Finanzgericht Niedersachsen
v. 05.12.2014, Az.: 2 K 113/14
Auslösung der Anlaufhemmung für eine Einkommensteuererklärung durch zum Schluss des Vorjahrs festgestellte Verluste
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 05.12.2014
- Aktenzeichen
- 2 K 113/14
- Entscheidungsform
- Teilurteil
- Referenz
- WKRS 2014, 35215
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2014:1205.2K113.14.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 30.03.2017 - AZ: VI R 43/15
Rechtsgrundlagen
- § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO
- § 56 S. 2 EStDV
Fundstellen
- EFG 2015, 701-704
- GStB 2015, 204
Amtlicher Leitsatz
Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO für eine Einkommensteuererklärung wird wegen § 56 Satz 2 EStDV auch durch zum Schluss des Vorjahrs festgestellte Verluste ausgelöst.
Sofern ein Fall der Antragsveranlagung gegeben ist, kann der Antrag bis zum Ablauf der unter Beachtung der Anlaufhemmung zu berechnenden Festsetzungsfrist gestellt werden.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob für die Streitjahre (2006 bis 2008) noch eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchzuführen ist.
Der Kläger gab seine Einkommensteuererklärung für die Jahre 2006 bis 2008 (spätestens) unter dem 23. Dezember 2013 beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - ab. Bereits in einem vorhergehenden Schreiben des steuerlichen Beraters führte dieser aus: "Bitte führen Sie die Verlustverrechnung mit den Einkünften der Folgejahre durch und tragen Sie den verbleibenden Verlust jeweils vor. Dazu möchten Sie bitte entsprechende Verlustfeststellungen erlassen (§ 171 Abs. 3 AO)" (Schreiben vom 19. Dezember 2013). Der Kläger erklärte in den Steuererklärungen ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit unter Berücksichtigung von Werbungskosten insbesondere aufgrund einer doppelten Haushaltsführung sowie Sonderausgaben. Auf den 31. Dezember 2005 hatte das FA einen verbleibenden Verlustvortrag in Höhe von 46.749 € festgestellt. Unter dem 29. Januar 2014 lehnte das FA mit getrennten Bescheiden für die jeweiligen Streitjahre eine Veranlagung ab, da der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht fristgerecht gestellt worden sei.
Mit den dagegen eingelegten Einsprüchen trug der Kläger vor, es sei zum 31. Dezember 2005 ein verbleibender Verlustvortrag festgestellt worden. Daher bestehe eine Steuererklärungspflicht gemäß § 56 Satz 2 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
Das FA wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2014 als unbegründet zurück. Da die Voraussetzung für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1-7 EStG nicht erfüllt seien, komme lediglich eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in Betracht. Dieser Antrag sei innerhalb der allgemeinen Festsetzungsfrist von vier Jahren zu stellen. Da die Steuererklärungen im Jahr 2013 abgegeben worden seien, komme nur noch unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) eine Veranlagung in Betracht. Zwar folge aus dem Gesetzeswortlaut des § 56 Satz 2 EStDV die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Daraus ergebe sich aber keine Pflicht zur Veranlagung. Zudem habe die Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung lediglich den Zweck, den verbleibenden Verlustvortrag feststellen zu können. Die Verluste seien aber unter Zugrundelegung der vom Kläger mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen zum 31. Dezember 2008 ohnehin verbraucht. Da demnach eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht möglich sei und der Verlustvortrag mit 0 € festzustellen wäre, ergäbe sich keine Auswirkung auf die Folgejahre.
Hiergegen richtet sich nunmehr die Klage. Wie der Beklagte bereits festgestellt habe, ergebe sich das vom Kläger gewünschte Ergebnis aus dem Gesetzeswortlaut. Der Kläger sei nach § 56 Satz 2 EStDV verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Dementsprechend komme es zu einer Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO.
Zwar mag § 56 EStDV nicht regeln, wann eine Veranlagung durchzuführen sei. Die entsprechende Ermächtigungsgrundlage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) ermögliche es dem Verordnungsgeber jedoch, die Steuererklärungspflicht auf die Fälle zu beschränken, in denen eine Veranlagung in Betracht komme. Dementsprechend sei in § 56 Satz 2 EStDV die Veranlagung geregelt. Dies ergebe sich auch daraus, dass in der Vorschrift, im Gegensatz zu Satz 1 der Vorschrift, ein Querverweis auf § 46 EStG gänzlich fehle. Dementsprechend mute die Rechtsauffassung des Beklagten arg konstruiert an. Eine Auslegung entgegen dem Gesetzeswortlaut sei nicht zulässig.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 29. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2014 den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2006-2008 entsprechend den eingereichten Erklärungen durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Die in § 56 Satz 2 EStDV geregelte Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung führe nicht zu einer Anlaufhemmung für die Durchführung der Antragsveranlagung.
§ 46 EStG schränke das sich aus § 25 EStG ergebende Recht der Steuerpflichtigen auf Durchführung einer Veranlagung ein. Von der Pflicht zur Durchführung einer Veranlagung sei die Abgabe einer Steuererklärung zu differenzieren. Wer eine Steuererklärung abzugeben habe, ergebe sich insbesondere aus § 56 EStDV. Dabei bestimme Satz 1, wer verpflichtet sei, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Satz 2 bestimme darüber hinaus, wann eine Steuererklärung abzugeben sei. Da also zwischen Einkommensteuererklärung und Steuererklärung differenziert werde, enthalte Satz 2 lediglich die Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung zur Verlustfeststellung.
Von der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer wiederum sei die Frist für die Verlustfeststellung zu unterscheiden. Für die Verlustfeststellungsanträge gelte aufgrund der Verpflichtung zur Erklärungsabgabe eine bis zu dreijährige Anlaufhemmung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist jedenfalls zum Teil begründet. Die Entscheidung des FA, die Veranlagung zur Einkommensteuer für die Streitjahre nicht durchzuführen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung der Veranlagung.
1. Der Beklagte ist zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagung verpflichtet. Der Kläger hat innerhalb der Festsetzungsfrist einen Antrag auf Veranlagung gestellt, über welchen das FA fehlerhaft mit dem Ablehnungsbescheid entschieden hat.
a) Nach § 46 Abs. 2 EStG wird eine Veranlagung nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt, wenn das Einkommen ganz oder teilweise - wie im Streitfall - aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht. Einzig in Betracht kommt hier § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Demnach ist die Veranlagung durchzuführen, wenn diese beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Der Antrag ist nach Satz 2 der Vorschrift durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen.
b) Ein Antrag liegt in Form der Steuererklärungen für die Streitjahre vor. Einzig in Streit steht zwischen den Beteiligten, ob die Frist für den Antrag eingehalten worden ist.
aa) Da § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in der seit dem Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung keine Frist für den Antrag auf Veranlagung mehr vorsieht (§ 52 Abs. 55j Satz 2 EStG in der Fassung des JStG 2008), ist die Frage, ob noch eine Veranlagung beantragt werden kann, mit der Frage, ob bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist, identisch (vgl. etwa BFH-Urteil vom 14. April 2011, VI R 53/10, BFHE 233, 311, BStBl II 2011, 746 [BFH 14.04.2011 - VI R 53/10], [BFH 14.04.2011 - VI R 53/10] in welchem im Rahmen der Antragsveranlagung der Ablauf der Festsetzungsfrist geprüft wird). Denn gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung, mithin die Veranlagung, erst dann nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (vgl. Kulosa, in: Schmidt, 33. Auflage 2014, § 46 EStG Rn. 34; Brand, in: Blümich, § 46 EStG Rn. 114).
bb) Die Festsetzungsfrist war zum Zeitpunkt der Antragstellung, also dem Einreichen der Steuerklärung, noch nicht abgelaufen.
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer der Streitjahre begann für die Einkommensteuer 2006 mit Ablauf des 31. Dezember 2009, diejenigen für die Folgejahre jeweils ein Jahr später.
Gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Die Einkommensteuer entsteht gemäß § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums.
Da der Kläger seine Steuererklärungen jeweils nicht in der dreijährigen Frist abgab, begann die Festsetzungsfrist für das Jahr 2006 mit Ablauf des 31. Dezember 2009, für das Jahr 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2010 und für das Jahr 2008 mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Denn der Kläger war gemäß § 56 Satz 2 EStDV zu Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet.
cc) Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG hat die steuerpflichtige Person für den Veranlagungszeitraum eine eigenhändig unterschriebene Einkommensteuererklärung abzugeben. Dieser Grundsatz wird durch § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 56 EStDV weitgehend eingeschränkt. Gemäß § 56 Satz 1 EStDV haben bestimmte unbeschränkt steuerpflichtige Personen in den dort aufgeführten Fällen eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Keiner dieser Fälle ist hier - worüber zwischen dem Beteiligten kein Streit besteht - erfüllt. Nach Satz 2 der Vorschrift ist eine Steuererklärung außerdem abzugeben, wenn zum Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums ein verbleibender Verlustabzug festgestellt worden ist.
Nach dem Sinn und Zweck des § 56 Satz 2 EStDV dient die Erklärungsabgabe in diesen Fällen der möglichen Überprüfung und Fortschreibung der zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten Verluste (Pflüger, in: Littmann/Bitz/Pust, § 25 EStG Rn. 30). Gleichwohl folgt der Senat nicht der Auffassung des FA, in der Vorschrift würde die Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung geregelt. Hiergegen spricht zum einen der Wortlaut der Vorschrift. Denn nach Satz 1 ist die Einkommensteuererklärung in bestimmten Fällen abzugeben, nach Satz 2 ist eine Steuererklärung außerdem bei vorangegangener Verlustfeststellung abzugeben. Aus Sicht des Senats regelt Satz 2 damit lediglich eine Ergänzung des Satzes 1, ohne damit eine andere Erklärung in Bezug zu nehmen. Hinzu tritt der Umstand, dass der Gesetzgeber ausdrücklich zwischen einer Steuererklärung und einer - für die Verlustfeststellung maßgeblichen - Erklärung zur gesonderten Feststellung unterscheidet (§ 181 Abs. 1 Satz 2 AO sowie insbesondere § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG). Auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen der Steuererklärung und der Erklärung zur gesonderten Feststellung betrieben (vgl. zum Beispiel BFH-Urteil vom 15. Mai 2013, IX R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143 [BFH 15.05.2013 - IX R 5/11]). Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des BFH auch bereits geklärt, dass sich § 56 Satz 2 EStDV auf die Einkommensteuererklärung bezieht (BFH-Urteil vom 25. Mai 2011, IX R 36/10, BFHE 233, 314, BStBl II 2011, 807 [BFH 25.05.2011 - IX R 36/10] unter II.3.b)bb) der Gründe).
Letztlich spricht auch die Ermächtigungsgrundlage für § 56 EStDV (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) gegen die vom FA befürwortete Auslegung. Die Vorschrift lediglich erlaubt, eine Rechtsverordnung im Hinblick auf die Abgabe von Steuererklärungen zu erlassen, nicht hingegen derjenigen von Erklärungen zur gesonderten Feststellung.
dd) Soweit in der Rechtsprechung stichworthaft der Leitsatz "keine Anlaufhemmung bei Antragsveranlagung" auftaucht (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2011, VI R 17/11, BFH/NV 2012, 551 und BFH-Beschluss vom 17. Juli 2014, VI R 3/13, BFH/NV 2014. 1739) ist dies nicht derart zu verstehen, dass generell eine Anlaufhemmung nicht in Betracht kommt. Denn die Entscheidungen verweisen auf das schon genannte BFH-Urteil vom 14. April 2011, VI R 53/10, BFHE 233, 311 BStBl II 2011, 746 [BFH 14.04.2011 - VI R 53/10], [BFH 14.04.2011 - VI R 53/10] in welchem der BFH gerade die hier in Streit stehende Anlaufhemmung prüft und - angesichts des dort nicht einschlägigen § 56 Satz 1 EStDV und des mangels Relevanz nicht erwähnten § 56 Satz 2 EStDV - ausführt, es sei im dort entschiedenen Fall keine Steuererklärung einzureichen gewesen. Dies dürfte in der großen Mehrheit der Fälle der Antragsveranlagung auch zutreffen, da eine Verlusterzielung bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eher ein Ausnahmefall ist. Dies ist im Streitfall allerdings wie dargelegt anders.
Zwar mutet es ungewöhnlich an, dass einerseits eine Pflicht zur Erklärungsabgabe besteht, andererseits die Veranlagung nur auf Antrag durchgeführt werden soll. Da aber auch unterschiedliche Begrifflichkeiten in § 56 Satz 2 EStDV einerseits und § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG andererseits verwendet werden, erscheint das hier gefundene Ergebnis für den Senat zwingend. Denn entweder ist zwischen der Abgabepflicht und der Pflicht des FA zur Veranlagung zu unterscheiden, wie es der Gesetzeswortlaut nahelegt. Oder aber die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung wird als ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG begriffen, da darin letztlich eine Veranlagung geregelt werden soll, wenn gerade keine Erklärung abzugeben ist. Im letztgenannten Fall wäre § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht anwendbar, so dass auch eine Einschränkung der Pflicht des FA zur Veranlagung unter keinem Gesichtspunkt zu erkennen wäre. In der Literatur wird die hier relevante Konstellation kaum diskutiert, jedoch ggf. wie vom Senat beantwortet (vgl. Pflüger, in: Littmann/ Bitz/Pust, § 25 Rn. 35 Stichwort "Verlustvortrag").
c) Die Festsetzungsfrist endete jeweils vier Jahre später (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), mithin mit Ablauf des 31. Dezember 2013 für 2006, des 31. Dezember 2014 für 2007 und des 31. Dezember 2015 für 2008.
d) Zwar wäre, da ein entsprechender Bescheid jedenfalls für das Jahr 2006 nicht innerhalb dieser Frist ergangen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 3 AO), zwischenzeitlich die Frist abgelaufen. Es ist insoweit jedoch eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 AO eingetreten. Danach läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor unanfechtbarer Entscheidung ab, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist ein Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt wird. Zwar ist nach einhelliger Auffassung allein die verpflichtende Abgabe einer Steuererklärung noch kein Antrag im Sinne von § 171 Abs. 3 AO. Jedoch ist dem Schreiben des steuerlichen Beraters des Klägers vom 19. Dezember 2013 hinreichend deutlich zu entnehmen, dass es dem Kläger gerade auf die Durchführung einer Veranlagung ankam. Denn die Verlustverrechnung, welche vom FA begehrt worden war, wird im Rahmen der Veranlagung durchgeführt. Dies gilt umso mehr, als der steuerlichen Berater in dem Schriftsatz ausdrücklich auf § 171 Abs. 3 AO hinwies. Aufgrund der Quasi-Grundlagenwirkung des Einkommensteuerbescheids könnte zudem eine Verlustfeststellung im Regelfall nicht mehr ohne entsprechenden Einkommensteuerbescheid ergehen (§ 10d Abs. 4 Sätze 4, 5 EStG), weshalb in dem Begehren, eine Verlustfeststellung durchzuführen bei der gebotenen rechtsschutzgewährenden Auslegung auch ein Antrag auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung zu sehen wäre.
e) Insgesamt ist damit die Festsetzungsfrist für keines der Streitjahre abgelaufen und daher eine Veranlagung durchzuführen.
2. Die dagegen vom FA vorgebrachten Erwägungen vermögen den Senat nicht zu überzeugen.
Zwar ist es aus Sicht des Senats richtig, dass zwischen der Pflicht zu Veranlagung und der Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung zu unterscheiden ist. Nachdem aber die Frist für die Antragsveranlagung wie dargelegt weggefallen ist, stimmen die zu wahrenden Fristen nach Ansicht des Senats überein.
Die Überlegungen zur Verlustfeststellung helfen ebenso wenig weiter. Denn, auch wenn der Kläger tatsächlich ausdrücklich die Verlustfeststellung begehrte, ist bei verständiger Würdigung das Begehren des Klägers auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung gerichtet, welche aus Sicht des Klägers aufgrund der zu berücksichtigenden Verlustvorträge zu einer weitgehenden Auskehr der bisher einbehaltenen Lohnsteuer führen wird. Einzig über die Frage der Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung hatte der Senat angesichts des gestellten Antrags hier zu entscheiden.
Die Urteile des FG München vom 18. Januar 2005 (12 K 4299/04, EFG 2005, 787) und des FG Rheinland-Pfalz vom 7. Dezember 2005 (1 K 2020/04, EFG 2006, 869) sind zur alten Rechtslage ergangen und daher nicht auf den Streitfall übertragbar. In beiden Urteilen wird aus Sicht des Senats zwischen der Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung und der Frage, ob eine Veranlagung durchzuführen ist, unterschieden. In beiden Verfahren wird schließlich die Klage im Hinblick auf die nach alter Rechtslage in § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG enthaltene Frist abgewiesen. Da es diese Frist wie dargelegt nicht mehr gibt, geben die genannten Entscheidungen für den Streitfall nichts her. Vielmehr sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit den beiden Entscheidungen, welche beide zutreffend davon ausgehen, dass aus § 56 Satz 2 EStDV sich die Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärung, nicht hingegen der Erklärung zur gesonderten Feststellung, ergibt.
II. Der Senat sieht es als sachdienlich an, durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 FGO zu entscheiden.
Nach § 99 Abs. 2 FGO kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und der Kläger oder der Beklagte nicht widerspricht. Entscheidungserheblich sind solche Vorfragen, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 1999, IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139 [BFH 04.02.1999 - IV R 54/97]).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die im Streitfall geltend gemachte Beeinträchtigung durch die vom Beklagten nicht durchgeführte Veranlagung und damit die fehlende Möglichkeit, die gezahlte Lohnsteuer aufgrund der Berücksichtigung von Verlustrückträgen und Werbungskosten anzurechnen, ist selbstredend maßgeblich von der Frage abhängig, ob das FA verpflichtet ist, eine Veranlagung durchzuführen.
Ein Zwischenurteil ist im Streitfall auch sachdienlich, da es der Verfahrensvereinfachung dient. Die Beteiligten haben bisher sowohl im Einspruchs- als auch im Klageverfahren ausschließlich über die Pflicht zur Veranlagung gestritten. Das FA hat sich dementsprechend - aus seiner Sicht zurecht - nicht mit dem Inhalt der Steuererklärungen auseinandergesetzt, jedoch angekündigt, noch Rückfragen zu den Werbungskosten insbesondere im Hinblick auf die doppelte Haushalsführung zu haben. Sollte das FA entgegen der Auffassung des Senats nicht zur Veranlagung verpflichtet sein, sind sowohl Nachfragen bzw. weitergehende Ermittlungen durch Beklagten und den Senat zu den Werbungskosten als auch eine entsprechende Mitwirkung des Klägers obsolet.
Die Beteiligten haben auf den entsprechenden Hinweis des Senats keinen Widerspruch geäußert.
Die die Höhe der danach festzusetzenden Steuer noch nicht zu klären war, bleibt dies dem Schlussurteil vorbehalten.