Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 24.11.2003, Az.: 8 U 128/03
Berufung auf Grund der Verjährung der Klageforderung; Fehlerhafte Beratung und Information im Wertpapierbereich; Geltendmachung von deliktischen Ansprüchen; Beweislast für ein Organisationsverschulden; Vorwurf eines Organisationsmangels
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 24.11.2003
- Aktenzeichen
- 8 U 128/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 30089
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2003:1124.8U128.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 29.05.2003 - AZ: 7 O 2348/02
Rechtsgrundlagen
- § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO
- § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO
- § 37 a WpHG
Fundstellen
- EWiR 2004, 945 (red. Leitsatz)
- ZBB 2004, 417 (red. Leitsatz)
Prozessführer
1. K... , ... , ...
2. A... , ... , ...
Rechtsanwälte ...
Prozessgegner
Kreissparkasse ... ,
vertreten durch den Vorstand ... , ... , ...
Rechtsanwälte ...
Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... ,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 24. November 2003
beschlossen:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 29. Mai 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf bis zu 400.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihre bisher geltend gemachten Ansprüche weiter. Sie tragen unter Wiederholung und Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens insbesondere vor, dass die Klageforderung nicht verjährt sei. Mindestens sei die Verjährung rechtzeitig durch die Beantragung eines Mahnbescheids gehemmt worden. Neben Ansprüchen wegen fehlerhafter Beratung und Information im Wertpapierbereich berufen sie sich auf deliktische Ansprüche. Zur Frage der Auslegung der Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG halten sie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs für erforderlich. Wegen der weiteren Berufungsrügen wird auf die Berufungsbegründung und den Schriftsatz vom 22. Oktober 2003 Bezug genommen.
Die Berufung der Kläger ist gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss vom 26. August 2003 im Einzelnen ausgeführt, dass die Berufung der Kläger keine Aussicht auf Erfolg bietet. Auf diese Ausführungen wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen.
Die Ausführungen der Kläger in ihrem Schriftsatz vom 22. Oktober 2003 rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1.
Der Senat verbleibt bei seiner im Hinweisbeschluss näher dargelegten Auffassung, dass eventuelle Schadensersatzansprüche der Kläger verjährt sind. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 37 a WpHG verjähren Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Informations- und Beratungspflichten in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der auf den Aufklärungs- und Beratungsfehler folgende Abschluss des Geschäfts, selbst wenn sich der Kursverlust erst später realisiert. Diese Auffassung vertritt weiterhin der nunmehr in dritter Auflage erschienene Kommentar von Assmann/Uwe H. Schneider zum Wertpapierhandelsgesetz (§ 37 a RdNr. 7 ff; ebenso MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, RdNr. 248 m.w.N.). Auf den Eintritt des Schadens und die Kenntnis des Geschädigten davon kommt es wegen der Besonderheiten des Wertpapierhandelsgeschäfts, wie sie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und den vom Gesetzgeber verfolgten Zwecken ergeben, nicht an. Schäden aus fehlerhafter Information oder Beratung realisieren sich zudem typischerweise innerhalb der Verjährungsfrist von 3 Jahren. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung bestehen nicht. Die Berufung belegt die von ihr angeführte Diskussion in der Fachliteratur nicht. Eine Parallele zum Beginn der Verjährung bei der Steuerberaterhaftung kommt im Hinblick auf die unterschiedliche Sach- und Interessenlage nicht in Betracht.
Der Senat ist nicht gehindert, die Berufung der Kläger durch Beschluss zurückzuweisen; denn die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt; es muss eine Leitentscheidung des Revisionsgerichts notwendig erscheinen. Der Rechtsmittelführer hat dabei nicht nur die aufgeworfene Rechtsfrage - hier die Auslegung des § 37 a WpHG - konkret zu benennen, sondern auch ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen im Einzelnen aufzuzeigen und Ausführungen dazu zu machen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. BGH MDR 2003, 104, 106 [BGH 01.10.2002 - XI ZR 71/02]; NJW 2003, 1943 f). In der Kommentarliteratur besteht ersichtlich Einigkeit zu der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Entstehung des Anspruchs. Gegenstimmen in Rechtsprechung und Schrifttum benennt die Berufung nicht. Weiter kann nicht festgestellt werden, dass die hier zu entscheidende Rechtssache Auswirkungen auf eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder den Rechtsverkehr haben wird; seit dem In-Kraft-Treten des § 37 a WpHG vor mehr als 5 Jahren sind - soweit ersichtlich - Entscheidungen zu dieser Vorschrift nicht ergangen.
Die Bejahung der Grundsätzlichkeit im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO setzt zudem voraus, dass die Auslegung des § 37 a WpHG entscheidungserheblich ist. Auch dieses Kriterium kann hier nicht bejaht werden. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil Schadensersatzansprüche der Kläger verneint; das hat der Senat (vgl. Ziffer 8 des Hinweisbeschlusses) gebilligt. Das angefochtene Urteil hat der Hinweisbeschluss führen dementsprechend weiter aus, dass eventuelle Schadensersatzansprüche der Kläger verjährt sind.
Soweit schließlich überhaupt eine Parallele zur Rechtsprechung zur Verjährung von gegen Rechtsanwälte und Steuerberater gerichteten Ersatzansprüchen zu erwägen ist, fehlt es jedenfalls an den Voraussetzungen eines sog. Sekundäranspruchs, weil die Kläger schon in nicht verjährter Zeit sichere Kenntnis von dem Schaden hatten.
2.
Die von der Berufung angeführte Rechtsprechung und die von dem Senat im Hinweisbeschluss zitierte Kommentarliteratur zur Bezeichnung des Anspruchs im Mahnantrag (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) fordert eine Konkretisierung, die Grundlage eines der Rechtskraft fähigen Titels sein kann. Daran fehlt es hier.
3.
Deliktische Schadensersatzansprüche scheiden ebenfalls. Die Beklagte durfte, ohne dass darin eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung gesehen werden könnte, über Börsentermingeschäfte informieren und beraten sowie den Abschluss solcher Geschäfte empfehlen. Das derartigen Geschäften immanente Spekulationsrisiko war erkennbar (vgl. BGH WM 1992, 682, 683 f) [BGH 17.03.1992 - XI ZR 84/91].
4.
Auf Organisationsmängel können die Kläger einen Schadensersatzanspruch ebenfalls nicht stützen. Die allgemein gehaltenen Ausführungen des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 16. Januar 2002 weisen keinen konkreten Bezug zu dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit auf. Die Beweislast für ein Organisationsverschulden obliegt den Klägern. Ihrer allenfalls sekundären Darlegungslast hinsichtlich des Überwachungssystems ist die Beklagte in der Klageerwiderung nachgekommen; die Kläger sind dem nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Soweit die Kläger auf den Urlaub und die Erkrankung des Beraters H... - dem sie ansonsten eine fehlerhafte Beratung vorwerfen - abstellen, kann daraus der Vorwurf eines Organisationsmangels nicht hergeleitet werden.
Die Rechtssache besitzt im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung; sie erfordert nicht eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO). Das gilt aus den oben genannten Gründen auch für die Frage der Auslegung der Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf bis zu 400.000,00 EUR festgesetzt.