Landgericht Osnabrück
Urt. v. 11.07.1984, Az.: 1 S 251/84
Ermittlung des angemessenen Unterhalts für ein minderjährigen Kindes durch Feststellung der Einkommensverhältnisse und Vermögensverhältnisse
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 11.07.1984
- Aktenzeichen
- 1 S 251/84
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1984, 18814
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:1984:0711.1S251.84.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osnabrück - 14.05.1984 - AZ: 14 C 18/84
Rechtsgrundlagen
- § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
- § 264 Nr. 2 ZPO
- § 1605 BGB
- § 1606 BGB
- § 1607 BGB
- § 1610 BGB
Verfahrensgegenstand
Auskunft
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 1984
unter Mitwirkung der Richter am Landgericht Große Extermöring, Fahnemann und Arenhövel
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 14. Mai 1984 wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Auskunftsanspruch wegen unterhaltsrechtlicher Fragen.
Der Beklagte ist der Großvater väterlicherseits der minderjährigen Klägerinnen, deren Eltern geschieden sind. Der Vater der Klägerinnen übt aufgrund einer Erkrankung seinen Beruf als Arzt nicht aus und wird vom Arbeitsamt finanziell unterstützt. Die sorgeberechtigte Mutter der Klägerinnen ist als medizinisch-technische Assistentin halbtags bei einem monatlichen Bruttoeinkommen zwischen 1.400,- und 1.500,- DM berufstätig. Die Klägerinnen begehren vom Beklagten Auskunft über die monatlichen Einkünfte.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, der Beklagte sei wegen der Leistungsunfähigkeit ihres Vaters zu einer monatlichen Unterhaltszahlung verpflichtet. Zur Bestimmung der Höhe sei die Auskunft erforderlich.
Die Klägerinnen haben beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihnen Auskunft über seine monatlichen Einkünfte zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte stellt seine Unterhaltspflicht in Abrede, da der Unterhaltsbedarf der Klägerinnen durch die vorrangig verpflichteten Eltern sichergestellt werden könne.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Erfüllung der Auskunftspflicht sei erforderlich, um den Klägerinnen die Überprüfung der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten zu ermöglichen.
Gegen dieses am 16.5.1984 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 18.5.1984 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel gleichzeitig begründet.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Auskunft sich auf die monatlichen Einkünfte ab dem 1.11.1983 beziehen soll.
Zur weiteren Begründung ihrer Berufungsanträge haben die Parteien ihr Vorbringen I. Instanz wiederholt und ergänzt sowie das angefochtene Urteil vorgetragen. Darauf wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist an sich statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. Da es sich bei dem Rechtsstreit zwischen den Enkelinnen und deren Großvater um feine unterhaltsrechtliche Familiensache im Sinne des § 23 b I Nr. 5 GVG handelt (vgl. BGH NJW 1978, 1633 [BGH 02.05.1978 - VI ZR 94/77]), ist insbesondere gemäß § 72 GVG die zweitinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben.
In der Sache hat das Rechtsmittel des Beklagten Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Die Klage war bis zu der im Schriftsatz vom 21.6.1984 vorgenommenen Konkretisierung des Klagantrags unzulässig, weil es entgegen § 253 II Nr. 2 ZPO an einem bestimmten und vollstreckungsfähigen Antrag fehlte. Ein zulässiges Auskunftsbegehren setzt die Festlegung voraus, für welchen Zeitraum Auskunft zu erteilen und zu welchem Zeitpunkt eine Vermögensaufstellung vorzulegen ist (vgl. BGH, FamRZ 1983, 454; OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 631).
Aber auch die in zweiter Instanz vorgenommene und gemäß § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu bewertende Konkretisierung des Klageantrags bleibt wegen der Unbegründetheit des Begehrens ohne Erfolg. Der Beklagte ist nämlich gegenüber den Klägerinnen nicht gemäß §§ 1605, 1606, 1607 BGB zur Auskunft über sein monatliches Einkommen ab dem 1.11.1983 verpflichtet. Der Unterhalt der Klägerinnen wird ... in gesetzlich ausreichender Weise durch das Einkommen ihrer Mutter zuzüglich der Abzweigungen des Arbeitsamts Hannover sichergestellt, so daß eine weitergehende Unterhaltsberechtigung nicht angenommen werden kann. Damit entfällt das durch § 1605 BGB geschützte Interesse der Klägerinnen, sich Gewißheit über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten verschaffen zu müssen.
Gemäß § 1610 I BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung der Klägerinnen. Bei dieser Ermittlung des angemessenen Unterhalts ist auf den Lebenszuschnitt der Eltern abzustellen. Maßgeblich sind dabei die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, wie sie sich über einen längeren Zeitraum verfestigt haben und voraussichtlich auch andauern werden. Dies bedeutet vorliegend, daß sich die Lebensstellung der Klägerinnen nicht nach dem Einkommen einer intakten Arztfamilie richtet. Vielmehr sind sowohl die Trennung der Eltern mit den daraus resultierenden ungünstigen wirtschaftlichen Folgen (vgl. BGH FamRZ 1981, 543) als auch die Tatsache der krankheitsbedingten Aufhebung oder Einschränkung der Berufsfähigkeit des Vaters zu berücksichtigen. Nach dem unstreitigen Parteivortrag war der Vater der Klägerinnen bereits zur Zeit der Trennung von seiner Ehefrau wegen seiner Erkrankung ohne Arbeit und hat folglich seinen Beruf seit Jahren nicht mehr ausgeübt.
Unter diesen Umständen besteht kein Anlaß, den Unterhaltsbedarf der Klägerinnen abweichend von den in der Rechtsprechung entwickelten unterhaltsrechtlichen Leitlinien bewerten zu müssen. Dabei ist das Gesamteinkommen zu berücksichtigen, welches der Mutter der Klägerinnen monatlich zur Verfügung steht. Der Ansicht, die Mutter sei wegen ihrer Betreuungsleistung gemäß § 1606 III BGB nicht bar unterhaltspflichtig und daher habe ihr monatliches Einkommen außer Betracht zu bleiben, folgt die Kammer nicht. Zum einen hat die Mutter nach dem vorgetragenen Sachstand infolge ihrer Erwerbstätigkeit eine bessere Lebensstellung als der andere Elternteil, so daß sich schon daraus grundsätzlich die Verpflichtung ergibt, die Kinder daran teilnehmen zu lassen (vgl. unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Celle - Stand: 1.1.1984 - NJW 1984, 282). Darüber hinaus ist die Mutter der Klägerinnen wegen der insbesondere durch den krankheitsbedingten Unterhaltsausfall des Kindesvaters hervorgerufenen Notsituation daran gehindert, sich gemäß § 1606 III BGB befreiend auf die Personensorge zu berufen (vgl. Münch. Komm., BGB, § 1606 Rdnr. 7).
Mithin ergibt sich unter Berücksichtigung des Vertrages der Klägerinnen bei ihrer unterhaltspflichtigen Mutter ein monatliches Einkommen von zumindest 1.711,25 DM, welches sich aus 1.270,- DM Arbeitslohn, 140,- DM Wohngeld und 301,25 DM als Abzweigungsbetrag des Arbeitsamtes Hannover ergibt. Hierbei ist das monatliche Kindergeld in Höhe von 150,- DM sogar unberücksichtigt geblieben. Abzüglich des der Mutter verbleibenden sogenannten großen Selbstbehalts, der nach der Rechtsprechung sämtlicher Senate des Oberlandesgerichts Oldenburg ab dem 1.1.1984 mit 1.100,- DM bemessen wird, verbleiben zugunsten der Klägerinnen zumindest 611,25 DM. Nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien insbesondere des OLG Düsseldorf macht der monatliche Unterhaltsbetrag der Klägerinnen selbst unter Berücksichtigung eines Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen bis zu 2.000,- DM zugunsten der Klägerin zu 1) 310,- DM und bezüglich der Klägerin zu 2) 265,- DM aus (vgl. Düsseldorfer Tabelle nach dem derzeit gültigen Stand in NJW 1982, 19; NJW 1984, 278).
Der monatliche Bedarf von insgesamt 575,- DM wird also durch den der Mutter für den Kindesunterhalt verbleibenden Betrag gedeckt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.