Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.11.1985, Az.: Ss 575/85
Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 28.11.1985
- Aktenzeichen
- Ss 575/85
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1985, 31344
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1985:1128.SS575.85.0A
Rechtsgrundlage
- § 86a StGB
Fundstellen
- NJW 1986, 1275 (Volltext mit amtl. LS)
- NStZ 1986, 166-167
Verfahrensgegenstand
Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Auf die Revision des Angeklagten
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 28. November 1985
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
einstimmig nach § 349 Abs. 4 StPO
beschlossen:
Tenor:
- I.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
- II.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
- III.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Osnabrück hat den Angeklagten am 20. Mai 1985 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20.- DM verurteilt. Seine Berufung ist durch Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 8. August 1985 verworfen worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II.
Die Revision ist begründet.
Das Landgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:
"Am 11. Oktober 1984 hatte der Angeklagte gegen 16.00 Uhr seinen Pkw, amtliches Kennzeichen xxx, in xxx an der xxxstraße abgestellt, wobei er im eingeschränkten Halteverbot seinen Wagen schräg zur Fahrtrichtung abgestellt hatte. Dieser Vorfall wurde von den beiden Politessen, den Zeuginnen xxx und xxx, beobachtet, worauf sie den Angeklagten auf dieses ihrer Auffassung nach verkehrswidrige Verhalten hin ansprachen. Als der Angeklagte sich dann entfernte, wurde er von der xxx schriftlich verwarnt. Kurze Zeit später erschien der Angeklagte wieder und wollte mit seinem Fahrzeug wegfahren. Als er die schriftliche Verwarnung am Fahrzeug erkannte, äußerte er zu der Zeugin, sie sollten nun ruhig ordentlich kassieren, damit die Bundeswehr, neue Waffen kaufen könne. Als die Zeuginnen auf sein Ansinnen, einen schriftlichen Widerspruch niederzuschreiben, nicht reagierten, stieg der Angeklagte in seinen Wagen, wobei er den Zeuginnen entgegenrief: "Heil Hitler", und fuhr los.''
Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Schutzzweck des § 86a StGB ist zum einen die Abkehr einer Wiederbelebung der verbotenen Organisation (hier der NSDAP) und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen (hier die Grußformel "Heil Hitler") symbolhaft hinweist. Zum anderen dient die Vorschrift auch der Wahrung des politischen Friedens dadurch, daß jeglicher Anschein einer solchen Wiederbelebung sowie der Eindruck bei in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland vermieden wird, in ihr gebe es eine rechts-staatwidrige innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet sei, daß verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigter Richtung geduldet würden. § 86a StGB will darüber hinaus verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener, verfassungsfeindlicher Organisationen, ungeachtet der damit verbundenen Absichten - sich wider derart einbürgert, daß das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, daß sie schließlich auch wider von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können (BGHSt 25, 30, 33).
Der durch diese Auslegung gewährleistete weitgespannte Schutz des poltischen Friedens, der z.B. auch jede - politisch absichtslose - kommerzielle Verwendung solcher Kennzeichen verhindern soll (vgl. BGHSt 28, 394), wurde jedoch zu einer Überdehnung des Tatbestandes führen, wenn auch solche Handlungen erfaßt würden, die diesem Schutzzweck ersichtlich nicht zuwiderlaufen (BGHSt 25, 30, 32; 25, 128, 131; 25, 132, 136; 28, 394, 396).
So liegt die Sache auch hier. Das Verhalten des Angeklagten konnte von objektiven Beobachtern nur als Protest gegen das Verhalten der Politessen und als Vorwurf gegen diese, sie seien im Begriff, sich nazistischer Methoden zu bedienen, aufgefaßt werden und damit als Ausdruck einer Gegnerschaft zu den Methoden des nationalsozialistischen Regimes. Da es sich im übrigen nur um eine Kurze einmalige Verwendung des Kennzeichens handelte, war eine Nachwirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt des Kennzeichens entsprechenden Richtung von vornherein ausgeschlossen. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB konnte daher keinen Bestand haben.
Eine Bestrafung wegen der in dem vermalter des Angeklagten liegenden Beleidigung der Politessen scheidet aus, weil weder diese noch ihr Dienstvorgesetzter Strafantrag gestellt haben.
Da auszuschließen ist, daß in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden konnten, hatte der Senat nach § 345 Abs. 1 StPO in der Sache selbst zu entscheiden und den Angeklagten freizusprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1StPO.