Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.07.2008, Az.: 2 A 227/07
Genehmigung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zur Freisetzung von gentechnisch verändertem Mais in den Jahren 2007-2011; Möglichkeitstheorie betreffend die verwaltungsgerichtliche Klagebefugnis; Drittschützende Wirkung der Vorschriften des Gentechnikgesetzes; Voraussetzungen für die Erteilung einer Freisetzungsgenehmigung; Zuordnung von Jagdrecht unterliegenden Wildschweinen (auch Rehen) zu einem Jäger als deren möglichen zukünftigen Eigentümer
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 23.07.2008
- Aktenzeichen
- 2 A 227/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 20674
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2008:0723.2A227.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 2 VwGO
- § 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG
- § 1 Abs. 1 S. 1 BJagdG
- § 5 Abs. 1 S. 2 GenTAnhV
Fundstelle
- ZUR 2009, 157-159 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Gentechnikrecht;
hier: Drittklage gegen Freisetzungsgenehmigung
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Vorschriften des Gentechnikgesetzes sind drittschützend.
- 2.
§ 5 Abs. 1 S. 2 GenTAnhV bewirkt eine materielle Präklusion. Nicht rechtzeitig erhobene Einwendungen können im Klageverfahren nicht mehr geltend gemacht werden.
- 3.
Das Aneignungsrecht des Jägers am (abzuschießenden) Wild ist kein Schutzgut des Gentechnikgesetzes. Die Aufnahme von gentechnisch verändertem Mais durch Wildschweine oder anderen Tieren kann nicht gegen eine Freisetzungsgenehmigung eingewandt werden.
- 4.
Wenn gentechnisch veränderter Mais aus dem Freilandversuch auf Waldböden gelangt, wirkt sich dies nicht nachteilig aus. Mais ist nur bei einer Kultivierung durch den Menschen überlebensfähig. Eine Kreuzung des Hybridmais mit einheimischen Pflanzen im Wald ist nicht möglich.
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Schwarz,
die Richterin am Verwaltungsgericht Karger,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Struß sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.
Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Genehmigung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit der Beklagten zur Freisetzung von gentechnisch verändertem Mais in den Jahren 2007-2011 unter anderem an einem Standort in Klein-Lüsewitz (Mecklenburg-Vorpommern).
Die landwirtschaftliche Fläche, auf der die Freisetzung zur Durchführung von Freilandversuchen genehmigt, aber bislang noch nicht begonnen wurde, liegt in der Gemarkung Groß Lüsewitz (Kreis Bad Doberan). Das betroffene Flurstück F. der Flur Groß Lüsewitz 1 ist 45,49 ha groß und befindet sich nördlich der B G.. Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb, der zu dem ökologischen Anbauverband Biopark e.V. gehört und ca. 2,5 km vom Freisetzungsstandort Klein-Lüsewitz entfernt ist. Der Kläger ist außerdem Waldeigentümer und Jäger. Eine in seinem Eigentum stehende Waldfläche befindet sich ca. 100 m von der B G. und weniger als 1 km vom Versuchsfeld entfernt (Flurstück H.). Eine weitere Waldfläche, das Flurstück I., steht im Miteigentum des Klägers. Auf beide Waldflächen erstreckt sich die Eigenjagd des Klägers mit einer Ausdehnung von 175 ha.
Mit Schreiben vom 10.11.2006 beantragte die Beigeladene am 15.11.2006 eine Freisetzungsgenehmigung und die Anordnung des Sofortvollzugs. Nach der Kurzbeschreibung des Projekts im Antrag vom 10.11.2006 beabsichtigt die Beigeladene von 2007-2011 (an einem Standort ab 2008) an insgesamt neun Standorten in verschiedenen Bundesländern Feldversuche mit gentechnisch verändertem Mais durchzuführen. Dabei werden die transgenen Maishybriden MON 89034, MON 88017 und NK 603 und deren Kreuzungsprodukte verwendet. MON 89034 wurden Eigenschaften übertragen, die zum Entstehen der Proteine Cry1A.105 und Cry2Ab2 führen. MON 88017 wurde so verändert, dass das Protein Cry3Bb1 und zusätzlich das Protein CP 4 EPSPS gebildet werden. Durch die Cry-Proteine, die auch als Bt-Toxine bezeichnet werden, sind die Maissorten gegen Schadinsekten wie den Maiswurzelbohrer und den Maiszünsler geschützt. Das CP4 EPSPS-Gen verleiht den Pflanzen eine bessere Toleranz gegen Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel. Das Herbizid Round-up enthält Glyphosat als Wirkstoff. Zu den Einzelheiten der gentechnischen Veränderungen wird auf den Genehmigungsbescheid vom 01.06.2007 verwiesen (s. S. 4 - 7 des Bescheides). Mit den Feldversuchen sollen unter anderem die agronomischen Eigenschaften der Maissorten untersucht sowie ein Vergleich mit anderen konventionellen oder transgenen Hybriden vorgenommen werden. Es sollen zulassungsrelevante Daten und Anwendungsempfehlungen zum Einsatz von Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmitteln erarbeitet werden. In den Feldversuchen ist eine Pflanzendichte von acht bis zehn Pflanzen je qm vorgesehen. Am Ende eines Versuchsjahres sollen alle Maispflanzen, die nicht zur Analyse benötigt werden, durch Häckseln auf der Versuchsfläche und Einarbeiten in den Boden, Körnermais in einer Feldmühle oder mittels anderer Verfahren vernichtet werden.
Der Antrag enthält neben Informationen über die Freisetzung sowie Plänen zur Kontrolle, Überwachung, Nachbehandlung und Abfallentsorgung eine Risikobewertung. Diese kommt zu dem Ergebnis, das Risiko für potentielle schädliche Wirkungen für Mensch, Tier und Umwelt sei vernachlässigbar. Die neuen Eigenschaften der Maishybriden führten nicht zu Konkurrenzvor- oder- nachteilen innerhalb und außerhalb des Agrarökosystems. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass sich MON 89034 x MON 88017- Mais oder MON 89034 x NK 603-Mais und deren Elterlinien im Agrarökosystem ausbreiten oder in andere Ökosysteme außerhalb landwirtschaftlicher Nutzflächen vordringen würden. Selbst wenn dem so wäre, böten die transgenen Eigenschaften dieser Maiszüchtung nur einen sehr begrenzten Selektionsvorteil (Toleranz gegenüber Glyphosat und Schutz vor Schaderregern). Diese Vorteile bestünden nur räumlich begrenzt für kurze Dauer mit vernachlässigbaren Wirkungen auf die Umwelt. Demnach sei das Risiko einer Verbreitung der genveränderten Maislinien in der Umwelt unerheblich. Ein Gentransfer durch Auskreuzung auf Wildarten sei in Nordeuropa nicht möglich. Auch schädliche Wirkungen durch Wechselwirkungen mit Zielorganismen seien vernachlässigbar. Die ökologischen Wechselwirkungen mit Nichtzielorganismen und biogeochemischen Prozessen im Boden unterschieden sich nicht von traditionellem Mais. So verhalte es sich auch mit denkbaren Risiken für Mensch, Tier und Umwelt, die sich nicht von konventionellem Mais unterschieden.
Die Antragsunterlagen wurden auf Anforderung der Beklagten ergänzt. Nach öffentlicher Bekanntmachung wurde der endgültige Antrag u.a. im Rathaus der Gemeinde J. vom 19.02.2007 bis zum 19.03.2007 ausgelegt.
Innerhalb der Einwendungsfrist machte der Kläger mit Schreiben vom 18.03.2007 Einwendungen geltend. Sein landwirtschaftlicher Betrieb sei durch die Freisetzung in seiner Existenz bedroht. Als ökologisch wirtschaftender Landwirt sei er auf die Zugehörigkeit zu dem Verband Biopark e.V. und die damit verbundenen Vermarktungsmöglichkeiten angewiesen. Es sei ein Pollenflug in Richtung seiner landwirtschaftlichen Flächen zu erwarten. Dadurch komme es zu massiven Eingriffen in seine Anbauflächen. Auch Vögel und andere Tiere trügen den Mais auf seine Felder. Er baue Mais und andere Marktfrüchte für die eigene Futtermittelproduktion, aber auch für den externen Verkauf an. Er halte Muttertiere, an die er Mais und andere Feldfrüchte verfüttere. Aufgrund eines Durchwuchses genveränderter Organismen (GVO) auf seine nicht GVO-Flächen verliere er die Zulassung als eingetragener Biopark-Betrieb. Er könne seine Produkte nicht mehr absetzen oder selbst verfüttern. Ein Teil seiner Flächen sei an andere Landwirtschaftsbetriebe verpachtet. Er befürchte Kündigungen der Pachtverträge. Aufgrund der langjährigen Überlebenszeit von Ausfallsamenkörnern könne er auch in Zukunft nicht mehr landwirtschaftlich tätig sein. Als Sachgüter im Sinne des Gentechnikgesetzes würden seine selbstbewirtschafteten und verpachteten Flächen ebenso wie der von ihm eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb beeinträchtigt. Einen finanziellen Verlust erleide er bis zum Jahr 2030, dem Eintritt in das Rentenalter. Denn er könne sich nicht mehr auf das Einkommen aus der Landwirtschaft stützen.
Außerdem sei seine Eigenjagd in ihrer Existenz gefährdet. Die dort zahlreich vorhandenen Wildschweine ernährten sich von dem genveränderten Mais. Die Tiere würden dadurch unverkäuflich, denn für GVO-verseuchtes Wild gebe es keinen Markt. Das gelte auch für Rehwild. Er weise darauf hin, dass es in seinem, neben den Freisetzungsflächen gelegenen Wald einen Kirrplatz für Wildschweine gebe. In den Wäldern befinde sich ein Einstandsgebiet für mehrere Wildschweinrotten.
Des Weiteren würden die zu seinem Betrieb gehörenden Waldflächen geschädigt. Diese seien als Biotope amtlich erfasst und gesetzlich geschützt.
Im Verwaltungsverfahren beteiligte die Beklagte die in § 16 Abs. 4 Gentechnikgesetz (GenTG) der damals geltenden Fassung genannten Behörden (ehemalige Biologische Bundesanstalt für Land- und Fortwirtschaft - BBA -, Bundesamt für Naturschutz - BfN -, Robert Koch- Institut - RKI -, Bundesinstitut für Risikobewertung - BfR -) Sie holte Stellungnahmen der zuständigen Landesbehörden ein (Mecklenburg-Vorpommern äußerte sich nicht). Die zentrale Kommission für biologische Sicherheit (ZKBS) prüfte den Antrag im Hinblick auf mögliche Gefahren im Sinne des § 1 Nr. 1 GenTG und gelangte zu dem Ergebnis, von den geplanten Freisetzungsversuchen seien keine schädlichen Einwirkungen auf die geschützten Rechtsgüter zu erwarten. Es werde ausreichend Vorsorge gegen das Entstehen entsprechender Gefahren getroffen. Für einige Freisetzungsstandorte prüfte die Beklagte gemäß § 34 a BNatSchG, ob das jeweils geplante Freisetzungsvorhaben allein oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet ist, entsprechend in der Nähe gelegene Natura 2000-Gebiete erheblich zu beeinträchtigen. Für den Freisetzungsstandort in Klein-Lüsewitz wurde eine solche Prüfung als nicht geboten angesehen. Das FFH-Vorschlagsgebiet "K." liegt in einer Entfernung von mehr als 1000 Metern. Dort wirkt sich das Freisetzungsvorhaben nach Auffassung der Beklagten nicht aus.
Mit Bescheid vom 01.06.2007 genehmigte die Beklagte die Freisetzung (Freilandversuch) von gentechnisch verändertem Mais in den Jahren 2007-2011 u.a. an dem Standort Klein-Lüsewitz auf der Grundlage des § 16 GentG (i.d.F. d. Bek. vom 16.12.1993, BGBl. I S. 2066, zul. geänd. d. Art. 1 d. 3. Ges. z. Änd. d. GenTG vom 17.03.2006, BGBl. I S. 534). Die Beklagte sah die Genehmigungsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 GenTG als erfüllt an. Sie folgte damit in ihrer Risikobewertung im Ergebnis der Risikobewertung im Antrag der Beigeladenen. Der Bescheid enthält verschiedene Nebenbestimmungen, beispielsweise die Verpflichtung, einen Isolationsabstand von 200 m zu allen weiteren, nicht gentechnisch veränderten Maisbeständen einzuhalten (II. 8.). In dem Bescheid werden ferner die im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwendungen im Einzelnen gewürdigt und die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Bescheid wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.06.2007 bekannt gegeben.
Der Kläger hat am 23.07.2007 Klage erhoben. Er bezieht sich zur Begründung auf seine Einwendungen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, mit der Klage verfolge er in erster Linie das Ziel, die Wirkungen der Freisetzung auf die Wildschweine in seinem Jagdrevier einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Ferner verweist er darauf, sein Jagdrecht werde auch hinsichtlich der damit verbundenen Hege beeinträchtigt. Er habe die Pflicht, den Wildbestand zu erhalten sowie die natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes zu sichern und zu verbessern. In dem betroffenen Gebiet gebe es starke Wildbewegungen, was schon dem Genehmigungsantrag entnommen werden könne. Mais sei bei Wildschweinen als Futter sehr begehrt. Die Hegeverpflichtung sei nicht zu erfüllen, wenn der Wildbestand dem Risiko ausgesetzt werde, durch den Freisetzungsversuch geschädigt zu werden. Gentechnisch veränderter Mais sei weder als Lebensmittel noch als Futtermittel zugelassen. Die davon betroffenen Wilderzeugnisse verlören ihre Verkehrsfähigkeit. Insofern gelte die so genannte Nulltoleranz (Positionspapier des BfR v. 12.03.2007). Neben den fehlenden Einnahmen aus der Land-, Forst- und Jagdwirtschaft habe er Verluste aus der Verpachtung eines Bio-Hofladens und von landwirtschaftlichen Flächen zu erwarten. Mit der Land-, Forst- und Jagdwirtschaft erziele er einen Großteil seiner Einnahmen. Mit der benachbarten Freisetzungsfläche sei auch ein Imageschaden für seinen landwirtschaftlichen Betrieb verbunden. Zu den nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen gehörten Schutzzäune, insbesondere für das Schwarzwild. Insofern habe die Beklagte die Tatsachenbasis nicht zureichend ermittelt. Die konkreten Standortverhältnisse seien im Hinblick auf das Schwarzwildvorkommen überhaupt nicht berücksichtigt worden.
Der Kläger bewertet den Freisetzungsversuch an dem Standort in Klein-Lüsewitz überdies im Einzelnen. Er führt u.a. aus, es seien toxikologische Untersuchungen der gesamten Pflanze notwendig, um die toxischen Wirkungen der betroffenen Maislinien bewerten zu können. Die Datenbasis sei zu klein und deshalb mit Unsicherheiten behaftet. Die Beklagte verkenne ferner, dass Maissamen in milden Wintern durchaus überleben und im folgenden Jahr keimen könnten. Das habe ein Freisetzungsvorhaben in Nordrhein-Westfalen gezeigt.
Mit Schriftsatz vom 21.07.2008, eingegangen bei Gericht am 22.07.2008, hat der Kläger einen Tag vor der mündlichen Verhandlung sein Vorbringen umfangreich ergänzt. Er bezieht sich damit insbesondere auf (weitere) wissenschaftliche Untersuchungen zu den toxischen Wirkungen der Bt-Toxine auf Menschen und Tiere, allein oder im Zusammenwirkungen in den Kreuzungsprodukten.
Der Kläger hat zunächst angekündigt zu beantragen,
den Genehmigungsbescheid der Beklagten zum Antrag der Beigeladenen auf Genehmigung zur Freisetzung (Freilandversuch) von gentechnisch verändertem Mais in den Jahren 2007-2011 an den Standorten Oberboihingen, Gerbitz, Klein-Lüsewitz, Gerdshagen, Bergzow, Düllstadt, Grünsfeld und Rasslitz und in den Jahren 2008-2011 an dem Standort Niedermöllrich (AZ: L.) aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtauffassung des Gerichts, in dem Genehmigungsbescheid zum Antrag der Beigeladenen vom 10.11.2006 auf Genehmigung zur Freisetzung (Freilandversuch) von gentechnisch verändertem Mais in den Jahren 2007-2011 an den Standorten Oberboihingen, Gerbitz, Klein-Lüsewitz, Gerdshagen, Bergzow, Düllstadt, Grünsfeld und Rasslitz und in den Jahren 2008-2011 an dem Standort Niedermöllrich, (AZ: L.) im Wege einer Nebenbestimmung anzuordnen, dass auf dem Freisetzungsstandort Klein-Lüsewitz wirksame Schutzvorkehrungen gegen das Eindringen von Wildtieren durch die Aufstellung von Wildschutzzäunen getroffen werden.
Nach gerichtlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt,
den Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 01.06.2007, soweit dort eine Freisetzung am Standort Klein-Lüsewitz zugelassen wird, aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in dem Genehmigungsbescheid für den Standort Klein-Lüsewitz eine Nebenbestimmung vorzusehen, mit der die Beigeladene verpflichtet wird, Schutzvorkehrungen gegen das Eindringen von Wildtieren durch Aufstellung von Wildschutzzäunen zu treffen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
Schriftsatznachlaß von drei Wochen für den Schriftsatz der Klägervertreterin vom 21.07.2008.
Sie trägt vor, eine fundierte Erwiderung auf den jüngsten Schriftsatz des Klägers sei ihr bis zur mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen.
Weiterhin sei sie allerdings der Auffassung, die Klage sei unzulässig, weil der Kläger nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sei. Er trage nicht substanziiert eine Beeinträchtigung seiner Rechte infolge der Aufnahme von GVO durch die sich auf seinen Waldgrundstücken befindlichen Wildschweine vor. Eigentum an den erlegten Wildschweinen erlange er erst durch die Ausübung seines Jagdrechts, weshalb die Beeinträchtigung allenfalls mittelbar stattfinden könne. Schädliche Auswirkungen durch die Aufnahme von Mais bei Wildschweinen seien zudem nicht festzustellen. Die Gesundheit der Tiere werde dadurch nicht beeinträchtigt. Der Kläger habe nicht dargelegt, weshalb das Fleisch der Wildschweine nicht verkehrsfähig sei. Das so genannte Nulltoleranz-Gebot gelte nur für zugelassene GVO in Futtermitteln. Der im Freisetzungsversuch gezüchtete Mais sei jedoch kein zugelassenes Futtermittel. Selbst wenn ein Verkehrsverbot für das Fleisch von Wildtieren, die GVO-Mais aus dem Freisetzungsversuch aufgenommen hätten, bestehen würde, würden die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen dem Kläger kein Abwehrrecht gegen die Freisetzungsgenehmigung vermitteln. Er berufe sich insofern lediglich auf einen reinen Vermögensschaden, den er allenfalls nach § 36 a GenTG geltend machen könne. Wirtschaftliche Einbußen seien als reine Vermögensschäden kein von § 1 Nr. 1 GenTG geschütztes Rechtsgut. Die Pflicht zur Hege sei kein geschütztes "Recht", sondern nur eine "Pflicht". Damit sei auch nicht die Verpflichtung verbunden, Beeinträchtigungen des Wildbestandes, die von außerhalb drohten, abzuwehren, da diese Pflicht an den Reviergrenzen ende. Die im Eigentum des Klägers stehenden Waldflächen würden nicht beeinträchtigt. Eine Verminderung der Qualität des Bodens oder des Holzes im Falle forstwirtschaftlicher Nutzung sei nicht zu erwarten. Dazu habe der Kläger auch nichts vorgetragen. Zu der Behauptung, der Kläger könne das Zertifikat des von ihm betriebenen landwirtschaftlichen Betriebs als Biopark-Betrieb verlieren, trage er ebenfalls nicht konkret vor. Er lege nicht einmal dar, in der Nähe der Freisetzungsfläche ökologische Landwirtschaft zu betreiben, die konkret von dem Freisetzungsvorhaben beeinträchtigt werde. Auch insofern handele es sich allerdings um einen reinen Vermögensschaden, was auch für den befürchteten Imageschaden gelte.
Sofern die Klage als zulässig anzusehen sei, müsse sie jedenfalls als unbegründet abgewiesen werden. Denn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GenTG lägen vor. Hinsichtlich der Bewertung gentechnischer Risiken stehe der Genehmigungsbehörde eine Einschätzungsprärogative zu. Wissenschaftliche Streitfragen habe sie selbstständig zu bewerten. Eine gerichtliche Überprüfung könne insofern nur eingeschränkt stattfinden. Die Tatsachengrundlagen sei zutreffend ermittelt worden. Das Gentechnikgesetz schütze allerdings nicht vor GVO an sich, sondern nur vor den gentechnikspezifischen Risiken, die von GVO ausgehen könnten. Insofern habe sie die toxischen und allergenen Wirkungen zutreffend bewertet. Eine durchaus mögliche Verschleppung von Samenkörnern des Maises stehe der Erteilung der Freisetzungsgenehmigung nicht entgegen. Schädliche Auswirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG geschützten Rechtsgüter, die als unvertretbar im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG einzuschätzen seien, gebe es nicht. Der freigesetzte GVO-Mais unterscheide sich im Hinblick auf seine Wirkungen auf die Umwelt nicht von konventionellem Mais. Wie konventioneller Mais sei dieser weder in der Lage, sich als Wildpopulation zu etablieren noch überwinterungsfähig. In Nordrhein-Westfalen sei wegen des milden Winters insofern ein Ausnahmefall festgestellt worden. Der GVO-Mais verfüge auch nicht über ein toxikologisches Potential, das sich negativ auf die Bodenqualität auswirken könne. Die eingeholten Stellungnahmen der Fachbehörden zeigten, dass es keine veränderten ökologischen Eigenschaften außer den intendierten Veränderungen gebe. Mit allen Elternlinien der gentechnisch veränderten Maislinien seien bereits Erfahrungen in Feldversuchen im europäischen oder nichteuropäischen Ausland gesammelt worden. Es hätten sich keine Hinweise auf ein verändertes ökologisches Verhalten (Persistenz, Verwilderungspotential) der GVO-Maislinien ergeben. Eine Gefahr für Wildtiere bestehe nicht.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen und der Rechtsauffassung der Beklagten an.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Soweit der Kläger die Klage durch die Beschränkung der Anträge in der mündlichen Verhandlung konkludent zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Die Klage ist zulässig. Dem Kläger steht im Hinblick auf sein Vorbringen zu einer Verletzung in eigenen Rechten am Standort Klein-Lüsewitz die nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis zu. Nach dieser Vorschrift ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür reicht zwar nicht die schlichte Behauptung einer Rechtsverletzung. Der Kläger muss substanziiert behaupten, eine Rechtsnorm, die dem Schutz seiner Rechte dient, sei möglicherweise verletzt. Eine Klage ist nur dann unzulässig, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint (vgl. Kopp, VwGO, 15. Aufl., § 42, Rn. 175). Der Kläger beruft sich auf Vorschriften des Gentechnikgesetzes, die als drittschützend anerkannt sind. Denn § 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG dienen auch dem Schutze Dritter, die von Freisetzungsvorhaben betroffen sind. Die Freisetzungsgenehmigung ist danach nämlich nur dann zu erteilen, wenn gewährleistet ist, dass alle nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG) und nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der Freisetzung unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG). § 1 Nr. 1 GenTG definiert als Zweck des GenTG, dass unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen ist. Mit dem Verweis auf Leben und Gesundheit von Menschen sowie Sachgüter werden Dritte in Bezug genommen, die sich deshalb gegen Freisetzungsgenehmigungen wenden können (Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, Recht der Gentechnik und Biomedizin, Loseblattsammlung, Stand: Mai 2008, § 16 GenTG, Rn. 214 m.w.N. zur Rechtsprechung vgl. insofern bspw. VG Köln, Urt. vom 25.01.2007 - 13 K 2858/06 - [...]). Nach dem Vorbringen des Klägers ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass dieser in seinem Grundrecht auf Schutz des Eigentums aus Artikel 14 GG verletzt ist. Der Eigentumsschutz wird durch die Erwähnung der Sachgüter in § 1 Nr. 1 GenTG in den Schutzweck des Gesetzes einbezogen (Eberbach/... a.a.O. § 1 GenTG, Rn. 14). Der Kläger beruft sich auch auf eine Schädigung des Bodens und des Ökosystems seiner Wälder, weshalb ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 14 GG nach den oben beschriebenen Voraussetzungen unter diesem Gesichtspunkt nicht unmöglich erscheint.
Der Kläger ist mit seinen Einwendungen gegen die Freisetzungsgenehmigung im Gerichtsverfahren nicht präkludiert. Er hat seine Einwendungen gemäß § 5 Abs. 1 der Gentechnik-Anhörungsverordnung (GenTAnhV vom 04.11.1996, BGBl. I S. 1647) rechtzeitig erhoben. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GenTAnhV werden mit Ablauf der Einwendungsfrist alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Damit ist nicht nur eine formelle Präklusion verbunden. § 5 Abs. 1 Satz 2 GenTAnhV bewirkt auch eine materielle Präklusion mit der Folge, dass nicht rechtzeitig erhobene Einwendungen in einem Klageverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (Eberbach/... a.a.O. § 5 GenTAnhV, Rn. 22). Das Einwendungsschreiben des Klägers vom 18.03.2007 beinhaltet alle Gesichtspunkte, auf die sich der Kläger im Klageverfahren stützt. Die Klagebegründung vertieft lediglich seine Argumentation. So versteht die Kammer auch sein erstmaliges Vorbringen zur Hege.
Die Klage ist mit dem Hauptantrag und mit dem Hilfsantrag unbegründet.
Der Kläger wird durch die Freisetzungsgenehmigung der Beklagten vom 01.06.2007 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit erweist sich der Bescheid vom 01.06.2007 als rechtmäßig, im übrigen war er gerichtlich nicht zu überprüfen.
Das von § 1 Abs. 1 Satz 1 BJagdG gewährleistete Recht des Jägers, sich Wild in seinem Jagdbezirk aneignen zu dürfen, dessen Verletzung der Kläger vorrangig geltend macht, gehört nicht zu den Schutzgütern des Gentechnikgesetzes. Soweit sein Eigentum im Hinblick auf diesen Ausschnitt seines Jagdrechts aufgrund der Aufnahme von gentechnisch verändertem Mais durch Wildschweine in seiner Eigenjagd verletzt sieht, kann er sich nicht auf das Schutzgut "Sachgüter" in § 1 Nr. 1 GenTG berufen. Zu dem damit eröffneten Schutzbereich des GenTG gehört das Eigentum zwar insofern als das Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen erfasst wird. Dem Jagdrecht unterliegende Wildschweine (auch Rehe) sind dem Jäger als einem möglichen zukünftigen Eigentümer jedoch noch nicht so konkret zugeordnet, dass sie als bewegliche Sache unter den Begriff des Sachguts in § 1 Nr. 1 GenTG fallen. Vielmehr bleibt das Aneignungsrecht abstrakt, auf einzelne Tiere bezieht es sich nicht. Wildtiere sind bewegliche, herrenlose Sachen, an denen erst und nur unter den Voraussetzungen des § 958 BGB Eigentum erworben wird. Zudem halten sich Wildschweine zwar häufig in demselben Jagdbezirk auf. Sie werden als Wildtiere aber eben nicht dort festgehalten, um dann von dem Jagdausübungsberechtigten geschossen zu werden. Der Kläger trägt selbst vor, ein Einbrechen in das Versuchsfeld der Beigeladenen sei wahrscheinlich. Dafür ist ein Verlassen des klägerischen Jagdbezirks notwendig.
§ 1 Nr. 1 GenTG nennt als Schutzgut neben Menschen, Tieren und Pflanzen gerade nicht das Eigentum Dritter, sondern Sachgüter, zu denen ein nicht sachbezogenes Recht wie das Aneignungsrecht des Jägers nicht gehört. Erst nachdem der Kläger das Wild erlegt und sich angeeignet hat, wird es zu einem nach § 1 Nr. 1 GenTG geschütztem Sachgut. Ab diesem Zeitpunkt sind Einwirkungen auf das erlegte Tier durch den Freilandversuch aber nicht mehr zu erwarten. Vor der Aneignung ist das Wild dagegen nur als "Tier" nach § 1 Nr. 1 GenTG geschützt und nicht als potenzielles "Sachgut". Der Schutz der Tiere dient allein den Interessen der Allgemeinheit und nicht dem Individualinteresse des Klägers. Zumindest zweifelhaft ist auch, ob eine Gesamtheit von Sachen und Rechten wie der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb - seine Zuordnung zu dem Eigentumsbegriff in Art. 14 GG vorausgesetzt - von dem Sachgüter-Tatbestandsmerkmal in § 1 Nr. 1 GenTG erfasst wird (VG Köln, Urt. v. 25.01.2007 - a.a.O., auch zu der damit eventuellen Verkürzung des Grundrechtschutzes durch ein einfaches Gesetz und die Ausgleichsregelung in § 36 a GenTG).
Schließlich spricht die Entstehungsgeschichte des Gentechnikgesetzes ebenfalls gegen ein weites Verständnis des § 1 GenTG. Denn der Schutz von Sachgütern wurde gegenüber dem Schutz von Mensch und Natur als nachrangig betrachtet (Eberbach/..., § 1 GenTG, Rn. 2, 10 unter Verweis auf BT-Drs. 11/6778 sowie Rn. 14 m.w.N.).
Danach kann der Kläger aus der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BJagdG mit dem Jagdrecht verbundenen Pflicht zur Hege ebenfalls nichts für sich herleiten.
Der auf die Errichtung von Wildschutzzäunen gerichtete Hilfsantrag war danach abzulehnen, denn der Kläger kann von der Beklagten nur insoweit Sicherheitsvorkehrungen im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG verlangen, als er durch deren Unterbleiben in seinen Rechten verletzt sein kann. Das ist nach den oben stehenden Ausführungen hinsichtlich der Aufnahme von gentechnisch verändertem Mais durch Wildschweine nicht der Fall.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der ihm gehörende Wald nahe der Freisetzungsfläche werde durch Blütenpollen oder andere Bestandteile der gentechnisch veränderten Maispflanzen geschädigt.
Aus den vorliegenden Stellungnahmen der beteiligten Fachbehörden, der ZKBS sowie dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich nachvollziehbar, dass nach dem Stand der Wissenschaft unvertretbare schädliche Einwirkungen auf den Wald als Teil der nach § 1 Nr. 1 GenTG geschützten Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG). Weder der Boden mit seinen Mikroorganismen noch die dort vorhandenen Pflanzen werden durch die Freisetzung geschädigt.
Wenn gentechnisch veränderter Mais aus dem Freilandversuch auf Waldböden des Klägers gelangt, was durchaus möglich ist, wirkt sich dies nicht nachteilig aus. Die ehemalige Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft führt zur Bewertung eines horizontalen Gentransfers auf Mikroorganismen zwar aus, freie DNA könne adsorbiert an Bodenpartikel lange Zeit überdauern und von kompetenten Bodenbakterien aufgenommen werden. Ohne Selektionsdruck führe ein selten stattfindender horizontaler Gentransfer jedoch nicht zu messbaren ökologischen Veränderungen. Denn ein Gentransfer der Cry-Gene und der CP4 EPSPS-Gene auf Mikroorganismen würde diesen keinen neuen Phänotyp verleihen, da diese Gene aus ubiquitär im Boden vorhandenen Bakterien stammten. Ein Rücktransfer von bakteriellen Genen aus Pflanzen in Mikroorganismen sei als mögliches, aber sehr unwahrscheinliches Ereignis anzusehen. Hierbei würden keine für Mikroorganismen neuen Eigenschaften übertragen. Die durch die Cry- und die CP4 EPSPS-Gene codierten Eigenschaften seien vielmehr so häufig in der Umwelt vertreten, dass selbst im Falle eines Transfers der Gene in Mikroorganismen kein signifikanter Beitrag zu Ökologie und Genpool von Mikroorganismen beliebiger Lebensräume zu erwarten sei (BBA, Stellungnahme vom 27.03.2007 zu Ziff. 2.4). In Europa gebe es zudem keine mit Mais kreuzbaren Wildpflanzen oder Unkräuter. Es sei deshalb nur eine mögliche Auskreuzung auf andere Maispflanzen zu betrachten (Ziff. 2.2)
In diesem Sinn haben sich auch die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit in ihrem Beschluss vom 03.04.2007 (s. Ziff. 4.2 ff.) und das Robert Koch-Institut in seiner Stellungnahme vom 14.05.2007 (zu II.) geäußert, die jeweils zu einem als unwahrscheinlich angesehenen horizontalen Gentransfer auf Mikroorganismen ausführen, es bestehe kein Selektionsdruck zugunsten der übertragenen Cry- und CP 4 EPSPS-Gene, da sie in der Natur reichlich vorkämen und daher keine ökologischen Konsequenzen zu erwarten seien. Das RKI stellt überdies fest, es lägen auch keine Hinweise für eine enzymatische Aktivität der in gentechnisch veränderten Pflanzen exprimierten Proteine vor. Daher könne davon ausgegangen werden, dass es neben der Bildung der Bt-Toxine und des CP4 EPSPS-Proteins zu keiner weiteren Beeinflussung des pflanzlichen Stoffwechsels komme. Die ZKBS führt ferner aus, selbst wenn noch wenige modifizierte Agrobakterien im gentechnisch veränderten Pflanzenmaterial verblieben sein sollten, bestehe kein Risiko. Eine Übertragung der Transgene durch die Agrobakterien auf andere Pflanzen wäre ohne Auswirkungen, denn nach der Transformation einer Pflanzenzelle durch die Agrobakterien müsste diese spontan zu einer fertilen Pflanze regenerieren, damit die Transgene an die Nachkommen weiter gegeben werden könnten. Damit sei unter natürlichen Bedingungen nicht zu rechnen.
Da Mais nur bei einer Kultivierung durch den Menschen überlebensfähig (ZKBS zu Ziff. 3.3) und eine Kreuzung des Hybridmais mit einheimischen Pflanzen im Wald nicht möglich ist - was auch das RKI in der oben genannten Stellungnahme feststellt - scheidet eine Rechtsbeeinträchtigung des Klägers im Hinblick auf die Pflanzenwelt seines Waldes aus.
Hinsichtlich des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers sieht die Kammer ebenso wenig eine Verletzung von Rechten des Klägers, weil dieser Betrieb in einer Entfernung von ca. 2,5 km von der Freisetzungsfläche entfernt liegt. Die Auskreuzungsrate nimmt mit zunehmendem Abstand von der mit gentechnisch verändertem Mais bestellten Fläche ab (ZKBS zu 3.2). Um unvermeidbare Verunreinigungen von Ernte- und Saatgut zu verringern fordert das Bundesamt für Naturschutz in den Stellungnahmen vom 16.05.2007 und 24.05.2007 einen Isolationsabstand von 600 m zu einem Maisanbau als Saatgut bzw. 250 m zu allen anderen Maisbeständen. Damit liegt der von dieser Behörde geforderte Abstand über dem in der Nebenbestimmung II. 8. des angefochtenen Bescheides festgelegten Isolationsabstand von 200 m und den Empfehlungen der ZKBS (100 m) sowie und BBA und RKI, die jeweils auf den in der Saatgutverordnung vorgeschriebenen Abstand von 200 m für den Anbau von Hybridmais verweisen (Ziff. 2.4.1 der Anl. 2 zu § 6 Satz 1 SaatgutVO v. 08.02.2006, BGBl. I 2006, 344). Bei einem Abstand von 2,5 km ist die Auskreuzungsrate indessen so gering, dass sie hinsichtlich ihrer biologischen Auswirkungen vernachlässigt werden kann. Selbst das von dem Kläger in seiner Einwendung im Verwaltungsverfahren erwähnte Schweizerische Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft fordert nach den eigenen Angaben des Klägers nur einen Abstand von 1 km. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht dargelegt hat, überhaupt Saatgut anzubauen. Mais, den er verfüttert oder als Futtermittel verkauft, ist nicht in der Lage, die gentechnische Veränderung in der DNA weiter zu geben. Einkommensausfälle, weil sein Mais oder seine Tiere nicht zu vermarkten seien, hat er nicht konkret dargetan und mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht zu befürchten. Abgesehen davon werden bloße Vermögenseinbußen nicht durch das Eigentumsgrundrecht in Art. 14 GG geschützt (s. o. zu der Frage, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb überhaupt von § 1 Nr. 1 GenTG erfasst wird).
Soweit der Kläger sich auf die Gefahr der Kündigung von Pachtverträgen beruft, hat er nicht substanziiert dargelegt, dass sich bislang oder in absehbarer Zeit einzelne Pächter zu diesem Schritt entschließen. In gleicher Weise unbestimmt ist das Vorbringen des Klägers zu einem Ausschluss aus dem ökologischen Anbau Verband Biopark e.V.. Auch zu einem betrieblichen Imageverlust trägt der Kläger nicht konkret vor, so dass jeweils von einem Rechtsverlust im Hinblick auf Artikel 14 GG nicht auszugehen ist.
Eine Verletzung der drittschützenden Vorschriften des § 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG ergibt sich vorliegend auch nicht im Lichte der Risikoabschätzung, welche die Beklagte vorzunehmen hat. Das im Gentechnikgesetz vorgesehene Verwaltungsverfahren ist darauf angelegt, die in § 1 Nr. 1 GenTG geschützten Rechtsgüter vor Einbußen zu bewahren. Dabei darf nach Abwägung der Risiken und Vorteile der Freisetzung eine Genehmigung auch dann erteilt werden, wenn ein vertretbares Restrisiko einer Schädigung der Rechtsgüter bleibt. Dementsprechend setzt § 16 Abs. 1 Nr. 2 voraus, dass alle nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, nicht aber alle technisch möglichen. Ferner sind nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der Freisetzung nur unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter auszuschließen (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG). Hinsichtlich der insofern nach Beteiligung der in § 16 Abs. 4 und 5 GenTG genannten Fachbehörden und Einrichtungen vorzunehmenden Risikoermittlung und -bewertung steht der Beklagten ein die gerichtliche Kontrolle begrenzender Beurteilungsspielraum zu. Die Behörde hat ein Entscheidungsvorrecht, weil sie für die Verwirklichung des Grundsatzes der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge besser ausgerüstet ist als Gesetzgebung und Rechtsprechung. Mit dem Verweis auf Wissenschaft und Technik hat der Gesetzgeber wie im Atomgesetz zum Ausdruck gebracht, dass der Verwaltung die Kompetenz zur Letztentscheidung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus erfolgenden Risikoabschätzung zustehen soll. Die Exekutive trägt in Folge dessen auch die Verantwortung für die Entscheidung darüber, welche Risiken hingenommen und welche nicht hingenommen werden müssen. Die nachfolgende verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Frage, ob die Entscheidung (nicht) aufgrund ausreichender Daten getroffen wurde (Ermittlungsdefizit) und, ob die Bewertung (nicht) mit der gebotenen Vorsicht vorgenommen wurde (Bewertungsdefizit). Hinsichtlich der "Bewertung" ist das Gericht auf eine Willkürkontrolle beschränkt (zur Parallele von Atom- und Gentechnikrecht: BVerwG, Beschl. vom 15.04.1999 - 7 B 278/98 - [...] sowie NvwZ 1999, 1232, OVG Berlin, Beschl. vom 09.07.1998 - 2 S 9.97 - [...]). Nach den Verwaltungsvorgängen der Beklagten und dem wechselseitigen Vorbringen der Beteiligten vermag das Gericht weder ein Ermittlungsdefizit noch ein Bewertungsdefizit festzustellen. Die Beklagte hat - soweit es hier darauf ankommt (s.o.) - etwaige Risiken nicht willkürlich zugunsten der Beigeladenen zurückgestellt. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass der Kläger aufgrund der Beachtung der Genehmigungsvoraussetzungen in § 16 Abs. 1 GenTG nicht in eigenen Rechten verletzt ist.
Auch im übrigen liegt aus den vorstehenden Gründen eine Verletzung von Rechten des Klägers nicht vor, etwa seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) oder seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.
Die Kammer musste mithin nicht dem Hilfsantrag der Beklagten folgen und ihr Gelegenheit zur Erwiderung auf den Schriftsatz des Klägers vom 21.07.2008 geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären.
Gründe, die Berufung gem. 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Der Streitwert ist in Anwendung des § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an den Streitwert festgesetzt worden, den der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327, 1330) für Klagen von drittbetroffenen Privaten im Planungs-, Immissionsschutz- und Abfallrecht vorsieht (Ziff. 34.2, 19.2 und 2.2.2). In der vorliegenden prozessualen Konstellation der Drittanfechtung wirkt sich der anfänglich zu weitgehend erhobene Teil der Klage nicht werterhöhend aus.
Karger
Dr. Struß