Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 24.05.2011, Az.: 5 AR 14/11
Die Verweisung eines Rechtsstreits an ein höheres Gericht wegen sachlicher Unzuständigkeit durch das Amtsgericht ist gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend; Voraussetzungen für die Bindungswirkung einer Verweisung an ein höheres Gericht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 24.05.2011
- Aktenzeichen
- 5 AR 14/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 16707
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2011:0524.5AR14.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - AZ: 6 O 1328/09
- AG Aurich - AZ: 12 C 563/09
Rechtsgrundlagen
- § 102 EnWG
- § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO
Redaktioneller Leitsatz
Hat das Amtsgericht sich in einem Rechtsstreit betreffend die Zahlung von Entgelt für gelieferte Energie für sachlich unzuständig erklärt und die Sache an die Kammer für Handelssachen des Landgerichts verwiesen, so ist diese Verweisung gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend. Sie stellt sich insbesondere solange nicht als willkürlich dar, wie die Frage der sachlichen Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen nicht abschließend obergerichtlich geklärt war.
In dem Rechtsstreit
EWE AG, vertreten durch den Vorstand, ...
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
K.. H..., ...
Beklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...
am 24. Mai 2011
beschlossen:
Tenor:
Zuständig ist das Landgericht Aurich.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung von 1.710,72 € für in der Zeit vom 08.12.2007 bis zum 31.05.2008 gelieferte Energie.
Das Amtsgericht Aurich hat sich durch Beschluss vom 24.11.2009 für sachlich unzuständig erklärt und die Sache an die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aurich verwiesen. Diese hat den Rechtsstreit übernommen. Durch Beschluss vom 03.05.2011 hat sich die Kammer nunmehr für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Aurich zurückverwiesen. Nach den mittlerweile ergangenen Entscheidungen OLG Celle 4 AR 17/10 und OLG Oldenburg 5 AR 35/10 ergebe sich aus § 102 EnWG keine Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen, so dass es an einer Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses fehle (OLG Celle aaO.).
II. Das Oberlandesgericht Oldenburg ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Verschiedene Gerichte, nämlich das Landgericht Aurich und das Amtsgericht Aurich, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, haben sich "rechtskräftig" für unzuständig erklärt. Auf Seiten des Landgerichts Aurich ist dies durch unanfechtbaren Beschluss geschehen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO), auf Seiten des Amtsgerichts Aurich durch die eine Zuständigkeit abschließend verneinende Entscheidung, die sachlich als Rückverweisung anzusehen ist und als solche den Anforderungen genügt, die an das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" des § 36 Abs. 1 Nr. 6 zu stellen sind (vgl. BGH, NJW 1988, S. 1794, 1795 [BGH 10.12.1987 - I ARZ 809/87] m. w. N.).
III. Sachlich zuständig ist das Landgericht Aurich.
Zwar ergibt sich nach heute einhelliger Auffassung der Oberlandesgerichte, der sich der Senat mit Beschluss vom 03.01.2011 (5 AR 35/10) angeschlossen hat, aus § 102 EnWG keine Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen für Streitigkeiten um Zahlungsansprüche aus Normsonderverträgen über Energielieferungen. Gleichwohl ist der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Aurich vom 24.11.2009 gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Landgericht Aurich bindend.
Eine andere Beurteilung wäre aus rechtsstaatlichen Gründen nur dann geboten, wenn der Verweisungsbeschluss wegen Fehlens jeder rechtlichen Grundlage als objektiv willkürlich erschiene. Hiervon kann keine Rede sein. Die Rechtsprechung zu dieser Zuständigkeitsfrage befand sich im Jahre 2009 noch in der Entwicklung. Das Amtsgericht Aurich hat sich seinerzeit mit einer vertretbaren Begründung der Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz und anderer Gerichte angeschlossen, wonach eine Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen gegeben sei. Diese Auffassung hat damals im Übrigen auch die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aurich vertreten. Unter diesen Umständen bleibt es bei der Zuständigkeit des Landgerichts Aurich.