.12.1978 eine Vergütung von insgesamt 7.866,25 DM berechnete. Wegen der Arbeiten im einzelnen wird auf die Zusammenstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 10.01.1978, Seite 6 bis 18 (Bl. 21 bis 33 d.A.) wegen der Rechnungen auf die Rechnungsdurchschriften nebst Anlagen (Bl. 60 bis 106 d.A.) verwiesen. Die Beklagte leistete auf drei dieser Rechnungen am 02.09.1981 Abschlagszahlungen in Höhe von zusammen 2.735,42 DM. Die Klägerin berechnete der Beklagten darüber hinaus mit einer Rechnung vom 30.03.1979 für angeblich im Januar 1979 erbrachte Leistungen weitere 1.060,00 DM (Bl. 107 d.A.), obwohl die Beklagte das Vertragsverhältnis der Parteien zwischenzeitlich mit Schreiben vom 19.12.1978 (Bl. 39 d.A.) fristlos gekündigt hatte.
Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung des noch offenen Restbetrages von 6.190,83 DM in Anspruch genommen. Sie hat hierzu behauptet: Die von ihr berechnete Stundenzahl sei erforderlich gewesen, die verlangte Vergütung insgesamt angemessen. Bei den in der Rechnung vom 30.03.1979 berechneten Leistungen handele es sich um Buchungsarbeiten für die Monate November/Dezember 1978 und um Lohnbuchhaltungsarbeiten für 1978, die erst nach Eingang der kompletten Unterlagen der Beklagten hätten ausgeführt werden können. Sie sei insoweit im Januar 1979 auch tätig geworden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 6.190,83 DM nebst dort im einzelnen angegebenen Zinsen zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben sich gegenüber der Klagforderung, soweit sie auf die in den Jahren 1977 und 1978 erbrachten Leistungen gestützt ist, in erster Linie auf Verjährung berufen. Sie haben ferner bezüglich der Rechnung 1) ihre Passivlegitimation, bezüglich der Rechnungen 2) bis 4) die Erforderlichkeit der berechneten Stundenzahl und die Angemessenheit des Honorars bestritten und unzulässige Doppelberechnung von Wert- und Zeitgebühren gerügt. Schließlich haben sie hilfsweise mit zwei Gegenforderungen in Höhe von zusammen 596,28 DM aufgerechnet. Bezüglich der Rechnung für Januar 1979 haben sie den Dienstvertrag der Parteien für beendet gehalten und bestritten, daß die Klägerin im Januar 1979 überhaupt noch Leistungen erbracht habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Forderung der Klägerin sei, soweit sie sich auf die Rechnungen 1) bis 5) stütze, gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB verjährt. § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB sei auf die Forderung der Klägerin nicht anwendbar, auch wenn diese Vollkaufmann sei, weil diese kein Gewerbe betreibe. ... Es sei nicht gerechtfertigt, eine Steuerberatungsgesellschaft gegenüber dem einzelnen Steuerberater besserzustellen. Die Klägerin könne auch für Januar 1979 keine Vergütung verlangen, weil die Kündigung der Beklagten den Dienstvertrag der Parteien zum 31.12.1978 beendet habe, die Klägerin aber keinen Beweis für ihre Behauptung angetreten habe, noch im Januar 1979 für die Beklagte tätig geworden zu sein. Eine Bereicherung sei ebenfalls nicht ersichtlich. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 136 bis 138 d.A.) verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihren erstinstanzlichen Antrag im wesentlichen weiter. Sie hat die Klage lediglich in Höhe eines Betrages von 299,48 DM im Hinblick auf die in erster Instanz erklärte Aufrechnung mit einer der beiden Forderungen zurückgenommen. Sie wendet sich insbesondere gegen die Auffassung des Landgerichts, ihre Forderungen seien überwiegend verjährt. Sie meint, da sie als GmbH unabhängig davon Kaufmann sei, ob sie ein Gewerbe betreibe, und ihre Leistungen unstreitig für den Gewerbebetrieb der Beklagten erbracht habe, verjährten ihre Forderungen gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB erst in vier Jahren. Dies gelte aber auch deshalb, weil es sich bei der Zahlung des Pauschalhonorars um eine wiederkehrende Leistung im Sinne des § 197 BGB handele. Zur Rechnung vom 30.03.1979 vertritt die Klägerin die Auffassung, die Kündigung sei so verstehen gewesen, daß die Klägerin die Arbeiten, die zum Abschluß der Buchhaltung für das Kalenderjahr 1978 noch erforderlich gewesen seien, noch habe ausführen dürfen. Sie trägt neu vor, sie werde für die Arbeiten bezahlt, die sie in einem bestimmten Zeitraum erbringe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 5.891,35 DM sowie im einzelnen gestaffelte Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie meint zur Verjährung, daß § 196 Ziffer 15 im Verhältnis zu § 196 Ziffer 1 BGB lex speciali sei. Zur Rechnung für Januar 1979 bestreitet die Beklagte den Vortrag der Klägerin zum Auftragsinhalt und behauptet ihrerseits, das Pauschalhonorar sei in der Weise vereinbart worden, daß es habe für den Monat gezahlt werden sollen, für den die Arbeiten erledigt worden seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Forderung des Klägers ist, soweit sie sich auf die Rechnungen 1) bis 5) stützt, verjährt. Hinsichtlich der Rechnung 6) hat die Klägerin nicht bewiesen, daß sie für die in Rechnung gestellte Tätigkeit Gebühren berechnen durfte.
I.
Zur Verjährung:
1.
Zutreffend hat das Landgericht die Frage der Verjährung der Forderungen der Klägerin nach § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB, nicht aber nach § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB beurteilt. Die Vorschrift des § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB hebt nämlich die in ihr aufgeführten besonderen Ansprüche, soweit Ansprüche unter Kaufleuten in Frage stehen, aus der allgemeineren Vorschrift des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB heraus. Das ergibt sich bereits aus einen Umkehrschluß aus der Vorschrift des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB. Danach gilt die kurze Verjährung für aus dem Gewerbebetrieb gebührende Vergütungen aus der Besorgung fremder Geschäfte oder gewerbsmäßigen Leistung von Diensten nur dann, wenn die Vergütungsberechtigten nicht zu den unter Nr. 1 bezeichneten Personen gehören. Da die Nummer 15 eine solche ausdrückliche Einschränkung nicht enthält, gilt sie mithin auch dann, wenn die Vergütungsberechtigten im Einzel fall unter den Kreis der in Nummer 1 aufgeführten Personen fallen. Die Richtigkeit dieses Umkehrschlusses zeigt aber vor allem die Nr. 3 des § 196 Abs. 1 BGB, die u. a. Ansprüche von Frachtfuhrleuten aufführt, obwohl Frachtführer Musskaufleute gemäß § 1 Nr. 5 HGB sind. In der Rechtsprechung ist zu dieser Vorschrift auch anerkannt, daß Ansprüche von Frachtführern selbst dann der kurzen Verjährung des § 196 Abs. 1 Nr. 3 BGB unterliegen, wenn der Frachtvertrag unter Großkaufleuten abgeschlossen worden ist und einen Seetransport für den Gewerbebetrieb des Schuldners zum Gegenstand hat (vgl. RGZ 86, 422 f (423)). Es ist nicht einzusehen, warum für die Vorschrift des § 196 Abs. 1 Nr. 5 BGB etwas anderes gelten soll.
2.
Zu Recht hat das Landgericht Steuerberatungsgesellschaften auch als Personen angesehen, die zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt und zugelassen sind. Es besteht kein Anlaß, die Vorschrift nur auf natürliche Personen anzuwenden. Die darin aufgeführten Rechtsanwälte und Notare stellen nur Beispiele dar, deren Aufzählung keine Einschränkung des betreffenden Personenkreises zum Ausdruck bringen will. Das ergibt sich schon daraus, daß der Gesetzgeber auch in den anderen Nummern des § 196 Abs. 1 BGB Ansprüche der kurzen Verjährung davon unabhängig unterworfen hat, ob sie in Einzel fall juristischen Personen zustehen (vgl. Nummer 3: Eisenbahnunternehmung; Nummer 11: öffentliche Anstalt). Für eine Gleichbehandlung der Steuerberatungsgesellschaften mit. Steuerberatern sprechen aber überdies die schon vom Landgericht zutreffend hervorgehobenen Gründe. So hat der Gesetzgeber in § 72 StBerG die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die allgemeinen Berufspflichten, die Verschwiegenheitspflicht der Gehilfen, die Verpflichtung zur Mitteilung der Ablehnung eines Auftrags, die Bindung an die Gebührenordnung für Steuerberater, die Verpflichtung zum Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung und die Verjährung von Ersatzansprüchen für Steuerberatungsgesellschaften sowie für deren Vorstandsmitglieder, Geschäftsführern und persönlich haftenden Gesellschafter, die nicht Steuerberater sind, vorgeschrieben. Es kommt hinzu, daß eine Gesellschaft, in welcher Rechtsform auch immer, als solche keine Hilfeleistungen in Steuersachen ausübt, sondern lediglich als Instrument der Berufsausübung der in ihr tätigen natürlichen Personen dient (Späth, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, § 72, Rz. B 1088). Bei den Ansprüchen, um deren Verjährung es geht, handelt es sich aber um Honoraransprüche aus steuerberatender Tätigkeit. Bei dieser Sachlage ist aber nicht einzusehen, daß Steuerberater, welche sich mit anderen Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten zu Steuerberatungsgesellschaften zusammengeschlossen haben, nur deshalb der kurzen Verjährung des § 196 Nr. 15 BGB nicht unterfallen sollen, weil ihre Vergütungsansprüche aus steuerberatender Tätigkeit nunmehr formal der von ihnen gebildeten juristischen Person und nicht mehr ihnen selbst zustehen.
Die Klägerin ist auch zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt oder zugelassen. Denn Steuerberatungsgesellschaften bedürfen gemäß § 49 StberG der Anerkennung durch die oberste Landesbehörde des Landes, in dem sie ihren Sitz haben. Diese Anerkennung entspricht der Bestellung zum Steuerberater (Meggendorfer, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, § 49, Anm. B 658).
3.
Dann ist aber die Gebührenforderung der Klägerin aus den Rechnungen 1 bis 5 verjährt. Entstanden im Sinne des § 198 BGB ist der Gebührenanspruch jedenfalls mit dem unstreitigen Abschluß der Tätigkeit der Klägerin am 31.12.1978 (vgl. dazu Eckert-Böttcher, § 12 StberGebVO, Anm. 4). Die Verjährung begann mithin an 31.12.1978 zu laufen und war daher am 31.12.1980 beendet, mithin lange vor Eingang des Mahnbescheidantrages der. Klägerin im vorliegenden Verfahren bei Gericht am 30.12.1981 (Bl. 4 d.A.).
4.
Daran vermögen auch nichts die unstreitigen Abschlagszahlungen der Beklagten vom 02.09.1981 zu ändern. Denn ein darin möglicherweise liegendes tatsächliches Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB vermochte, weil es nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgte, die bereits eingetretene Verjährung nicht mehr zu beseitigen (vgl. die Nachweise bei Heinrichs in Palandt, § 208 Anm. 3).
II.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus ihrer Rechnung vom 20.03.1979 zu. Unstreitig verlangt sie dort Buchführungsarbeiten vergütet, die den Zeitraum November/Dezember 1978 betreffen. Die Beklagten haben hierzu vorgetragen, es sei vereinbart gewesen, die Pauschalzahlungen hätten für den Monat bezahlt werden sollen, für den die Klägerin die Arbeiten erledigte. Die Klägerin behauptet zwar, die Vergütung sei für Tätigkeiten, die sie in einem bestimmten Zeitraum verrichtete, zu leisten gewesen. Dieser gegenteilige Vortrag ist jedoch beweislos. Diese Beweislosigkeit geht zu Lasten der für den Auftragsinhalt beweispflichtigen Klägerin.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Eine Zulassung der Revision kann nicht erfolgen. Der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.
Streitwertbeschluss:
Wert der Beschwer: 5.891,35 DM.