Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.04.2006, Az.: 14 UF 32/06

Rechtmäßigkeit einer Berücksichtigung von betrieblichen Rentenanwartschaften im Versorgungsausgleich; Erwerb von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung während der Ehezeit; Bewertung eines Versorgungsguthabens in der betrieblichen Altersversorgung als Deckungskapital einer Rentenversicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.04.2006
Aktenzeichen
14 UF 32/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 33417
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2006:0419.14UF32.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nordenham - 22.02.2006 - AZ: 4 F 137/05 S

Fundstellen

  • FamRZ 2007, 53 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2006, 549-550

Verfahrensgegenstand

Ehescheidung
hier: Regelung des Versorgungsausgleichs

In der Familiensache
...
hat der 14. Zivilsenat - 5. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 19. April 2006
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.

  2. 2.

    Auf die Beschwerde des Antragstellers wird das Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordenham vom 22. Februar 2006 zu Nr. 2. des Tenors dahin geändert, dass die Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von 16,03 Euro im erweiterten Splitting entfällt.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.

    Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.000,00 Euro

Gründe

1

Durch das angefochtene Scheidungsverbundurteil hat das Familiengericht auf einen am 08.06.2005 zugestellten Antrag die am 12.07.1996 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass vom Versicherungskonto des Antragstellers Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 65,19 Euro im Wege des Splittings und weitere Anwartschaften in Höhe von 16,03 Euro im Wege des erweiterten Splittings auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin übertragen worden sind.

2

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller wegen der Berücksichtigung seiner betrieblichen Anwartschaften im Versorgungsausgleich.

3

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1, Abs. 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) und begründet.

4

Ausweislich der Auskünfte hat der Antragsteller in der vom 01.07.1996 bis 31.05.2005 währenden Ehezeit Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 302,78 Euro erworben, die Antragsgegnerin solche von 172,39 Euro monatlich. Zutreffend hat das Familiengericht diese durch Übertragung von Anwartschaften in Höhe von 65,19 Euro vom Versicherungskonto des Antragstellers auf das der Antragsgegnerin ausgeglichen (§§ 1587 a Abs. 1, 1587 b Abs. 1 BGB).

5

Daneben hat der Antragsteller zum Ehezeitende ein Versorgungsguthaben in der betrieblichen Altersversorgung zu einem Zeitwert von 7.075,28 Euro erworben.

6

Dieses Guthaben ist nicht als Deckungskapital einer Rentenversicherung im Sinn des § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG anzusehen, weil das Anrecht des Antragstellers - im Gegensatz zur Ansicht des Familiengerichts - auf eine Kapitalleistung gerichtet ist, die jedoch nicht dem Versorgungsausgleich unterliegt (vgl. BGH NJW 1984, 299; BGH NJW 2005, 1379), und nicht auf eine Rentenleistung. Die Abgrenzung richtet sich dabei nach der Erscheinungsform des Anrechts im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, wobei die Abgrenzung deshalb erforderlich ist, weil der Versorgungsausgleich auf den Ausgleich von Rentenanrechten zugeschnitten ist und für den Ausgleich von Kapitalforderungen keine geeigneten Ausgleichsmechanismen zur Verfügung stehen (vgl. BGH NJW 2003, 1320, 1321) [BGH 05.02.2003 - XII ZB 53/98].

7

Dieser Umrechnungsmechanismus soll, wie schon die Bezugnahme des § 1587 a Abs. 3 Satz 1 BGB auf die in § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 BGB genannten "Renten oder ähnliche wiederkehrenden Leistungen" ergibt, aber nur Anrechte unterschiedlicher Dynamik wertmäßig vergleichbar machen; er soll es nicht ermöglichen, darüber hinaus auf Kapitalleistung gerichtete Anrechte mit Rentenanrechten der gesetzlichen Rentenversicherung gleichzusetzen (vgl. BGH NJW 2003, 1153, 1154) [BGH 30.01.2003 - III ZR 270/02].

8

Die durch die Konzernbetriebsvereinbarung hier seit 2004 gewählte Konstruktion der betrieblichen Altersversorgung zeigt aber eindeutig die Ablösung der vorher gewährten Betriebsrenten durch den Anspruch auf ein Versorgungsguthaben, das im Regelfall in zehn gleichen Jahresraten ausgezahlt wird, wobei das Unternehmen die Fälligkeit ausstehender Raten vorverlegen kann (Nr. 6.6.1 der Vereinbarung). Schon aus dieser Regelung folgt, dass der vom Familiengericht herangezogene Vergleich mit einer Rentenzahlung im Sinn der Barwertverordnung nicht passend ist. Aber auch aus der Konzernbetriebsvereinbarung zur Überleitung ergibt sich, dass sich die vom Antragsteller bis zum Ablösungszeitpunkt 31.12.2003 erworbene Rentenanwartschaft zu einem "Startbaustein" gewandelt hat, der als Kapitalbetrag dem Basiskonto des Mitarbeiters gutgeschrieben wird (Nr. 3.1, 3.2 zur Überleitung). Dass das bei Eintritt des Versorgungsfalls vorhandene Versorgungsguthaben auf Antrag auch verrentet werden kann (Nr. 6.6.2.1), ändert an der Qualifizierung als Kapitalleistung nichts, weil gemäß den nachfolgenden Berechnungsvorschriften lediglich versicherungsmathematisch das Guthaben entsprechend ausgezahlt wird.

9

Demgemäß ist - weil auch das Wahlrecht bislang nicht ausgeübt worden ist - davon auszugehen, dass die Altersversorgung des Antragstellers in ihrer jetzigen Form auf eine Kapitalzahlung ausgerichtet ist und ein Versorgungsausgleich demgemäß nicht stattfindet (vgl. auch die eine vergleichbare Versorgungsvereinbarung betreffende Entscheidung BGH NJW 2005, 1379).

10

Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass der mitgeteilte Zeitwert des Versorgungsguthabens zum Ehezeitende keine Differenzierung hinsichtlich Betriebszugehörigkeit des Antragstellers und der Ehezeit enthält.

11

Soweit zum Stichtag ein berechenbarer Zeitwert gegeben sein sollte, wäre dieser in einem Zugewinnausgleichsverfahren zu berücksichtigen.

12

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 49 GKG, 13 a Abs. 1 FGG, 93 a ZPO.

Streitwertbeschluss:

Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.000,00 Euro