Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck
Urt. v. 18.06.2003, Az.: 3 C 336/03
8 Jahre; Alter; Deliktsfähigkeit; Eigentumsverletzung; Fahrradfahren; Fahrradfahrer; Gefahrverwirklichung; Haftungsprivileg; Herumfahren; Kollision; Kraftfahrzeugschaden; Minderjähriger; minderjähriges Kind; Parkplatz; Schadenersatzanspruch; stehendes Fahrzeug; typische Gefahr; Unaufmerksamkeit; Verkehrsunfall
Bibliographie
- Gericht
- AG Osterholz-Scharmbeck
- Datum
- 18.06.2003
- Aktenzeichen
- 3 C 336/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48613
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs 1 BGB
- § 828 Abs 2 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das Haftungsprivileg des § 828 Absatz 2 BGB greift nur ein, wenn sich bei einem Schadensereignis die von einem Verkehrsunfall typischerweise ausgehenden Gefahren verwirklichen. Das ist nicht der Fall, wenn der Minderjährige beim Herumfahren mit seinem Fahrrad auf einem Parkplatz gegen ein stehendes Fahrzeug fährt.
Tenor:
1.) Der Beklagte wird zur Zahlung von 832,53 € nebst 5 % Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2003 verurteilt.
2.) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils durch Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz wegen der Beschädigung ihres Kraftfahrzeuges in Anspruch.
Am 16.08.2002 stand der Pkw der Klägerin als einziger auf dem Parkplatz neben dem Arbeitsamt in O.
Gegen 17.30 Uhr befuhr der zum Vorfallszeitpunkt 8 Jahre alte Beklagte mit seinem Fahrrad diesen Parkplatz spielenderweise. Dabei stieß er infolge Unaufmerksamkeit mit seinem Fahrrad mit voller Wucht gegen den hinteren rechten Kotflügel des Wagens der Klägerin, der ausgewechselt werden musste. Der hierfür von ihr aufzuwendende Betrag beträgt ohne Mehrwertsteuer 832,53 €. Dieser Betrag ist Gegenstand des Rechtsstreits.
Die Parteien streiten darüber, ob zugunsten des Beklagten das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 BGB eingreift.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu 832,53 € nebst gesetzlicher Prozesszinsen zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist gemäß § 823 Abs. 1 i. V. mit § 828 Abs. 2 BGB begründet.
Ausnahmsweise greift zugunsten des zum Vorfallszeitpunkt 8 Jahre alten Beklagten nicht das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 BGB ein. Dies ergibt sich aus folgendem:
Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 BGB greift nur dann ein, wenn sich bei einem Schadensereignis die von einem Verkehrsunfall typischerweise ausgehenden Gefahren verwirklichen (vgl. Palandt, 62. Aufl., Rdnr. 3 zu § 828 BGB). Dies beruht darauf, dass Kinder aufgrund ihrer physischen und psychischen Fähigkeiten regelmäßig frühestens ab Vollendung des 10. Lebensjahres imstande sind, die besonderen Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen und sich den erkannten Gefahren entsprechend zu verhalten. Deshalb ist zugunsten der aus § 828 Abs. 2 BGB ersichtlichen Altersgruppe die Haftungsprivilegierung eingeführt worden ist (vgl. Begründung BT Drucksache 14/7752 S. 26). Ausdrücklich hat der Gesetzgeber dabei die Heraufsetzung der Deliktsfähigkeit auf die "den motorisierten Straßen- oder Bahnverkehr plötzlich eintretenden Schadensereignisse begrenzt, bei denen die altersbedingten Defizite eines Kindes regelmäßig zum Tragen kommen." (BT Drucksache a.a.O.).
Um einen solchen Verkehrsunfall handelt es sich im vorliegenden Fall jedoch nicht.
Unstreitig hat sich der Beklagte nicht zu Verkehrszwecken auf dem Parkplatz des Arbeitsamtes O. aufgehalten, sondern ist dort mit seinem Fahrrad herumgefahren. Als einziges Fahrzeug war dabei das klägerische Fahrzeug dort geparkt. Dabei kann keine Rede davon sein, dass sich bei der Beschädigung des klägerischen Fahrzeuges die typischerweise im Straßenverkehr vorhandenen Gefahren ausgewirkt haben. Ferner ist kein Grund dafür ersichtlich, den Beklagten zu privilegieren, weil er gegen das stehende Fahrzeug gefahren ist. Wäre er gegen einen anderen abgestellten Gegenstand gefahren und hätte diesen dabei beschädigt, bestünde an seiner Haftung keinerlei Zweifel. Es besteht kein Anlass ihn nur deshalb besser zu stellen, weil es sich bei dem geschädigten Gegenstand um ein abgestelltes Kraftfahrzeug handelt.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte gemäß § 828 Abs. 3 BGB nicht in der Lage war, sich entsprechend sorgfältig zu verhalten, sind nicht ersichtlich.
Er musste deshalb zur Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Schadens verurteilt werden.
Die Zinsentscheidung ergibt sich aus § 288 i. V. mit § 291 BGB. Die Nebenentscheidungen folgen §§ 91,708 Ziff. 11,711 ZPO.