Landgericht Verden
Urt. v. 02.02.2011, Az.: 7 O 217/10

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
02.02.2011
Aktenzeichen
7 O 217/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45303
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.386,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.141,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2010 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.085,04 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2010 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die …, deren Geschäftsführerin die Beklagte war, bestellte im Jahr 2009 bei der Klägerin Fertigbetonteile im Wert von 21.219,96 € (Bl. 6 d. A.) für ein Bauvorhaben in der J. Straße 70-79 in 48… Gr., bei dem sie Generalunternehmerin war. Für dieses Bauvorhaben erhielt die … von der Bauherrin Mombasa Immobilien-Verwaltung GmbH Baugeld in Höhe von 1.211.250,00 € (Bl. 95 d. A.). Die Klägerin erteilte eine Gutschrift in Höhe von 833,00 € auf den Rechnungsbetrag und lieferte die bestellten Teile (Bl. 8 ff. d.A.). Den sich ergebenen Forderungsbetrag von 21.219,96 € klagte die Klägerin gegenüber der … vor dem Landgericht Verden unter dem Aktenzeichen 10 O 85/09 ein, wodurch Prozesskosten in Höhe von 2.141,20 € entstanden. Am 07.12.2009 erging gegenüber der … ein Versäumnisurteil über diese Forderung (Bl. 14 d. A.). Vollstreckungsversuche gegenüber der…, die unter Verlegung des Firmensitzes verkauft worden war und für die ein neuer Geschäftsführer bestellt worden war, blieben erfolglos (Bl. 16 ff. d. A.). Mit Anwaltsschreiben vom 25.05.2010 (Bl. 62/63 d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, nachzuweisen, ob das erhaltene Baugeld für das oben genannte Bauvorhaben ordnungsgemäß verwendet worden sei. Dadurch entstanden ihr vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,04 €.

Die Klägerin behauptet, die … sei durch den Verkauf an einen bulgarischen Geschäftsmann „klassisch beerdigt“ worden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.386,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2009 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.141,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.085,04 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die … habe alle erhaltenen Baugelder ordnungsgemäß verwendet. Als Baubuch zu qualifizierende Buchhaltungsunterlagen könne sie wegen des Verkaufs der Firma und Übergabe der Unterlagen nicht mehr vorlegen. Außerdem sei die von der Klägerin erbrachte Leistung mangelhaft gewesen. Die Beklagte ist zudem der Ansicht, die Klägerin können aus dem Bauforderungssicherungsgesetz schon deshalb keine Ansprüche herleiten, weil dieses verfassungswidrig sei.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 20.386,96 € aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1 BauFordSiG. Die … war für das Bauvorhaben. der J. Straße 70-79 in 48… Gr. Generalunternehmerin. Die Klägerin war ihre Subunternehmerin. Die … hat die rechtskräftig festgestellte Werklohnforderung der Klägerin nicht beglichen und eine Vollstreckung blieb erfolglos; ob die Vollstreckung jedoch auf Grund einer sogenannten „Firmenbeerdigung“ unmöglich wurde, ist dabei ohne Belang. Eine etwaige Mangelhaftigkeit des Werkes der Klägerin spielt im vorliegenden Fall ebenfalls keine Rolle. Für das genannte Bauvorhaben hat die … von der Bauherrin Mombasa Immobilien-Verwaltung GmbH Baugeld im Sinne des § 1 Abs. 3 BauFordSiG in Höhe von 1.211.250,00 € erhalten. Für die ordnungsgemäße Verwendung dieses Baugeldes für die Baustelle nach § 1 BauFordSiG, d.h. Weiterleitung der Gelder an die Subunternehmer, war die Beklagte als damalige Geschäftsführerin der …. GmbH verantwortlich (§ 14 StGB). Für diese Tatsache ist die Beklagte nach § 1 Abs. 4 BauFordSiG darlegungs- und beweispflichtig. Sie hat diesen Beweis allerdings nicht führen können. Die Beklagte kann sich auch nicht durch Verkauf der Firma und die damit verbundene Herausgabe der Unterlagen exkulpieren. Die Pflichten aus dem BauFordSiG treffen sie höchstpersönlich und sie hätte die Möglichkeit ihrer Erfüllung durch geeignete Maßnahmen wie z.B. Zurückbehaltung von Baubuchkopien von noch nicht abgeschlossenen Bauvorhaben sicherstellen müssen.

Ebenso wenig hält das Gericht die Ansicht der Beklagten, das BauFordSiG sei verfassungswidrig, für überzeugend, so dass eine Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht besteht. Zu Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit hat sich das Gericht mit dem im Auftrag des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. von den Professoren Battis und Paulus erstatteten Gutachten zum BauFordSiG, dessen Argumente sich die Beklagte zu eigen gemacht hat, auseinandergesetzt.

Die dort zu § 2 BauFordSiG vorgetragenen Ansichten hatte das Gericht dabei nicht zu erörtern, da es auf diese Norm im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht ankam, sondern nur eine Verletzung von § 1 BauFordSiG zu prüfen war. Eine zivilrechtliche Feststellung einer solchen Verletzung hat keinerlei Präjudizwirkung für ein etwaiges Strafverfahren nach § 2 BauFordSiG. Für ein solches Verfahren dürfte wegen der grundgesetzlich normierten Unschuldsvermutung die Beweislastumkehr des § 1 Abs. 4 BauFordSiG im Wege verfassungskonformer Auslegung im Übrigen keine Anwendung finden, wobei auch schon die systematische Stellung dieser Norm eine solche Anwendung nicht nahelegt.

Insoweit Battis/Paulus einen Verstoß des § 1 BauFordSiG gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sehen, verkennen sie den grundsätzlich im Vergleich zur Berufswahlfreiheit grundrechtlich geringeren Schutz der Berufsausübungsfreiheit. Der Berufsausübungsfreiheit unterfallen zwar auch Regelungen zur Durchsetzung von Vergütungsansprüchen, der in § 1 BauFordSiG manifestierte Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Die sich aus dieser Vorschrift ergebene Verpflichtung von Baugeldempfängern, Zahlungen buchhalterisch nach Bauvorhaben aufzuschlüsseln und auf Treuhandkonten vorzuhalten, ist nicht schlechterdings unzumutbar. Eine solche Aufschlüsselung ist mit Hilfe moderner Buchhaltungssoftware durchaus durchführbar. Dem Interesse der Generalunternehmer an der Liquiditätsoptimierung steht das Interesse der Subunternehmer an der gesicherten Bezahlung ihrer Forderungen gegenüber.

Ebenso liegt nicht bereits deshalb ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil es in anderen stark arbeitsteiligen Branchen wie der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau an einer entsprechenden Regelung fehlt. Hier verkennen Battis/Paulus allerdings, dass in diesen Branchen schon deshalb keine solche Norm existieren kann, weil es in ihnen typischerweise an einer exakten Zurechnung von Zuliefererleistungen an ein Einzelprojekt fehlt: Liefert ein Zulieferer z.B. Felgen an einen Hersteller von Automobilen, so kann nicht zugerechnet werden, an welches einzelne Fahrzeug diese Felgen angebaut werden. Dies gilt für alle Branchen, die im Allgemeinen eine größere Zahl gleichartiger Produkte herstellen. In der Baubranche ist jedoch jedes Bauvorhaben einzigartig, so dass auch eine exakte Zurechnung der Zuliefererleistungen möglich ist. Die richtige Vergleichsgruppe für die Beurteilung eines möglichen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG wären demnach andere Unternehmen als der Generalunternehmer in der Wertschöpfungskette des Baugewerbes. Für § 1 BauFordSiG ist jedoch anerkannt, dass die Pflicht zur Weiterleitung von Baugeld nicht nur den Generalunternehmer sondern auch Nachunternehmer die gesamte Wertschöpfungskette hindurch trifft, so dass kein Gleichheitsverstoß vorliegt.

Auch das Gebot der Rechtsklarheit, das Battis/Paulus verletzt sehen, weil aus ihrer Sicht nicht klar ist, welchen Anteil für Eigenleistungen der Generalunternehmer vom Baugeld für sich beanspruchen darf - und somit durchaus auch als Liquiditätsreserve nutzen kann, vgl. oben - , ist nicht verletzt. § 1 Abs. 2 BauFordSiG sieht vor, dass der Generalunternehmer Baugeld in Höhe des angemessenen Wertes der von ihm erbrachten Leistungen für sich behalten darf. Sind solche Leistungen bereits vollständig erbracht und abgerechnet, so ergibt sich deren Wert aus dem Marktwert, d.h. aus der gestellten Rechnung. Für erst teilweise erbrachte Leistungen wird man auf den beizulegenden Wert nach handelsrechtlichen Grundsätzen zur Bewertung unfertiger Erzeugnisse und Leistungen zurückgreifen können (§ 253 Abs. 4 Satz 2 HGB i.V.m. GoB, sogenannte verlustfreie Bewertung nach Absatzmarkt). Dass sich die Auslegung eines Tatbestandsmerkmals erst durch Heranziehung anderer Rechtssätze ergibt, macht die Norm noch nicht unklar.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2.141,20 € aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1 BauFordSiG. Der Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1 BauFordSiG, dessen Voraussetzungen unter I. dargelegt wurden, umfasst auch die Prozesskosten des ursprünglichen Werklohnprozesses (BGB NJW 1990, 280), so dass auch diese der Klägerin zuzusprechen waren.

III.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,04 € als Verzugsschaden nach §§ 286, 280 Abs. 2 BGB. Mit Anwaltsschreiben vom 25.05.2010 (Bl. 62/63 d. A.) hat die Klägerin die Beklagte aufgefordert, nachzuweisen, ob das erhaltene Baugeld für Bauvorhaben, an dem die Klägerin als Subunternehmerin beteiligt war, ordnungsgemäß verwendet worden sei. Dadurch entstand bei einem Streitwert von 22.643,76 € eine 1,3 Geschäftsgebühr RVG VV Nr. 2300 in Höhe von 1.085,04 €.

IV.

Der Zinsanspruch für die unter I. zugesprochene Forderung ergibt sich ab dem 01.06.2009, wie er im Versäumnisurteil des Landgerichts Verden vom 07.12.2009 (Bl. 14 d. A.) zugesprochen wurde. Der Zinsanspruch für die unter II. und III. zugesprochene Forderung ergeben sich ab dem 19.09.2010, da die Klage der Beklagten am 18.09.2010 zugestellt (Bl. 72 d. A.) wurde. Der Höhe nach ergeben sich die Zinsansprüche aus § 288 Abs. 1 BGB.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.

VI.

Der Streitwert wird auf 22.643,76 € festgesetzt.