Amtsgericht Hildesheim
Beschl. v. 12.04.1985, Az.: 18 UR II 34/84

Klage auf Berichtigung eines Protokolls einer Wohnungseigentümerversammlung

Bibliographie

Gericht
AG Hildesheim
Datum
12.04.1985
Aktenzeichen
18 UR II 34/84
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1985, 15803
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHILDE:1985:0412.18UR.II34.84.0A

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag zu 1., ... das Protokoll zu TOP 2 der Eigentümerversammlung vom 27.11.1984 durch Kürzen zu ändern, wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Streitwert wird zu TOP 2 auf DM 1.000.- (insgesamt für den Streit also auf 7.800,- DM) festgesetzt.

  3. 3.

    Die Gerichtskosten fallen der Antragstellerin zur Last. Diese hat auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu tragen.

Entscheidungsgründe

1

Die Antragstellerin bezweifelt, daß im Protokoll vom 27.11.1984 ihre Erklärungen richtig aufgeschrieben worden sind. Zunächst hatte sie vortragen lassen, die zu TOP 2 protokollierten Erklärungen seien von ihr überhaupt nicht gemacht worden. In der mündlichen Verhandlung vom 7.3.1985 hat sie ihr Bestreiten beschränkt. Sie hat nunmehr eingeräumt, die freigelegten Armierungseisen und noch herausragenden Befestigungsbolzen würden von ihr, wie im Protokoll aufgeschrieben, entfernt werden. Sie hat aber weiterhin ihre Behauptung aufrechterhalten, sie habe nicht geäußert, sie wolle den Bodenbelag des Balkons Untere Dorfstr. 21 Erdgeschoß so instandsetzen, daß durch abfließendes oder stehendes Wasser keine Gefahr für das Gemeinschaftseigentum entstehen könne. Durch Schriftsatz vom 27. März 1985 hat sie ihre Behauptung wiederum geändert und trägt nunmehr vor - wohl hilfsweise - sie habe die Erklärung wohl abgegeben jedoch unter einer Bedingung: Sie wolle einen Sachverständigen befragen, ob das abfließende oder stehende Wasser Gefahr für das Gemeinschaftseigentum bilden könne und würde, wenn dies der Fall sei, den Bodenbelag ihres Balkons sanieren. Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, daß sie in der Eigentümerversammlung nicht erklärt hat, sie wolle den Bodenbelag des Balkons Untere Dorfstr. 21, Erdgeschoß so instand setzen, daß durch abfließendes oder stehendes Wasser keine Gefahr für das Gemeinschaftseigentum mehr bestehe, möglicherweise würde sie von den Eigentümern die Nutzung von Gemeinschaftseigentum erbitten.

2

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.

3

Der Verwalter ist der Auffassung zu Tagesordnungspunkt 2 sei das Protokoll ordnungsgemäß.

4

Wegen der Einzelheiten wird zunächst auf den Beschluß des Amtsgericht vom 7.3.1985 und auf die ferner gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

5

Das Gericht hat zur Frage Beweis erhoben durch Vernehmung der Beteiligten und Zeugen Frau Sch. und Herr W. sowie durch schriftliche Anhörung der an der Eigentümerversammlung beteiligten Damen L.. Frau F., Frau Magdalene W., Frau D., Eheleute F., Eheleute K. und Dr. med. P.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 7.3.1985 sowie auf die - den Parteien in Fotokopie ausgehändigten Erklärungen der genannten Personen Bezug genommen.

6

I.

Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig.

7

Zwar entspricht er nicht einem Antrag nach § 43 Abs. 1 Ziffer 4 auf Feststellung, ob ein Beschluß der Wohnungseigentümer richtig zustande gekommen ist. Nach dem Text des Protokolls ist nämlich überhaupt gar kein Beschluß gefasst worden. Vielmehr liegt lediglich eine verbindliche Erklärung der Antragstellerin vor. Dennoch ist das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin auf ordnungsgemäße Protokollierung ihrer Erklärungen zu bejahen. Zum Top 2 hätte die Eigentümergemeinschaft einen Beschluß dahin fassen können, daß der Antragstellerin die Sanierung ihres Balkons als Pflicht auferlegt worden wäre. Diesem Beschluß ist die Antragstellerin dadurch entgangen, daß sie von sich aus eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben hat. Daher brauchte zu einem derartigen Beschluß nicht zu kommen. Wenn es aber gemäß § 49 Abs. 1 Ziffer 4 möglich ist, die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen durch Gerichtsurteil nachprüfen zu lassen, dann muß es auch möglich sein, die ordnungsgemäße Protokollierung und von Verpflichtungserklärungen überprüfen zu lassen, die einen entsprechenden Beschluß ersetzen.

8

Das Feststellungsbegehren der Antragstellerin ist mithin als zulässig im Rahmen eines WEG-Verfahrens anzusehen.

9

II.

Das Feststellungsbegehren ist jedoch sachlich unbegründet. Das Protokoll ist sachlich richtig und gibt den entscheidenden Teil der Erklärungen der Antragstellerin zutreffend wieder.

10

1.

Der Vortrag der Antragstellerin ist in sich unschlüssig und unglaubhaft. Zunächst hat die Antragstellerin vorgetragen, der gesamte Text zum Tagesordungspunkt w2 sei unrichtig. In der mündlichen Verhandlung vom 7.3.1985 hat sie einen wesentlichen Teil des dort protokollierten Textes für doch richtig erklärt. Sie räumt also nunmehr ein, daß sie die freigelegten Armierungseisen und noch herausragenden Befestigungsbolzen auf ihre Kosten beseitigen werde. Ihr Antrag festzustellen, daß sie nicht erklärt habe, sie wolle den Bodenbelag instand setzen, wird von ihrem eigenen Vortrag nicht mehr gedeckt. Durch den bereits bei der Vernehmung der Zeugen Sch. und W. angeklungenen Behauptung, die dann im nachgereichten Schriftsatz vom 27.3.1985 präzisiert wurde räumt die Antragstellerin nunmehr ein, daß sie die verpflichtende Erklärung abgegeben hat, den Bodenbelag ihres Balkons instandzusetzen. Sie will nunmehr die Erklärung unter der Bedingung abgegeben haben, sie wolle zunächst einen Sachverständige befragen, ob die Renovierung notwendig sei. Damit gibt die Antragsstellerin zu, daß der wesentliche Teil des Protokolls richtig protokolliert ist und sie eine entsprechende Erklärung zu dem Bodenbelag ihres Balkons abgegeben hat. Damit kann ihr Antrag, da sie überhaupt Erklärungen dieser Art nicht abgegeben habe, nicht mehr für gerechtfertigt angesehen werden.

11

2.

Ihre nunmehr aufgestellte Behauptung, sie wolle den Balkon nur dann sanieren, wenn dies zuvor von einem Sachverständigen für notwendig erachtet worden sei, ist widerlegt.

12

Das Gericht hat zu dazu die beiden Miteigentümer Frau Sch. und Herrn W. befragt. Diese beiden haben glaubwürdig ausgesagt daß in der Versammlung vom 27. November 1984 zu diesem Punkt nicht von einem Sachverständigen gesprochen worden ist. Das Gericht glaubt den Zeugen und nicht der Antragstellerin, die in ihrem Vortrag derartig abweichende Erklärungen vorgebracht hat.

13

3.

Zwar liegt inzwischen die Erklärung des Ehemannes der Antragstellerin vor, in der er mitteilt, er habe in der Eigentümerversammlung vom 27.11.1984 mitstenografiert. Wörtlich schreibt er weiter: "In meinem Stenogramm heißt es: Frau Dr. P. wird einen Fachmann oder Sachverständigen befragen und falls durch stehendes oder abfließendes Wasser Gefahr für das Gemeinschaftseigentum besteht, den Fliesenbelag instandsetzen. Möglicherweise würde sie dazu Veränderungen an der Bodenplatte (Gemeinschaftseigentum) erbitten." Diese Erklärung bestätigt die 3. Version, die die Antragstellerin von ihren Erklärungen zum Tagesordnungspunkt 2. abgegeben hat. Aufgrund dieser Erklärung ihres Ehemannes mußte der Klagantrag zurückgewiesen werden. Der Klagantrag lautet nach wie vor dahin, daß sie überhaupt keine Erklärung zum Bodenbelag ihre Balkons abgegeben hat. Der Ehemann aber bestätigt zumindestens, daß sie sich unter Bedingungen dazu verpflichtet habe.

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Es muß aber auch als zweifelhaft erscheinen, ob das Stenogramm des Zeugen Dr. P. zutreffend ist. Zum einen sprechen die beiden vernommenen Zeugen ausdrücklich davon, daß von einem Sachverständigen nicht die Rede war.

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Wenn die Antragstellerin so großen Wert auf genaue Protokollierung legt, daß sie ihren Ehemann bittet, in der Versammlung ein Stenogramm zu führen, dann ist das weitere Verhalten der Antragsteller in völlig unerklärlich. Die Antragstellerin hat nicht in Abrede genommen, daß sie den Protokollentwurf erhalten hat, der in ihrer Praxis am 5.12.1984 abgegeben wurde. Wenn sie, wie sie jetzt darlegt, solchen Wert auf den genauen Wortlaut ihrer Erklärung gibt, dann hätte sie sofort die entsprechenden Änderungswünsche vortragen müssen. Dann hätte es jedoch auch ein leichtes sein müssen, anhand des Stenogrammes ihres Mannes einen richtigen Klagantrag zu stellen. Dann hätte es ihr doch auch nicht unterlaufen können, daß sie zunächst behauptet hat, sie hätte überhaupt keine Erklärungen abgegeben um dann später 2 mal weitere Erklärungen zuzugeben. Wenn der Antragstellerin ein Wortprotokoll der Versammlung zur Verfügung stand, warum hat sie dann nicht dieses Wortprotokoll herangezogen, als sie die Beschlüsse anfechten wollte? Warum hat sie dann nicht von Anfang an den Text den sie jetzt weiß, herangezogen? Warum hat sie zunächst völlig andere Behauptungen aufgestellt und jegliche Art von Verpflichtungserklärung bestritten? Warum hat sie nicht bereits den Protokollentwurf vom 5. Dezember 1984 für verbesserungswürdig erklärt und auf entsprechende Änderung gedrängt? Zu allen diesen Fragen hat die Antragstellerin nicht einmal versucht eine angemessene Erklärung vorzubringen. Es wäre denkbar, daß man unter Umständen auch folgende Erwägungen anstellen kann: Wenn die Antragstellerin anhand des Wortprotokolls den genauen Inhalt kannte und dennoch völlig andere Behauptungen zu Prozeßbeginn aufstellte, ob dann nicht möglicherweise der Verdacht eines Prozeßbetruges ausgesprochen werden kann. Es ist aber auch denkbar, daß die Erklärung des Zeugen Dr. P. unzutreffend ist, wonach er ein Wortprotokoll aufgenommen hat.

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Schließlich bleibt die Frage unbeantwortet, warum die Antragstellerin nicht längst den von ihr vorgezeichneten Weg beschritten hat. Wenn sie wirklich die Sanierung ihres Balkons nur dann durchführen lassen wollte, wenn zuvor ein Fachmann ihr die Notwendigkeit bestätigte, so bleibt die Frage offen, warum sie nicht bereits seit geraumer Zeit einen Sachverständigen mit dieser Frage beauftragt hat. Wenn man die 3. Version, die die Antragstellerin dem Gericht vorgelegt hat, als wahr zugrunde legt, dann hat sie am 27. November 1984 erklärt, sie werde ihren Balkon sanieren, wenn dies von einem Fachmann für notwendig erklärt wurde. Dann aber hätte sie längst den Sachverständigen beauftragen können; es hätte während des Rechtsstreites bereits das Ergebnis dieser Prüfung vorgebracht werden können. Dann hätte sogar eine Entscheidung in der Sache selbst möglich werden können. Es hat den Anschein, daß die Antragstellerin ihre nunmehr von ihr zugegebenen Verpflichtungserklärungen vom 27. November 84 selbst nicht ernst nehmen will oder aber zumindest versucht, die ihr hieraus erwachsenden Verpflichtungen vor sich herzuschieben.

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Damit scheint auch das Motiv für diesen Rechtsstreit offengelegt: Die Antragstellerin hat offenbar die zutreffende Protokollierung nur deshalb angefochten, um Zeit zu gewinnen, ihren Verpflichtung nicht sogleich nochkommen zu müssen.

18

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Gesamtverfahrens folgt aus den §§ 47 WEG. Dabei hat sich das Gericht zugleich an die grundlegende Norm des § 91 ZPO gehalten. Da die Antragstellerin in allen Punkten unterlegen ist, hat sie auch die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Gegners zu tragen.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird zu TOP 2 auf DM 1.000.- (insgesamt für den Streit also auf 7.800,- DM) festgesetzt.

Bei der Festsetzung des Streitwertes gem. § 48 Ziffer 2 WEG hat das Gericht die Sanierung des Balkons mit mindestens 1000,- DM geschätzt und in dieser Höhe den Streitwert auch festgesetzt.

(Dr. Henze) Richter am Amtsgericht