Amtsgericht Lingen
Urt. v. 23.05.2005, Az.: 12 C 193/05 (X)
Erstattung von Rechtsanwaltskosten im Fall des Abschlusses einer Rechtsschutzversicherung; Höhe der Mittelgebühr einer Geschäftsgebühr
Bibliographie
- Gericht
- AG Lingen
- Datum
- 23.05.2005
- Aktenzeichen
- 12 C 193/05 (X)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 33025
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGLINGE:2005:0523.12C193.05X.0A
Rechtsgrundlage
- § 14 Abs. 1 S. 4 RVG
Fundstelle
- AGS 2005, 337-338 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Lingen
im Verfahren gem. § 495 a ZPO
durch
den Richter Hardt
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte ..., gemäß Rechnung vom 22.11.2004 in restlicher Höhe von 93,38 EUR freizustellen.
- 2.)
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- 4.)
Das Urteil wird gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zur Berufung zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger unterhält bei der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, der in Lingen abgeschlossen worden ist.
Der Kläger ist Mitarbeiter eines Transportunternehmens, der Firma ... Die Fa. ... hat mehrfach den Lohn des Klägers zu spät gezahlt. Der Kläger war durch die verspätete Lohnzahlung in erhebliche Schwierigkeiten geraten, so z.B. mit seiner Mietzinszahlung. Hinzu kam, dass auf Grund der verspäteten Lohnzahlung andere Daueraufträge, die der Kläger eingerichtet hatte, nicht mehr bedient wurden. Die Bank hat die Kontoverbindung zu dem Kläger gekündigt. Der Kläger suchte daher die Prozessbevollmächtigten dieses Prozesses um Beratung nach. Diese arbeitsrechtliche Beratung ist erfolgt. Es wurde durch die Prozessbevollmächtigten ein Schriftsatz an den Arbeitgeber des Klägers geschickt, mit dem dieser zur pünktlichen Zahlung angemahnt wurde.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben für ihre Tätigkeit mit Datum vom 22.11.2004 Rechnung über einen Streitwert von 2.070,- EUR erteilt. Hinsichtlich des näheren Inhalts der Rechnung wird auf die in Ablichtung zur Akte gereichte Rechnung verwiesen. Die Rechnung beläuft sich auf 265,99 EUR. Die Prozessbevollmächtigten haben eine Geschäftsgebühr von 1,3 verlangt. Die Beklagte zahlte unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr von 0,8 172,61 EUR.
Der Kläger behauptet, die Tätigkeit seiner beauftragten Rechtsanwälte habe dem üblichen Umfang versprochen, für die eine Mittelgebühr der Geschäftsgebühr Nr. 2400 i. H. v. 1,5 anfalle. Auf Grund der Kappungsgrenze des § 14 RVG, Nr. 2400 VVRVG sei für die Tätigkeit eine Geschäftsgebühr von 1,3 angemessen.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, dass die Sache als weit unterdurchschnittlich anzusehen sei. Eine Zubilligung einer 1,3-Gebühr sei nicht angemessen, vielmehr sei lediglich eine Mittelgebühr i. H. v. 0,8 zuzubilligen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag einen Anspruch auf Freistellung von der Rechnung seiner Prozessbevollmächtigten. Deren Rechnung ist nicht zu beanstanden.
Die geltend gemachte Geschäftsgebühr (§ 14 RVG, Nr. 2400 VV RVG) i. H. v. 1,3 ist berechtigt. Denn nach der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf (s. Seite 257) soll in durchschnittlichen Angelegenheiten grundsätzlich von einer Mittelgebühr (1,5) auszugehen sein. Eine höhere Gebühr als 1,3 soll der Anwalt jedoch nur dann fordern können, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Damit ist gemeint, dass der Umfang oder die Schwierigkeit über dem Durchschnitt liegen muss. In allen anderen Fällen soll die Schwellengebühr von 1,3 zur Regelgebühr werden.
Die von den klägerischen Rechtsanwälten geleistete Tätigkeit war unstreitig weder besonders umfangreich noch schwierig, sodass maximal eine Gebühr von 1,3 gefordert werden kann. Der Rechtsanwalt hat im Übrigen bei Festlegung der Rahmengebühren einen Ermessensspielraum, der innerhalb einer etwa 20%-Tole ranzgrenze keiner Überprüfung unterliegt.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die geltend gemachte Abrechnung mit einer Geschäftsgebühr von 1,3 nicht zu beanstanden. Zumindest auf Grund des zuzubilligenden Toleranzbereichs bewegt sich die Abrechnung selbst unter Zugrundelegung einer einfachen Rechtsanwaltstätigkeit, noch in einem Bereich, in dem von einem Ermessensmissbrauch nicht ausgegangen werden kann. Bei der Überprüfung der Ermessensausübung war auch zu berücksichtigen, dass angesichts der doch erheblichen Konsequenzen der verspäteten Zahlungen des Arbeitgebers für den Kläger ein nicht unerheblicher Beratungsbedarf seitens seiner Prozessbevollmächtigten entstanden sein dürfte.
Gem. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG steht dem Kläger bei dieser Sachlage eine Erstattung seiner Rechtsanwaltskosten auf Grundlage einer 1,3-Rahmengebühr zu, was abzüglich des vorprozessual geleisteten Betrages der Klageforderung entspricht.
Die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer war nicht erforderlich, weil das vorliegende Verfahren keinen Rechtsstreit zwischen Anwalt und Mandant betrifft.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Das Urteil wird zur Berufung zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegen. Die Frage, wie hoch die Mittelgebühr der Geschäftsgebühr (§ 14 RVG, Nr. 2400 VVRVG) anzusetzen ist, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Die Rechtssache hat daher grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO, denn die Bedeutsamkeit dieser Rechtsfrage geht über den der Entscheidung zu Grunde liegenden Vorgang hinaus.