Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.04.2000, Az.: 6 A 173/98

Ausgleichsabgabe nach § 13 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) als Masseschuld im Sinne der Konkursordnung; Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges beiÜberprüfung von Ausgleichsabgaben nach dem Schwerbehindertengesetz

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.04.2000
Aktenzeichen
6 A 173/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 11649
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2000:0411.6A173.98.0A

Fundstelle

  • br 2000, 178

Verfahrensgegenstand

Ausgleichsabgabe

Prozessführer

Herr ... als Konkursverwalter über das Vermögen der Fa.

Prozessgegner

das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben ...

In dem Rechtstsreit
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg
- 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ...
den Richter am Verwaltungsgericht ... und
den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und
...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1998 wird aufgehoben, soweit dort festgestellt wird, dass die festgesetzte Ausgleichsabgabe eine Masseschuld ist.

  2. 2.

    Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

  3. 3.

    Gerichtskosten werden nicht erhoben.

  4. 4.

    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

  5. 5.

    Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wehrt sich in diesem Verfahren in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter dagegen, dass eine Ausgleichsabgabe nach § 13 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) von dem Beklagten als Masseschuld im Sinne der Konkursordnung eingeordnet worden ist.

2

Mit Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg wurde im Dezember 1996 über das Vermögen der Fa. ... GmbH ... das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Konkursverwalter bestellt. Entsprechend einer Anzeige nach § 13 Abs. 2 SchwbG setzte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 1998 gegenüber dem Kläger als Konkursverwalter für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 1997 eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 1.200,00 DM fest. Ferner traf es in diesem Bescheid folgende Regelung:

"Nach § 59 der Konkursordnung (KO) handelt es sich hierbei um Masseschulden, die nach § 57 KO vom Konkursverwalter aus der Konkursmasse vorweg zu berichtigen sind."

3

Gegen diese Einordnung als Masseschuld richtete sich der Widerspruch des Klägers, der vom Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1998 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

4

Am 6. August 1998 hat der Kläger die Klage erhoben.

5

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:

6

Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich bei der Ausgleichsabgabe nicht um eine Masseforderung, sondern um eine einfache Konkursforderung im Rang des . Masseschulden entstünden lediglich aus Geschäften und Handlungen des Konkursverwalters, und zwar für solche, die im Rahmen von Geschäften entstehen, die der Konkursverwalter mit dem Ziele abschließe, der Masse etwas zuzuführen; sie erwüchsen nicht aus Handlungen, die der bloßen Liquidation dienten. Die Ausgleichsabgabe sei nicht aus Geschäften oder Handlungen entstanden, sondern entstehe nach dem Schwerbehindertengesetz in jedem Monat, in dem die vorgeschriebene Zahl der Pflichtplätze nicht besetzt sei. Gesetzliche Ansprüche dieser Art fielen jedoch nur dann unter § 59 KO, wenn der sie tragende Sachverhalt nach Konkurseröffnung begründet worden sei, was bei der Ausgleichsabgabe nicht zutreffe. Im Übrigen sei der Begriff der Masseschuld eng auszulegen, und zwar im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger. Die Privilegierung des § 59 KO diene nämlich dazu, dem Konkursverwalter die sachgemäße Geschäftsführung zu ermögliche. Dies würde gefährdet, wenn der Kreis der Masseschulden ausgeweitet würde. Letztlich könne der mit der Ausgleichsabgabe verbundene Zweck, den Arbeitgeber dazu anzuhalten Schwerbehinderte einzustellen, nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers nicht mehr erfüllt werden.

7

Im Tatsächlichen sei darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin mit Wirkung zum 1. Februar 1997 an eine Nachfolgegesellschaft veräußert worden sei.

8

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1998 aufzuheben, soweit dort festgestellt wird, dass die festgesetzte Ausgleichsabgabe eine Masseschuld ist.

9

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen,

10

und verteidigt seine im Widerspruchsbescheid vertretene Auffassung, dass es sich bei der Ausgleichsabgabe um eine Masseschuld handele.

11

Durch Beschluss vom 15. September 1998 hat das entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides angerufene Verwaltungsgericht Hannover den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Bei der Frage der Behandlung der Ausgleichsabgabe nach der Konkursordnung handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, weil das Konkursvorrecht eine der Forderung zustehende Eigenschaft ist, die sich in ihrer rechtlichen Einordnung nach der Rechtsnatur der Forderung richtet (BVerwG, ZIP 1985, 1336 m.w.N.; LSG NW, ZIP 1981, 751 m.w.N.). Die Überprüfung der Ausgleichsabgaben nach dem Schwerbehindertengesetz unterliegt unstreitig den Verwaltungsgerichten, so dass auch um den Vorrang vor diesem Gericht zu streiten ist (vgl. auch VG Stuttgart, ZIP 1986, S. 998).

14

Die Klage ist auch begründet.

15

Voranzustellen ist, dass allein die Qualifizierung der Ausgleichsabgabe als Masseschuld mit Widerspruchsbescheid und Klage angegriffen worden ist, nicht hingegen die Festsetzung der Ausgleichsabgabe in Höhe von 1.200,00 DM. Deshalb braucht auch nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob ab Februar 1997 anstelle des Klägers die Nachfolgegesellschaft ausgleichsabgabepflichtig wäre.

16

Die vom Beklagten im Bescheid vom 18. Februar 1998 vorgenommene Einordnung der Ausgleichsabgabe als Masseschuld ist als feststellender Verwaltungsakt anzusehen. Dieser Verwaltungsakt ist rechtswidrig und somit aufzuheben.

17

Die Ausgleichsabgabe könnte allenfalls eine Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO sein. Danach sind Masseschulden Ansprüche, welche aus Geschäften oder Handlungen des Konkursverwalters entstehen. Nach Auffassung der Kammer fehlt es bereits an der begrifflichen Voraussetzung dieses positiven Tuns des Konkursverwalters. Die Ausgleichsabgabe entsteht, worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat, kraft Gesetzes dann, wenn eine bestimmte Anzahl von Schwerbehinderten nicht in einem Betrieb beschäftigt wird. In Bezug auf diese Abgabe ist festzuhalten, dass der Kläger keinerlei Geschäfte oder Handlungen vorgenommen hat, sondern lediglich die Geschäftsführung mit dem Ziel der Liquidierung übernommen hat.

18

Auch ein Vergleich mit den sonstigen Masseschulden macht deutlich, dass die Ausgleichsabgabe nicht als solche angesehen werden kann. Die Ausgleichsabgabe dient dazu, den Arbeitgeber anzuhalten, Schwerbehinderte einzustellen, sie also zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen und dadurch die Ausgleichsabgabe überflüssig zu machen. Dieser Zweck kann nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Arbeitgebers nicht mehr erreicht werden. Insofern erscheint die Ausgleichsabgabe nicht in gleichem Maße schützenswert, weil vorzugsberechtigt, wie die übrigen in § 59 KO aufgezählten Masseschulden.

19

Nach alledem ist die Ausgleichsabgabe keine Masseschuld im Sinne des § 59 KO. Dahinstehen kann, ob sie möglicherweise eine Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 3 KO (verneinend VG Stuttgart in ZIP 1986, S. 998) ist oder - wofür einiges spricht - eine einfache Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

21

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.