Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.07.2005, Az.: Ss 102/05

Voraussetzungen für die Einbaupflicht eines EG-Kontrollgeräts (Fahrtenschreiber); Abgrenzung des Führen eine Fahrzeugs als Haupt- oder Hilfstätigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
04.07.2005
Aktenzeichen
Ss 102/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 34271
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2005:0704.SS102.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Oldenburg - 17.02.2005 - AZ: 29 OWi 854/04

Fundstelle

  • DAR 2005, 648-649 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Ordnungswidrigkeit nach dem Fahrpersonalgesetz o.a.

In dem Bußgeldverfahren
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 04. Juli 2005
durch
den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Die Sache wird dem Bußgeldsenat in Dreierbesetzung übertragen, da es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen.

  2. II.

    Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 17.Februar 2005 wird als unbegründet verworfen.

    Die Kosten der Rechtsbeschwerde einschließlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

1

I.

Die als selbstständige Unternehmerin tätige Betroffene erbringt mit ihren Mitarbeitern Dienstleistungen für die Fotoindustrie. Hierzu ist auf sie als Fahrzeughalterin ein Klein-Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... (zulässiges Gesamtgewicht 2.765 kg) sowie ein dazugehöriger Anhänger (zulässiges Gesamtgewicht 2.000 kg) zugelassen. Ein EG-Kontrollgerät ist in dem Lkw nicht eingebaut.

2

Am 13.07.2004 gegen 10.30 Uhr befuhr der bei der betroffenen Angestellte Zeuge W. mit diesem Fahrzeuggespann die Cloppenburger Str. in Oldenburg. Kurz vor seiner polizeilichen Kontrolle hatte er in K. bei dem Auslieferungslager der F.W. Fotomaterialien aufgeladen, um diese zur Betriebsstätte der Betroffenen Am A.O. zu transportieren. Dort sollten die Fotomaterialien umverpackt werden, um sie anschließend wieder zurück zur F.W. nach K. zu bringen.

3

Der Zeuge W. wie auch die weiteren Angestellten sind in der Firma der Betroffenen vorrangig damit beschäftigt, solche Umverpackungen in den Betriebsräumen der Betroffenen vorzunehmen. In der Regel besteht ihre Tätigkeit darin, aus einem großen Paket mit Filmen diverse kleinere Pakete für verschiedene Endkunden zu packen bzw. Waren umzuetikettieren. Anschließend werden solcher Maßen bearbeitete Waren noch am selben Abend wieder zurück zur F.W. verbracht.

4

Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg hat gegen die Betroffene als Verantwortliche für den Einsatz der Mitglieder des Fahrpersonals wegen Verstoßes gegen die Fahrpersonalverordnung mit Bußgeldbescheid vom 08.10.2004 eine Geldbuße in Höhe von 750,00 EUR festgesetzt. Ihr wird vorgeworfen, es versäumt zu haben, in dem von ihrem Mitarbeiter geführten Fahrgespann ein EG-Kontrollgerät einbauen zu lassen. Entsprechend der VO (EWG) 3821/85 Art. 3 Abs. 1 i.V.m. VO (EWG) 3820/85 Art. 4 Abs. 1 müssen Fahrzeuge (auch Pkw), wenn sie mit Anhänger ein höheres zulässiges Gesamtgewicht als 3,5 t haben und die Fahrzeugkombination zur Güterbeförderung eingesetzt wird, mit einem EG-Kontrollgerät (Fahrtenschreiber) ausgerüstet sein. Das Gewerbeaufsichtsamt vertritt die Auffassung, dass die sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 7 Fahrpersonalverordnung (FPersV) ergebene Ausnahme, nach der Fahrzeuge, die in einem Umkreis von 50 km vom Standort des Fahrzeugs zur Beförderung von Material oder Ausrüstungsteilen verwendet werden, die der Fahrer in Ausübung seines Berufes benötigt, nicht gegeben ist. Das Führen des Fahrzeugs stelle hier für den Fahrer die Haupttätigkeit dar.

5

Auf den von der Betroffenen gegen diesen Bußgeldbescheid eingelegten Einspruch hat das Amtsgericht sie von dem Vorwurf, gegen die Fahrpersonalverordnung verstoßen zu haben, freigesprochen. Das Gericht ist der Auffassung, dass in dem Fall der Betroffenen der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 7 FPersV gegeben ist. Die Betroffene ist nicht verpflichtet, ein EG-Kontrollgerät einbauen zu lassen. Auf die sehr sorgfältig abgefassten Urteilsgründe wird verwiesen.

6

Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dieser Rechtsbeschwerde beigetreten.

7

II.

Der Einzelrichter überträgt die Sache zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auf den Senat in Dreierbesetzung, um das Urteil des Amtsgerichts zur Fortbildung des materiellen Rechts, nämlich zur Auslegung der Voraussetzung "Beförderung von Material oder Ausrüstungen" zur Ausübung seines Berufs i.S. der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 7 FPersV, nachzuprüfen.

8

Das geschieht nunmehr durch den Senat in Dreierbesetzung (§ 80a Abs. 3 OWiG). Dieser verwirft die Rechtsbeschwerde als unbegründet.

9

III.

Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen festgestellt, dass die Betroffene als Fahrzeughalterin nicht verpflichtet ist, für das von ihr eingesetzte Fahrzeuggespann ein EG-Kontrollgerät einbauen zu lassen. Der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 7 FPersV ist gegeben. Die von ihr eingesetzten Fahrer haben das Fahrzeug mit einem Anhänger innerhalb der Nahzone zur Beförderung von Materialien oder Ausrüstungen eingesetzt, die diese in Ausübung ihres Berufes benötigen. Je nach der beruflichen Tätigkeit des Fahrers kommen als Beförderungsgut beispielsweise Werkzeuge, Ersatzteile, Baumaterial, Werksstoffe, Geräte sowie sonstiges Zubehör zur Erbringung von Dienst- und Werkleistungen in Betracht (vgl. Hein/ Eichhoff/Pukall/Kriens, Güterkraftverkehrsrecht, Loseblattkommentar, 3. Band, S 110, Erläuterungen zur VO (EWG) Nr. 3820/85, Art. 13 Abs. 1g). Danach sind die Begriffe "Material und Ausrüstungen" i.S. des Ausnahmetatbestandes weit auszulegen. Das entscheidende Abgrenzungskriterium für die Zulassung von Abweichungen ist die namentlich aufgeführte Voraussetzung "dass das Führen des Fahrzeugs für den Fahrer nicht die Haupttätigkeit darstellt". Der Betrieb des Fahrzeugs darf im Rahmen der gesamten Tätigkeit des Fahrers lediglich Hilfstätigkeit sein. Ist das Fahren die Haupttätigkeit und spielen die übrigen Verrichtungen des Fahrers demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle, liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht mehr vor.

10

Zutreffend hat das Amtsgericht in seiner Urteilsbegründung auf den Sinn und Zweck der EG-Verordnungen hingewiesen. Die in § 7 FPersV namentlich genannten Abweichungen dürfen die mit den EG-Sozialvorschriften verfolgten Ziele nicht beeinträchtigen. Ziele dieser EG-Sozialvorschriften sind die Harmonisierung der Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen des Straßenverkehrs einerseits sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit im Straßenverkehr andererseits (vgl. Hein/Eichhoff/Pukall/Kriens a.a.O.).

11

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Betroffene nicht gehalten, ein EG-Kontrollgerät einbauen zu lassen. Die Fahrer der Betroffenen benutzen das Fahrzeuggespann nur in einem Umkreis von unter 50 km vom Standort des Betriebssitzes in der A.S. um Material vom W. Großhandel in K. abzuholen. Diese Gegenstände werden im Laufe des Tages in der Betriebsstätte der Betroffenen bearbeitet bzw. umgearbeitet, um diese am Ende des Arbeitstages wieder im bearbeiteten Zustand an die F.W. zurückzubringen. Bei dem Umpacken des Beförderungsgutes bzw. dessen Umetikettierung handelt es sich um eine Dienstleistung der Mitarbeiter der Betroffenen, die ihre ganz überwiegende Arbeitskraft in Anspruch nehmen. Die Haupttätigkeit der wechselnden Fahrer i.S. der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 7 VPersV sind damit ihre Arbeiten am Betriebssitz der Betroffenen. Diese Arbeiten kann der Fahrer nur aus-führen, wenn er diese Materialien vom Lager der F.W. abholt und nach Bearbeitung wieder zurückbringt.

12

Den insoweit umfassenden und abschließenden Urteilsfeststellungen kann ins-besondere nicht entnommen werden, dass die selben Mitarbeiter das Fahrzeuggespann im Verlauf des Tages zu weiteren Fahrten benutzen. Damit besteht für dieses Fahrzeug nicht die Notwendigkeit, zur Überprüfung der Lenk- und Ruhezeiten den Einbau eines EG-Kontrollgerätes zu fordern. Das Amtsgericht hat die Betroffene rechtsfehlerfrei freigesprochen.

13

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.