Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.03.1979, Az.: 11 UF 10/79

Entfallen von Anwartschaften sowie Herabsetzung des Versorgungsausgleichs bei getrenntlebenden Parteien; Herabsetzung der auszugleichenden Beträge von Versorgungsanwartschaften wegen grober Unbilligkeit; Enfall des Versorgungsausgleich wegen Verfassungswidrigkeit der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.03.1979
Aktenzeichen
11 UF 10/79
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1979, 17602
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1979:0327.11UF10.79.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Oldenburg (Oldenburg) - 05.10.1978

Fundstelle

  • NJW 1979, 1416 (Volltext mit amtl. LS)

In Sachen
...
hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen -
des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 8. Dezember 1980
durch
die unterzeichneten Richter
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels die im Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Oldenburg vom 5. Okt. 1978 zu Ziff. II und III des Tenors getroffene Regelung des Versorgungsausgleichs wie folgt geändert:

Bezogen auf das Ende der Ehezeit, das ist der xxx 1977, werden vom Rentenkonto Nr. xxx des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 179,20 DM auf das Rentenkonto Nr. xxx der Antragsgegnerin bei der Bundesknappschaft in xxx übertragen.

Der Antragsteller hat an die Antragsgegnerin eine monatliche Ausgleichsrente von 2,13 DM und eine weitere von 104,54 DM zu zahlen. Wegen der Ausgleichsrente von monatlich 2,13 DM wird ihm auferlegt, seine Ansprüche gegen die Bundesversicherungsanstalt in Berlin und wegen der Ausgleichsrente von 104,54 DM seine Ansprüche gegen die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe an die Antragsgegnerin abzutreten.

Die Anschlußbeschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten des 1. Rechtszuges verbleibt es bei der angefochtenen Entscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt zu 3/5 der Antragsteller, zu 2/5 die Antragsgegnerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird bis 6. Nov. 1980 auf 6.720,-- DM und ab 7. Nov. 1980 auf 3.840,-- DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Parteien haben am xxx 1939 die Ehe geschlossen. 1942 wurde der Antragssteller zum Wehrdienst eingezogen, in dessen Verlauf er in russische Kriegsgefangenschaft geriet. Nach Kriegsende verblieb die Antragsgegnerin zunächst in Schlesien und siedelte erst 1957 nach Oldenburg über, wohin der Antragsteller im Oktober 1949 aus der Gefangenschaft entlassen worden war. Von Nov. 1960 bis Ende Febr. 1963 lebten die Parteien in einer Wohnung zusammen, wobei sie darüber streiten, ob sie in dieser Zeit die volle eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufgenommen hatten. xxx 1963 trennten sie sich dann endgültig.

2

Mit dem am 26. Juli 1977 zugestellten Antrag hat der Antragssteller um die Scheidung der Ehe nachgesucht. Er hat in der Ehezeit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte in Höhe von monatlich 1.207,09, in der Höherversicherung von 7,41 DM und bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) von 420,10 DM erworben. Die Antragsgegnerin hat in der Ehezeit Anwartschaften bei der Bundesknappschaft von monatlich 227,40 DM und bei der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten von 294,20 DM erworben. Beide Parteien sind jetzt Rentner.

3

Durch Urteil vom 5. Oktober 1978 hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich zum Nachteil des Antragstellers durchgeführt und dem Antragsteller eine monatliche Unterhaltszahlung zugunsten der Antragsgegnerin auferlegt.

4

Hinsichtlich des Versorgungsausgleichs ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß die Parteien seit dem 7. Februar 1957, dem Tage der Übersiedelung der Antragsgegnerin nach Oldenburg, getrenntleben. Es hat gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG die auf die Trennungszeit entfallenden Anwartschaften um die Hälfte herabgesetzt. Die Anwartschaft des Antragstellers aus der Angestelltenversicherung hat es demgemäß auf 880,59 DM, die Anwartschaft der Antragsgegnerin aus der Arbeiterrentenversicherung auf 195,78 DM errechnet und ist somit zu einem im Wege des Splittings auszugleichenden Betrag von 228,71 DM gekommen. Die VBL-Rente hat das Amtsgericht mit 248,70 DM und die Höherversicherung in voller Höhe mit 7,41 DM berücksichtigt und der Antragsgegnerin hiervon im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs 124,35 DM und 3,71 DM zugesprochen, wobei es den Antragsteller verpflichtet hat, seine Ansprüche gegen die Versorgungsträger insoweit abzutreten.

5

Gegen dieses am 20. Oktober 1978 zugestellte Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird, hat der Antragsteller am 20. November 1978 Berufung eingelegt, soweit der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist und ihm Unterhaltszahlungen auferlegt worden sind, und hat sein Rechtsmittel am 20. Dezember 1978 begründet.

6

Durch Beschluß vom 18. Mai 1979 hat der erkennende Senat den Scheidungsausspruch im angefochtenen Urteil in analoger Anwendung von§ 628 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO für vorweg wirksam erklärt.

7

Ferner hat der Senat durch Urteil vom 19. Oktober 1979 über den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin entschieden und durch Beschluß vom gleichen Tage die Prozeßverbindung zwischen dem Unterhalt und dem Versorgungsausgleich gelöst.

8

Hinsichtlich des Versorgungsausgleichs hatte der Antragsteller zunächst beantragt, den Versorgungsausgleich wegen Verfassungswidrigkeit der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen ganz entfallen zu lassen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen betr. das Splittingverfahren und den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bejaht hat, strebt der Antragsteller eine Herabsetzung der auszugleichenden Beträge wegen grober Unbilligkeit an. Er beruft sich hierzu darauf, daß er mit der Antragsgegnerin effektiv nur rund zwei Jahre zusammengelebt habe; die Zeit des vorübergehenden Zusammenlebens von Nov. 1960 bis Ende Febr. 1963 müsse dabei unberücksichtigt bleiben, weil es zu einer vollen ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr gekommen sei. Im übrigen habe die Antragsgegnerin ihre Anwartschaften grundlos verringert, weil sie nach der Übersiedelung zunächst bis zum 10. März 1961 und danach vom 1. März 1967 bis 9. Januar 1972 nicht gearbeitet habe, obgleich sie arbeitsfähig gewesen sei.

9

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Versorgungsausgleich gem. Art. 12 Nr. 3 des 1. EheRG um die Hälfte des auf die Trennungszeit vom 1. März 1942 bis zum 30. Juni 1977 entfallenden gesetzlichen Anspruchs herabzusetzen.

10

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

11

Zugleich hat sie Anschlußbeschwerde eingelegt mit dem Ziel der Erhöhung der auszugleichenden Versorgungsanwartschaften. Sie vertritt die Auffassung, die Trennung sei erst ab März 1963 eingetreten. Für eine Herabsetzung der auszugleichenden Anwartschaften bestehe keine Veranlassung. Die Zeiten, in denen sie nach der Übersiedelung aus Polen nicht gearbeitet habe, könnten ihr nicht angelastet werden. Zunächst habe sie sich in Oldenburg einleben und um die Tochter kümmern müssen. Am 1. März 1967 habe sie ihre Arbeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen.

12

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil hinsichtlich des Versorgungsausgleichs abzuändern und diesen in einer für sie günstigeren Höhe durchzuführen.

13

Der Antragsteller beantragt,

die Anschlußbeschwerde zurückzuweisen.

14

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen im Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

15

Der Senat hat darüber, ob und in welchem Umfang die Parteien in der Zeit von Nov. 1960 bis Ende Febr. 1963 die eheliche Gemeinschaft wieder aufgenommen hatten, und zu der Frage, ob die Antragsgegnerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, von März 1967 bis Dezember 1971 einer Erwerbstätigkeit wenn auch nur leichterer Art nachzugehen, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen xxx und xxx sowie des Zeugen xxx und durch Einholung schriftlicher gutachtlicher Äußerungen Ärzte xxx, xxx xxx sowie seitens der Landesversicherungsanstalt xxx Allgemeinen Ortskrankenkasse xxx des Deutschen Roten Kreuzes und der Bundesknappschaft. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Einzelrichters vom 18. Juni 1979 und den Inhalt der Auskünfte verwiesen.

16

II.

Die gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs eingelegte zulässige Berufung des Antragstellers, die nach Abtrennung von der Scheidungssache und dem Unterhaltsverfahren als Beschwerde zu behandeln ist, ist zum Teil sachlich gerechtfertigt; hingegen bleibt die Anschlußbeschwerde der Antragsgegnerin ohne Erfolg.

17

1.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich zum überwiegenden Teil im Wege des Splittings, hinsichtlich der VBL-Rente und der Höherversicherung im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs durchgeführt. Das entspricht den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 1587b Abs. 1 und 3, 1587f, 1587g, 1587i BGB). Zwar erfolgt der Ausgleich bei der VBL-Rente und der Höherversicherung im Regelfall durch Beitragsentrichtung zur Begründung von Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung. Das gilt aber nicht wenn der Berechtigte - wie hier die Antragsgegnerin bereits ein Altersruhegeld bezieht. In diesem Falle ist nach den §§ 1587b Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz in Verbindung mit § 1587f Nr. 1 BGB der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchzuführen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Febr. 1980 (NJW 1980, 692 [BVerfG 28.02.1980 - 1 BvL 17/77]) sind sowohl das Splitting-Verfahren als auch der schulrechtliche Versorgungsausgleich mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat von den gesetzlichen Bestimmungen zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zwar ausdrücklich nur den § 1587g BGB erwähnt. Diese Vorschrift regelt an sich nur die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, nicht seine materiellen Voraussetzungen, diese ergeben sich aus § 1587f BGB. Gleichwohl ist nach dem Gesamtzusammenhang der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, daß es alle Tatbestände des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs in seine Entscheidung einbeziehen wollte; denn es hat sich andererseits nur die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Beitragsentrichtung zur Begründung von Anwartschaften nach § 1587b Abs. 3 BGB vorbehalten. Kommt aber eine Entrichtung von Beiträgen nicht in Betracht und entfällt somit auch eine Umrechnung in einen in die Rentenversicherung einzuzahlenden Kapitalbetrag, sind die gegen § 1587b Abs. 5 BGB bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken unbegründet. Der Senat hatte deshalb keinen Anlaß, das Beschwerdeverfahren weiter auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht auch über die Verfassungsmäßigkeit des § 1587b Abs. 3 BGB eine Entscheidung getroffen hat.

18

2.

Das Amtsgericht hat die vom Antragsteller auszugleichenden Anwartschaften nach Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG um die Hälfte der auf die Trennungszeit entfallenen Anwartschaften gekürzt. Der Senat hält die Anwendung dieser Bestimmung ebenfalls für erforderlich, kommt indessen zur Höhe des auszugleichenden Betrages im Ergebnis zu einem abweichenden Wert.

19

a)

Nach Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG kann das Familiengericht bei Ehen, die vor dem 1. Juli 1977 geschlossen worden sind, auf Antrag des Ausgleichspflichtigen den Ausgleichsanspruch herabsetzen, wenn die Ehe allein wegen des Widerspruchs des anderen Ehegatten (§ 48 Abs. 2 des Ehegesetzes a.F.) nicht geschieden werden durfte und die uneingeschränkte Durchführung des Ausgleichs für ihn auch unter Berücksichtigung der Interessen des anderen Ehegatten grob unbillig wäre. Der Ausgleichsanspruch darf um nicht mehr als die Hälfte des auf die Trennungszeit entfallenden gesetzlichen Anspruchs herabgesetzt werden.

20

Die Voraussetzungen dieser Bestimmung hat das Amtsgericht mit Recht bejaht. Zwar hatte der Antragsteller eine Scheidungsklage nach früherem Recht nicht erhoben, die Antragsgegnerin somit auch einen Widerspruch gegen eine Scheidung gerichtlich nicht geltend gemacht. Das ist aber auch nicht erforderlich. Für die Anwendung von Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG genügt, daß der die Scheidung ablehnende Ehegatte einen Widerspruch erfolgreich erhoben hätte und der andere deshalb von der Erhebung einer aussichtslosen Scheidungsklage Abstand genommen hat (BGH FamRZ 1979, 477/489; Rolland, 1. EheRG, S. 489 Rz. 54). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Der Antragsteller hatte sich, noch als die Antragsgegnerin in Polen war, einer anderen Frau zugewandt und dies der Antragsgegnerin auch unter anderem in seinen Breifen vom Dezember 1950 und 21. Jan. 1951 (Bl. 21 d.A. 18 C 2346/67 III des Amtsgerichts Oldenburg) mitgeteilt und dabei insbesondere auch von Scheidungsabsichten gesprochen. Die Antragsgegnerin lehnte eine Scheidung ab. Das hat sie dem Antragsteller am 24. Okt. 1967 durch ein Schreiben ihres damaligen Anwalts ausdrücklich mitteilen lassen. Bei dieser Sachlage muß davon ausgegangen werden, da ein Widerspruch der Antragsgegnerin gegen eine Scheidung Erfolg gehabt hätte.

21

b)

Die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs wäre für den Antragsteller auch unter Berücksichtigung der Interessen der Antragsgegnerin grob unbillig; denn die Parteien haben den weit überwiegenden Teil ihrer Ehe getrennt gelebt, so daß es insoweit an einer gemeinsamen Lebensleistung fehlte, die nach dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs Anlaß gibt, in der Ehezeit erworbene Anwartschaften zum Ausgleich zu bringen. Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur weitgehend die Auffassung vertreten, daß eine jahrelange Trennung der Eheleute allein noch keinen Grund darstelle, die auszugleichenden Anwartschaften nach Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG herabzusetzen. Vielmehr müßten zusätzliche Gründe hinzukommen, aus denen sich eine grobe Unbilligkeit im Sinne dieser Bestimmung ergäbe; denn das Vertrauen des ausgleichsberechtigten Ehegatten auf den Fortbestand des früheren Rechts verdiene Schutz. Er habe erwarten dürfen, nicht geschieden zu werden, wenn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 EheG vorgelegen hätten, und habe deshalb davon ausgehen dürfen, auf Dauer durch den Unterhaltsanspruch oder den Anspruch auf Witwenrente gesichert zu sein, und habe darum selbst keine Vorsorge zu treffen brauchen (OLG Schleswig SchlAnZ 1979, 223; OLG Hamm NJW 1979, 311; OLG München MDR 1979, 936; OLG Koblenz FamRZ 1980, 589; Rolland1. EheRG S. 489; Ruland/Tiemann, VersAusgl., S. 19).

22

Dieser Rechtsansicht vermag der Senat in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen, da sie die Problematik der Rückwirkung des Versorgungsausgleichs auf Altehen nicht hinreichend berücksichtigt. Gerade diese rückwirkende Anwendung der Bestimmungen über den Versorgungsausgleich auf Ehen, die vor Inkrafttreten des 1. EheRG und in Unkenntnis der Bestimmungen über den Versorgungsausgleich geschlossen worden waren, hatte zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dieser Frage eingehend auseinandergesetzt und in seinem Urteil vom 28. Febr. 1980 unter anderem ausgeführt:

23

Es ist allerdings anzunehmen, daß vor allem bei "Altehen" nach längerem Getrenntleben oder aus anderen Gründen Umstände vorliegen, die den mit dem Versorgungsausgleich verbundenen Eingriff als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Für derartige Fälle werden § 1587b Abs. 4 und § 1587c BGB oder zumindest die Kürzungsvorschriften des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 S. 3 und 4 1. EheRG besondere Bedeutung gewinnen ...

24

Mit diesen Vorschriften wird für "Altehen" im Einzelfall eine Regelung ermöglicht, welche die Situation beider Ehegatten berücksichtigt, das Vertrauen des Ausgleichsberechtigten möglichst nicht verletzt und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Die nur für eine Übergangszeit wirksamen Vorschriften sind vor allem geeignet, Härten zu mildern, die dadurch entstehen können, daß der ausgleichspflichtige Ehegatte, der möglicherweise bereits Altersruhegeld oder Pension bezieht, wegen der langen formalen Ehedauer die Hälfte seiner Versorgung abgeben müßte.

25

Eine ähnliche Auffassung hatte auch der BGH (a. a. 0.) vertreten:

26

Die Übergangsvorschrift zum VersAusgl. wäre verfassungsrechtlich nur dann bedenklich, wenn für derartige Sonder- und Härtefälle keine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Lösungen vorgesehen wäre. Indessen enthält das 1. EheRG in Art. 12 Nr. 3 III S. 2 - 4 und vor allem in der allgemeinen Härteklausel des § 1587c (für den schuldrechtlichen VersAusgl: § 1587, BGB sowie in § 1587b IV BGB angemessene Regeln für derartige Sonderfälle. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Vorschrift des Art. 12 Nr. 3 III S. 3 und 4 des 1. EheRG zu. Sie regelt den in der Anfangszeit des 1. EheRG häufig vorkommenden Konflikt, inwieweit der VersAusgl. bei Alt-Ehen durchzuführen ist, bei denen eine vormalige Scheidungsklage aus § 48 EheG a.F. wegen des Widerspruchs des (ausgleichsberechtigten) Ehegatten abgewiesen worden ist oder eine solche (tatsächlich nicht erhobene) Klage aus dem gleichen Grunde keine Erfolgsaussicht gehabt hätte. In diesen Fällen ist die ehel. Lebensgemeinschaft längst aufgehoben; es fehlt daher für die Trennungszeit die eigentlich rechtfertigende Grundlage für den VersAusgl. (s. o. IV 2). Andererseits erscheint es nicht generell gerechtfertigt, den anderen Ehegatten, der berechtigt Widerspruch erhoben hat oder hätte erheben können, in seinem Vertrauen darauf völlig zu enttäuschen, daß das Eheband als mögliche Unterhaltssicherung erhalten bleibt. Die gesetzgeberische Lösung, daß in diesen Fällen bei grober Unbilligkeit des vollen Vers.Ausgl. der auf die Trennungszeit entfallende Ausgleichsanspruch bis auf die Hälfte herabgesetzt werden kann, erscheint dem Senat ein vertretbarer Kompromiß; ...

27

Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG schützt also schon als solches das Vertrauen des ausgleichsberechtigter, Ehegatten in die wirtschaftliche Versorgung aus der nach altem Recht die scheidbare Ehe (so auch OLG Köln FamRZ 1980, 591/592), so daß mit dem Argument, dieses Vertrauen im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu schützen und verdiene neben der jahrelangen Trennung besondere Beachtung, die Anwendung dieser Vorschrift nicht in Frage gestellt werden darf. Daraus ergibt sich, daß diese Bestimmung, die die Rückwirkung des Versorgungsausgleichs auf Altehen überhaupt erst erträglich macht, in einem weiteren Umfang und ohne die Einschränkungen anzuwenden ist, die von der dargestellten engeren Meinung in Rechtsprechung und Literatur gemacht werden. Auch im vorliegenden Fall ist Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG daher anzuwenden.

28

c)

Das Amtsgericht hat die Trennungszeit der Parteien vom 7. Febr. 1957 an berechnet, als die Antragsgegnerin aus Polen nach Oldenburg übersiedelte. Erst zu diesem Zeitpunkt habe sich der Antragsteller von der Antragsgegnerin endgültig losgesagt und damit die eheliche Gemeinschaft aufgehoben. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar war die Trennung der Parteien zunächst kriegsbedingt und damit noch nicht als Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft zu verstehen. Aus einer schicksalhaften Trennung wird aber ein Getrenntleben im rechtlichen Sinne, wenn sich einer der Ehegatten deutlich vom anderen losgesagt und damit auch nach außen die aufgezwungene Trennung zu einer von ihm gewollten macht. Das war nach Auffassung des Senats vorliegend nicht erst im Februar 1957 der Fall, sondern bereits Ende 1950/Anfang 1951, als der Antragsteller an die Antragsgegnerin die oben bereits erwähnten Briefe nach Polen geschickt hatte. Er hatte ihr darin für den Fall, daß sie nach Oldenburg kommen wolle, sogar ein Unglück in Aussicht gestellt. Der Senat ist daher der Meinung, daß die Trennungszeit mit dem 1. Jan. 1951 ansetzte. Hieran ändert die Tatsache nichts, daß der Antragsteller in der Folgezeit noch Pakete an die Antragsgegnerin nach Polen schickte. Damit erfüllte er nur, den Verhältnissen entsprechend, seine Verpflichtung zum Unterhalt gegenüber der Antragsgegnerin, den diese bereits aus Polen von ihm verlangt hatte. Das Amtsgericht hat sodann zutreffend festgestellt, daß die Trennungszeit durch die zeitweilige Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft der Parteien vom November 1960 bis Ende Februar 1963 nicht unterbrochen worden ist. Zwar ist der Antragsteller im November 1960 zu der Antragsgegnerin gezogen. Wie der Senat aber bereits in seinem Urteil vom 19. Okt. 1979 ausgeführt hat, wurde damit die eheliche Lebensgemeinschaft im Ergebnis nicht wieder aufgenommen. Zwar nahm der Antragsteller kurz darauf an der Hochzeit der Tochter teil, und die von der Antragsgegnerin hierzu vorgelegten Lichtbilder zeigen, daß zu der Zeit sich ein harmonisches Familienleben zwischen den Parteien wieder anzubahnen schien. Diese damals bestehende Hoffnung, die auch die Zeugen xxx und xxx gehegt hatten und auch dem Eindruck des Zeugen xxx entsprach, zerschlug sich aber alsbald wieder. Der Antragsteller ging kurz nach der Hochzeit zur Kur, und als er wiederkam, kam er der Zeugin xxx schon verändert vor. Er bewohnte innerhalb der Wohnung auch ein eigenes Zimmer und nahm nur gelegentlich an den gemeinsamen Mahlzeiten teil, ab Februar 1961 überhaupt nicht mehr. Ein Geschlechtsverkehr zwischen den Parteien hat möglicherweise in jener Zeit überhaupt nur einmal stattgefunden. Insgesamt war der Zeitraum vom November 1960 bis Februar 1963 nichts weiter als der - dann gescheiterte - Versuch, nach langer Trennungszeit und Entfremdung die eheliche Lebensgemeinschaft doch noch wieder herzustellen. Diese Zeit kann daher insgesamt aus der seit 1. Jan. 1951 laufenden Trennungszeit bei der Anwendung von Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG nicht herausgenommen werden.

29

d)

Der Senat hätte es angesichts der gesamten Verhältnisse der Parteien an sich für angemessen erachtet, die auf die Zeit vom 1. Jan. 1951 bis 30. Juni 1977 entfallenden Versorgungsanwartschaften jeweils bis zum zulässigen Höchstbetrag, also auf die Hälfte, herabzusetzen. Da die Herabsetzung in dem höchstzulässigem Maße an sich angebracht wäre, kann offen bleiben, ob auch die Tatsache, daß die Antragsgegnerin zunächst bis 10. März 1961 und danach später vom 1. März 1967 bis 9. Jan 1972 nicht gearbeitet hat, ebenfalls zu einer Herabsetzung Anlaß geben würde. Eine weitergehende Herabsetzung nach § 1587c Nr. 1 BGB vorzunehmen, bestand kein Anlaß, da der Antragsgegnerin die Nichtaufnahme bzw. spätere Unterbrechung der Erwerbstätigkeit im Rahmen der Billigkeitsprüfung nicht angelastet werden kann. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wird insoweit auf das Berufungsurteil des Senats vom 19. Okt. 1979 Bezug genommen. Die dort zur Mutwilligkeit im Sinne von § 1579 Abs. 1 Nr. 3 BGB gemachten Ausführungen greifen entsprechend auch vorliegend ein.

30

Setzte man die von den Parteien in der Zeit vom 1. Jan 1951 bis 30. Juni 1977 erworbenen Anwartschaften jeweils um die Hälfte herab, ergäbe sich folgende Berechnung:

31

A. Anwartschaften des Antragstellers

  1. 1.

    BfA - Rente

    Auf die Trennungszeit entfallen 4.455,97 Werteinheiten. Hiervon ist nur die Hälfte mit 2.227,99 DM anzurechnen. Damit sind aus der Ehezeit 2.562,11 Werteinheiten auszugleichen, das sind 50,50% der insgesamt erworbenen Werteinheiten von 5.073,84.

    50,50% von der BfA-Rente betragen 645,64 DM.

  2. 2.

    Höherversicherung

    Auf die Trennungszeit entfallen 76,-- DM. Davon ist die Hälfte mit 38,-- DM auszugleichen. Vor der Trennungszeit sind 1,44 DM und 11,52 DM erworben worden, so daß sich insgesamt ein Steigerungsbetrag von 50,96 DM ergibt = monatlich 4,25 DM.

  3. 3.

    VBL - Rente

    Auf die Trennungszeit entfallen 318 Monate. Davon ist die Hälfte mit 159 Monaten zu berücksichtigen.

  1. a)
    Zeiten in der Zusatzversicherung314 Monate
    abzüglich159 Monate
    155 Monate
  2. b)
    Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung438 Monate
    abzüglich159 Monate
    279 Monate
  3. c)
    gesamtversorgungsfähige Zeit
    (b - a) : 2 + a =217 Monate
    217 = 49,77% von 436 Monaten
    49,77% von 420,10 DM = 209,08 DM
32

B. Anwartschaften der Antragsgegnerin

  1. 1.

    Knappschaftsversicherung

    auf den Gesamtzeitraum entfallen586,50 Werteinheiten
    auf die Ehezeit entfallen586,50 Werteinheiten
    auf die Trennungszeit entfallen
    30,08 Werteinheiten
    Hiervon ist die Hälfte auszugleichen
    mit 15,04 Werteinheiten
    Damit sind aus der Ehezeit nur auszugleichen571,46 Werteinheiten
    571,46 = 97,44% von 586,50
    97,44% von der Knappschaftsrente = 221,58 DM
  2. 2.

    Arbeiterrentenversicherung

    Werteinheiten1269,35
    auf die Ehezeit entfallen1089,65
    auf die Trennungszeit entfallen1056,11
    hiervon ist die Hälfte auszugleichen
    mit 528,06
    Damit entfallen auf die Ehezeit561,59
    561,59 = 44,24% von 1269,35
    44,24% von 342,70 = 151,61
33

C. Wertausgleich

34

Herabgesetzte Anwartschaften des Antragstellers 645,64

35

Herabgesetzte Anwartschaft der Antragsgegnerin

a) Knappschaft221,58
b) Arbeiterrente151,61
373,19373,19
272,45
Auszugleichen wäre die Hälfte mit136,23
Von der Höherversicherung hat der Antragsteller 2,13 DM und von der VBL -Rente 104,54 DM auszugleichen.
36

Die aus der vorstehenden Rechnung sich ergebenden Zahlen konnten hinsichtlich des Splittings gleichwohl nicht der Entscheidung zugrundegelegt werden; denn im Rahmen von Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG sind auch die Interessen der Antragsgegnerin angemessen zu berücksichtigen, und diese erfordern, daß ihr für den Fall des Vorversterbens des Antragstellers eine angemessene Mindestrente verbleibt. Da der schuldrechtliche Versorgungsausgleich mit dem Tode des Antragstellers enden würde, erschien es angemessen, den im Wege des Splittings zu übertragenden Betrag soweit zu erhöhen, daß die Antragsgegnerin wenigstens über eine monatliche Rente von 800,-- DM verfügen könnte. Sie bezieht zur Zeit eine eigene Altersrente von 620,80 DM pro Monat. Ihr waren deshalb im Wege des Splittings weitere 179,20 DM pro Monat zu übertragen. Hinsichtlich der Höherversicherung und der VBL-Rente verbleibt es bei den oben angegebenen Beträgen.

37

Die im angefochtenen Urteil getroffene Regelung des Versorgungsausgleichs war daher unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Antragstellers und unter Zurückweisung der Anschlußbeschwerde entsprechend zu ändern.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92 ZPO. Der Senat hat hierbei berücksichtigt, daß sich der Antragsteller ursprünglich gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs insgesamt gewehrt hatte und erst in der mündlichen Verhandlung vom 7. Nov. 1980 seinen Antrag beschränkt hat.