Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 24.04.1998, Az.: Ws 26/98

Auslegung einer Rechtsmittelschrift hinsichtlich des Beschwerdeführers

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
24.04.1998
Aktenzeichen
Ws 26/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 18336
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1998:0424.WS26.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 22.01.1998 - AZ: 12 Ns 16/97 - Ds
AG ... - AZ: 51 Ds 190/97
StA ... - AZ: 31 Js 3188/97
GenStA ... - AZ: 2 AR (Ws) 7/98

Verfahrensgegenstand

Betrug

In der Strafsache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts ...
am 24. April 1998
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landgerichts ... vom 22. Januar 1998 wird für erledigt erklärt.

Gründe

1

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts (Jugendrichter) ... vom 14. Oktober 1997 wegen Betruges in 65 Fällen, davon in 43 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr belegt worden, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung sowie gegen den Bewährungsbeschluß sofortige Beschwerde eingelegt. Bereits zu einem früheren Verfahrenszeitpunkt war ihm Rechtsanwalt ... zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Das Landgericht ... hat - auch unter Ladung dieses Pflichtverteidigers - Termin zur Berufungsverhandlung zum 20.02.1998 anberaumt. Nachdem der Pflichtverteidiger um Aufhebung dieses anberaumten Verhandlungstermins wegen Verhinderung durch eine mehrwöchige Haftsache gebeten hatte, hat das Landgericht die Bestellung dieses Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger aufgehoben, weil die Voraussetzungen nicht mehr vorgelegen hätten. Hiergegen ist das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt worden. Bevor die Akten dem Senat zusammen mit der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt worden waren, war die Berufungsverhandlung bereits durchgeführt. Zu diesem Verhandlungstermin war der Angeklagte nicht erschienen; jedoch trat der Verteidiger trotz der zuvor angekündigten Verhinderung auf und nahm die Berufung zurück. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

2

II.

Die Beschwerde ist in zulässiger Weise eingelegt Zwar hat der Verteidiger die Rechtsmittelschrift so formuliert, daß er selbst gegen den angefochtenen Beschluß Beschwerde einlege, wobei ihm selbst kein eigenes Beschwerderecht zusteht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 141 Rdnr. 10 m.Rspr.Nw.). Jedoch ist in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 24.02.1998 das Rechtsmittel so auszulegen, daß es als im Namen des Angeklagten eingelegt anzusehen ist, da der Angeklagte durch die Entpflichtung des ihm zuvor beigeordneten Verteidigers in seinen eigenen Rechten verletzt sein kann.

3

Die Beschwerde ist jedoch inzwischen prozessual überholt, so daß sie nachträglich gegenstandslos geworden und deshalb für erledigt zu erklären ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., vor § 296 Rdnr. 17 m.Rspr.Nw.). Die prozessuale Überholung ergibt sich daraus, daß der früher beigeordnete Rechtsanwalt ... trotz der inzwischen erfolgten Entpflichtung nunmehr wieder als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist Er erschien trotz der zuvor erfolgten Entpflichtung durch den Strafkammervorsitzenden zur Hauptverhandlung vom 20.02.1998. Die Strafkammer hat ihn als Verteidiger des inzwischen nach ... zurückgekehrten Angeklagten "akzeptiert", ihn in das Protokoll aufgenommen und seine Erklärung entgegengenommen und protokolliert, daß er die Berufung des Angeklagten gegen das angefochtene Urteil des Jugendrichters zurücknehme. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft stimmte der Berufungsrücknahme zu, was ebenfalls im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Dieses Gesamtverhalten des Strafkammervorsitzenden kann rechtlich nur als stillschweigende Entscheidung des Inhalts gewürdigt werden, daß er Rechtsanwalt ... wiederum als Pflichtverteidiger beigeordnet habe. Eine solche stillschweigende Entscheidung des Strafkammervorsitzenden liegt hier vor, da die dargestellten Umstände mit Wissen des Gerichts geschehen sind und der Entscheidungsinhalt in den anderen - soeben dargestellten - Prozeßhandlungen zum Ausdruck gekommen ist, und zwar so deutlich, als ob die Entscheidung förmlich ergangen wäre (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rdnr. 123 m.Rspr.Nw.).

4

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, wenn ein Rechtsmittel nachträglich gegenstandslos geworden ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., vor § 296 Rdnr. 17).