Landgericht Osnabrück
Urt. v. 02.11.2001, Az.: 7 Ns 131/01
Aufnahme von Ausländern im sakralen Bereich der Kirche zum Entzug des Zugriffs der deutschen Behörden; Aufrechterhaltung von Kirchenasyl zur Rechtfertigung strafbarer Handlungen; Kirchenasyl in einem freiheitlichen Rechtsstaat zum Erreichen einer Aufenthaltsmöglichkeit; Entschuldigung eines nicht gesetzeskonformen Handelns zur Abwendung akuter Gefahr für Leib- oder Leben unter notstandsähnlichen Gesichtspunkten; Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 02.11.2001
- Aktenzeichen
- 7 Ns 131/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 31817
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2001:1102.7NS131.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA Osnabrück - AZ: 500 Js 43987/98
- AG Papenburg - 17.05.2001
Rechtsgrundlagen
- Art. 2 GG
- § 92a Abs. 1 Nr. 2, 2.Alt. AuslG
- § 47 Abs. 1 StGB
Fundstellen
- KuR 2002, 232 (red. Leitsatz)
- NJW 2002, 3645 (red. Leitsatz)
- NStZ 2002, 604-606 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Verstoßes gegen das Ausländergesetz
In der Strafsache
...
hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts in Osnabrück auf die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft
gegen das Urteil des Amtsgerichts in Papenburg vom 17.5.2001 in der Sitzung vom 2.11.2001,
an der teilgenommen haben:
...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Angeklagten wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Papenburg vom 17.5.2001 dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100,-DM verurteilt wird.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Gründe
Der Angeklagte ist durch Urteil des AG Papenburg vom 17.5.01 wegen Verstoßes gegen das AuslG zu einer Verwarnung mit Strafvorbehalt von 40 Tagessätzen zu je 100,-DM verurteilt worden.
Dieses Urteil hat der Angeklagte mit Ziel seines Freispruchs angefochten, während die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel den Wegfall des Strafvorbehaltes erstrebt.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
A)
Der Angeklagte ist Pfarrer ... in Papenburg. Er ist niederländischer Staatsangehöriger und seit etwa 40 Jahren in Deutschland seelsorgerisch tätig. Seine Arbeit ist geprägt durch ein starkes soziales Empfinden, das sich in besonderer Weise in seinen Bemühungen um Betreuung und Integration von Flüchtlingen zeigt.
1.
Die Familie ... war 1992 mit 5 Kindern eingereist. Mit erfundenen Darstellungen, fragwürdigen Zeugenaussagen und zweifelhaften Bescheinigungen hatten sie versucht, sich als Opfer von Folter und staatlicher Verfolgung darzustellen, um einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zu erreichen, Nach erfolgloser Inanspruchnahme des Rechtsweges gegen die Ablehnung der Asyl- und Asylfolgeanträge und nach Mitteilung der bevorstehenden Abschiebung tauchten die Betroffenen im Dezember 1997 in den Niederlanden unter und waren dort unauffindbar. Im April 1998 reisten sie erneut nach Deutschland ein und betrieben - erfolglos - ein 3. Asylverfahren.
Am 9.10.98 ließen sie mitteilen, daß sie sich zur Abschiebung am 10.11.1998 bereithalten. Die Sozialleistungen für die Betr. in monatlicher Höhe von 3.900,-DM wurden per 10.11.98 eingestellt.
An die Stelle Ihres Rechtsbeistandes trat nunmehr der Angeklagte. Diesem war durch eine örtliche Mitarbeiterin des DRK die Familie vorgestellt worden. Der Familie war als letzte Möglichkeit aufgezeigt worden, mit Hilfe von Kirchenasyl die Abschiebung doch noch zu verhindern und womöglich ein Bleiberecht zu erzwingen.
Der Angeklagte übernahm die Darstellung von Hilfsbedürftigkeit der Betr. und veranlaßte in Kenntnis der Strafbarkeit seines Tuns die Aufnahme der Betroffenen im sakralen Bereich der Kirche. Damit entzog er sie dem Zugriff der Behörde. Im Schutz des bekannten Stillhaltens der Behörde in solchen Fällen betrieb er weitere Duldungsanträge zugunsten der Betroffenen.
Das Auswärtige Amt teilte auf Nachfrage am 11.2.1999 mit, daß eine gefahrlose Rückkehr der Betr. in die Heimat ohne weiteres möglich war. Auch hierüber ist der Angeklagte mit Schreiben vom 25.2.1999 informiert worden.
Eine Änderung der Haltung des Angeklagten konnte indes nicht bewirkt werden. Er bezweifelte vielmehr die Richtigkeit des Ergebnisses der behördlichen Ermittlungen. Nach 14 Monaten wurde das Kirchenasyl beendet. Am 28.12.99 hatte die Landesbehörde eine weitere befristete Duldung ausgesprochen. Derzeit hat die Familie eine Aufenthaltsberechtigung bis Juni 2002.
2.
Die Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und den ausweislich der Niederschrift über die Hauptverhandlung verlesenen Urkunden. Sie werden vom Angeklagten nicht in Abrede genommen. Die persönlichen Verhältnisse Angeklagten sind unverändert. Insoweit wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Angeklagte hält sich für unschuldig. Im wesentlichen hat er sich wie folgt eingelassen:
Er sei überzeugt, nach seinem Gewissen gehandelt zu haben. Nach reiflicher Prüfung sei er davon überzeugt gewesen, daß die Familie in Not gewesen sei. Letztendlich sei der Familie auch geholfen worden. Die Sache sei in der Gemeinde nicht unumstritten gewesen. Er wisse, daß er gegen das Gesetz gehandelt habe. Es gebe aber komplizierte Sachverhalte, die nicht ins Leben passen. Die Kirche müsse die Möglichkeit haben, Entscheidungen zu treffen, die nicht in Gesetzen zu fassen sind. Man habe ein Zeichen gesetzt. Man müsse mithelfen, daß Gesetze sich weiterentwickeln. Er habe im Einzelfall geholfen. Er wisse nicht, ob er es wieder so machen würde.
Im Berufungsverfahren stellt der Angeklagte ergänzend darauf ab, daß er vom Diözesanverband der Caritas und der Rechtsabteilung des Generalvikariats die Auskunft erhalten habe, wonach die strafrechtliche Relevanz seines Verhaltens nicht ohne weiteres feststehe. Die Rechtslage sei als unklar dargestellt worden, so daß er sich für die Maßnahme entschieden habe. Er habe nicht gewußt, daß sich die Familie ... 1997 in die Niederlande abgesetzt hatte. Er könne das aber gut verstehen.
Die Bemühungen um die Integration der Familie ... seien "auf gutem Wege". Die Gemeinde habe dem Vater eine Arbeitsstelle vermittelt. Außer dem Kindergeld für die sieben Kinder würden keine öffentlichen Gelder gezahlt. Er habe seinerzeit ein sog. offenes Kirchenasyl befürwortet und in ständigem Gespräch mit der Behörde gestanden. Aktionen, die den Eindruck erwecken könnten, als wolle man die Behörde oder das Gericht unter Druck setzen, habe er abgelehnt.
Im übrigen habe er nicht die Aufenthaltsverlängerung zu verantworten, sondern die Familie ..., die trotz ihrer Ausreisepflicht nicht ausgereist sei und die Behörde, die diese Pflicht zur Ausreise nicht zwangsweise durchgesetzt hat, obwohl sie es jederzeit gekonnt hätte.
B)
1.
Das Handeln des Angeklagten war ursächlich für den Verbleib der Betroffenen. Seine Einlassung, nicht er, sondern die Behörde habe das Kirchenasyl aufrechterhalten, weil die Behörde von der Möglichkeit, jederzeit das Asyl in der Kirche zu beenden, keinen Gebrauch gemacht hat, berührt die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens nicht. Die Erklärung steht im Widerspruch zu seiner Intention, durch die Gewährung von Asyl im geschützten Bereich der Kirche die Betr. dem Zugriff der Behörde zu entziehen, die verpflichtet war, den unerlaubten Aufenthalt zu beenden. Ihm war die Verwaltungspraxis bekannt, wonach die Behörde aus Respekt vor dem geschützten Bereich der Kirche nicht eingreift. Er hat diese Haltung vorausgesetzt.
Die Behörde könnte in künftigen Fällen seine Erklärung möglicherweise zum Anlaß nehmen, ihre Zurückhaltung aufzugeben und die Zuflucht im Bereich der Kircheneinrichtungen, auch nur vorübergehend, nicht mehr dulden.
2.
Der Angeklagte handelte auch rechtswidrig.
a)
Er befand sich in keiner Konfliktlage, nach seinem Gewissen nur so und nicht anders entscheiden zu können.
Die Einlassung des Angeklagten, er habe nach sorgfältiger Prüfung geglaubt, daß die Familie in Not sei, wird nicht belegt. Als Erkenntnisquelle wird die Angabe der Familie mitgeteilt, sie könne nicht in die Türkei zurück, da sie dort nicht in Freiheit und ohne Gewalt leben könne. Er habe dies nach Mitteilungen anderer Organisationen, wie etwa der Caritas, Amnesty International oder "Netzwerk Asyl" für glaubhaft gehalten. Die anderslautenden Erkenntnisse der Behörde und des Gerichts, zu denen diese in einem jahrelangen Verfahren gekommen sind, hat er nach seinen weiteren Angaben nicht geglaubt, weil er seine Informationen für zutreffender hielt.
Laut Schreiben des Generalvikariats vom 10.12.98 hatte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt, also einen Monat nach dem Beginn, noch keine Vorstellung vom Ziel des Kirchenasyls. Die Zielvorgabe sollte vielmehr noch erarbeitet werden. Dies räumt der Angeklagte ein, beruft sich aber darauf, daß er zunächst sich selbst geprüft und danach entschieden habe, die Familie aufzunehmen. Hätte die Gemeinde anders entschieden, wäre das kein Problem gewesen. "Dann hätte ich mich geschlagen gegeben".
Die Kirchengemeinde stellt unter gleichem Datum auf die Stellungnahme eines psycho-sozialen Zentrums für ausländische Flüchtlinge in Bremen ab, das der Vater im September 1997 und erneut nach Bekanntgabe der Abschiebung am 5.11.98 aufgesucht hatte. Dies hatte er der Behörde erst am 23.11.98 mitteilen lassen. Bei dem Vater wird die Möglichkeit attestiert, daß es in einer Krisensituation zu Selbst- und Fremdgefährdung kommen kann. In der Zeit vom 2. - 6.12.1998, also nach Beginn des Kirchenasyls, fanden weitere Gespräche mit einer Psychologin in ... statt, die zeitweilig eine Selbstgefährdung für möglich hielt. Die daraufhin veranlaßte amtsärztliche Untersuchung hat zwar Angstzustände bestätigt, die allerdings beherrschbar sind und keinen Zustand darstellen, der einer Abschiebung entgegensteht. Auch dies war dem Angeklagten mitgeteilt worden. Das folgt aus dem Schreiben des ... vom 11.2.99 und der Entscheidung vom 25.2.1999, die ebenfalls verlesen worden sind.
"Wer von Abschiebung bedrohten Menschen Kirchenasyl gewährt, bringt sich selbst aufgrund eigenen Entschlusses in die Konfliktsituation; er wehrt sich nicht lediglich gegen einen Konflikt, der ihm von staatlicher Seite aufgezwungen ist. Er entfaltet vielmehr eine Aktivität, mit der er sich in Widerspruch zu staatlichen Anordnungen setzt" (vgl. " Die Grenzen der Gewissensfreiheit" in NJW 2000, 689 m.w.N.)
Aus christlicher Nächstenliebe, oder aus humanitärem Empfinden oder rechtlicher Pflicht hilflosen Personen, erste menschliche Hilfe und Beistand zu leisten und ihnen den Weg zu den Behörden zu weisen, wozu auch an der Straße von ihren Schleppern abgesetzte Einwanderer gehören können, ist etwas anderes, als rechtskräftig zur Ausreise verpflichtete Personen dem Zugriff der Behörden zu entziehen.
Vorliegend geht es letztlich nicht um einen Gewissenskonflikt, sondern um die unterschiedliche Bewertung der besonderen Umstände eines Einzelfalles. Zu seiner kompetenten und allgemeinverbindlichen Bewertung sind aber allein die zuständigen staatlichen Stellen berufen, die ihrerseits Recht- und Gesetz in einklagbarer Weise verpflichtet sind.
Anhand der verlesenen Urkunden aus der Ausländerakte ... ist festgestellt, daß die Behörden und Gerichte mit großer Sorgfalt das Vorliegen von Asylgründen oder Möglichkeiten zur Duldung des Aufenthaltes geprüft und verneint haben.
Wenn nach jahrelanger Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten das Vorhandensein von Asylgründen bei der inzwischen auf neun Köpfe angewachsenen Gruppe verneint worden ist und weiter feststeht, daß die Betroffenen zwischenzeitlich in den Niederlanden sich aufgehalten haben, hat keine Konfliktlage vorgelegen, in der eine andere Entscheidung. als die Gewährung von Kirchenasyl dem Angeklagten nicht zumutbar war.
Die Betroffenen hatten angekündigt, sich für die Rückführung bereitzuhalten. Hiervon sind sie erst abgerückt, nachdem ihnen das Kirchenasyl als Bleibemöglichkeit vorgestellt worden war.
b)
Auch das sog. Kirchenasyl rechtfertigt seine Handlungen nicht.
aa)
Soweit der Angeklagte darauf abstellt, die Problemlage des Nebeneinanders von staatlichem und kirchlichen Asyl müsse dadurch gelöst werden, daß man im Dialog eine " mittlere Lösung" finden müsse, ist dies die Darstellung eines Scheinproblems: Ohne die Propagierung von Kirchenasyl gäbe es das Problem dieses Nebeneinanders nicht. Wenn sich die Behörde aus Gründen praktischer Vernunft auf das Gespräch mit dem Angeklagten eingelassen hat, bedeutet das nicht die rechtliche Anerkennung des Kirchenasyls.
Zudem räumt der Angeklagte ein, daß mit dem Kirchenasyl auch eine politische Zielsetzung verbunden sei. Es solle in der Gesellschaft eine Haltung bewirken, die den Gesetzgeber veranlassen soll, dieser veränderten, auf mehr Öffnung zielenden Stimmung gesetzgeberisch nachzugeben. "Die Kirche verstehe sich als Thermostat" zur Regulierung und Einstellung humanitärer Haltungen. Bezogen auf den hier vorliegenden Fall beruhe hierauf seine Entscheidung für das Kirchenasyl, um der Familie ein Bleiberecht zu verschaffen.
bb)
Soweit nach innerkirchlichem Selbstverständnis sog. Kirchenasyl nach näher darzulegenden Voraussetzungen anerkannt sein sollte, findet dies nach der Verfassung nur in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes Beachtung.
Die Grundrechte werden durch den Staat garantiert. Zu diesen gehört die Gewährung staatlichen Asyls in seiner gesetzlich geregelten praktischen Anwendung. Niemand, auch nicht die Kirche oder sonstige gesellschaftliche Interessengruppen, kann hier oder in anderen Bereichen außerhalb dieser Ordnung Sonderrechte für sich beanspruchen und etwa Asyl gewähren, oder sonst Allgemeinverbindlichkeit für das beanspruchen, was er jeweils gerade für richtig oder falsch hält, noch kann er bestimmen, was erlaubt ist und was nicht.
Das Anliegen des Angeklagten geht letztlich, dahin, die staatliche Asylpraxis im Einzelfall seinen Vorstellungen anzupassen. Das BVerfG hat demgegenüber aber entschieden, daß niemand verlangen kann, daß gerade seine Überzeugung der allgemein Rechtsordnung zugrundegelegt und zum Maßstab ihrer Ausgestaltung gemacht wird.
Würde man anderes zulassen, wäre eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung die Folge und ein Klima fehlender Rechtstreue geschaffen. Grundrechtsschranken würden ignoriert und Willkür wäre die Folge.
Das Rechtsbewußtsein der Allgemeinheit und damit die öffentliche Ordnung als der Grundlage des geordneten Zusammenlebens der Bürger in Freiheit würde beschädigt, die durch das Grundrecht aus Art. 2 GG garantiert ist.
Vom Gesetz abweichende Vorstellungen von Asyl und Einwanderung können, wie auch in anderen umstrittenen Konfliktbereichen, nicht in der Weise durchgesetzt werden, daß kurzerhand die Funktionen von Gesetzgeber, Gericht und Exekutive übernimmt, wer meint, die allein richtige Sicht der Dinge zu haben und durchsetzen zu müssen.
Stimmen, die das Kirchenasyl zur allgemein akzeptierten, sozialadäquaten Betätigung erklären und hierfür staatliche Anerkennung beanspruchen, argumentieren nur für sich selbst und nicht im Interesse des öffentlichen Wohls. Dies zeigt auch der Begriff der "Kriminalisierung", mit dem unterstellt wird, die strafrechtliche Sanktion des Gesetzesverstoßes beruhe auf Willkür.
Folgte man diesen Stimmen, so könnten sie, überspitzt gesagt, mit gleicher Argumentation auch beanspruchen, den rechtkräftig verurteilten Straftäter mit der Behauptung, er sei gleichwohl unschuldig, vor dem Strafantritt zu bewahren.
Da eine anders nicht abzuwendende Notlage für Leib- oder Leben der Betroffenen zu keiner Zeit vorgelegen hat, war die Gewährung von Kirchenasyl auch nicht durch innerkirchliche Erklärungen gedeckt, nach denen diese Maßnahme unter humanitären Gesichtspunkten als ultima ratio toleriert wird. Dies sei am Rande und mit dem Vorbehalt erwähnt, daß dem Kirchenasyl als innerkirchlichem Vorgang außerhalb des geschützten Bereiches keine rechtliche Anerkennung zukommt.
Es dürfte wohl Konsens darüber bestehen, daß kirchliche Glaubenshaltungen nicht in Anspruch nehmen kann, wer die Zuverlässigkeit rechtskräftiger hoheitlicher Entscheidungen grundsätzlich in Frage stellt, wie es der Angeklagte im vorliegenden Fall für richtig gehalten hat.
Außergesetzliche Öffnungen der Asylmöglichkeiten durch Einflußnahme auf die Verwaltungspraxis steht dem Anliegen des Gesetzes entgegen, Anreize zur illegalen Einwanderung zu unterbinden und nur in begründeten Notfällen gegenüber staatlicher Verfolgung eine staatliche Zuflucht zu gewähren.
cc)
Ist, wie hier, eine bestands- und rechtskräftige hoheitliche Entscheidung ergangen, so ist der Betroffenen zur Ausreise verpflichtet und die Behörde gehalten, dies auch gegen Widerstände durchzusetzen. Es gibt es keine rechtmäßige Möglichkeit, diese Entscheidung durch Kirchenasyl zu korrigieren. "Kirchen sind Asyle innerhalb von Diktaturen. In freiheitlichen Rechtsstaaten bedarf es solcher Schutzzonen nicht. Im Ernstfall wendet man sich an ein Gericht, nicht aber an die Kirche. "(vgl." Kirchenasyl: ehrenwert, aber kein Recht" in NJW 1995, 565 und " Bekenntnisfreiheit und Kirchenasyl in NJW 97, 2089).
Das Kirchenasyl ist weder geeignet, noch notwendig, um allgemein anerkannte gerechte Ergebnisse im Einzelfall zu bewirken.
Die Grundsätze auch in christlicher Humanität begründeter Werthaltungen tragen die Grundrechte und die darauf beruhende Rechtsordnung, aus denen sich auch die Handlungsmaximen der zur Gesetzesanwendung bestimmten Stellen herleiten.
Dies zeigt sich auch in den hier einschlägigen Regelungen des Ausländer - Asylverfahrens- oder des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Der humanitären Haltung wird in vielfältigen Ausnahme -und Duldungsregelungen Rechnung getragen.
Sie sind auf den ehrlichen, zur Mitwirkung bereiten Asylbewerber zugeschnitten und ermöglichen Lösungen, die den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung tragen. Die Regelungen ermöglichen aber dem unehrlichen Antragsteller zugleich vielfältige Möglichkeiten zum Mißbrauch.
Die Mißbrauchsquote beträgt günstig gerechnet ca 90 %. Dem versucht das Gesetz durch harte Strafdrohungen zu begegnen. Die Behörden haben das mit Entschiedenheit und Konsequenz durchzusetzen. Dies nachzuprüfen ist ausschließlich Sache der Gerichte.
3)
a)
Der Angeklagte handelte vorsätzlich.
Die Behörden haben ihn zutreffend auf die Rechtslage hingewiesen. Sie haben ihm angeboten, die Erkenntnisse über die fehlende Schutzbedürftigkeit der Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen. Auch in der eigenen Gemeinde hat er Widerspruch erfahren. Er hat sich in klarer Erkenntnis, unerlaubt zu handeln, die Ausreise der Personen verhindert. Auch vom Generalvikariat war er auf die mögliche strafrechtliche Relevanz seines Handelns hingewiesen worden.
b)
Er ist nicht entschuldigt
Das Handeln des Angeklagten war auch nicht zur Abwendung akuter Gefahr für Leib- oder Leben der Betroffenen unter notstandsähnlichen Gesichtspunkten vorübergehend entschuldigt. Der Umstand, daß der Angeklagte nach eigenen Angaben nichts vom zeitweiligen Aufenthalt der Familie ... in den Niederlanden gewußt hat, deutet darauf hin, daß auch der Angeklagte durch die Familie ... nur unvollständig informiert worden war.
Das Empfinden einer humanitären Problemlage mag zwar dadurch begünstigt worden sein, daß nach dem Ausländerrecht den Betroffenen vor der allfälligen Ausreise bzw Abschiebung ein jahrelanger Aufenthalt in Deutschland ermöglicht worden ist, dessen bevorstehendes Ende bei den Betr. nachvollziehbare Mißempfindungen begünstigt haben mag, die aber, wie dargestellt, keinen Duldungstatbestand begründen konnten, den die Behörde von amts wegen zu berücksichtigen hatte.
4.)
Der Angeklagte hat sich danach gemäß § 92 a Abs. 1 Nr. 2, 2.Alt. AuslG strafbar gemacht, indem er mehreren Ausländern, die sich ohne Erlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten haben und auch keine Duldung besaßen, vorsätzlich geholfen hat, sich der Ausreisepflicht zu entziehen und die bereits vorgesehen Abschiebung zu verhindern.
5.)
Der Strafrahmen beträgt Freiheiststrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen.
a).
Nach § 47 Abs. 1 StGB war zu erörtern, ob zur Verteidigung der Rechtsordnung die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerläßlich ist.
Wie dargestellt, ist die Rechtsordnung in Gefahr, wenn die Geltung des Rechts ins Belieben gestellt wird. Das mag bei Überzeugungs- und Wiederholungstätern eher zur Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen führen als bei jemandem, wie dem Angeklagten, der sich erstmalig über das Recht hinweggesetzt hat und bei dem nicht ohne weiteres festgestellt werden kann, daß er sich auch künftig darüber hinwegsetzen wird, auch wenn seine Einlassung, dies hänge vom Einzelfall ab, so verstanden werden kann. Der Angeklagte hat offen gehandelt, er stand im Gespräch mit der Behörde und er hat Widerstandshandlungen oder Propagandaaktionen nicht zugelassen.
Die Ankündigung von Freiheitsstrafe für den Fall der Wiederholung dürfte jedem vernünftigen Beobachter als hinreichende Abschreckung erscheinen.
Nachdem er durch dieses Verfahren nunmehr eindeutige und verbindliche Auskunft über die Rechtslage erfahren hat, glaubt die Kammer, daß er sich künftig hiernach richten wird. Er wird sich als Vertreter der Kirche, einer öffentlich - rechtlichen Einrichtung, mit Rücksicht auf ihr Selbstverständnis als Träger zeitloser Wahrheiten, und nicht nur wegen möglicher strafrechtlicher Berührungen einer besonderen Verantwortung verpflichtet fühlen und im übrigen seine verdienstvolle Zuwendung gegenüber Hilfsbedürftigen fortsetzen und weiterhin ein Beispiel tätiger christlicher Nächstenliebe geben.
b)
Zur Ahndung dieser Tat ist deshalb eine Geldstrafe ausreichend, aber auch geboten. Eine bloße Verwarnung mit Strafvorbehalt reicht nicht aus. Der Angeklagte hat sich an führender Stelle exponiert. Durch einen bloßen Strafvorbehalt besteht die Gefahr, daß der Eindruck einer unangemessenen und ungleichen Behandlung sowie einer unzulässigen Verharmlosung der Straftat entsteht.
aa)
Bei der Strafzumessung waren auch die materiellen und ideellen Folgen der Tat, zu berücksichtigen. Durch das Kirchenasyl sind gutmeinende Mitglieder der Gemeinde und die Öffentlichkeit für eine zweifelhafte Sache in Anspruch genommen worden.
Es ist Schaden für die Allgemeinheit entstanden, die für Personen aufkommen muß, die ohne die Einwirkung des Angeklagten längst das Land verlassen hätten.
bb)
Unter Berücksichtigung aller Umstände hält die Kammer zur Einwirkung auf den Angeklagten eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen und geeignet, den Angeklagten in dem nötigen Maße dahin zu beeinflussen, von Wiederholungen Abstand zu nehmen. Sie reicht auch aus, um gegenüber der rechtstreuen Allgemeinheit die Ernsthaftigkeit der Strafdrohung darzustellen.
6.)
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 1,465 StPO.