Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.02.1983, Az.: 6 A 45/81

Gesetzliches Vorkaufsrecht; Ausübung eines Vorkaufsrechts; Gemeindliches Vorkaufsrecht

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.02.1983
Aktenzeichen
6 A 45/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 12029
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1983:0228.6A45.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 04.03.1981 - AZ: 2 VG A 29/80

Verfahrensgegenstand

Ausübung eines Vorkaufsrechtes.

Prozessführer

1. des Dipl.-Kfm. ...

2. der Hausfrau ... beide wohnhaft ... 35, ...

Prozessgegner

die Gemeinde ...

Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg hat
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 1983 in Lüneburg
durch
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Lemmel und
Petter,
den Richter am Verwaltungsgericht Schönborn sowie
die ehrenamtlichen Richter von Hof und
Kämpfer
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer Braunschweig - vom 4. März 1981 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Ausübung des Vorkaufsrechtes für das Flurstück 225/43 durch die Beklagte.

2

Mit Vertrag des Notars ... vom 20. April 1979 kauften die Kläger von dem Beigeladenen eine Teilfläche in einer Größe von etwa 900 qm aus den Flurstücken 225/2 und 225/25 der Flur 3 der Gemarkung .... Weiter heißt es in dem Kaufvertrag:

Die verkaufte Teilfläche ist auf der diesem Vertrage angehefteten Handzeichnung rot umrandet und den Vertragsparteien in der Örtlichkeit bekannt. Sollte sich bei der Vermessung eine Größendifferenz ergeben, so vereinbaren die Vertragsparteien schon jetzt, daß das neu vermessene Teilstück als mitverkauft gilt.

3

In der Handzeichnung ist das gekaufte Grundstück als ein ungleichmäßiges Viereck dargestellt, mit einer spitzwinkligen Ecke im Norden. Seine westliche Grenze ist mit der Linie identisch, die in dem Bebauungsplan der beklagten Gemeinde für den Ortsteil ... "Ziegelei" vom 25. September 1978 das festgesetzte Wohngebiet von der Festsetzung "Grünflächen, Parkanlage" trennt. Der Notar übersandte mit Schreiben vom 26. April 1979 eine Ablichtung des Vertrages an die beklagte Gemeinde mit dem Antrag auf Abgabe der Erklärung, ob ein gesetzliches Vorkaufsrecht gemäß § 24 BBauG bestehe und ausgeübt oder ob darauf verzichtet werde. Mit Schreiben vom 30. April 1979 verzichtete die Beklagte auf die Geltendmachung des Vorkaufsrechtes.

4

Wenige Tage zuvor, nämlich mit Schreiben vom 18. April 1979, hatte die Beklagte dem Landkreis ... mitgeteilt, daß das von den Klägern gekaufte Grundstück gegenüber dem genehmigten Bebauungsplan etwas anders zugeschnitten werden solle. Aus der beigefügten Zeichnung ergibt sich, daß das Grundstück im Nordwesten etwas vergrößert und eine etwa fünfeckige Form erhalten sollte. Anfang Mai 1979 wurden die Flurstücke 225/2 und 225/25 neu vermessen. Aus dem Flurstück 225/2 entstanden die Flurstücke 225/43 und 225/44. Ferner wurde aus dem Flurstück 225/25 unter anderem das an das Flurstück 225/44 angrenzende neue Flurstück 225/33 gebildet. Die Grenze zwischen den Flurstücken 225/43 und 225/44 verläuft etwa so, wie sie in der Zeichnung, die als Anlage dem Schreiben der Beklagten vom 18. April 1979 an den Landkreis ... beigefügt war, dargestellt ist.

5

Unter dem Datum des 14. Mai 1979 beantragten die Kläger die Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienwohnhauses. Der Bauantrag ging am 1. Juni 1979 bei der Beklagten ein und wurde von ihr am 5. Juni 1979 an die Baugenehmigungsbehörde, den Landkreis ..., weitergereicht. In dem Bauantrag ist das Baugrundstück mit der Katasterbezeichnung 225/44, 225/33 und 225/43 angegeben. Dem Antrag waren mehrere Lagepläne beigefügt. In einem der Pläne, auf dem der Nachbar Stüwe sein Einverständnis mit dem Vorhaben der Kläger erklärt, ist das Grundstück der Kläger so eingezeichnet, wie es die Beklagte in ihrem Schreiben vom 18. April 1979 an den Landkreis ... dargestellt hatte. In einem anderen Plan ist als Baugrundstück ein aus den Flurstücken 225/44, 225/33 und 225/43 bestehendes Grundstück eingezeichnet.

6

In der notariellen Verhandlung vom 30. August 1979 erklärten die Kläger und der Beigeladene, das mit Vertrag vom 20. April 1979 verkaufte Grundstück sei nunmehr vermessen worden und habe die Flurbezeichnungen 225/33, 225/44 und 225/43 erhalten. Sodann erklärten sie die Auflassung für das Grundstück, Die Verhandlungsniederschrift ging der Beklagten am 13. November 1979 zu, Mit Verfügung vom 14. November 1979 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht gemäß § 24 BBauG für das Flurstück 225/43 aus. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Flurstück sei mit anderen Flurstücken im rechtskräftigen Bebauungsplan "Ziegelei" als öffentliche Grünfläche festgesetzt. Das Flurstück diene darüber hinaus als Zufahrt zu dem Ziegelteichgelände des Beigeladenen und müsse aus diesen Gründen in das Eigentum der Gemeinde übergehen, um eine entsprechende Nutzung auf Dauer zu gewährleisten. Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 1980 als unbegründet zurück. In diesem Bescheid heißt es ergänzend, das Flurstück müsse im öffentlichen Eigentum bleiben, weil es teilweise mit anderen Flurstücken als Fußweg ausgestaltet werden solle, damit die Bevölkerung der Gemeinde über die Straßen des anliegenden Baugebietes und einen hier ausdrücklich von der Gemeinde bereits erworbenen Fußweg an das Ziegelteichgelände gelangen könne. Das Teichgelände solle von der Gemeinde teilweise erworben und als Freizeitfläche hergerichtet werden. Im übrigen habe der Beigeladene das Flurstück irrtümlich an die Kläger verkauft; die genaue Lage des Grundstücks sei wegen der erst nachträglich durchgeführten Vermarkung nicht genau bekannt gewesen.

7

Mit der Klage haben die Kläger geltend gemacht:

Die Ausübung des Vorkaufsrechtes am 14. November 1979 sei nicht innerhalb der Zwei-Monats-Frist erfolgt und deshalb verspätet. Spätestens mit der Bekanntgabe der Grenzen der Baugrundstücke nach der Vermessung durch das Katasteramt ... am 9. Mai 1979 sei der beklagten Gemeinde die Lage und die Größe des von den Klägern gekauften und noch aufzulassenden Grundstücks bekanntgeworden. Auch bei den Bauantragsunterlagen habe sich die entsprechende Skizze befunden. Bei örtlichen Besichtigungen mit der Gemeindeverwaltung seien die Parteien von der durch das Katasteramt angegebenen Grundstücksfläche ausgegangen. Von Anfang an habe zwischen allen Parteien Einigkeit über die Lage des Baugrundstücks bestanden. Nach dem Ergebnis der Vermessung seien der Kaufpreis und die Erschließungskosten abgerechnet worden. Im übrigen behindere das Flurstück 225/43 weder die Zufahrt zum restlichen Teichgelände noch den vorgesehenen Ausbau eines Fußweges durch die Gemeinde. Ein Zugangsweg sei an dieser Stelle im Bebauungsplan nicht vorgesehen.

8

Die Kläger haben beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 14. November 1979 und vom 29. Januar 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern ein Negativattest gemäß § 24 Abs. 5 Satz 3 BBauG zu dem Kaufvertrag über das Flurstück 225/43 zu erteilen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie ist dem Vorbringen der Kläger entgegengetreten.

In der Anlage zum Kaufvertrag vom 20. April 1979 sei das spätere Flurstück 225/43 nicht als verkauftes Grundstück gekennzeichnet. Erst aus dem Auflassungsvertrag vom 30. August 1979, der ihr mit Schreiben vom 12. November 1979 zugesandt worden sei, habe sie erstmalig das Flurstück 225/43 ersehen können.

11

Mit Urteil vom 4. März 1981 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe das Vorkaufsrecht rechtzeitig ausgeübt. Denn das Flurstück 225/43 sei durch den Vertrag vom 20. April 1979 nicht mitverkauft worden. Ein Kaufvertrag über dieses Grundstück sei erst mit dem Auflassungsvertrag vom 30. August 1979 abgeschlossen worden. Dieser Kaufvertrag sei der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 26. Oktober 1979 mitgeteilt worden. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch den Bescheid vom 14. November 1979 sei deshalb innerhalb der Frist des § 24 Abs. 4 BBauG erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

12

Mit der Berufung machen die Kläger geltend:

13

Es sei unrichtig, daß die Zwei-Monats-Frist des § 24 Abs. 4 BBauG eingehalten worden sei. In dem Kaufvertrag vom 20. April 1979 sei eine Teilfläche von 900 qm verkauft worden. Beschränke man den Kaufvertrag auf die Flurstücke 225/2 und 225/25, so ergäbe sich lediglich eine Fläche von 740 qm. Ein solch kleines Grundstück hätten die Kläger niemals erwerben wollen. Auch würden 150 qm weniger nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 313 BGB genügen. Die genaue Form und Größe des Grundstücks sei der Beklagten vielmehr immer bekannt gewesen. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, daß die Auflassungsverhandlungen vom 30. August 1979 als selbständiger Kaufvertrag anzusehen sei, sei mit den Vorschriften des BGB nicht in Einklang zu bringen. § 24 BBauG spreche von einem Grundstückskaufvertrag. Damit sei ein Vertrag im Sinne von 313 BGB gemeint. Die Auflassung sei demgegenüber lediglich die Erklärung, daß die Parteien auch über die dingliche Übertragung des Grundstückskaufvertrages einig seien. Die Auflassung könne deshalb nicht als selbständiger Kaufvertrag mit der Rechtsfolge des § 24 Abs. 4 BBauG angesehen werden. Gehe man davon aus, daß sich aus dem Kaufvertrag vom 20, April 1979 noch nicht ergebe, daß das spätere Flurstück 225/43 mitverkauft sei, so habe die Beklagte jedoch spätestens am 1. Juni 1979 aus den ihr vorgelegten Bauunterlagen entnehmen müssen, daß sich der Kaufvertrag auch auf diese Grundfläche erstrecke.

14

Zu prüfen sei ferner, ob die weiteren Voraussetzungen des Vorkaufsrechtes nach § 24 BBauG vorlägen. Es sei zweifelhaft, ob der Bebauungsplan "Ziegelei" wirksam sei. Außerdem dürfe das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertige. Daran fehle es. Denn ein Fußweg könne auch außerhalb des Flurstücks 225/43 angelegt werden. Eine Zufahrt würde dagegen mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes unvereinbar sein.

15

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des angefochtenen Urteils nach dem Klagantrag zu erkennen.

16

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, das Flurstück 225/43 werde benötigt, um einen Fußweg anzulegen. Denn das Gelände sei hängig und die Uferzone sehr schmal. Zur Herrichtung des Teichgeländes als Naherholungsgebiet müsse an dieser Stelle auch eine Zufahrtsmöglichkeit bestehen. Einem Verkauf der streitigen Fläche an die Kläger hätte sie deshalb niemals zustimmen können. Daß sich der Kaufvertrag vom 20. April 1979 auch auf das Flurstück 225/43 beziehe, habe sie erstmals aus dem Vertrag vom 30. August 1979 entnehmen können.

18

Der Beigeladene unterstützt die Beklagte, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

20

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage muß erfolglos bleiben, weil die Kläger durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Beklagte nicht in ihren Rechten verletzt werden.

21

Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben. Durch § 24 Abs. 4 Satz 1 BBauG 1976 ist klargestellt, daß das gemeindliche Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt zu erklären ist. Eine besondere Rechtswegzuweisung zu einem anderen Gericht besteht nicht (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 15.01.1982 - 6 OVG A 57/79 -; Urt. v. 28.02.1980 - 1 OVG A 109/78 -, BauR 1981, 262; Beschl. v. 30.01.1975 - VI OVG B 99/74 -, NJW 1976, 159; OVG Münster, Urt. v., 01.09.1980 -,11 A 138/79 -, NJW 1981, 1467).

22

Die Kläger sind auch klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Denn sie haben ein Recht zum Erwerb des strittigen Grundstücks erlangt. Diese Rechtsposition wird durch die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts belastet (OVG Münster, a.a.O.; OVG Lüneburg, Urt. v. 15.01.1982, a.a.O.).

23

Der beklagten Gemeinde steht jedoch nach § 24 BBauG ein Vorkaufsrecht im Hinblick auf das streitige Flurstück 225/43 zu. Dieses Vorkaufsrecht hat sie auch rechtzeitig ausgeübt.

24

Nach §. 24 Abs. 1 Nr. 1 BBauG steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken zu, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Das Flurstück 225/43 liegt im Bereich des Bebauungsplanes "Ziegelei" der Beklagten Gemeinde, der vom Rat der Beklagten am 25. September 1978 beschlossen und am 3. Mai 1979 bekanntgemacht worden ist. Mängel, die zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes führen würden, sind von den Klägern nicht dargelegt worden; sie sind auch nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für Fehler im Auslegungsverfahren nach § 2 a Abs. 6 BBauG liegen nicht vor. Der von den Klägern aufgeworfenen Frage, ob die Begründung des Bebauungsplanes inhaltlich ausreiche, braucht nicht nachgegangen zu werden, weil eine unvollständige Begründung nach §. 155 b Abs. 1 Nr. 3 BBauG für die Wirksamkeit des Planes jedenfalls unbeachtlich wäre. Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte zu Recht das Vorliegen zwingender Gründe für die Aufstellung des Bebauungsplanes vor dem Inkrafttreten des Flächennutzungsplanes angenommen hat. Denn eine unrichtige Beurteilung der Dringlichkeit wäre nach § 155 b Abs. 1 Nr. 5 BBauG ebenfalls unbeachtlich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.08.1982 - 4 N 1.81 -, DVBl 1982, 1099[BVerwG 18.08.1982 - 4 N 1/81]).

25

Nach § 24 Abs. 2 BBauG darf das Vorkaufsrecht nur dann ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt; bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben. Auch diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach dem Inhalt der angefochtenen Bescheide bezweckt die Ausübung des Vorkaufsrechtes, die Nutzung des Flurstücks 225/43 als öffentliche Grünfläche und als Zufahrt (Fußweg) zum Ziegeleiteichgelände auf Dauer zu gewährleisten. Diesen Verwendungszweck rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit. Im Unterschied zur Enteignung hängt die Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht davon ab, daß das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert, sondern nur, daß es sie "rechtfertigt". Bei Flächen für den Gemeinbedarf ergibt sich diese Rechtfertigung schon aus der rechtsverbindlichen Festsetzung im Bebauungsplan (vgl. Schlichter, in Schlichter/Stich/Tittel, BBauG, 3. Aufl. 1979, § 24 RdNr. 6; OVG Lüneburg, Urt. v. 28.02.1980, a.a.O.). Auf die Frage, ob eine Zuwegung zum Teichgelände auch auf andere Weise geschaffen werden könnte oder ob eine Zufahrt nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes überhaupt geschaffen werden darf, kommt es demgemäß nicht an. Allein die Festsetzung des Flurstücks 225/43 als "Grünfläche, Parkanlage" rechtfertigt die Ausübung des Vorkaufsrechtes. Im übrigen genügt es, daß die Beklagte in Übereinstimmung mit den Festsetzungen des Planes über das Flurstück 225/43 einen Weg führen möchte. Daß der Weg nach Ansicht der Kläger auch anders angelegt werden könnte, schließt nicht aus, daß die Planung der Beklagten durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt wird.

26

Die Beklagte hat das Vorkaufsrecht auch nicht verspätet ausgeübt. Nach § 24 Abs. 4 Satz 1 BBauG kann das Vorkaufsrecht zwar nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrages ausgeübt werden. Diese Frist war hier jedoch noch nicht abgelaufen. Zwar ist der Kaufvertrag vom 20. April 1979 der Beklagten schon am 30. April 1979 zugegangen. Die Frist des § 24 Abs. 4 Satz 1 BBauG wurde hierdurch jedoch hinsichtlich des Flurstücks 225/43 nicht in Lauf gesetzt. Denn der Vertrag vom 20. April 1979 läßt nicht erkennen, daß auch dieses Flurstück verkauft werden sollte. Namentlich wird das Flurstück in dem Vertrag nicht erwähnt; dies war nicht möglich, weil die Vermessung erst Anfang Mai vorgenommen worden ist. Der Vertrag enthält aber auch keine Beschreibung, aus der entnommen werden könnte, daß die streitige Fläche mitverkauft werden sollte. Und auch die dem Vertrag beigefügte Handskizze umfaßt diese Fläche nicht. Die Handskizze ist im Gegenteil ein Indiz dafür, daß das spätere Flurstück 225/43 nach dem Willen der Vertragsparteien nicht Gegenstand des Kaufvertrages sein sollte. Denn die westliche Grenze des Kaufgrundstücks stimmt mit der Nutzungsgrenze im Bebauungsplan überein. Die Angabe, daß das verkaufte Grundstück etwa 900 qm groß sein sollte, ist dagegen zur Beantwortung der Frage, ob das fragliche Flurstück Bestandteil des Kaufvertrages sein sollte, unergiebig. Gegen die Richtigkeit der Auffassung der Kläger, daß der Kaufvertrag vom 20. April 1979 auch diese Fläche umfasse, spricht schließlich, daß nicht wenigstens das Flurstück 225/2 (alt) als Ganzes ausdrücklich im Vertrag erwähnt wird. Dieses Flurstück war damals bereits vermessen und hätte nicht noch in die heutigen Flurstücke 225/43 und 225/44 aufgeteilt werden müssen, wenn es insgesamt an die Kläger hätte verkauft werden sollen. - In welcher Weise der Kaufvertrag vom 20. April 1979 auszulegen ist, kann aber letztlich offenbleiben. Denn die Mitteilung des Vorkaufsfalles muß jedenfalls so vollständig sein, daß die vorkaufsberechtigte Gemeinde ohne weiteres feststellen kann, was verkauft ist; wenn die Mitteilung nicht hinreichend klar und vollständig ist, beginnt die Ausübungsfrist erst dann, wenn die Gemeinde vollständig unterrichtet ist (vgl. Ebert, NJW 1956, 1621 (1623); RGZ 108, 91 (97)).

27

Die Zwei-Monats-Frist des § 24 Abs. 4 Satz 1 BBauG hätte allerdings dann verstrichen sein können, wenn die beklagte Gemeinde auf andere Weise erfahren hätte, daß das Flurstück 225/43 an die Kläger verkauft worden war. Denn die Mitteilung des Vorkaufsfalles ist an keine Form gebunden (Brügelmann/Grauvogel, BBauG, Lieferung August 1981, § 24 RdNr. 45; Dyong, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, Lieferung September 1977, § 24 RdNr. 31; BGH, Urt. v. 23.05.1959 - V ZR 140/58 -, MDR 1959, 649). Sie kann auch mündlich geschehen. Eine derartige Kenntniserlangung ist aber ebenfalls nicht feststellbar.

28

Die Kläger meinen, daß die beklagte Gemeinde nach Beendigung der Neuvermessung durch das Katasteramt Kenntnis von der Größe des von ihnen gekauften Grundstücks erhalten habe. Diese Auffassung ist unrichtig. Die neue Katasterkarte zeigte lediglich die neuen Flurstücke, enthielt aber keine Aussagen über die künftigen Eigentümer.

29

Die Kläger verweisen weiter auf ihren Bauantrag, der am 1. Juni 1979 der Beklagten vorgelegt worden ist; in ihm ist auch das Flurstück 225/43 als Teil des Baugrundstückes angegeben; ferner enthielt er einen Lageplan, auf dem als Baugrundstück auch das Flurstück 225/43 eingezeichnet war. Auch dieser Vorgang war jedoch nicht geeignet, die Beklagte hinreichend zu informieren. Nach § 24 Abs. 4 Satz 1 BBauG kommt es auf die Kenntnis des Kaufvertrages an. Für den Inhalt des Kaufvertrages war jedoch der Lageplan im Bauantrag ohne Bedeutung. Den Klägern mag zuzugeben sein, daß die Mitarbeiter der Beklagten bei genauer Durchsicht des Bauantrages hätten aufmerksam werden können. Dies hätte sie zu Nachforschungen veranlassen können. Diese Möglichkeit ersetzt jedoch nicht die positive Kenntnis vom Inhalt des zwischen den Klägern und dem Beigeladenen geschlossenen Kaufvertrages. Die Prüfung der Bauunterlagen durch die Gemeinde braucht grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt zu erfolgen, ob sich aus ihnen Erkenntnisse für die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts gewinnen lassen. Dies galt hier um so mehr, weil der Vorgang hinsichtlich des Vorkaufsrechts für den Kaufvertrag der Kläger nach der Abgabe der Verzichtserklärung vom 30. April 1979 durch die Beklagte abgeschlossen zu sein schien.

30

Die Kläger behaupten schließlich, daß die Beklagte zu jeder Zeit die genaue Lage des Grundstücks gekannt habe, weil die Verkaufsverhandlungen über die beklagte Gemeinde gelaufen seien. Dieser Vortrag ist nur teilweise richtig. Zwar ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben der Beklagten vom 18. April 1979 an den Landkreis ... daß die Beklagte wußte, daß die dem Kaufvertrag vom 20. April 1979 beigefügte Skizze das Kaufgrundstück nicht korrekt darstellte. In diesem Schreiben heißt es nämlich, das von den Klägern später gekaufte Grundstück solle gegenüber dem genehmigten Bebauungsplan etwas anders zugeschnitten werden. Die beigefügte Skizze zeigt aber andererseits, daß dem Baugrundstück nach Auffassung der Beklagten nicht das spätere Flurstück 225/43 zugeschlagen werden sollte. Aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen ergibt sich nur, daß Gespräche zwischen sämtlichen Beteiligten über eine Vergrößerung des Grundstücks der Kläger stattgefunden haben. Die Behauptung der Kläger, daß die Beklagte schon im Frühjahr gewußt habe, daß auch das Flurstück 225/43 zu dem Kaufgrundstück gehören solle, wird jedoch von der Beklagten bestritten und läßt sich nicht belegen. Nach den Vorgängen der Beklagten hat sie vielmehr erstmals im Oktober 1979 erfahren, daß das streitige Flurstück an die Kläger verkauft sein sollte; zu diesem Zeitpunkt ist ihr der Antrag auf Erteilung einer Teilungsgenehmigung zur Stellungnahme vorgelegt worden. Sodann ist ihr am 13. November 1979 die Auflassungsverhandlung vom 30. August 1979 übersandt worden. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts in der Verfügung vom 14. November 1979 ist die Zwei-Monats-Frist des § 24 Abs. 4 Satz 1 BBauG eingehalten worden.

31

Auf die Frage, ob die notarielle Verhandlung vom 30. August 1979 einen zweiten Kaufvertrag darstellt, kommt es nach den vorstehenden Ausführungen nicht an. Die zivilrechtliche Beurteilung der notariellen Urkunden vom 20. April und 30. August 1979 ist für das vorliegende Verfahren unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, daß die beklagte Gemeinde vor Oktober 1979 nicht wußte, daß nach der Vorstellung der Parteien des Kaufvertrages auch das Flurstück 225/43 verkauft sein sollte.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 600,00 DM (i.W.: Sechshundert Deutsche Mark) festgesetzt.

Dr. Lemmel Petter Schönborn

Dr. Lemmel Petter Schönborn