Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 27.01.2009, Az.: 3 WF 4/09

Erfordernis einer mündlichen Anhörung von Eltern i.R.e. Sorgerechtsverfahrens im Hinblick auf das Entstehen einer Terminsgebühr

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
27.01.2009
Aktenzeichen
3 WF 4/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 29769
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2009:0127.3WF4.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 01.12.2008 - AZ: 44 F 37/07

Fundstellen

  • AGS 2009, 441-442
  • OLGR Braunschweig 2009, 625-626

Verfahrensgegenstand

Elterliche Sorge für ...

Redaktioneller Leitsatz

Die Regelung in Ziff. 3104 Abs. 1 Nr. 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG findet in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit über die elterliche Sorge keine Anwendung. Auch soweit nach § 50a FGG eine Anhörung der Beteiligten erfolgen soll, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass in Sorgerechtsverfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben oder aber eine die entsprechende Anwendung des Gebührentatbestandes gebietende ähnliche Situation gegeben sei.

In der Familiensache
...
hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. N als Einzelrichterin
am 27. Januar 2009
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 15.12.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Göttingen vom 01.12.2008 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 06.01.2009 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

1.

Unter dem 15.02.2007 hat die Antragstellerin die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für ihren Sohn beantragt. Nachdem der Antragsgegner dem zunächst schriftlich unter dem 19.03.2007 widersprochen hatte, hat er sich mit weiterem Schreiben vom 26.05.2007 mit einer Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Antragstellerin einverstanden erklärt. Ohne Anberaumung eines Termins hat das Amtsgericht sodann durch Beschluss vom 01.06.2007 die elterliche Sorge mit Zustimmung des Kindesvaters auf die Kindesmutter übertragen.

2

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat unter dem 01.11.2007 einen Prozesskostenhilfe-Vergütungsantrag gem.§ 49 RVG eingereicht und darin u.a. eine Terminsgebühr nach einem Gegenstandswert von 3.000,00 EUR in Höhe von 226,80 EUR zuzüglich anteiliger Mehrwertsteuer geltend gemacht. Nachdem die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle diese Gebühr zunächst zugebilligt hatte, hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht gem. § 56 RVG Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung eingelegt. Mit Beschluss vom 17.09.2008 hat die Kostenbeamtin der Erinnerung abgeholfen und 283,18 EUR von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zurückgefordert. Gegen den am 18.09.2008 zugestellte Beschluss hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit einem am 05.10.2008 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass nach der Entscheidung des Schleswig - holsteinischen Oberlandesgerichts vom 30.03.2007, 15 WF 41/07 der Gebührentatbestand der Nr. 3104 Abs.1 Nr. 1 VV RVG anzuwenden sei. Eine Terminsgebühr sei daher angefallen. Das Amtsgericht hat diesen Rechtsbehelf als Erinnerung gewertet und durch den Beschluss vom 01.12.2008 zurückgewiesen. Der nach Zustellung dieses Beschlusses am 11.12.2008 am 16.12.2008 eingegangenen Beschwerde hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 06.01.2009 nicht abgeholfen.

3

2.

Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

4

Entgegen der Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist eine Terminsgebühr gem. Ziff. 3104 Abs. 1 Nr. 1 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG(VV RVG) hier nicht entstanden. Nach diesem Gebührentatbestand entsteht eine Terminsgebühr, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 oder § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Eine derartige Situation liegt in dem hier anhängigen Sorgerechtsverfahren nicht vor. Zwar enthält § 50 a FGG eine Regelung, wonach eine Anhörung der Beteiligten erfolgen soll. Dies rechtfertigt indes nicht die Annahme, dass in Sorgerechtsverfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben oder aber die eine entsprechende Anwendung des Gebührentatbestandes gebietende ähnliche Situation gegeben ist.

5

Auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig vom 30.03.2007, 15 WF 41/07, kann die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nicht berufen. Das Oberlandesgericht Schleswig (a.a.O., zitiert nach [...] , Rn.4-6) stützt seine Auffassung, eine analoge Anwendung von Ziff. 3104 Abs.1 Nr. 1 VV RVG sei in Sorgerechtsverfahren gerechtfertigt darauf, dass die einschlägigen Bestimmungen der§§ 50 a und 50 b FGG eine mündliche Verhandlung über die elterliche Sorge "gebieten", was eine zwingende persönliche, also mündliche Anhörung der Eltern bedeute. Diese Auffassung, die in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt geblieben ist, vermag nicht zu überzeugen. Zu folgen ist vielmehr der ganz herrschenden Meinung, wonach die Regelung in Ziff. 3104 Abs. 1 Nr. 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit über die elterliche Sorge nicht zur Anwendung gelangt (so OLG Köln, Beschl. v. 21.06.2007 4 WF 32/07, zitiert nach [...], Rn. 5 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 24 04.2008 21 WF 103/08, zitiert nach [...], dort Rn. 3; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.05.2008 13 WF 391/08, zitiert nach [...], Rn. 6 f.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.07.2006 8 WF 96/06 zitiert nach [...], Rn. 3, 4; Gerold/Schmid/Müller-Rabe, RVG, 32. Aufl., Rn. 32 zu VV Nr. 3104; Hartmann, Kostengesetze 2008, Rn. 18 zu § 3104 VV; Schneider/Wolf RVG 3. Aufl. Rn. 19 zu § 3104 VV). Bei der in den §§ 50 a, 50 b FGG vorgesehenen Anhörung der Eltern und des Kindes handelt es sich nicht um eine mündliche Verhandlung, wie sie in Ziff. 3104 VV Abs. 1 Nr. 1 gemeint ist. Die Anhörung dient nämlich nicht vorrangig der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks durch das Gericht (OLG Stuttgart Beschl. v. 14.07.2006 8 WF 96/06 zitiert nach [...], dort Rn. 4; vgl. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O. Rn. 32 zu Nr. 3104 VV). Aus diesem Grunde liegt auch eine andere Situation vor als etwa in den Verfahren nach dem früheren Wohnungseigentumsgesetz, für die der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 09.03.2006 (V ZB 164/05, zitiert nach [...]) die Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG bejaht hat.

6

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG.