Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 17.08.1983, Az.: 1 A 773/80

Heranziehung zu Abfallbeseitungsgebühren; Abfallbeseitigungsgebührenpflicht eines Mieters; Satzungszwang für die Erhebung von Abfallbeseitigungsgebühren nach Kommunalabgabengesetz; Anforderungen an eine Satzung für eine rechtmäßige Erhebung von Abfallbeseitigungsgebühren

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
17.08.1983
Aktenzeichen
1 A 773/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 14025
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:1983:0817.1A773.80.0A

Verfahrensgegenstand

Müllabfuhrgebühren

Prozessführer

Herr...

Prozessgegner

Landkreis Verden,
vertreten durch den Oberkreisdirektor, Postfach 1509, 2810 Verden (Aller)

Redaktioneller Leitsatz

Kommunale Abgaben nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz dürfen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Das Erfordernis des Satzungszwangs verbietet mithin eine Abgabenerhebung aufgrund von Verwaltungsvorschriften oder gar nur einer bloßen Verwaltungsübung. Diese gesetzliche Regelung stellt sicher, daß der Eingriff in die Freiheitsphäre des Bürgers, den die Abgabenerhebung darstellt, sich entsprechend dem Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vollzieht. Nach dem Rechtsstaatsprinzip muß die Erhebung von öffentlichen Abgaben nur aufgrund einer Rechtsnorm zwingendes Gebot sein, damit die Belastung des einzelnen Pflichtigen gleichmäßig, voraussehbar, meßbar und berechenbar ist. Danach muß die Satzung neben dem die Abgabe begründenden Tatbestand, dem Maßstab und dem Satz der Abgabe sowie dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld auch den Kreis der Abgabeschuldner bestimmen.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer Stade -
aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 17. August 1983,
an der teilgenommen haben:
Präsident des Verwaltungsgerichts Dr. Dreiocker,
Richter am Verwaltungsgericht Gärtner, Richterin Meinecke,
Ehrenamtlicher Richter ...und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 3. September 1980 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 24. November 1980 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 1980 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Abfallbeseitigungsgebühren.

2

Der Kläger bewohnte vom 1. Mai 1976 bis Ende Oktober 1980 eine Mietwohnung im Erdgeschoß des Wohnhauses ... Straße 11 in ... Dieses Mietwohngrundstück ist an die vom Beklagten auf der Grundlage der Satzung über die Abfallbeseitigung für den Landkreis Verden vom 26. Juni 1974 (i.d.F. der 2. Änderungssatzung vom 17. Dezember 1976) - AS - als öffentliche Einrichtung betriebene Abfallbeseitigung angeschlossen. Dem Kläger stand in dem hier streitbefangenen Zeitraum vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Oktober 1980 ein 120 l-Abfallnormbehälter zur Verfügung. Mit Gebünrenbescheid vom 16. November 1979 zog der Beklagte den Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Dezember 1979 zu Müllabfuhrgebühren in Höhe von 72,- DM (12,- DM monatlich) heran und setzte die zukünftigen Zahlungen bis auf weiteres auf jährlich 144,- DM fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend: Nach dem Mietvertrag, den er mit der Vermieterin abgeschlossen habe, seien die Kosten der Müllabfuhr nicht von ihm zu tragen, vielmehr fielen diese der Vermieterin als Grundstückseigentümerin zur Last. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 1980 die Veranlagung des Klägers ein, indem er das "Ende der Gebührenpflicht" des Klägers und eine Gesamtermäßigung zu dessen Gunsten für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1979 in Höhe von 72,- DM feststellte; der Bescheid enthält die abschließende Bemerkung: "Die Steuer- bzw. Gebührenpflicht für dieses Konto erlischt. Gesetzlich zulässige Änderungen bleiben vorbehalten." Anschließend zog der Beklagte die Grundstückseigentümerin mit Bescheid vom 23. April 1980 zu Müllabfuhrgebühren für die wöchentliche Leerung eines 120 l-Abfallnormbehälters (Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1979) in Höhe von 72,- DM heran und setzte den zukünftigen jährlichen Zahlungsbetrag bis auf weiteres auf 144,- DM fest. Hiergegen erhob der Grundstücksverwalter im Namen der Grundstückseigentümerin Widerspruch und machte geltend, daß nach den laufenden Mietverträgen die Mieter in den Häusern ... Straße 11 und 13 selbstverantwortlich für die Müllabfuhr zu sorgen hätten; anfallende Gartenabfälle usw. würden per Container auf Extraauftrag durch die Firma Städtereinigung West abgefahren. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 1980 die mit Bescheid vom 23. April 1980 erfolgte Veranlagung der Grundstückseigentümerin ein. Er teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 1980 mit und wies darauf hin, daß laut Mitteilung des Grundstücksverwalters die Müllabfuhrgebühren direkt von den Mietern zu zahlen seien und nicht zusammen mit der Miete gezahlt würden, so daß die ursprüngliche Veranlagung zu Recht erfolgt sei; er werde dem Kläger deshalb in den nächsten Tagen einen neuen Gebührenbescheid zusenden. Der Kläger teilte dem Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 4. August und 27. August 1980 mit: Er habe seinen Widerspruch gegen den Müllgebührenbescheid vom November 1979 keineswegs damit begründet, daß die Müllabfuhrgebühren von ihm zusammen mit der Miete an die Vermieterin gezahlt würden. Richtig sei vielmehr, daß er nach dem Mietvertrag nicht zur Tragung der Müllabfuhrgebühren verpflichtet sei, sondern daß dies Sache der Vermieterin sei. Da insoweit der Mietvertrag auch heute noch unverändert fortbestehe, würde der vom Beklagten in Aussicht genommene neue Gebührenbescheid der rechtlichen Grundlage entbehren. Im übrigen sei die Auffassung des Beklagten, daß nach seinem Satzungsrecht die wahlweise Erhebung der Abfallbeseitigungsgebühr beim Grundstückseigentümer einerseits oder beim Mieter andererseits in sein Ermessen gestellt sei, nicht zutreffend. Gemäß § 4 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Abfallbeseitigung - GS - vom 27. September 1974 i.d.F. der 2. Änderungssatzung vom 17. Dezember 1976 seien für die Behälterabfuhr die Grundstückseigentümer oder die nach § 4 Abs. 3 AS ihnen gleichgestellten Personen gegührenpflichtig. Nach dieser letztgenannten Bestimmung stünden den Grundstückseigentümern Erbbauberechtigte, Wohnungseigentümer, Wohnungserbbauberechtigte, Nießbraucher und sonstige zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigte gleich; sonstige - also nicht dinglich - zur Nutzung des Grundstücks Berechtigte seien den Grundstückseigentümern nur hinsichtlich des Benutzungszwanges gleichgestellt und würden kraft dieser Beschränkung somit als Gebührenpflichtige ausscheiden. Im übrigen stehe einer Änderung des Müllabfuhrgebührenbescheides vom 4. Februar 1980 auch dessen mit Ablauf des 7. März 1980 eingetretene Rechtskraft entgegen.

3

Mit Bescheid vom 3. September 1980 zog der Beklagte den Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Dezember 1980 zu Müllabfuhrgebühren in Höhe von insgesamt 216,- DM heran und setzte die zukünftigen jährlichen Zahlungen (ab 1981) bis auf weiteres auf 144,- DM fest. In der Anlage zu diesem Gebührenbescheid führte der Beklagte im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers aus: Gemäß § 4 Abs. 1 GS seien Gebührenpflichtige neben dem Grundstückseigentümer auch die nach § 4 Abs. 3 AS ihm gleichgestellten Personen. Dabei sei es unerheblich, ob sich die Gleichstellung auf den Anschluß- oder auf den Benutzungszwang beziehe. Eine derartige Unterscheidung sei in § 4 Abs. 1 GS nicht gemacht worden, und somit sei eindeutig, daß hier alle Personen gemeint seien. Gegen diesen Bescheid des Beklagten vom 3. September 1980 erhob der Kläger Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 1980 (an den Kläger abgesandt mittels Einschreiben am 31. Oktober 1980 und diesem zugegangen am 3. November 1980) als unbegründet zurückwies.

4

Im Hinblick darauf, daß der Kläger Ende Oktober 1980 aus seiner ... Mietwohnung ausgezogen und nach ... verzogen ist, hat der Beklagte mit Bescheid vom 24. November 1980 das Ende der Gebührenpflicht des Klägers ab 1. November 1980 festgestellt und eine Ermäßigung der Veranlagung vom 3. September 1980 in Höhe von 24,- DM vorgenommen.

5

Der Kläger hat mit Klageschrift vom 3. Dezember 1980 - zur Post aufgegeben am 4. Dezember 1980 und bei Gericht eingegangen am 8. Dezember 1980, einem Montag - Klage erhoben und gleichzeitig wegen der Versäumung der Klagefrist um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht.

6

Dem außerdem gestellten Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 3. September 1980 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 24. November 1980 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30. Oktober 1980 anzuordnen, hat die Kammer mit Beschluß vom 22. Januar 1981 - 1 St VG D 303/80 -, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, stattgegeben.

7

Der Kläger macht zur Begründung seines Wiedereinsetzungsbegehrens geltend: Er habe die Klagefrist ohne sein Verschulden deshalb nicht einhalten können, weil er nach zwei vorangegangenen massiven Herzanfällen am 22. und 23. November 1980 in der Nacht zum 24. November 1980 mit einem neuen schweren Angina-Pectoris-Anfall und unter dem Verdacht eines eventuellen (dritten) Herzinfarkts in das Krankenhaus habe eingeliefert werden müssen, aus welchem er nach Abklärung der Diagnose und medikamentöser Einstellung erst am 2. Dezember 1980 entlassen worden sei. Infolge dieser stationären Behandlung sei er nicht in der Lage gewesen, die Klageschrift fristgerecht von seinem jetzigen Wohnort ... aus bis zum 3. Dezember 1980 bei Gericht einzureichen.

8

In der Sache selbst wiederholt und vertieft der Kläger sein Widerspruchsvorbringen und trägt ergänzend vor: An der Auffassung, daß seiner erneuten Heranziehung zu Abfallbeseitigungsgebühren bereits die Bestandskraft des Aufhebungsbescheides vom 4. Februar 1980 entgegenstehe, halte er fest. Die Berufung des Beklagten auf die Vorschrift des § 174 Abs. 4 AO 1977 gehe nämlich fehl, da von einem Tatbestandsirrtum des Beklagten im Zusammenhang mit dem Aufhebungsbescheid vom 4. Februar 1980 keine Rede sein könne.

9

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

  1. 1.

    ihm wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

  2. 2.

    den Gebührenbescheid des Beklagten vom 3. September 1980 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 24. November 1980 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30. Oktober 1980 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

11

und erwidert:

12

Die Klage sei, falls dem Kläger im Hinblick auf seine Erkrankung die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei, jedenfalls unbegründet. Im Sinne von § 4 Abs. 1 GS gleichgestellte Personen seien nach § 4 Abs. 3 AS u.a. "sonstige zur Nutzung des Grundstückes Berechtigte", also auch die Mieter eines Grundstückes. Der Kläger verkenne, daß sich die Verweisung nicht nur auf die zur Nutzung eines Grundstückes dinglich Berechtigten beziehe, sondern alle zur Nutzung Berechtigte umfasse. § 4 Abs. 1 GS stelle keine Rangfolge für die Gebührenveranlagung auf. Bestehe eine Gebührenpflicht für Eigentümer und Mieter, so sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wer zu veranlagen sei. Die in der GS getroffene Regelung, daß u.a. der Mieter gebührenpflichtig sei, begegne auch ansonsten keinen rechtlichen Bedenken. Die Müllabfuhr sei eine öffentliche Einrichtung im Sinne von § 5 NKAG. Sie könne vom Benutzer für sich selbst, aber auch zugunsten Dritter in Anspruch genommen werden. Es stehe ihm, dem Beklagten, deshalb frei, bei Leistungen für die Mieter eines Hauses die Mieter selbst oder den Vermieter (Eigentümer) oder beide gleichrangig als Benutzer zu bestimmen. Nach seiner Verwaltungspraxis würden in den Fällen, in denen der Grundstückseigentümer nicht auch zugleich "unmittelbarer" Benutzer der Einrichtung "Abfallbeseitigung" sei, in erster Linie die Mieter zu Müllabfuhrgebühren veranlagt werden. Er habe sich dabei davon leiten lassen, daß der Mieter "unmittelbarer" Benutzer der Abfallbeseitigung sei, daß er derjenige sei, dem § 3 Abs. 1 des Abfallbeseitigungsgesetzes auferlege, die Abfälle dem Beseitigungspflichtigen zu überlassen. Der Vermieter (Eigentümer) nehme die öffentliche Einrichtung "Abfallbeseitigung" lediglich zugunsten seiner Mieter in Anspruch. Er, der Beklagte, halte sich hierbei im Rahmen des Ermessens, das die GS einräume. Er sei jedoch regelmäßig Hinweisen der Gebührenpflichtigen gefolgt, anstelle des Mieters den Vermieter zu veranlagen, wenn dies von den Gebührenpflichtigen gewünscht worden sei. Sehe eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter (Mietvertrag) vor, daß die Kosten vom Vermieter getragen würden, so liege es im Interesse aller Beteiligten, wenn derjenige veranlagt würde, der die Kosten letzten Endes zu tragen habe. Eine solche Handhabung, die eine Verwaltungsvereinfachung bei allen Beteiligten bewirke, halte sich im Rahmen des durch die GS eingeräumten Ermessens. Eine Veranlagung des Vermieters biete sich weiter an, wenn für mehrere Mietparteien anstelle mehrerer kleiner Abfallgefäße ein großes Abfallgefäß benutzt werden solle. Auch in diesen Fällen, wenn ein gemeinsames Abfallgefäß für einen größeren Wohnkomplex benutzt werde, sei zumeist der Vermieter veranlagt worden. Auch diese Handhabung sei ermessensfehlerfrei. Bei der Gebührenveranlagung des Klägers sei er entsprechend dieser Verwaltungspraxis vorgegangen. Der Kläger sei als Mieter und "unmittelbarer Benutzer" veranlagt worden. Wenn es - wie sich hier gezeigt habe - zwischen Vermieter und Mieter streitig sei, wem die Kostentragungspflicht für die Müllabfuhrgebühr obliege, könne es nicht ihm obliegen, hier inzidenter eine Entscheidung zu treffen. Privatrechtlich bestehende oder eben nicht bestehende Regelungen seien für die öffentlich-rechtliche Gebührenpflicht grundsätzlich unbeachtlich. - Das Vorbringen des Klägers, daß die Einstellung des ersten Gebührenbescheides vom 16. November 1979 seiner erneuten Veranlagung entgegenstehe, gehe fehl. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 b NKAG i.V.m. § 174 Abs. 4 AO 1977 sei es nämlich bei einer irrigen Sachverhaltsbeurteilung auch noch nach Aufhebung eines Abgabenbescheides möglich, nachträglich durch Erlaß eines neuen Abgabenbescheides die richtigen abgabenrechtlichen Folgerungen zu ziehen. Die irrige Sachverhaltsbeurteilung habe hier darin bestanden, daß er vom Vorliegen bestimmter Vereinbarungen zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Kläger ausgegangen und deshalb in bestimmter Weise eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Heranziehung zu den Müllabfuhrgebühren getroffen habe.

13

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

14

II.

Die Klage hat Erfolg.

15

1.

Die Klage ist zulässig.

16

Allerdings hat der Kläger die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht eingehalten. Denn der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30. Oktober 1980 ist ihm ausweislich der Bestätigung des Postamtes Balingen (Bl. 12 der Gerichtsakte) am 3. November 1980 zugegangen, so daß die Klagefrist am 3. Dezember 1980, einem Mittwoch, ablief und die am 8. Dezember 1980, einem Montag, bei Gericht eingegangene Klage mithin verfristet war. Wegen dieser Fristversäumnis ist dem Kläger jedoch gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger hat nämlich glaubhaft gemacht, daß er wegen seiner - völlig unerwartet wegen der plötzlich aufgetretenen massiven Herzanfälle erforderlich gewordenen - stationären Behandlung im Kreiskrankenhaus ... in der Zeit vom 24. November 1980 bis zum 2. Dezember 1980 nicht mehr in der Lage war, die Klageschrift fristgerecht von seinem jetzigen Wohnort ... aus bis zum 3. Dezember 1980 bei Gericht einzureichen.

17

2.

Die Klage ist auch begründet.

18

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 3. September 1980 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 24. November 1980 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30. Oktober 1980 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

19

Der Beklagte stützt die Veranlagung des Klägers - als Mieter des Wohnhausgrundstückes ...-Straße 11 in ... zu Abfallbeseitigungsgebühren für die Abfuhr des vom Kläger benutzten Abfallgefäßes mit 120 l Füllraum für den Veranlagungszeitraum vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Oktober 1980 in Höhe von insgesamt 192,- DM auf seine Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Abfallbeseitigung - GS - vom 27. September 1974 i.d.F. der 2. Änderungssatzung vom 17. Dezember 1976. Nach § 1 Abs. 1 GS erhebt der Beklagte, der gemäß § 1 seiner Satzung über die Abfallbeseitigung für den Landkreis Verden - AS - vom 26. Juni 1974 i.d.F. der 2. Änderungssatzung vom 17. Dezember 1976 im Kreisgebiet die Abfälle im Sinne der Vorschriften des Gesetzes über die Beseitigung von Abfällen - AbfG - und des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum AbfG beseitigt und die Abfallbeseitigung als öffentliche Einrichtung betreibt, zur Deckung der Kosten für die Durchführung der Abfallbeseitigung und die Benutzung der Abfallbeseitigungsanlagen Benutzungsgebühren nach Maßgabe der GS. Für die Abfuhr der Abfälle werden monatliche Benutzungsgebühren nach dem sog. Gefäßmaßstab festgesetzt (§ 2 GS). Die Gebührenpflicht entsteht gemäß § 3 GS jeweils mit Beginn des Monats, in dem die Benutzung der öffentlichen Abfuhr satzungsgemäß stattzufinden hat bzw. bei Benutzung der Abfallbeseitigungsanlage; beginnt die Abfuhr in der Zeit nach dem 15. eines Monats, wird die Gebühr erst vom 1. des folgenden Monats an berechnet. § 4 GS trifft sodann hinsichtlich der Gebührenpflichtigen die nachfolgende Regelung:

"1.
Gebührenpflichtig für die Behälterabfuhr sind die Grundstückseigentümer oder die nach § 4 Abs. 3 der Satzung über die Abfallbeseitigung im Landkreis ihnen gleichgestellten Personen. Mehrere Gebührenpflichtige sind Gesamtschuldner.

2.
Beim Wechsel des Grundeigentums ist der neue Eigentümer vom Beginn des Monats an gebührenpflichtig, der dem Monat der Rechtsänderung folgt. Für sonstige Gebührenpflichtige gilt dies entsprechend.

3.
Bei Benutzung der Abfallbeseitigungsanlage ist der Benutzer Gebührenpflichtiger."

20

§ 4 Abs. 3 AS, auf den § 4 Abs. 1 GS verweist, hat folgenden Wortlaut:

"Grundstückseigentümern stehen Erbbauberechtigte, Wohnungseigentümer, Wohnungserbbauberechtigte, Nießbraucher und sonstige zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigte gleich. Hinsichtlich des Benutzungszwanges stehen den Grundstückseigentümern auch sonstige zur Nutzung des Grundstücks Berechtigte gleich."

21

Die im Beschluß der erkennenden Kammer vom 22. Januar 1981 - 1 VG D 303/80 - erörterte Frage, ob § 4 Abs. 1 GS die Abfallbeseitigungsgebührenpflicht des Mieters überhaupt in der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit zum Ausdruck bringt, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch dann, wenn man diese Frage bejaht, bietet die Satzungsregelung des § 4 Abs. 1 GS jedenfalls deshalb keine geeignete Grundlage für die Heranziehung der Mieter eines Wohnhausgrundstückes zu Abfallbeseitigungsgebühren, weil sie dann mit der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes - NKAG - vom 8. Februar 1973 (Nds. GVBl. S. 41) nicht mehr im Einklang steht. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 NKAG dürfen kommunale Abgaben - zu denen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG auch die von dem beklagten Landkreis als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung "Abfallbeseitigung" erhobenen Benutzungsgebühren gehören - nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Das durch diese Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 NKAG normierte Erfordernis des Satzungszwangs verbietet mithin eine Abgabenerhebung aufgrund von Verwaltungsvorschriften oder gar nur einer bloßen Verwaltungsübung (vgl. Dahmen/Driehaus/Küffmann/Wiess, Kommentar zum Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage 1981, Rdnr. 25 zu § 2 KAG-NW zur Parallelvorschrift im nordrhein-westfälischen Kommunalabgabenrecht). Dieser gesetzliche Grundsatz des § 2 Abs. 1 Satz 1 NKAG stellt sicher, daß der Eingriff in die Freiheitssphäre des Bürgers, den die Abgabenerhebung darstellt, sich entsprechend dem Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) vollzieht. Nach dem Rechtsstaatsprinzip muß die Erhebung von öffentlichen Abgaben nur aufgrund einer Rechtsnorm zwingendes Gebot sein, damit die Belastung des einzelnen Pflichtigen gleichmäßig, voraussehbar, meßbar und berechenbar ist (vgl. Hatopp, NKAG. Kommentar, Stand Juni 1983, Erl. 1 zu § 2 NKAG; siehe auch Thiem, Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holstein, Stand Juni 1982, Anm. 2 zu § 2 KAG-SH). Dürfen die Behörden mit Rücksicht auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nur nach Maßgabe von Rechtsnormen in die Rechte der Bürger eingreifen, und insbesondere Abgaben erheben, so folgt darauf zwingend, daß Abgabensatzungen stets ein Mindestmaß an Regelungen zu gewissen Punkten treffen müssen, damit dem Rechtsstaatsprinzip und dem in ihm enthaltenen Grundsatz der Rechtssicherheit Genüge geschehen kann (vgl. Thiem, a.a.O., Anm. 33 zu § 2 KAG-SH). Das NKAG unterstreicht diese Rechtsfolge wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung, indem es in § 2 Abs. 1 Satz 2 einen gewissen Mindestinhalt der Abgabensatzung vorschreibt. Danach muß die Satzung neben dem die Abgabe begründenden Tatbestand, dem Maßstab und dem Satz der Abgabe sowie dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld auch den Kreis der Abgabeschuldner (im Sinne von § 43 Satz 1 AO 1977 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) NKAG) bestimmen; die Bestimmung des Abgabeschuldners darf mithin nicht der Entscheidung der Verwaltung überlassen bleiben. Mit dieser gesetzlichen Forderung steht die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 GS - in ihrer vom Beklagten vertretenen Auslegung - nicht mehr im Einklang. Diese Satzungsregelung ("Gebührenpflichtig für die Behälterabfuhr sind die Grundstückseigentümer oder die nach § 4 Abs. 3 der Satzung über die Abfallbeseitigung im Landkreis ihnen gleichgestellten Personen.") überläßt - in ihrer vom Beklagten vertretenen Auslegung - für die Fälle, in denen sowohl der Grundstückseigentümer (bzw. sonst dinglich Nutzungsberechtigte) als auch sonstige (d.h. schuldrechtlich) zur Nutzung des Grundstücks Berechtigte im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 2 GS als Abfallbeseitigungsgebührenpflichtige in Betracht kommen (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. September 1982 - 2 S 1926/81 -, KStZ 1983, 36 f.), im Einzelfall nicht etwa lediglich die Auswahl zwischen mehreren Gebührenpflichtigen dem Auswahlermessen der Verwaltung, sondern sie überträgt dieser die Befugnis zur Festlegung des im Einzelfall allein Gebührenpflichtigen. Eine solche Satzungsgestaltung aber läßt sich mit § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG nicht vereinbaren.

22

Da die Klage mithin schon wegen Fehlens einer die Heranziehung des Klägers zu Abfallbeseitigungsgebühren rechtfertigenden wirksamen Satzungsgrundlage Erfolg haben mußte, kann offenbleiben, ob der erneuten Heranziehung des Klägers, wie dieser meint, bereits die Bestandskraft des "Einstellungsbescheides" des Beklagten vom 3. Februar 1980 entgegenstand.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

24

Eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nach § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs und Finanzgerichtsbarkeit - EntlG - vom 31. März 1978 (BGBl. I S. 446) war gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift entbehrlich. Zwar übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes (192,- DM) fünfhundert Deutsche Mark nicht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EntlG); die streitigen Abfallbeseitigungsgebühren (1. Juli 1979 bis 31. Oktober 1980) sind jedoch wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 4 Abs. 1 EntlG).

Dr. Dreiocker
Gärtner
Meinecke