Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.06.2003, Az.: 222 Ss 82/03 (OWi)
Begründung der Anordnung eines Fahrverbots mit einem beharrlichen Pflichtenverstoß; Voraussetzungen für die Begehung einer beharrlichen Pflichtverletzung gegenüber den Verkehrsvorschriften
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 25.06.2003
- Aktenzeichen
- 222 Ss 82/03 (OWi)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 33983
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:0625.222SS82.03OWI.0A
Rechtsgrundlage
- § 25 Abs. 1 S. 1 StVG
Fundstellen
- DAR 2003, 472 (Volltext mit red. LS)
- NPA 2004
- zfs 2003, 569-570 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Verkehrsordnungswidrigkeit
In der Bußgeldsache
...
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen
gegen das Urteil des Amtsgerichts ....... vom 12. Dezember 2002
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Amtsgericht ...
am 25. Juni 2003
beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Der Betroffene wird zu einer Geldbuße von 50 EUR verurteilt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 4. Juni 2002 verhängte der Landkreis ... gegen den Betroffenen wegen Nichtbefolgung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage ... straße/ ... allee in ... am 10. März 2002 um 0:32 Uhr als Führer eines Pkw eine Geldbuße von 60 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung. Hiergegen legte der Betroffene mit Schreiben vom 17. Juni 2002 Einspruch ein mit dem Ziel des Wegfalls des Fahrverbotes. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen erneut wegen fahrlässigen Nichtbeachtens des Rotlichts zu den im Bußgeldbescheid festgesetzten Rechtsfolgen. Ergänzend zum Bußgeldbescheid hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene vor der Tatbegehung in Nachtschicht gearbeitet hatte und infolge von Übermüdung das Rotlicht der Ampelanlage zu spät erkannte. Zur Strafzumessung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass im Hinblick auf drei Voreintragungen im Verkehrszentralregister eine Erhöhung der Regelgeldbuße auf 60 EUR angezeigt sei. Daneben sei ein Fahrverbot anzuordnen, weil der Betroffene beharrlich gegen die Pflichten eines Verkehrsteilnehmers verstoßen habe. Dies ergebe sich daraus, dass aus den Vorbelastungen abzuleiten sei, dass der Betroffene, wenn es um sein eigenes schnelles Vorankommen gehe, die Verkehrsvorschriften nicht ausreichend ernst nimmt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und den Wegfall des Fahrverbots begehrt.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Das Rechtsmittel führt lediglich zur Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs durch den Senat. Der Betroffene hatte seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Landkreises ... gemäß § 67 Abs. 2 OWiG in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Zwar enthält seine Einspruchsschrift keine ausdrückliche Erklärung der Einspruchsbeschränkung, jedoch ergibt sich diese aus dem Inhalt der Begründungsschrift. In der Einspruchsschrift wird der mit dem Bußgeldbescheid erhobene Schuldvorwurf nicht angegriffen. Vielmehr lässt sie klar erkennen, dass es dem Betroffenen einzig darum ging, einen Wegfall des Fahrverbotes zu erreichen. Wegen der Wechselwirkung zwischen der Anordnung des Fahrverbots und der Höhe der Geldbuße führt die Einspruchsschrift des Betroffenen zur Überprüfung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Der Schuldspruch des Bußgeldbescheids ist demgegenüber infolge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs in Rechtskraft erwachsen.
2.
Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Anordnung des Fahrverbots halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Das Amtsgericht hat die Anordnung des Fahrverbots mit einem beharrlichen Pflichtenverstoß i. S. des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG begründet. Eine beharrliche Pflichtverletzung begeht, wer Verkehrsvorschriften aus mangelnder Rechtstreue verletzt, was voraussetzt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen den früheren Ordnungswidrigkeiten und der neuen Tat besteht (siehe nur Hentschel, Straßenverkehrsrecht 37. Aufl., Rdnr. 15 zu § 25 StVG m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt.
Zwar führt das Amtsgericht insoweit aus, dass der abgeurteilte Rotlichtverstoß wie die Vortaten (zweimal Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, einmal ein weiterer Rotlichtverstoß) erkennen lasse, dass der Betroffene die Verkehrsvorschriften nicht ausreichend beachte, um schneller voranzukommen. Diese Ausführungen stehen jedoch im Widerspruch zu der Feststellung, dass der Betroffene infolge Übermüdung das Rotlicht der Lichtzeichenanlage nicht rechtzeitig registriert hat. Damit liegt eher die Annahme eines leichteren Falls der Fahrlässigkeit im Sinne eines sogenannten Augenblicksversagens nahe. Jedenfalls aber kann in einem solchen Fall nicht davon gesprochen werden, dass der Betroffene die Verkehrsvorschriften im Interesse schnelleren Vorankommens nicht sorgfältig genug beachtet hat. Damit fehlt es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang mit den Vortaten, der für die Begründung der Verletzung von Verkehrsvorschriften aus mangelnder Rechtstreue erforderlich ist.
Der danach gegebene Mangel des Urteils erfasst wegen der Wechselwirkung zwischen der Anordnung des Fahrverbots und der Höhe der Geldbuße den gesamten Rechtsfolgenausspruch. Dies zwingt den Senat indes nicht dazu, die Sache im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen. Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann vielmehr gemäß § 79 Abs. 6 OWiG eine eigene Sachentscheidung getroffen werden.
Unter Berücksichtigung des nahe an einem Augenblicksversagen gelegenen Verschuldens und der Dauer der Rotlichtphase von 0,71 Sekunden hält der Senat die Verhängung der Regelbuße nach dem Bußgeldkatalog für angemessen. Im Hinblick auf die unklaren Feststellungen des Amtsgerichts zu den Voreintragungen und dem fehlenden inneren Zusammenhang mit den Vortaten kam eine Erhöhung der Regelbuße wegen der Vorbelastungen nicht in Betracht.
3.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO entsprechend.