Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.11.2007, Az.: 1 Ws 554/07
Ausreichende konkrete Verdachtsumstände und Abwägung des Eigentumsrechts des Beschuldigten mit dem Sicherungsbedürfnis des Geschädigten als Voraussetzung für die Anordnung eines dinglichen Arrests; Sicherungsbedürfnis des geschädigten Steuerfiskus bei Verdacht einer Steuerhinterziehung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.11.2007
- Aktenzeichen
- 1 Ws 554/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 43501
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:1126.1WS554.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 22.08.2007 - AZ: 2 Qs 322/07
Rechtsgrundlagen
- § 111b Abs. 2 StPO
- § 111b Abs. 5 StPO
- § 310 Abs. 1 StPO
- § 324 AO
Fundstellen
- NStZ-RR 2008, 116 (amtl. Leitsatz)
- NStZ-RR 2008, VI Heft 2 (amtl. Leitsatz)
- StRR 2008, 2 (amtl. Leitsatz)
- StV 2008, 241 (Volltext mit amtl. LS)
- StraFo 2008, 25-26 (Volltext mit red. LS)
- wistra 2008, II Heft 2 (red. Leitsatz)
- wistra 2008, 119 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Steuerhinterziehung
Amtlicher Leitsatz
Die Anordnung eines dinglichen Arrestes nach § 111b Abs. 2, 5 StPO setzt ausreichende konkrete Verdachtsumstände voraus sowie eine Abwägung des Eigentumsrechts des Beschuldigten mit dem Sicherungsbedürfnis des Geschädigten. Ist die Verdachtstat eine Steuerhinterziehung, so kann ein bei dieser Abwägung zu berücksichtigendes fehlendes oder stark eingeschränktes Sicherungsbedürfnis des geschädigten Steuerfiskus darin zum Ausdruck kommen, dass die Finanzbehörde trotz Kenntnis aller Verdachtsumstände ihrerseits keinen dinglichen Arrest nach § 324 AO angeordnet hat.
In der Wirtschafts-Ermittlungssache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 26. November 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ...und ...
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Beschuldigten werden der Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 22. August 2007 und der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 21. Juni 2007 aufgehoben.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines dinglichen Arrestes wird abgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und insoweit entstandene notwendige Auslagen des Beschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Nach dem angefochtenen Beschluss ist der Beschuldigte verdächtig, im Rahmen eines Handels mit Kraftfahrzeugen durch Schwarzgeldgeschäfte und fingierte Rechnungen Umsatz , Gewerbe und Einkommenssteuern sowie Solidaritätszuschlag hinterzogen und in Höhe der ersparten Steuerzahlungen einen entsprechenden Vermögensvorteil gezogen zu haben, welcher in Höhe von 453.540 EUR dem Verfall von Wertersatz nach § 73a StGB unterliege, der durch den angeordneten dinglichen Arrest nach § 111b Abs. 2 und 5 StPO zu sichern sei.
Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten verworfen. Seiner weiteren Beschwerde hat es nicht abgeholfen. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Beschlüsse Bezug genommen.
Die weitere Beschwerde ist nach § 310 Abs. 1 StPO zulässig. Sie ist auch begründet.
Die Voraussetzungen des angeordneten dinglichen Arrestes liegen nicht vor.
Soweit es um Umsatzsteuerhinterziehungen zugunsten der spanischen T... T... S. L. geht, ergeben sich aus der vorgelegten Akte zwar gewisse Anhaltspunkte für eine teilweise Mitwirkung des Beschuldigten. Indessen ergibt sich aus dem Akteninhalt nichts Konkretes dafür, dass der Beschuldigte an der Firma T... T... - gleich von welcher Rechtsform dieser Firma ausgegangen wird - als Gesellschafter oder Inhaber beteiligt war und Steuervorteile erlangt hat.
Soweit dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, an Kfz-Handelsgeschäften mitgewirkt zu haben, die nicht oder falsch verbucht und steuerlich nicht erklärt wurden ("Schwarzgeschäfte"), ergeben sich hierfür aus den dem Senat vorgelegten Akten keine den Arrest rechtfertigenden hinreichenden Anhaltspunkte. Die bloße pauschale Bezugnahme auf die "polizeilichen Erkenntnisse" reicht keinesfalls aus. Als konkrete Belastungsmomente sind insoweit nur drei abgehörte Telefongespräche des Beschuldigten aktenkundig. Hiervon lassen allenfalls zwei einen Bezug auf "Schwarzgeschäfte" erkennen. Auf konkrete Taten lassen sie keinen hinreichend tragfähigen Schluss zu, erst recht nicht auf einen Tatumfang, wie er zur Rechtfertigung des dinglichen Arrestes in Höhe von mehreren 100.000 EUR erforderlich wäre. Ob die nicht aufgrund eines gegen den Beschuldigten ergangenen Beschlusses abgehörten Telefongespräche überhaupt nicht oder speziell im Steuerstrafverfahren (vgl. BFH Beschluss v. 6.10.1993 bei [...]) nicht als Beweismittel verwertbar sind, kann offen bleiben.
Im Übrigen ist auch ein Arrestgrund nicht ausreichend ersichtlich. Der angefochtene Beschluss und die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts beziehen sich insoweit allein darauf, dass der gegen den Beschuldigten bestehende Steuerhinterziehungsverdacht auf eine Gesinnung schließen lasse, die vermuten lasse, der Beschuldigte werde sich aller möglichen Mittel bedienen, um sich in dem Vorteil der Tat zu halten. Diese Erwägung, mit der sich in so gut wie allen Fällen einer Steuerhinterziehung und sonstiger auf Täuschungen basierender Straftaten ein dinglicher Arrest begründen ließe, reicht alleine nicht aus. Erforderlich sind über den Tatverdacht hinausgehende konkrete Umstände, die besorgen lassen, dass ohne eine Arrestanordnung der Rückforderungsanspruch des Fiskus gefährdet ist.
Die Beschlüsse des Amts und Landgerichts lassen zudem die erforderliche Abwägung zwischen der Beeinträchtigung des Eigentumsrechts des Betroffenen und dem Sicherstellungsbedürfnis des Fiskus vermissen, der hier wegen der Höhe des Arrestbetrages besondere Bedeutung zukommt, vgl. BVerfG, Beschluss 2 BvR 1822/04 vom 7.6.2005 - StraFo 2005, 338 [BVerfG 07.06.2005 - 2 BvR 1822/04]. Bei dieser Abwägung wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Steuerfiskus von der Möglichkeit, selbst einen dinglichen Arrest nach § 324 AO zu erlassen, abgesehen hat, obwohl ihm ersichtlich dieselben Informationen wie den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung standen. Daraus lässt sich mindestens auf eine erhebliche Reduzierung des Sicherungsbedürfnisses schließen. Strafprozessuale Arrestanordnungen zur Rückgewinnungshilfe sollen dem Tatverletzten nicht eigene Arbeit und Mühe abnehmen, sondern ihn nur insoweit unterstützen, wie dies zur Durchsetzung der Ansprüche erforderlich ist, vgl. OLG Düsseldorf NStZRR 2002, 173. Sieht ein Geschädigter, der - wie hier der Steuerfiskus - sich selbst einen Arresttitel ausstellen kann, hiervon ab, so zeigt sich darin ein fehlendes oder jedenfalls stark eingeschränktes Sicherungsbedürfnis, das einer strafprozessualen Arrestanordnung entgegenstehen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 467 StPO.