Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.01.2022, Az.: 2 A 295/18

Gebot der Rücksichtnahme; Lärmimmissionen; Nachbarklage; nachbarschützende Vorschriften; Rechtsschutzinteresse; TA Lärm; Teilbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
20.01.2022
Aktenzeichen
2 A 295/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59862
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Soweit dem Beigeladenen zusätzlich zu den bisherigen Nutzungen nunmehr auf die Veranstaltung von Abi-Bälle, Philharmonien und Varietés erlaubt wird, besteht kein Rechtschutzinteresse des Klägers, da diese Nutzungen bereits von der ursprünglichen Baugenehmigung, die u.a. Privat-Veranstaltungen, Konzerte und Theater umfasste, erlaubt waren und sich durch die Klage die Rechtsposition des Klägers nicht verbessern kann.
2. Soweit dem Beigeladenen eine Umnutzung des Foyers sowie die Einrichtung von Schulungsräumen im Obergeschoss gestattet wurde, ist die Klage unbegründet. Die Nutzungsänderungen sind isoliert prüfbar, da diese Nutzungen teilbar sind. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gegenüber dem Kläger ist nicht zu erwarten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Nutzungsänderungsgenehmigung.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A-Straße, Flurstück 18/8 in der Gemarkung A-Stadt. Das Grundstück ist mit einem freistehenden Gebäude bebaut, das im Erdgeschoss gewerblich genutzt wird. Im Obergeschoss befinden sich mehrere Wohnungen.

Der Beigeladene ist Eigentümer der südwestlich vom klägerischen Grundstück gelegenen Grundstücke Flurstück 21/3 und Flurstück 34/22 der Flur 20 in der Gemarkung A-Stadt, H. straße 5. Die Grundstücke sind mit ehemaligen Werkshallen bebaut, wobei auf dem erstgenannten Flurstück die „I. -Veranstaltungshalle“ vom Beigeladenen betrieben wird; die Werkshalle auf dem letztgenannten, weiter südwestlich gelegenen Grundstück wird als Eingangsbereich und Garderobe für die I. -Halle genutzt. Zudem steht das Flurstück 34/48 im Eigentum des Beigeladenen. Dieses kleine Weggrundstück liegt zwischen den vorgenannten Grundstücken und verbindet diese. Der Beigeladene nutzt die I. -Halle seit dem Jahr 2007 zur Durchführung von Veranstaltungen aller Art. Er verfügt über eine Baugenehmigung vom 28. Juli 2006, durch die die beantragten Nutzungsarten Flohmarkt, Messen, Ausstellungen, Tierschauen, Landwirtschaftsausstellungen, Sportveranstaltungen, Konzerte, Theater und Privat-Veranstaltungen sowie einige feste Veranstaltungen (z.B. „A-Stadt brennt“, „J.“, „Tanz in den Mai“) erlaubt wurden. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens hat der Beigeladene ein Schallgutachten (Schallschutzprognose) durch den vereidigten anerkannten Herrn Dipl.-Ing. K. -L. vom 13. März 2005, ergänzt durch Gutachten vom Frühjahr 2006 und Schreiben vom 19. Juli 2006, vorgelegt, das zur Grundlage der Baugenehmigung gemacht wurde. In der Baugenehmigung ist folgende Auflage zum Immissionsschutz enthalten:

„Die Einhaltung der im Schallgutachten (Immissionsprognose) einschl. der Nachträge ermittelten Werte ist bei Beschwerden Dritter durch den Bauherrn anhand einer Nachmessung durch eine anerkannte Messstelle zu belegen. Das Messprotokoll ist der Bauaufsicht vorzulegen.

Soweit sich der Schallschutz gegenüber angrenzenden Nutzungseinheiten nach Inbetriebnahme als nicht ausreichend erweist, hat der Bauherr auf Verlangen der Bauaufsicht einen Gutachter mit der Erarbeitung eines weitergehenden Schallgutachtens zu beauftragen. Dieses Gutachten wird sich insbesondere mit Lärmminderungsmaßnahmen zu befassen haben, die der Bauherr umzusetzen hat.“

Der Beigeladene beantragte am 21. April 2009 die Genehmigung einer erweiterten Nutzung der I. -Halle für Abitur-/Tanzbälle, Philharmonien und Varietés, die Umnutzung eines Teilbereichs des Erdgeschosses auf der südwestlich gelegenen Seite der Halle in ein Foyer für Veranstaltungen mit kleineren Besucherzahlen (weniger als 200 Personen) sowie die Umnutzung des Obergeschosses in Schulungsräume. Die prüffähigen Unterlagen zu diesem Antrag wurden am 16. Juni 2016 eingereicht.

Mit Bescheid vom 3. März 2017 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung.

Der Kläger legte gegen die Baugenehmigung mit Schreiben vom 11. April 2017 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass schon die Genehmigung vom 28. Juli 2006 rechtswidrig sei, weil sie keine ausreichenden Regelungen enthalte, um sicherzustellen, dass unzulässige und unzumutbare Lärmeinwirkungen auf die in seinem Haus befindlichen Wohnräume vermieden würden. Die durch den Betrieb der Halle verursachten Geräuscheinwirkungen überstiegen das in der Nachtzeit zulässige Maß bei weitem.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die erweiterte Genehmigung sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten. Das Bauvorhaben liege nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, die Eigenart der näheren Umgebung entspreche aber dem eines Gewerbegebiets im Sinne von § 8 BauNVO. Die beantragte Nutzungserweiterung führe nicht zu einer Änderung der baulichen Anlage in seiner wesentlichen Gestalt, seiner Qualität oder Immissionslage, so dass für die planungsrechtliche Zulässigkeit beschränkt auf die Nutzungsänderung abgestellt werden könne. Die Nutzungserweiterung verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die den Schallschutz konkretisierenden Bestimmungen ergäben sich aus § 48 BImSchG i.V.m. der TA Lärm. Hinsichtlich der Nutzungsänderung der Eventhalle sei die Art der nun beantragten Veranstaltungen hinsichtlich Zeitpunkt, Zahl der Besucher und der zu erwartenden Lautstärke mit den bereits genehmigten Nutzungen vergleichbar. Das Foyer befinde sich auf der dem Grundstück des Klägers abgewandten Seite, so dass eher von einer geringeren Belastung auszugehen sei als die durch die Schallgutachten errechneten, die die Emissionsquelle mittig zum Hallengebäude angesetzt hätten. Die Nutzung des Obergeschosses für Schulungszwecke lasse ebenfalls eine weitergehende Beeinträchtigung des Klägers nicht erwarten. Es bestünden keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit des Schallgutachtens, das eine hinzunehmende Belastung des Klägers zeige, zu zweifeln. Die dort erteilten Weisungen zum Schutz der Nachbarn seien als Bedingungen und Auflagen zum Bestandteil der ursprünglich erteilten Baugenehmigung erklärt worden. Da die beantragten Nutzungsänderungen nach Besucherzahl und Qualität jenen bereits genehmigten Nutzungen entsprächen oder dahinter zurückblieben, seien hierdurch keine größeren Belastungen durch Lärmimmissionen zu erwarten. In bauordnungsrechtlicher Hinsicht sei die von einer Änderung nicht betroffenen (bestandskräftig genehmigten) Teile der baulichen Anlage grundsätzlich nicht Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren für die Änderung.

Der Kläger hat am 17. August 2018 Klage erhoben.

Er trägt vor, es sei rechtlich nicht haltbar, dass die Beklagte die angefochtene Genehmigung isoliert und unabhängig von der Frage der materiell-rechtlichen Zulässigkeit der bisher auf der Grundlage der Baugenehmigung vom 28. Juli 2006 ausgeübten Nutzung beurteile. Die bisher ausgeübte Nutzung sei unzulässig, da sie keine ausreichenden Regelungen enthalte, um sicherzustellen, dass unzulässige und unzumutbare Lärmeinwirkungen auf die in seinem Haus befindlichen Wohnräume vermieden würden. So gehe das Schallgutachten fehlerhaft von einem zu hohen Schalldämmmaß der vorhandenen alten Industriefenster aus. Ferner sei sein Grundstück als Immissionsort überhaupt nicht betrachtet worden. Die Aussage im Schallgutachten, die Fenster seien während des Betriebs geschlossen zu halten, finde sich in der Baugenehmigung nicht wieder. Es genüge nicht, dass als Nebenbestimmung enthalten sei, dass die ermittelten Werte einzuhalten seien. Es bedürfe darüber hinaus baulich-technischer Vorkehrungen, um ein Öffnen der Fenster zu erschweren. Wesentliche betriebliche Tätigkeiten seien in dem Schallgutachten nicht berücksichtigt worden, wie das Verladen von Bühnen-Equipment auf LKW. Die hierdurch verursachten Geräuscheinwirkungen auf seine Wohnräume überstiegen das in der Nachtzeit zulässige Maß bei weitem. Die Baugenehmigung sei mithin inhaltlich unbestimmt. Unter den Konsequenzen der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung leide er seit Jahren. Eine Erweiterung des Betriebs brauche er nicht hinzunehmen. Selbst wenn davon ausgegangen werde, die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Baugenehmigung spiele keine Rolle, sei die neue Genehmigung als rechtswidrig zu beurteilen. Denn bei der Nutzung für Abitur-/Tanzbälle handele es sich um Veranstaltungen, für die dieselben Emissionswerte anzusetzen seien wie für Diskothekenveranstaltungen. Neue Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz enthalte die neue Genehmigung nicht, weshalb sie rechtswidrig sei. Hinzu komme, dass der Beigeladene geäußert habe, er könne die Besucher nicht daran hindern, auf nicht von ihm vorgesehenen öffentlichen Parkplätzen zu parken und zu Fuß von Norden her sein Gelände zu betreten, da sich dort eine Feuerwehrzufahrt befinde, die offen bleiben müsse. Dies zeige die Unzulänglichkeit und Ungeeignetheit der Nebenbestimmungen. Da er zwischenzeitlich einen Bauantrag gestellt habe, der unter anderem einen Hotelbetrieb mit angegliederter Betriebswohnung vorsehe, habe er weiterhin ein berechtigtes Interesse daran, dass unzumutbare und unzulässige Geräuscheinwirkungen unterblieben. Es sei zudem unerheblich, über was für eine Genehmigung für sein Gebäude er verfüge, da die Wohnnutzung jedenfalls materiell zulässig gewesen sei. Darüber hinaus habe er jedenfalls Anspruch darauf, dass die für Gewerbegebiete maßgeblichen Immissionswerte nicht überschritten würden. Er habe wiederholt bei nächtlichen Veranstaltungen Messungen mit geeichten Schallmessgeräten vorgenommen, wobei der für Gewerbegebiete maßgebliche Immissionsrichtwert von 50 dB(A) für die lauteste Nachtstunde weit überschritten worden sei. Dies werde bestätigt durch die vom Beigeladenen selbst vorgelegte Schallmessung vom 2. Dezember 2006, aus der sich ergebe, dass die für Gewerbegebiete maßgeblichen Immissionsschutzwerte für die Nachtzeit deutlich überschritten würden. Nicht bestimmt genug sei die Nebenbestimmung, nach der für Veranstaltungen, die über 22 Uhr hinaus andauerten, ausschließlich die Zuwegung über den M. -N. -Platz genutzt werden dürfe, da unklar bliebe, ob dies auch für den Abtransport von Equipment durch LKW gelte. Diese Fragen hätten bereits bei der Baugenehmigung im Jahr 2006 geprüft werden müssen, bei Erteilung der streitgegenständlichen Genehmigung hätte aber eine erneute Prüfung und Regelung stattfinden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei die Genehmigung rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 3. März 2017 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. Juli 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, das Grundstück des Klägers liege nunmehr im Geltungsbereich des Bebauungsplans der Innenentwicklung Nr. O. „Neubau des Kreishauses an der H. straße“, der als Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet festschreibe. Die nachbarrechtlichen Abwehrrechte des Klägers seien deshalb an den Anforderungen des § 8 BauNVO zu messen. Es sei nicht die Gesamtgenehmigung in den Blick zu nehmen, sondern nur die Nutzungsänderung, da sich vorliegend weder Identität noch Funktion der baulichen Anlage ändere. Auch eine räumlich, bauliche Erweiterung sei mit den streitgegenständlich beantragten Nutzungserweiterungen nicht verbunden. Darüber hinaus entsprächen die beantragten Nutzungserweiterungen dem bisherigen charakteristischen Nutzungszweck und -spektrum der Veranstaltungshalle und führten deshalb nicht zu einer Änderung der bestandskräftig genehmigten baulichen Anlage in seiner Gestalt, Nutzung, Qualität oder Immissionslage. Deshalb sei die Prüfung des Antrags auf einzelne bebauungsrechtliche Aspekte zu beschränken gewesen. Die beantragten Nutzungserweiterungen verstießen nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das klägerische Grundstück insofern vorbelastet sei, als es schon den Immissionen des bisherigen Veranstaltungsbetriebs sowie der weiteren ansässigen Gewerbebetriebe ausgesetzt gewesen sei. Für das Gebäude des Klägers gebe es nach den vorliegenden Bauunterlagen lediglich eine Genehmigung vom 29. November 1938 zum Ausbau eines Schweinemaststalls sowie einer Wohnung für den Schweinemeister. Am 12. Juli 1956 sei für das Gebäude der Um-/Ausbau von Fabrikationsräumen „P. Q.“ im Erdgeschoss genehmigt worden. Die Wohnung im Obergeschoss sei als sog. Betriebs-/Betriebsleiterwohnung zu qualifizieren, deren Schutzwürdigkeit gemindert sei. Die zulässigen Immissionsrichtwerte würden ausweislich des vorgelegten Schallgutachtens eingehalten. Es gebe keine Gründe, an der Richtigkeit des Gutachtens zu zweifeln.

Mit Beschluss vom 15. August 2018 ist der Beigeladene zum Verfahren beigeladen worden.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, er nutze die Halle seit dem Jahr 2007 zur Durchführung von Veranstaltungen aller Art, u.a. Konzerte, Hochzeiten, Messen, Betriebs- und Weihnachtsfeiern. Konzerte fänden alle zwei bis drei Monate statt. Es treffe nicht zu, dass das Grundstück des Klägers durch den Betrieb der Veranstaltungshalle Geräuscheinwirkungen ausgesetzt werde, die das in der Nachtzeit zulässige Maß „bei weitem“ überstiegen. Dies ergebe sich bereits aus dem vorgelegten Schallgutachten. Er habe sogar zahlreiche, über die in der Baugenehmigung verfügten Auflagen hinausgehenden Maßnahmen getroffen, um die Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft so gering wie möglich zu halten, namentlich durch die Erneuerung des Dachs. Die Halle verfüge ausschließlich über schmale Klappfenster, die sich in Richtung des Grundstücks des Klägers nicht öffnen ließen. Durch entsprechende Beschilderung und Überwachung sorge er dafür, dass die Besucherinnen und Besucher die Halle nach 22 Uhr nicht über die H. straße beträten, auch wenn dies nicht in jedem Einzelfall verhindert werden könne. Nur in absoluten Ausnahmefällen, im Jahr 2018 zum Beispiel an sechs Tagen, erfolge eine Verladung von Equipment auf der Freifläche zwischen der H. straße und der Halle. Dies würde nicht ins Gewicht fallen. Ein Verstoß gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften sei nicht ersichtlich. Insbesondere werde das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt, da die nach der TA Lärm zulässigen Immissionsrichtwerte eingehalten würden, wie sich aus dem vorgelegten Schallgutachten ergebe. Die Richtigkeit der schalltechnischen Untersuchung sei durch eine Schallmessung während einer Musikveranstaltung am 2. Dezember 2006 bestätigt worden. Es sei nicht ersichtlich, dass es durch die nun genehmigte Nutzungserweiterung zu einer höheren Lärmbelastung beim Kläger kommen solle. Die Nutzung des Obergeschosses für Schulungszwecke werde überwiegend Tags stattfinden, so dass eine Anhebung des nächtlichen Beurteilungspegels von vornherein ausgeschlossen sei. Die Nutzungsergänzung der Eventhalle unterscheide sich nicht wesentlich von den bislang am Wochenende und in der Abendzeit genehmigten Nutzungen. Das Foyer befinde sich auf der dem Grundstück des Klägers abgewandten Teil der Halle, so dass durch dessen Nutzung ebenfalls keine erheblichen Immissionen zu erwarten seien. Eine Rechtsverletzung des Klägers scheide aber selbst dann aus, wenn es tatsächlich zu einer Überschreitung des maßgeblichen nächtlichen Immissionswertes kommen sollte, da das Gebot der Rücksichtnahme eine wertende Betrachtung erfordere. Danach ergebe sich, dass das Vorhaben des Klägers nur in geringer Weise Rücksicht fordern könne, da es durch die umliegenden Gewerbebetriebe erheblich vorbelastet sei. Dies gelte erst recht, wenn es sich bei der Wohnung lediglich um eine Betriebsleiterwohnung handeln sollte. Es stelle sich die Frage nach dem für die Klage erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplans und der vom Kläger beantragten Nutzungsänderung für die Verwirklichung rein gewerblicher Nutzungen auf seinem Grundstück. Die angegriffene Baugenehmigung sei auch nicht wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit rechtswidrig. Es bleibe unklar, welche Regelung des Bescheids vom 3. März 2017 inhaltlich unbestimmt sein solle. Soweit der Kläger angebliche Vollzugsprobleme in der Vergangenheit gerügt habe, handele es sich um Tätigkeiten auf der Grundlage der Baugenehmigung vom 28. Juli 2006, nicht jedoch um Einwendungen gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung. Der Vortrag des Klägers über die angebliche Rechtswidrigkeit der Genehmigung vom 28. Juli 2006 sei ohne Belang, da diese bestandskräftig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

1. Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass dem Beigeladenen durch Bescheid vom 3. März 2017 erlaubt wurde, die I. -Halle für Abitur-/Tanzbälle, Philharmonien und Varietés zu nutzen, ist die Klage bereits unzulässig. Ihm fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

Das für Klagen erforderliche Rechtsschutzinteresse erfordert für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art und Umfang ein berechtigtes Interesse, um die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes auf das zur Durchsetzung subjektiver Rechte erforderliche Maß zu beschränken und einem Missbrauch prozessualer Rechte vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 24). Ein Rechtsschutzinteresse ergibt sich bei Gestaltungs- und Leistungsklagen in der Regel schon aus der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zur Durchsetzung eines behaupteten Gestaltungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.1989 - BVerwG 9 C 44.87 -, juris Rn. 9). Ausnahmsweise fehlt das Rechtsschutzinteresse aber, wenn der Rechtsschutzsuchende seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung derzeit nicht verbessern kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Klage, selbst wenn sie ansonsten zulässig und begründet wäre, dem Rechtsschutzsuchenden keinen Nutzen bringen könnte. Das Rechtsschutzinteresse fehlt ferner dann, wenn es einen anderen, einfacheren Weg zu dem erstrebten Ziel gibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.08.1987 - BVerwG 4 N 3.86 -, BVerwGE 78, 85, 91 f., insoweit nur unvollkommen in juris Rn. 19; Beschl. v. 23.01.1992 - BVerwG 4 NB 2.90 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Urt. v. 20.12.2017 - 13 KN 67/14 -, juris Rn. 68 m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger kein Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf die Nutzungserweiterung auf Abitur-/Tanzbälle, Philharmonien und Varietés. Denn diese Nutzungsarten waren dem Beigeladenen bereits durch die ursprüngliche Genehmigung vom 28. Juli 2006 erlaubt. Diese sieht vor, dass der Beigeladene die I. -Halle für Flohmarkt, Messen, Ausstellungen, Tierschauen, Landwirtschaftsausstellungen, Sportveranstaltungen, Konzerte, Theater und Privat-Veranstaltungen sowie einige feste Veranstaltungen (z.B. „A-Stadt brennt“, „J.“, „Tanz in den Mai“) nutzen darf. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die nunmehr zusätzlich beantragten Nutzungen von den bereits zuvor genehmigten Nutzungen umfasst sind. Bei Abitur-/Tanzbällen handelt es sich um Privatveranstaltungen, Philharmonien sind von der Nutzungsart „Konzert“ erfasst und bei Varietén handelt es sich um Theater-Veranstaltungen. Somit durfte und darf der Beigeladene diese Nutzungen auch ohne den Änderungsbescheid vom 3. März 2017 in der I. -Halle ausüben. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Klägers ist durch den Bescheid vom 3. März 2017 auch nicht eine zuvor bestehende Beschränkung von Tanzveranstaltungen auf 4 bis 6 Veranstaltungen pro Jahr aufgehoben worden. Die Genehmigung vom 28. Juli 2006 enthält eine solche Beschränkung nicht. Vielmehr wird dort lediglich festgestellt, dass im Rahmen der Genehmigung die Erfordernisse für die Maximalnutzung mit 1.632 Besuchern zugrunde gelegt worden seien, es sich bei dieser Nutzung lediglich um ca. 4 bis 6 Wochenendereignisse pro Jahr handele und deshalb bei der Bemessung von sanitären Anlagen Näherungswerte angesetzt worden seien, um Überkapazitäten zu vermeiden. Weder enthält diese Genehmigung eine drittschützende Beschränkung der zulässigen Anzahl an derartigen Veranstaltungen mit maximaler Besucherzahl, noch ist durch die Genehmigung vom 3. März 2017 eine solche vermeintliche Beschränkung aufgehoben worden. Im Ergebnis könnte der Beigeladene folglich die nunmehr in der Genehmigung vom 3. März 2017 ausdrücklich umfassten Veranstaltungsarten in der I. -Halle durchführen, selbst wenn diese Genehmigung durch die Kammer aufgehoben werden würde. Der Kläger kann folglich seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht verbessern.

2. Die im Übrigen zulässige Klage, gerichtet gegen die Umnutzung des Foyers und die Einrichtung von Schulungsräumen im Obergeschoss, ist unbegründet. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 3. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2018 ist, soweit die Klage zulässig ist und es auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung in diesem Verfahren ankommt, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Für die Entscheidung kann offenbleiben, ob die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in jeder Hinsicht rechtmäßig ist. Ein Rechtsanspruch eines Nachbarn auf Aufhebung einer dem Bauherrn erteilten Baugenehmigung besteht nämlich nicht schon dann, wenn eine Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Hinzukommen muss, dass der Nachbar durch die rechtswidrige Baugenehmigung zugleich in eigenen Rechten verletzt wird. Dies setzt voraus, dass die Baugenehmigung gegen Rechtsnormen verstößt, die nachbarschützenden Charakter haben, und der jeweilige Nachbar auch im Hinblick auf seine Nähe zu dem Vorhaben tatsächlich in seinen eigenen Rechten, deren Schutz die Vorschriften zu dienen bestimmt sind, verletzt wird (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 16.08.1983 - 4 B 94.83 -, juris Rn. 3; BVerwG, Urt. v. 26.09.1991 - 4 C 5.87 -, juris; BayVGH, Urt. v. 23.11.2011 - 14 BV 10.1811 -, juris Rn. 34; OVG NRW, Urt. v. 30.05.2017 - 2 A 130/16 -, juris Rn. 26). Eine Verletzung drittschützender Normen durch eine Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde kommt darüber hinaus auch nur insoweit in Betracht, als die Feststellungswirkung der hier erteilten Baugenehmigung reicht (vgl. nur BayVGH, Beschl. v. 24.03.2009 - 14 CS 08.3017 -, juris Rn. 22).

Prüfungsgegenstand ist vorliegend nicht der gesamte Betrieb der I. -Halle auf dem Grundstück des Beigeladenen, sondern nur die mit Bescheid vom 3. März 2017 genehmigten baulichen Anlagen, mithin die Umnutzung eines Teilbereichs des Erdgeschosses in ein Foyer für Veranstaltungen mit kleineren Besucherzahlen sowie die Umnutzung des Obergeschosses in Schulungsräume. Lediglich soweit es um behauptete schädliche Umwelteinwirkungen geht, ist zu prüfen, ob durch die hinzugekommenen Nebenanlagen die Grenzwerte einer zulässigen Belastung überschritten werden.

Dem Vortrag des Klägers lässt sich entnehmen, dass die in der I. -Halle stattfindenden Konzerte und Partys inklusive des An- und Abreiseverkehrs sowie des Verladens von Bühnen-Equipment auf dem Parkplatz vor der I. -Halle der maßgeblich störende Betriebsteil ist. Dieser Betriebsteil wurde - unabhängig von der Frage, ob das nächtliche Verladen von Equipment hiervon gedeckt ist - dem Beigeladenen bestandskräftig im Jahr 2006 genehmigt. Die nunmehr bewilligte Umnutzung des Foyers sowie des Obergeschosses hat nicht zur Folge, dass die damals bestandskräftig erteilte Genehmigung für den Betrieb der Veranstaltungshalle zur erneuten Überprüfung ansteht.

Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid lediglich die Umnutzung des Foyers und des Obergeschosses baurechtlich geprüft und genehmigt hat und nicht - wie vom Kläger begehrt - den gesamten Betrieb des Beigeladenen einer baurechtlichen Überprüfung unterzogen hat. Soll nicht die Nutzung der baulichen Anlage insgesamt geändert werden, kann die bauplanungsrechtliche Prüfung auf das konkrete Bauvorhaben beschränkt werden, wenn der betroffene Anlagenteil auch ein selbständiges Vorhaben sein könnte; er muss von dem Vorhaben im Übrigen abtrennbar sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 -, juris Rn. 13). Dies ist hier der Fall. Das Bauvorhaben des Beigeladenen ist von der ursprünglichen Genehmigung teilbar. Die bauplanungsrechtliche Prüfung hat sich auf das „Vorhaben“ im Sinne von § 29 Satz 1 BauGB zu beziehen. Dabei kann es sich - in der Begriffsbildung dieser Vorschrift - um die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage handeln. Den Begriff der Erweiterung kennt das Gesetz nicht; er ist einer der genannten Vorhabenskategorien zuzuordnen. Denkbar ist, dass sich eine Erweiterung als Errichtung einer - weiteren - baulichen Anlage darstellt, nämlich wenn es sich um ein selbständiges, abtrennbares Vorhaben handelt. In diesem Fall ist eine auf seine Zulässigkeit beschränkte Betrachtung geboten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.06.1993 - 4 C 17.91 -, juris Rn. 16). Fehlt es dagegen an einer Abtrennbarkeit, handelt es sich um die Änderung einer baulichen Anlage, welche nicht isoliert geprüft werden kann. Eine Beschränkung auf den hinzukommenden Teil würde in diesem Falle außer Acht lassen, dass auch der bereits vorhandene Teil der erweiterten Anlage zur Disposition steht, wenn er in der neuen Gesamtanlage aufgeht. Immer dann, wenn eine Erweiterung zugleich den Bestand der vorhandenen baulichen Anlage verändert - sei es durch einen Eingriff in die bestehende Anlage, sei es wegen der aus der Erweiterung resultierenden Qualitätsveränderung des Bestandes, wenn beispielsweise eine nicht kerngebietstypische Spielhalle kerngebietstypisch wird oder wenn ein Einzelhandelsbetrieb die Grenze zur Großflächigkeit überschreitet, oder wenn sich die Immissionslage ändert -, ist eine isolierte Beurteilung der Erweiterung nicht möglich. Ebenso wie bei einer Nutzungsänderung die bauliche Anlage in ihrer etwa geänderten Funktion als Einheit zu prüfen ist, muss dann bei der Änderung einer baulichen Anlage das Gesamtvorhaben in seiner durch die Erweiterung geänderten Gestalt geprüft werden (BVerwG, Urt. v. 17.06.1993 - 4 C 17.91 -, juris Rn. 16). Vorliegend ändert die nunmehr genehmigte Umnutzung des bislang ungenutzten Foyers sowie des Obergeschosses zwar den Bestand der auf dem Grundstück des Beigeladenen vorhandenen baulichen Anlagen. Allerdings ist dieses Vorhaben von der ursprünglichen Genehmigung der Veranstaltungshalle teilbar. Die vorhandene Veranstaltungshalle auf dem Grundstück des Beigeladenen soll nicht baulich verändert, sondern um ein weiteres Vorhaben, das auf einem anderen, im Eigentum des Beigeladenen stehenden Nachbargrundstück geplant ist, ergänzt werden. Der genehmigte Betrieb der I. -Halle bleibt von der hier streitgegenständlichen Genehmigung völlig unberührt. Bauliche Änderungen an der genehmigten Veranstaltungshalle sind mit der Genehmigung vom 3. März 2017 nicht verbunden. Dies war in dem oben zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 1993 (- 4 C 17.91 -, juris) anders. Dort ging es um eine Erweiterung eines knapp 3.000 m² großen Verbrauchermarktes um weitere 1.700 m² Geschossfläche. Hierfür hätten vorhandene Stellplätze zurückgebaut werden müssen, was nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bereits dazu nötige, zumindest im Baugenehmigungsverfahren schon in dieser Hinsicht die Zulässigkeit des gesamten Vorhabens unter Einschluss der Erweiterung zu prüfen.

Dieses Vorhaben verletzt nachbarschützende Vorschriften nicht.

Da sich die betroffenen Grundstücke, auf denen die I. -Halle belegen ist, im unbeplanten Innenbereich befinden, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB). Nach den in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen befindlichen Katasterkarten und Lageplänen teilt die Kammer die Auffassung des Beigeladenen, dass die nähere Umgebung des Vorhabens einem Gewerbegebiet entspricht, das nach § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben dient. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO können ausnahmsweise Vergnügungsstätten zugelassen werden. Bei der I. -Halle handelt es sich um eine solche Vergnügungsstätte, die im faktischen Gewerbegebiet grundsätzlich zulässig ist. Die darüber hinaus nunmehr geplanten Schulungsräume unterfallen den ebenfalls in einem Gewerbegebiet gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zugelassenen Anlagen für kulturelle Zwecke.

Das Vorhaben ist gegenüber dem Kläger nicht rücksichtslos. Das bauplanungsrechtlich unter anderem in § 15 Abs. 1 BauNVO, § 34 Abs. 2 BauGB sowie § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Ein Nachbar kann in diesem Zusammenhang lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die als rücksichtslos zu werten sind. Dies ist erst dann der Fall, wenn die mit dem Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen der Nutzung des eigenen Grundstücks bei der zu treffenden Abwägung für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (vgl. u.a. BayVGH, Urt. v. 12.07.2012 - 2 B 12.1211 -, juris Rn. 35). Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 - 4 C 1.04 -, juris Rn. 22; BVerwG, Urt. v. 29.11.2012 - 4 C 8.11 -, juris Rn. 16; BVerwG, Urt. v. 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, juris). Drittschutz ist zu gewähren, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.06.2016 - 4 B 52.15 -, juris; HessVGH, Beschl. v. 25.10.2016 - 3 B 2377/16 -, juris Rn. 6). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.12.1996 - 4 B 215.96 -, juris Rn. 9). Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. u.a. BayVGH, Urt. v. 12.07.2012 - 2 B 12.1211 -, juris Rn. 35; BayVGH, Beschl. v. 22.06.2011 - 15 CS 11.1101 -, juris Rn. 17).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Vorhaben nicht rücksichtlos. Von dem genehmigten Vorhaben gehen zum einen keine unzumutbaren Beeinträchtigungen in Form von schädlichen Umwelteinwirkungen aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieses Verfahren nicht die Genehmigung der I. -Halle insgesamt betrifft, sondern lediglich die Genehmigung zur Umnutzung des Foyers und des Obergeschosses.

Schädliche Umwelteinwirkungen sind erhebliche Immissionen im Sinne der §§ 3 Abs. 1 und 2, 22 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), das heißt solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zu diesen schädlichen Umwelteinwirkungen gehören vorliegend in erster Linie die auf das Grundstück des Klägers einwirkenden Lärmimmissionen.

Für die Beurteilung der für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung maßgeblichen Erheblichkeitsschwelle von Nachteilen und Belästigungen kommt es auf Art, Ausmaß und Dauer der Immissionen an, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Weiterhin sind die Art des Gebiets und zum Teil auch eventuelle Vorbelastungen zu berücksichtigen. Die Erheblichkeit von Nachteilen und Belästigungen setzt hierbei voraus, dass das übliche und zumutbare Maß überschritten wird (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand: August 2021, § 35 Rn. 88).

Das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen durch die von der Genehmigung umfasste Umnutzung des Foyers sowie des Obergeschosses vermag die Kammer nicht zu erkennen.

Mit Blick auf Geräuschimmissionen wird die Schwelle der Zumutbarkeit grundsätzlich verbindlich durch die Bestimmungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm -, vom 26. August 1998, GMBl. 1998 Nr. 26, S. 503, geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017, BAnz AT 08.06.2017 B5), festgelegt. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Zumutbarkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Zumutbarkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm - abgesehen von der ergänzenden Prüfung im Sonderfall nach Nr. 3.2.2 - nur insoweit Raum, als die TA Lärm insbesondere durch Kann-Vorschriften (z. B. Ziffer 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z. B. Nr. A.2.5.3 des Anhangs der TA Lärm) Spielräume eröffnet (vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 29.11.2012 - 4 C 8.11 -, juris Rn. 18; BVerwG, Urt. v. 29.08.2007 - 4 C 2.07 -, juris Rn. 12; VG Lüneburg Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 362/11 -, juris Rn. 32).

Der entscheidungserhebliche Immissionsort ist vorliegend das Wohnhaus des Klägers, an dem die festgelegten Geräuschimmissionen nicht überschritten werden dürfen. Das Wohnhaus des Klägers befindet sich ausweislich der Festsetzungen im Bebauungsplan der Innenentwicklung Nr. O. „Neubau des Kreishauses an der H. straße“ im Planungsgebiet mit der Festsetzung Gewerbegebiet. Nach Nr. 6.1 Buchst. b) der TA Lärm dürfen die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel in Gewerbegebieten tags 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) nicht überschreiten.

Die vorgenannten Lärmwerte werden durch das nunmehr zusätzlich genehmigte Vorhaben nicht überschritten. Der Einholung eines Schallgutachtens bedarf es nicht.

Von der Nutzung der Schulungsräume im Obergeschoss gehen keine relevanten Lärmimmissionen aus. Ausweislich des Bauantrags sollen die Räume für Schulungs- und Weiterbildungszwecke, für Vorträge und Lesungen sowie für kleinere Feste und Tanzkurse genutzt werden, zudem als Erweiterungsfläche für Ausstellungen. Die maximale Kapazität dieser Räume wird auf 190 Personen begrenzt. Es ist weder vorgetragen noch für die Kammer ersichtlich, dass durch die Umnutzung des Obergeschosses die festgelegten Immissionsgrenzwerte für Lärm überschritten werden könnten. Dies folgt bereits daraus, dass es sich um Veranstaltungen mit einer vergleichsweise geringen Anzahl an Personen handelt. Darüber hinaus ist selbst bei kleineren Festen nicht zu erwarten, dass das Grundstück des Klägers hierdurch mit relevanten Lärmimmissionen belastet würde, da sich die genehmigten Schulungsräume im Obergeschoss des südwestlichen Teils des Gebäudes und damit auf der vom klägerischen Grundstück abgewandten Seite befinden.

Gleiches gilt für die Umnutzung eines Teilbereichs des Erdgeschosses in ein Foyer für Veranstaltungen mit kleineren Besucherzahlen (weniger als 200 Personen). Hier ist bereits aufgrund der Lage des Foyers auf der vom klägerischen Grundstück abgewandten Seite und der geringen Anzahl an zugelassenen Besuchern nicht mit unzumutbaren Lärmimmissionen zu rechnen.

Es kann offenbleiben, ob von einer unzumutbaren Lärmbelastung auszugehen wäre, wenn es sich, wie vom Kläger vorgetragen, bei dem Gebiet, in dem das Grundstück des Klägers belegen ist, um ein faktisches Mischgebiet handeln würde bzw. bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans gehandelt hätte. Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich zwar grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 19.04.1978 - 4 C 96 und 97.76 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 34; BVerwG, Beschl. v. 11.01.1991 - 7 B 102.90 -, juris und Urt. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155). Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigten. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (BVerwG, Beschl. v. 23.04.1998 - 4 B 40.98 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Diese im baurechtlichen Bereich ergangene Rechtsprechung ist auf das Immissionsrecht zu übertragen (vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 26.09.2019 - 7 C 5.18 -, juris Rn. 43 unter Verweis auf den Beschl. v. 23.04.1998 - 4 B 40.98 -; OVG NRW, Urt. v. 04.07.2018 - 8 A 47/17 -, juris Rn. 44 f.; anders dagegen VGH BaWü, Beschl. v. 07.08.2014 - 10 S 1853/13 -, juris Rn. 6).

Eine solche nachträgliche Änderung zu Gunsten des Beigeladenen ist hier der Erlass des Bebauungsplans, durch den festgesetzt wurde, dass sich das klägerische Grundstück in einem Gewerbegebiet befindet. Ob es sich zuvor um ein faktisches Mischgebiet gehandelt hat, ist somit nicht entscheidungserheblich, da nunmehr jedenfalls die zulässigen Immissionswerte in einem Gewerbegebiet zugrunde zu legen sind, die, wie oben dargestellt, durch die mit der Genehmigung vom 3. März 2017 zusätzlich erlaubten Nutzungen nicht überschritten werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem erfolglos gebliebenen Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn der - anwaltlich vertretene - Beigeladene hat einen eigenen Antrag gestellt und die ihm erteilte Baugenehmigung verteidigt und damit das Verfahren gefördert (vgl. hierzu u.a. Nds. OVG, Beschl. v. 29.04.2020 - 1 ME 99/19 -, juris Rn. 23).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für die Beklagte aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO, für die Beigeladene folgt sie aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.