Arbeitsgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.06.2013, Az.: 5 BV 5/13
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Oldenburg
- Datum
- 27.06.2013
- Aktenzeichen
- 5 BV 5/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64307
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LAG Niedersachsen - 30.07.2014 - AZ: 16 TaBV 92/13
- BAG - 20.04.2016 - AZ: 7 ABR 50/14
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs 2 BetrVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Betriebsrat darf einen separaten, vom Proxy-Server des Arbeitgebers unabhängigen Internetzugang nicht allein deshalb für erforderlich halten, weil über den zentral vermittelten Internetzugang technisch die Möglichkeit besteht, die Internetnutzung und den E Mail Verkehr zu überwachen. Der Betriebsrat hat grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Einrichtung eines eigenen, von der Telefonanlage des Arbeitgebers unabhängigen Telefonanschlusses. Der Arbeitgeber kann seine Verpflichtung nach § 40 Abs. 2 BetrVG vielmehr dadurch erfüllen, dass er dem Betriebsrat über einen Nebenstellenanschluss eine uneingeschränkte Telekommunikation ermöglicht.
Tenor:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt mit dem Verfahren, die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, dem Antragsteller einen separaten Telefon- und Internetanschluss zur Verfügung zu stellen.
Der Antragsteller ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) gewählte Betriebsrat.
Im gesamten Konzern, dem die Beteiligte zu 2) angehört, wird eine Telefonanlage des Typs Siemens Hipath 3000 eingesetzt. Diese Telekommunikationsanlage kann grundsätzlich die Verkehrsdaten abgehender und ankommender Gespräche aufzeichnen. Sie kann so eingestellt werden, dass die Verkehrsdaten zum Beispiel mit vollständiger Zielnummer gespeichert werden. Gespeicherte Verkehrsdaten können über Filter und Suchfunktionen personenbezogen ausgewertet werden. Die verwendete Telefonanlage wird zentral administriert. Mehrere örtliche Anlagen können gekoppelt werden, so dass von einer Stelle aus das gesamte Netz konfiguriert und verwaltet werden kann.
Der Internetanschluss, der dem Antragsteller den Internetzugang gewährt, ist konzernweit so geregelt, dass ein Proxy-Server in der Konzernzentrale in W. steht. Von dort kann der Zugang verwaltet und überwacht werden. Es ist möglich, dass mit den üblichen Protokollierungsfunktionen des Proxy-Servers User- oder zumindest IP-Adressen, alle URLs der Browserzugriffe protokolliert werden. Es ist möglich, dass im Proxy-Server personenbeziehbar festgehalten werden kann, mit welchen Suchbegriffen in Suchmaschinen gesucht worden ist. Auch können die Firmen-Postspeicher der einzelnen E-Mail-Postfächer von Administratoren gelesen werden. Auf die Anfrage des Antragstellers vom 9.6.2008 (Blatt 5 f der Akte) antwortete die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 7.10.2008 (Blatt 7 f der Akte), dass bei der Überwachung von E-Mails Filter mit Schlüsselwörtern verwendet würden und die so herausgefilterten E-Mails im Fach Junk-Mail auftauchten, wo sie als SPAM deklariert würden. Aufgrund erfolgter Backups könne auch nach Löschung der E-Mails vom Server eine E-Mail wieder hergestellt werden. Bezüglich des Internet-Zugangs wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass Filter verwendet würden und alle Internetbewegungen laut Gesetz vom Provider protokolliert werden. Sie sind somit verfolgbar. Mit weiterem Schreiben vom 25.9.2012 (Blatt 9 der Akte) teilte die Beteiligte zu 2) dem Antragsteller mit, dass alle E-Mails in W. auf dem Server in einem revisionssicheren Archiv gespeichert würden.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass aufgrund der oben genannten nachverfolgbaren Telefon- und Internetnutzungen des Betriebsrats dieser einen Anspruch darauf haben müsse, dass ihm sowohl ein separater von der Telefonanlage der Beteiligten zu 2) abgekoppelter Telefonanschluss als auch ein eben solcher Internetzugang zur Verfügung gestellt werden müsse.
Der Antragsteller beantragt
1. die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1) einen separaten Telefonanschluss zur unkontrollierten Nutzung zur Verfügung zu stellen;
2. die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1) einen eigenen Internetzugang einzurichten, der nicht über den Proxy-Server der Arbeitgeberin bzw. der Konzernmutter vermittelt wird und dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einen uneingeschränkten und unkontrollierten Internetzugang ermöglicht, einschließlich eines dazugehörenden eigenen Computers.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
diese Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) trägt vor, dass weder im Hinblick auf den E-Mail-Verkehr des Antragstellers noch mit Blick auf dessen Telefongewohnheiten durch die Beteiligte zu 2) oder mit ihr verbundenen Konzernunternehmen eine Überwachung des Antragstellers vorgenommen werde. Dies sei auch in Zukunft nicht geplant. Im Betrieb in D. werde jeder Mitarbeiter über das hausinterne Intranet zum zentralen Internetzugang geleitet. Dies gelte nicht nur für die Mitglieder des Antragstellers sondern auch für die Mitglieder der Geschäftsführung der Beteiligten zu 2). Die Kontrollfunktionen, die durch die eingesetzte Telefonanlage technisch möglich seien, würden nicht verwendet. Weder würden die vollständigen Rufnummern gespeichert noch mit derartigen Daten Auswertungen durchgeführt. Keiner der Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) verfüge über einen eigenen von der Anlage separaten Telefonanschluss.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der Anhörung waren.
II.
Die Anträge sind unbegründet.
Der Antragsteller hat weder einen Anspruch auf Gestellung eines separaten Telefonanschlusses unabhängig von der Telefonanlage, die im Betrieb der Beteiligten zu 2) installiert ist, noch auf einen separaten Internetzugang, der unabhängig vom Proxy-Server der Beteiligten zu 2) ist, der in der Konzernzentrale in W. installiert ist, gemäß § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz.
Nach § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in erforderlichen Umfang sachliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört nach heutigem Verständnis ein eigener Telefonanschluss sowie Informations- und Kommunikationstechnik, unter anderem auch der Zugang zum Internet (BAG 14. Juli 2010- 7 ABR 80/08 Rn. 16). Ein eigener Internetzugang wird für den Betriebsrat inzwischen für dessen Arbeit für erforderlich gehalten, damit dem Betriebsrat ermöglicht wird, Informationen aus dem Internet einzuholen. Jedes Betriebsratsmitglied muss sich über anstehende Betriebsratsaufgaben informieren und recherchieren können. An der Erforderlichkeit eines Internetanschlusses für den Betriebsrat besteht grundsätzlich zwischen den Betriebsparteien kein Streit. Streit besteht lediglich über die Erforderlichkeit, ein von dem konzerneigenen Proxy-Server unabhängigen Internetzugang zu erhalten.
Die Entscheidung über die Erforderlichkeit obliegt grundsätzlich dem Betriebsrat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums. Er darf hierfür allerdings nicht alleine seine subjektiven Bedürfnisse bewerten. Abzuwägen sind die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben. Dabei sind die Interessen der Belegschaft an einer ordnungsgemäßen Betriebsratsarbeit sowie die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen. Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittel unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle, wobei die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt ist, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat.
Danach kann der Betriebsrat keinen separaten Internetzugang, der nicht über den Proxy-Server des Konzerns vermittelt wird, verlangen. Der Antragsteller kann sich nicht auf die Entscheidung des BAG vom 18. Juli 2012, 7 ABR 23/11 berufen, in der das BAG dem dort antragstellenden Betriebsrat einen Anspruch auf Gewährung eines nicht personalisierten Zugangs zum Internet zugesprochen hat. Das BAG hat in der Entscheidung ausgeführt, dass die einzelnen Betriebsratsratsmitglieder sich über einen so genannten Gruppenaccount, der dem Betriebsrat als Organ zur Verfügung steht, ins Internet einwählen können und dass es den Betriebsratsmitgliedern nicht abverlangt werden kann, sich mit Vor- und Zunamen, d.h. also personalisiert, einwählen zu müssen. Darum geht es im vorliegenden Verfahren nicht. Es ist offenbar nicht erforderlich, dass sich die einzelnen Betriebsratsmitglieder über ein Passwort, das nur ihnen zugeordnet werden kann, ins Internet einwählen. Der Zugang ist mithin nicht personalisiert. Maßstab für die Erforderlichkeit sind nach Auffassung der Kammer die Sachmittel, die dem betriebsüblichen Standard entsprechen. Da unstreitig ist, dass kein einziger Arbeitnehmer über einen eigenen vom konzerneigenen Proxy-Server unabhängigen Internetzugang verfügt, nicht einmal die Mitglieder der Geschäftsführung, konnte der Betriebsrat einen eigenen Internetzugang nicht für erforderlich halten. Üblicherweise werden Kontrollrechte bzw. Datenerhebungen zur Leistungs- und Verhaltensüberwachung in Betriebsvereinbarungen geregelt. Überwachungen, die zwar technisch möglich sind, können auf diese Weise ausgeschlossen werden. Ein Verstoß gegen eine derartige Betriebsvereinbarung wäre strafbewehrt. Ein solcher Schutz der Daten, die durch die Internetnutzung aber auch die Telefonnutzung über eine hausinterne Telefonanlage durch den Betriebsrat angesammelt werden, ist ausreichend. Einen separaten Internetzugang kann der Antragsteller deshalb nicht verlangen.
Gleiches gilt für einen separaten, von der im Betrieb vorhandenen Telefonanlage unabhängigen eigenen Telefonanschluss. Es ist unbestritten, dass zu den erforderlichen Informations- und Kommunikationsmitteln, die dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellen sind, ein dem betrieblichen Standard entsprechendes Telefon gehört. Der Betriebsrat hat Anspruch auf einen eigenen Nebenanschluss, von dem er ungestört und unkontrolliert interne und externe Gespräche führen kann. Die Vertraulichkeit der Gespräche muss gewährleistet sein. Dass dies bisher nicht gewährleistet ist, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Er hat lediglich auf die theoretische technische Möglichkeit verwiesen, dass Daten, die durch die Telefonanlage gesammelt werden können, von der Beteiligten zu 2) ausgewertet werden könnten, und dass dies vermieden werden müsse durch einen eigenen Amtsanschluss des Betriebsrats. Auch hier gilt, dass der betriebliche Standard einzuhalten ist. Kein einziger Arbeitnehmer - auch kein Mitglied der Geschäftsführung - ist von der häuslichen Telefonanlage abgekoppelt. Der Schutz der Daten ist auch hier wirksam durch eine Betriebsvereinbarung regelbar. Ein eigener unabhängiger Telefonanschluss ist deshalb nicht erforderlich. Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber unerlaubte Kontrollen durchgeführt hat oder dies plant, liegen nicht vor.
Die Anträge waren daher zurückzuweisen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.