Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.12.2016, Az.: 1 Ws 674/16
Verwerfung der Berufung wegen unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten in einem Fortsetzungstermin
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.12.2016
- Aktenzeichen
- 1 Ws 674/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 36314
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 11.11.2016 - AZ: 12 Ns 350/15
Rechtsgrundlagen
- StPO § 323 Abs. 1 S. 2
- StPO § 329 Abs. 1 S. 1
Fundstelle
- StV 2018, 78
Amtlicher Leitsatz
Die Neuregelung der Berufungsverwerfung bei Abwesenheit des Angeklagten erfasst auch dessen Abwesenheit in einem Fortsetzungstermin.
Auch die Ladung zum Fortsetzungstermin einer Berufungsverhandlung muss eine Belehrung über die Folgen unentschuldigten Ausbleibens beinhalten.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 12. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 11. November 2016 aufgehoben.
Der Angeklagte wird in den Stand vor Versäumen der Berufungshauptverhandlung vor der 12. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 6. Oktober 2016 wiedereingesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatkasse auferlegt.
Gründe
Das Amtsgericht Vechta hatte den Angeklagten am 7. Juli 2015 unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 4. Dezember 2014 (Az.: 46 Cs 450 Js 33740/13 (132/13)) und unter Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zur Falschaussage zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.
Auf die Berufung des Angeklagten hiergegen bestimmte der Vorsitzende der 12. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg Termin zur Hauptverhandlung auf den 23. September 2016 und ordnete das persönliche Erscheinen des Angeklagten an. Der daraufhin gefertigten, dem Angeklagten am 29. Juli 2016 zugestellten Terminsladung beigefügt waren Hinweise auf die Folgen unentschuldigten oder nicht genügend entschuldigten Ausbleibens im Termin. Da eine weitere Sachaufklärung erforderlich war, beschloss die Strafkammer in dem Termin am 23. September 2016, zu dem der Angeklagte und sein Pflichtverteidiger erschienen waren, die Unterbrechung der Hauptverhandlung und deren Fortsetzung am 6. Oktober 2016, 11.30 Uhr. Zu diesem Termin wurden alle Verfahrensbeteiligten mündlich zu Protokoll geladen. Eine gesonderte schriftliche Ladung erfolgte nicht.
Zum Fortsetzungstermin am 6. Oktober 2016 erschien zwar der - nicht zur Vertretung des Angeklagten in dessen Abwesenheit bevollmächtigte - Pflichtverteidiger des Angeklagten, nicht hingegen der Angeklagte selbst. Daraufhin verwarf das Landgericht Oldenburg mit Urteil vom selben Tage, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Berufung des Angeklagten.
Den Antrag des Angeklagten, ihn in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung wiedereinzusetzen, hat das Landgericht mit Beschluss vom 11. November 2016 verworfen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Der Angeklagte war zum Fortsetzungstermin am 6. Oktober 2016 nicht ordnungsgemäß geladen.
Nach der Neuregelung des § 329 StPO durch das Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe vom 17. Juli 2015 (BGBl I, Jahrgang 2015, Nr. 31 v. 24. Juli 2015, 1332 ff), ist nunmehr auch dann eine Verwerfung der Berufung möglich, wenn die Hauptverhandlung unterbrochen war und der Angeklagte zum Fortsetzungstermin nicht erschienen ist (vgl. Frisch, in: SK-StPO, Bd. VI, 5. Aufl., § 329 Rn. 6a), da nach der Neufassung für die Verwerfung nicht mehr das Ausbleiben zu Beginn der Hauptverhandlung erforderlich ist, sondern das Ausbleiben zu Beginn eines jeden Hauptverhandlungstermins genügt (vgl. amtl. Begründung des Gesetzes, BT-Drucksache 18/3562, S. 68).
Voraussetzung für eine Verwerfung ist aber eine ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten. Diese muss gemäß § 323 Abs. 1 Satz 2 StPO den Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens enthalten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 329 Rn. 9). Dass die Ladung zu einem früheren Termin den ordnungsgemäßen Hinweis enthielt, reicht dafür nicht aus (Frisch, in: SK-StPO, Bd. VI, 5. Aufl. (2016), § 329 Rn. 15). Der Angeklagte hätte daher auch bei der Ladung zum Fortsetzungstermin auf die Folgen seines unentschuldigten Ausbleibens ausdrücklich hingewiesen werden müssen.
Dem wird die ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vom 23. September 2016 erfolgte, ohne Hinweis auf die Folgen eines Ausbleibens gemäß § 323 Abs. 1 Satz 2 StPO mündliche Ladung zum Fortsetzungstermin am 6. Oktober 2016 nicht gerecht.
2. Wegen dieses Ladungsmangels war der Angeklagte auf seinen Antrag wieder in den Stand vor Versäumen der Hauptverhandlung einzusetzen.
Ein Angeklagter kann gegen ein Verwerfungsurteil die Wiedereinsetzung auch dann beanspruchen, wenn er nicht ordnungsgemäß geladen wurde. In einem solchen Fall ist er zwar an sich nicht säumig. Gleichwohl ist er dem Säumigen gleichzustellen und ihm ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn das Gericht das Fehlen oder die Unwirksamkeit der Ladung übersehen hat (vgl. etwa OLG Koblenz, Beschluss v. 03.04.2006, 1 Ws 207/06, bei juris). Dem steht auch nicht entgegen, dass das Landgericht sich bereits in seinem Verwerfungsurteil vom 6. Oktober mit der Frage der ordnungsgemäßen Ladung des Angeklagten befasst hat. Macht der Angeklagte - wie hier der Angeklagte mit seinem Antrag vom 19. Oktober 2016 - geltend, ein Ladungsmangel sei für sein Ausbleiben ursächlich gewesen, dann steht es ihm frei, dieses durch einen Wiedereinsetzungsantrag oder im Wege der Revision geltend zu machen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.04.1987, Ws 30/87 H, MDR 1987, 868).
Im Hinblick auf den Wiedereinsetzungsantrag hat der Senat von einer Kostenentscheidung gemäß § 473 Abs. 7 StPO abgesehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 04.04.2005, 3 Ws 224/05, NStZ-RR 2005, 174 [BGH 01.02.2005 - 4 StR 486/04]). Bezüglich des Beschwerdeverfahrens entspricht die Kostenentscheidung § 467 StPO.