Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 29.11.2017, Az.: 11 U 59/17

Amtshaftung wegen verzögerter Bereitstellung eines Kindergartenplatzes

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
29.11.2017
Aktenzeichen
11 U 59/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 29586
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 07.04.2016 - AZ: 4 O 81/15

Fundstellen

  • FamRZ 2018, 792
  • Gemeindehaushalt 2018, 142
  • Jugendhilfe 2018, 346
  • MDR 2018, 342-343
  • NVwZ-RR 2018, 310-312
  • NZFam 2018, 95
  • NordÖR 2018, 186-187

Amtlicher Leitsatz

1. Eine Beschränkung des Wahlrechts i. S. d. § 5 SGB VIII zwischen der frühkindlichen Förderung in einer Tageseinrichtung und einer Kindertagespflege i. S. d. § 24 SGB VIII stellt keine Amtspflichtverletzung dar, wenn zwar keine Betreuungsplätze mehr in der gewünschten Betreuungsform, aber in der alternativen Betreuungsform verfügbar sind.

2. Die vorzeitige Kündigung eines bereits vorhandenen und geeigneten Betreuungsplatzes stellt einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht i. S. d. § 254 BGB dar, wenn das Kind aufgrund dessen zunächst keine frühkindliche Förderung erhält. Ein Wechsel der Betreuungsform ist nicht generell unzumutbar. Eine Eingewöhnungszeit des Kindes ist in § 24 SGB VIII nicht vorgesehen.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 07.04.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 07.04.2016 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.951,32 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Amtshaftung auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalls infolge der verzögerten Bereitstellung eines Kindergartenplatzes in Anspruch.

Vor der Geburt ihrer Tochter D. am 2013 arbeitete die Klägerin bei der A GmbH in L. und erzielte ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.987,83 EUR. Sie beabsichtigte, ihre dortige Tätigkeit am 01.08.2014 wieder aufzunehmen, während ihrem Ehemann Elternzeit bis zum 09.09.2014 bewilligt worden war.

Die Klägerin und ihr Ehemann bewarben sich Ende des Jahres 2013 für ihre Tochter um einen Platz in der Kindertagesstätte in N.-H. ab August 2014. Mit Schreiben vom 13.03.2014 teilte ihnen der Flecken N.-H. mit, dass das zentrale Aufnahmeverfahren zum 01.08.2014 abgeschlossen sei und er ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine Zusage über eine Aufnahme gegeben werden könne. Zudem wies der Flecken N.-H. die Klägerin und ihren Ehemann darauf hin, dass die Kinderbetreuung grundsätzlich auch über Plätze in der Kindertagespflege, durch sogenannte Kindertagesmütter, erfolgen könne. Für nähere Informationen verwies der Flecken die Klägerin und ihren Ehemann an den Beklagten.

Daraufhin nahm die Klägerin am 01.04.2014 erstmals Kontakt zum Beklagten auf und erkundigte sich nach Tagespflegepersonen im Bereich N.-H. bzw. einem Platz in einer Kindertagesstätte.

Mit E-Mail vom 03.04.2014 benannte die beim Beklagten für Kinderbetreuung zuständige Mitarbeiterin Frau R. der Klägerin drei Tagespflegepersonen in H. und G.und empfahl ihr, auch im Familien- und Kinderservice des Landkreises G. bzw. in der dortigen Online-Vermittlungsbörse nach Tagespflegepersonen zu suchen.

In der Folgezeit bemühten sich die Klägerin und ihr Ehemann selbst um eine Betreuung für ihre Tochter. Die Klägerin schloss am 26.06.2014 einen Betreuungsvertrag mit der Kindertagespflegeperson Frau K. in B.. Die Tagespflege sollte am 09.09.2014 beginnen, montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 15:00 Uhr erfolgen und voraussichtlich am 09.09.2015 enden. Im Hinblick auf die ursprünglich von der Klägerin und ihrem Ehemann begehrte Betreuung ab dem 01.08.2014 wies Frau K. beide darauf hin, dass zwei weitere Tagesmütter noch Plätze frei hätten.

Am 05.07.2014 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann beim Beklagten für ihre Tochter Kindertagespflege ab dem 09.09.2014 und führten zur Begründung aus, dass sie während der Betreuungszeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen würden. Mit Bescheid vom 22.08.2014 gewährte der Beklagte Frau K. nach § 23 SGB VIII i. V. m. § 6 und der Anlage 1 der Satzung des Landkreises N. über die Förderung von Kindern in der Kindertagespflege und die Erhebung von Kostenbeiträgen für die Kindertagespflege in der derzeit gültigen Fassung die laufende Geldleistung für das oben genannte Kindestagepflegeverhältnis mit der durchschnittlichen monatlichen Betreuungszeit von 140,73 Stunden für die Zeit vom 09.09.2014 bis zum 31.08.2015.

Anfang September 2014 wurde der Klägerin und ihrem Ehemann ein Krippenplatz für ihre Tochter im Kindergarten in B. ab dem 06.10.2014 angeboten. Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen den Krippenplatz in Anspruch und teilten Frau K. mit, dass keine Tagespflege mehr gewünscht werde. Der Beklagte hob daraufhin am 24.09.2014 den Bewilligungsbescheid vom 22.08.2014 auf.

Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass bei zwei der in der E-Mail vom 03.04.2014 genannten Tagespflegepersonen keine Betreuungsplätze zum 01.08.2014 mehr frei gewesen seien und die dritte Person offenbar noch keine Zulassung zur selbstständigen Durchführung von Tagespflege gehabt habe. Die Eingewöhnungszeit der Tochter der Klägerin in der Kinderkrippe habe bis zum 07.11.2014 gedauert, so dass sie ihre Arbeit erst ab dem 01.12.2014 wieder habe aufnehmen können. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte seine Amtspflichten dadurch verletzt habe, dass er ihrer Tochter nicht unmittelbar nach der Vollendung des ersten Lebensjahres, sondern erst zum 06.10.2014 einen Kindergartenplatz zur Verfügung gestellt habe, so dass sie ihre Elternzeit habe verlängern müssen. Sie macht diesbezüglich einen Verdienstausfallschaden für vier Monate - August bis November 2014 - unter Zugrundelegung ihres letzten durchschnittlichen Nettomonatsgehalts in Höhe von insgesamt 7.951,32 EUR geltend.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.951,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.11.2014 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 571,44 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Göttingen hat die Klage mit Urteil vom 07.04.2016 (Bl. 85 ff. d. A.) abgewiesen. Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es an einer Amtspflichtverletzung des Beklagten fehle. Dieser habe seine Amtspflicht nicht verletzt, weil der Anspruch der Tochter der Klägerin auf einen Frühförderplatz erfüllt gewesen sei, als die Klägerin und ihr Ehemann mit der Tagespflegemutter K. einen Vertrag über die Tagespflege ihrer Tochter abgeschlossen hätten. Deren Betreuung sei ab dem 09.09.2014 in einer den Anforderungen des § 24 Abs. 2 SGB VIII und des § 12 KitaG genügenden Weise sichergestellt, ohne das es darauf ankomme, dass sich die Klägerin selbst um die Tagespflegestelle gekümmert habe. Der freiwillige Verzicht der Klägerin auf diesen Platz zugunsten des Krippenplatzes ab dem 06.10.2014 habe den Anspruch aus § 24 SGB VIII nicht wieder aufleben lassen. Das in § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verankerte Wunsch- und Wahlrecht der Eltern ändere nichts daran, dass der Anspruch aus § 24 SGB VIII durch einen Platz in einer Einrichtung oder in der Tagespflege erfüllt werden könne und in dem Moment erfüllt sei, in dem ein zumutbarer Tagespflegeplatz zur Verfügung stehe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 12 KitaG, denn auch § 12 Abs. 4 KitaG sehe die Möglichkeit der Vermittlung einer Tagespflegestelle vor, falls eine Erfüllung nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 bis 3 KitaG nicht möglich sei.

Eine Amtspflichtverletzung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Betreuung bei der Tagespflegemutter wegen des späten Endes der Sommerferien erst ab dem 09.09.2014 vereinbart gewesen sei. Die Klägerin sei dem Vorbringen des Beklagten, andere Tagesmütter hätten die Tochter bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufnehmen können. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten diese Alternativen jedoch nicht erwogen, weil ihnen der Beginn am 09.09.2014 auch wegen des eigenen Urlaubs gut gepasst habe, nicht substantiiert entgegengetreten.

Darüber hinaus sei ein Schadensersatzanspruch der Klägerin auch gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

Das Urteil vom 07.04.2016 ist dem Klägervertreter am 08.04.2016 zugestellt worden.

Gegen das Urteil hat die Klägerin am 02.05.2016 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 08.07.2016 begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin vorgetragen, dass sich keine gesetzliche Einschränkung des elterlichen Wunsch- und Wahlrechts dergestalt ergebe, dass der Anspruch mit der Bereitstellung der einen oder anderen Form der Betreuung erfüllt sei. § 12 KitaG sei nicht einschlägig, weil diese Regelung für den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem 3. Lebensjahr gelte. Der Beklagte habe der Klägerin und ihrem Ehemann keinen Platz zur frühkindlichen Förderung ihrer Tochter zur Verfügung gestellt. Selbst wenn die Kostenbeteiligung an der von der Klägerin selbst aufgetanen Betreuungsmöglichkeit bei der Tagesmutter K. dem Beklagten zugerechnet würde, bleibe immer noch die Nichterfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung des Wahlrechts, welches die Eltern bereits bei der ersten Antragstellung gegenüber dem Flecken N.-H. ausgeübt hätten.

Des Weiteren bleibe der Zeitraum bis zum 09.09.2014, in dem der Rechtsanspruch auf einen Platz in der frühkindlichen Förderung in keiner Weise erfüllt gewesen sei. Dafür sei die bestrittene Behauptung des Beklagten, ein Beginn der Betreuung habe der Klägerin und ihrem Ehemann wegen des eigenen Urlaubs gut gepasst, völlig unerheblich. Vielmehr sei unter Beweisantritt darauf hingewiesen worden, dass die Einführung eines Kleinkindes in eine Betreuung einen Eingewöhnungszeitaufwand mit sich bringe, der sehr unterschiedliche Zeitansätze verlange und Eltern wie Kind gleichermaßen beanspruche. Es widerspreche dem Kindeswohlinteresse, eine mehrwöchige Eingewöhnung durchzuführen, wenn von vornherein klar sei, dass sich nach vier Wochen eine weitere Eingewöhnung an neue Pflegepersonen und eine neue Umgebung anschließe. Die Möglichkeit einer Vertretungsbetreuung scheide mangels zumutbarer Eingewöhnungsmöglichkeit für die Tochter der Klägerin aus.

Schließlich scheitere ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht daran, dass sie es unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, weil es an einer Rechtsmittelbelehrung fehle.

Mit Schriftsatz vom 24.10.2017 hat die Klägerin vorgetragen, dass bei keiner der in der E-Mail von Frau R. vom 03.04.2014 genannten Tagespflegepersonen ein freier Platz zur Verfügung gestanden habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 07.04.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Göttingen den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.951,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.11.2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die landgerichtliche Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz eines Verdienstausfallschadens für die Monate August bis November 2014 in Höhe von 7.951,32 EUR aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG.

a) Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung verneint.

Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Hieraus erwächst für den örtlich und sachlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist, ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht; insoweit trifft ihn eine unbedingte Gewährleistungspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2016 - III ZR 302/15 -, juris Rn. 17). Diese Pflicht kann der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe dadurch erfüllen, dass er einen (zumutbaren) Platz entweder in einer Tageseinrichtung oder in Rahmen der Kindertagespflege zuweist (vgl. BGH a. a. O., Rn. 18). Beide Alternativen stehen prinzipiell gleichrangig nebeneinander; dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII und einem Vergleich mit der Regelung in § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII (vgl. BGH, a. a. O.). Der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe verletzt seine Amtspflicht, wenn er einem gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt (vgl. BGH a. a. O., Rn. 19). In den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht fällt dabei auch der Verdienstausfallschaden, den Eltern dadurch erleiden, dass ihr Kind entgegen § 24 Abs. 2 SGB VIII keinen Betreuungsplatz erhält (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 33).

(1) Zwar konnte nach der Mitteilung des Fleckens N.-H. vom 13.03.2014 keine Zusage für die Aufnahme der Tochter der Klägerin in eine der dortigen Kindertagesstätten erteilt werden; der Beklagte muss sich diese Erklärung zurechnen lassen, weil der Flecken N.-H. im Einvernehmen mit dem Beklagten als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Wahrnehmung von Aufgaben nach dem SGB VIII die entsprechenden Aufgaben der Jugendhilfe wahrnimmt.

Allerdings hat der Beklagte über seine Mitarbeiterin Frau R. der Klägerin per E-Mail vom 03.04.2014 drei Tagespflegepersonen vorgeschlagen, von denen zumindest eine nach dem unstreitigen erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin auch Betreuungsplätze ab dem 01.08.2014 hatte. Die Klägerin hat auf S. 4 des Schriftsatzes vom 13.07.2015 ausgeführt: "Abgesehen davon, dass die Benennung möglicher Tagespflegepersonen nicht ausreichend ist [...], verhält es sich so, dass bei zweien der drei genannten Tagespflegepersonen keine Betreuungsplätze zum 01.08.2014 mehr frei waren, die dritte Person offenbar noch keine Zulassung zur selbstständigen Durchführung von Tagespflege hatte." Dieser Vortrag kann nur so verstanden werden, dass die dritte Person zwar über freie Kapazitäten, aber noch nicht über die erforderliche Zulassung verfügt habe. Letzteres hat der Beklagte bestritten, ohne dass die Klägerin für ihre Behauptung einen Beweis angeboten hat. Soweit die Klägerin nunmehr zweitinstanzlich erstmals mit Schriftsatz vom 24.10.2017 und erneut im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.11.2017 behauptet hat, dass auch bei dieser Person kein Platz frei gewesen sei, ist dieser Vortrag nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, weshalb ein entsprechender Vortrag nicht bereits erstinstanzlich gehalten worden ist.

Es ist auch nicht feststellbar, dass die Entfernung zu diesen Tagespflegepersonen unzumutbar gewesen wäre. Es wird insoweit auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 27.05.2015 verwiesen, denen die Klägerin nicht entgegengetreten ist.

(2) Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass ein Anspruch auf Zuweisung eines Krippenplatzes infolge des von den Erziehungsberechtigten ausgeübten Wahlrechts bestanden hätte, den der Beklagte verletzt habe.

Das Wahl- und Wunschrecht nach § 5 SGB VIII ist zwar auf den in § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII geregelten Anspruch ein- und zweijähriger Kinder auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege uneingeschränkt anwendbar (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.10.2014 - 4 ME 216/14 -, juris Leitsatz Ziff. 1 und Rn. 5). Dieses findet jedoch seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform (mehr) vorhanden oder verfügbar sind (vgl. OVG Lüneburg, a. a. O., Rn. 2).

Im vorliegenden Fall stand unstreitig kein Krippenplatz ab dem 01.08.2014 zur Verfügung, so dass die Klägerin und ihr Ehemann ihr Wahlrecht nicht dahingehend ausüben konnten, dass ihre Tochter in einer Tageseinrichtung untergebracht werden sollte.

b) Selbst wenn jedoch von einer Amtspflichtverletzung ausgegangen werden müsste, wäre ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aufgrund ihres eigenen Mitverschuldens am angeblich eingetretenen Schaden ausgeschlossen.

Die Klägerin und ihr Ehemann haben unstreitig selbst eine Tagespflegeperson ausfindig gemacht und mit dieser die Betreuung ihrer Tochter ab dem 09.09.2014 vereinbart.

Zwar stellt die Selbstbeschaffung eines Betreuungsplatzes im Vergleich zur Erlangung eines solchen Platzes im Wege des Verschaffungsanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII nicht die Erfüllung dieses Anspruchs dar (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.2016 - 12 S 1782/15 -, juris Rn. 47). Der Primäranspruch wandelt sich vielmehr unter den Voraussetzungen analog § 36a Abs. 3 SGB VIII in einen Sekundäranspruch auf Aufwendungsersatz um (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a. a. O.).

Allerdings verstößt die Aufgabe des Betreuungsplatzes bei der Tagespflegeperson Frau K. gegen die Schadensminderungspflicht der Klägerin gemäß § 254 BGB.

Der Geschädigte ist nach § 254 BGB gehalten, seinen Schaden möglichst gering zu halten (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2016 - III ZR 302/15 -, juris Rn. 36). Hätte die Klägerin den Betreuungsvertrag mit Frau K. nicht vor dem 06.10.2014 gekündigt, hätte ihre Tochter dort unstreitig betreut werden können. Indem sie den Betreuungsvertrag vorzeitig gekündigt hat, hat sie somit gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen.

Die Klägerin kann sich diesbezüglich nicht darauf berufen, dass ihrer Tochter der Wechsel von Frau K. in die Krippe nicht zumutbar gewesen wäre. Zwar sollte einem Kind der Aufbau einer neuen Beziehung verbunden mit einem Wechsel der Betreuungsperson nicht allzu oft zugemutet werden. Indes lässt sich dies aufgrund der Wechselfälle des Lebens, z. B. dem Ausscheiden der Betreuungsperson aus dem Berufsleben infolge Heirat, Schwangerschaft, Weiterbildung, Krankheit oder Erreichen der Altersgrenze oder einer Wohnsitzverlagerung der Eltern, nie ganz vermeiden, so dass von einer generellen Unzumutbarkeit nicht ausgegangen werden kann (vgl. Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2015 - 12 ZB 15.1191 -, juris Rn. 55; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.05.2014 - 7 A 10276/14 -, juris Rn. 37).

Besondere Umstände, die im vorliegenden Fall gegen einen solchen Wechsel sprechen könnten, sind nicht vorgetragen worden. Die Klägerin hätte somit durch Beibehaltung der Betreuung einen Verdienstausfall für die Zeit vom 09.09.2014 bis zum 05.10.2014 vermeiden können.

Soweit die Klägerin auf die Mehrkosten infolge der Inanspruchnahme von Frau K. verweist, ist zu beachten, dass insoweit ggf. ein Erstattungsanspruch des Kindes gem. § 36 a SGB VIII in Betracht gekommen wäre.

Für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis 09.09.2014 hätten die Klägerin und ihr Ehemann unstreitig auf eine andere von Frau K. empfohlene Tagespflegeperson zurückgreifen können. Auch dies wäre ihrer Tochter nach den vorstehenden Ausführungen zumutbar gewesen.

Soweit die Klägerin sich auf eine Eingewöhnungszeit beruft, ist eine solche in § 24 SGB VIII nicht vorgesehen. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch darauf, dass ihr eine solche eingeräumt wird.

Das Mitverschulden der Klägerin überwiegt ein etwaiges Verschulden des Beklagten derart, dass ein Schadensersatzanspruch auch aus diesem Grund - unabhängig davon, ob eine Amtspflichtverletzung vorliegt - ausgeschlossen ist. Die Klägerin hat ohne Not von einer entsprechenden Betreuung ihrer Tochter abgesehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Tagespflegeperson Frau K. persönlich ausgesucht und als geeignet für die Betreuung ihrer Tochter befunden hat. Zudem hat die Klägerin den Beklagten nicht darauf hingewiesen, dass sie infolge der Kündigung des Vertrages mit Frau K. ihren Arbeitsplatz noch nicht wieder antreten werde, so dass dieser keine Gelegenheit hatte, sich um eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit zu kümmern.

Aus den oben genannten Gründen kam auch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Klägerin vom 15.11.2017 nicht in Betracht.

2. Mangels Hauptforderung kann die Klägerin auch nicht die Zahlung von Zinsen und die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten beanspruchen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen hat. Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war entsprechend der geltend gemachten Hauptforderung gemäß §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf 7.951,32 EUR festzusetzen.