Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 02.10.1986, Az.: 2 Ws 447/86

Aussetzung der Vollstreckung einer einjährigen Jugendfreiheitsstrafe nach Verbüßung der Hälfte zur Bewährung; Vorliegen einer erstmaligen Freiheitsentziehung bei Verbüßung mehrerer Strafen nacheinander im Wege der Anschlussvollstreckung; Erprobung in Freiheit unter der Aufsicht eines Bewährungshelfers

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
02.10.1986
Aktenzeichen
2 Ws 447/86
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1986, 21527
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1986:1002.2WS447.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 04.09.1986 - AZ: 15 StVK 1443/86 VEC

Fundstellen

  • MDR 1987, 338 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1987, 1777 (amtl. Leitsatz)
  • NStZ 1987, 174-175
  • StV 1987, 70

Verfahrensgegenstand

Gefährliche Körperverletzung u.a.,

In dem Strafverfahren
...
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 2. Oktober 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx und
die Richter am Oberlandesgericht xxx und xxx
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Göttingen gegen den Beschluß des Landgerichts Oldenburg vom 4. September 1986 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

1

Gegen den Verurteilten werden erstmals seit dem 31. Oktober 1984 Freiheitsstrafen vollstreckt, darunter eine Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die Vollstreckung der Jugendstrafe ist am 12. Dezember 1985 zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einer weiteren Freiheitsstrafe von fünf Monaten unterbrochen worden. Die Vollstreckung der genannten einjährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Schöffengerichts Einbeck vom 6. November 1984 hat das Landgericht nach Verbüßung der Hälfte zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen richtet sich die zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

2

Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bereits nach Verbüßung der Hälfte, mindestens sechs Monaten, zur Bewährung ausgesetzt werden kann, § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB, sind gegeben. Allerdings setzt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut weiter voraus, daß der Verurteilte erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt. Diese durch das Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. April 1986 geschaffene Neuregelung hat kein gesetzliches Vorbild. Ihr Sinn ist darin zu sehen, der besonderen Wirkung erstmaligen Freiheitsentzuges durch Erprobung des Verurteilten zu einem früheren Zeitpunkt als nach der bisher geltenden 2/3-Regelung zu entsprechen (vgl. dazu Maatz in MDR 1985, 797, 798). Die Einbeziehung schwerer Kriminalität in die Änderung ist dabei durch die Beschränkung auf Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren vermieden worden. Es entspricht demgemäß einer an Sinn und Zweck des Gesetzes ausgerichteten Auslegung der Neuregelung, bei ihrer Anwendung allgemein an den erstmaligen Freiheitsentzug durch Strafverbüßung und nicht ausschließlich an den erstmaligen Vollzug einer Freiheitsstrafe im Sinne des § 38 StGB anzuknüpfen. Eine Freiheitsstrafe im Sinne dieser Bestimmung wird begrifflich auch dann erstmals vollstreckt, wenn der Verurteilte in früherer Zeit bereits eine Jugendstrafe verbüßt hat. Daß in diesem Fall die "Erstverbüßerregelung" des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB gleichwohl anwendbar wäre, entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Neuregelung (vgl. Maatz, a.a.O., S. 799; Greger JR 1986, 353, 356). Verbüßt der Verurteilte aber im Wege der Anschlußvollstreckung erstmals mehrere Strafen nacheinander, darunter wie hier eine Jugendstrafe, liegt ein erstmaliger Freiheitsentzug im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB vor, an den die Neuregelung der Halbzeitentlassung anknüpft.

3

Das Landgericht hat demgemäß zu Recht bereits bei Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Schöffengerichts darüber entschieden, ob deren Rest zur Bewährung auszusetzen ist.

4

Die weiteren Voraussetzungen für die Aussetzung liegen ebenfalls vor. Es kann verantwortet werden zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Allerdings hat er sich im November 1984 zu Beginn des Jugendvollzuges an einem Handel mit Betäubungsmitteln unter Mitgefangenen beteiligt. Die deswegen gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten hat er im Rahmen des jetzigen Vollzuges teilweise verbüßt. Angesichts des seit November 1984 andauernden weiteren Vollzuges ist indessen anzunehmen, daß sich der Freiheitsentzug nachhaltig positiv auf den Verurteilten auswirkt. Das Risiko seiner Erprobung in Freiheit unter der Aufsicht eines Bewährungshelfers ist daher zu verantworten. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, 2 StPO.