Landgericht Oldenburg
Urt. v. 28.07.1994, Az.: Ks 115 Js 41837/93 (SG 7/94)
Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe im Rahmen einer Verurteilung wegen Mordes; Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Nichtvorliegen einer besonderen Schwere der Schuld eines Angeklagten bei Initiierung des Tatplans durch einen unbekannt gebliebenen Dritten
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 28.07.1994
- Aktenzeichen
- Ks 115 Js 41837/93 (SG 7/94)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 23897
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1994:0728.KS115JS41837.93SG.0A
Rechtsgrundlagen
- § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB
- § 211 Abs. 1 StGB
Verfahrensgegenstand
Mord
...
hat die V. große Strafkammer des Landgerichts in Oldenburg (Oldb.)
in der Sitzung vom 28. Juli 1994,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht Otterbein als Vorsitzender,
Richter am Landgericht Pruggmayer,
Richterin am Landgericht Heiß als beisitzende Richter,
Studienrätin Susanne Hullmann-Stutz, Oldenburg, kaufmännischer Angestellter Clemens Blömer, Dinklage, als Schöffen,
Staatsanwalt Neese als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt Baisch, Bremen,
Rechtsanwalt Burchardt, Oldenburg, als Verteidger,
Justizangestellte Kerkhoff als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
fürRecht erkannt:
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen Mordes zu einer
lebenslangen Freiheitsstrafe
verurteilt.
Er trägt die Kosten des Verfahrens.
Es wird festgestellt, daß ein Regelfall des § 57 a Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB vorliegt.
Angewendete Strafvorschriften:§§ 211 Abs. 1, 2, 25 Abs. 2 StGB.
Gründe
I.
1.
Der Angeklagte ist albanischer Staatsangehöriger. Sein Vater war von Beruf Steinmetz, zuletzt als Vorarbeiter in einem steinverarbeitenden Kombinat. Die Mutter war bis 1982 als Arbeiterin tätig. Seit 1982 ist sie gelähmt, an das Bett gefesselt und pflegebedürftig.
Der Angeklagte wuchs mit zwei Brüdern und einer Schwester und seinen Großeltern im väterlichen Haushalt in Tirana auf. Der Angeklagte besuchte einen Kindergarten und anschließend die Hauptschule, die er nach sieben Jahren ohne regulären Abschluß verließ. Dabei wiederholte er mehrere Klassen und war trotz Sonderförderungsmaßnahmen nicht in der Lage, den Schulabschluß zu erreichen und blieb Analphabet. In der Grundschule war er bereits wegen ungewöhnlichen Verhaltens aufgefallen, das auf psychische Störungen hindeutete.
In der Folgezeit arbeitete er als Kraftfahrer und Maurer und trug so zum Familienunterhalt mit bei.
Am 2. Juli 1990 nahm der Angeklagte in der albanischen Hauptstadt Tirana an einer Massendemonstration gegen das sozialistische Führungssystem des Landes teil, mit der der Unwille der Bevölkerung gegen die politische Bevormundung und vor allem über die zusammenbrechende wirtschaftliche Versorgungslage zum Ausdruck gebracht werden sollte. Im Laufe der Demonstration kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften. Aus Angst vor Verfolgung flüchtete der Angeklagte auf das Gelände der Botschaft der Volksrepublik China. Er wurde jedoch aus dem Botschaftsgebäude gewiesen und anschließend von den albanischen Sicherheitskräften festgenommen. Nach etwa drei Monaten wurde der Angeklagte im Oktober 1982 wieder auf freien Fuß gesetzt. In der Polizeihaft war er vier Tage lang schwer mißhandelt worden, unter anderem mit Schlägen, die am ganzen Körper zu Blutergüssen und Schwellungen geführt hatten. Seither litt der Angeklagte an Angstzuständen und traute sich nicht alleine auf die Straße.
Da die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nicht änderten, flüchtete der Angeklagte einige Monate später zusammen mit zahlreichen anderen jungen Albanern, die damals massenweise ihr Heimatland verließen, zu Schiff nach Italien. Von dort aus gelangte er am 27. April 1991 in die Bundesrepublik Deutschland. Als sogenannter Kontingentflüchtling ist er im Besitze einer von den deutschen Behörden erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Der Angeklagte kam zunächst für etwa sechs bis sieben Wochen nach Braunschweig, dann nach Bremen und von dort auf sein Betreiben nach Delmenhorst, weil sich hier, wie er inzwischen erfahren hatte, sein jüngerer und ebenfalls geflohener Bruder ... aufhielt.
Mitte Juli 1991 erhielten beide Brüder durch Vermittlung des Delmenhorster Ordnungsamtes einen Wohnplatz in einer Gemeinschaftsunterkunft für Albaner in der Adelheider Straße 64 in Delmenhorst. Zwischenzeitlich ist der Bruder ... aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und bewohnt in Delmenhorst eine eigene Wohnung. Stattdessen ist um Ende 1991/Anfang 1992 zu dem Angeklagten dessen älterer Bruder ... mit seiner Frau ... nebst Kind gezogen.
2.
Als der Angeklagte 9 Jahre alt war, wurde er von einem anderen Jungen mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen. In der Folgezeit konnte der Angeklagte phasenweise nicht reden und suchte irgendwie Beistand bei seinem Vater. Er litt unter Absencen und war dann nicht ansprechbar. Mehrere Male fiel er als Junge plötzlich ohne erkennbaren Anlaß bewußtlos um umd mußte - noch bewußtlos - in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Der Vater suchte in der Folgezeit mit dem Angeklagten wiederholt Ärzte auf, die ihm jedoch nicht durchgreifend helfen konnten. 1985/86 ließ der Vater Medikamente zur Behandlung psychischer Störungen nachärztlicher Verordnung aus Österreich holen.
Anfang 1988 wurde der Angeklagte zum Wehrdienst eingezogen. Wegen unklärbarer Aggressionsschübe ohne erkennbaren Anlaß, wegen tätlicher Angriffe auf Kameraden ohne nachvollziehbaren Grund und Essensverweigerung wurde er im April 1988 mit Verdacht auf psychotische Störungen in die Psychiatrie des zentralen Militärkrankenhauses in Tirana eingewiesen, wo er zu längerer stationärer Behandlung verblieb. Der Angeklagte litt an einer akuten Psychose, die von Schreianfällen, Zittern am ganzen Körper begleitet und wiederum durch Stumpfheit und schwere Kopfschmerzen abgelöst wurde. Die Verhaltensauffälligkeiten führten unter anderem dazu, daß der Angeklagte von Offizieren an seinem Bett fixiert wurde. Einmal entwich der Angeklagte in Patientenkleidung aus dem Krankenhaus. Ergänzend wurde er auf der neurologischen Abteilung des Krankenhauses untersucht. Er wurde längere Zeit mit Chlorpromazin und Meleril behandelt, wobei sich sein Zustand jedoch nicht merklich besserte. Der Angeklagte klagte weiterhin über ständigen starken Kopfschmerz, war stark depressiv, zog sich ganze Tage in das Bett zurück und war oft nicht richtig ansprechbar. Nach einem gescheiterten Versuch, seinen Zustand durch einen erneuten Einsatz beim Militär außerhalb des üblichen Dienstes ohne Waffe und ohne psycho-emotionelle Belastung zu bessern, wurde er nach kurzer Zeit in noch schlechterem Zustand mit zusätzlichen Schlafstörungen nach erneuten Impulsdurchbrüchen wieder in dasselbe Krankenhaus eingeliefert, wobei bei ihm eine "explosive Psychopathie" diagnostiziert wurde. Am 3. Juni 1988 wurde er auf Dauer aus der Armee ausgemustert.
Der Vater des Angeklagten kam zu dem Schluß, daß der Angeklagte auf sich gestellt nicht im Leben würde bestehen können, und gab ihn seinen Brüdern in Obhut.
3.
Der Angeklagte ist bestraft:
Am 27. Januar 1992 verurteilte ihn die Jugendkammer des Landgerichts Oldenbvurg (als Erwachsenden), seinen Bruder ... (als Heranwachsenden) und einen dritten Albaner (als Jugendlichen) wegen gefährlicher Körperverletzung. Gegen den Angeklagten wurde eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährung wurde mit Beschluß vom 16. März 1994 widerrufen. Seit dem 2. Juni 1994 verbüßt der Angeklagte in Unterbrechung der in dieser Sache laufenden Untersuchungshaft die Freiheitsstrafe von einem Jahr.
Dieser Verurteilung lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Gegen Mitternacht vom 19. auf den 20. Juli 1991 hielten sich der Angeklagte, dessen Bruder ... und ein dritter Albaner in der Diskothek "Heaven" in Delmenhorst auf, wo sie im "Zickzack-Gang" durch die Tanzenden gingen, um diese zu provozieren. Dabei kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit drei Türken, zu denen auch ... gehörte, die damals noch mit dem ..., einem türkischen Staatsangehörigen, befreundet war. Nachdem die kurze verbale Auseinandersetzung beendet war und die Türken zunächst weiter getanzt hatten, machten die drei Türken am Rande der Tanzfläche eine kurze Pause. Plötzlich kam der Angeklagte auf sie zu, faßte sie alle drei gleichzeitig und schleuderte sie ohne konkreten Anlaß in einem einzigen gewaltigen Kraftakt gemeinsam von der Tanzfläche. Die drei Türken, beeindruckt von diesem Kraftakt, zogen sich ohne Aufbegehren von der Tanzfläche zu einer Theke zurück, wo sie sich ein Bier bestellten. Hier griff der Angeklagte, ohne dafür irgendeinen berechtigenden Grund zu haben, ohne Vorwarnung einen der Türken tätlich an. Er packte ihn von vorn, hob ihn hoch und warf ihn zunächst mit Gewalt rücklings auf den Tresen. Dann riß er ihn von dort herunter, so daß der Türke mit dem Rücken auf dem Fußboden zu liegen kam und sein Hinterkopf auf den Boden schlug. Der Angeklagte hockte sich nun auf ihn und schlug ihm mindestens zweimal mit voller Wucht mit der Faust in das Gesicht. Hieran schloß sich eine allgemeine Schlägerei an, in deren Verlauf der Angeklagte ein knüppelähnliches, nicht näher indentifiziertes Schlagwerkzeug benutzte und damit einem seiner Opfer auf den Kopf schlug. Der Angeklagte war nach den Feststellungen der Jugendkammer zur Tatzeit voll schuldfähig.
4.
Der Angeklagte wurde in dieser Sache am 25. August 1993 vorläufig festgenommen. Am 26. August 1993 erließ der Amtsrichter in Delmenhorst gegen ihn Haftbefehl wegen des Verdachts des Totschlags und eines Waffendelikts.
II.
1.
Nachdem der Angeklagte nach Delmenhorst gekommen und zusammen mit seinem Bruder ... in der Adelheidstraße 64 untergekommen war, wollte er seinen Bruder ... nachkommen lassen. Dazu benötigte er Geld, das er nicht hatte. Er bezog einzig Sozialhilfe. Daher kam er auf den Gedanken, bei einem Landsmann einen Kredit aufzunehmen. Er sprach deshalb etwa im Frühjahr 1992 den ... an, der ihm bereits von Albanien her bekannt war und dem er Rückzahlung innerhalb von drei Tagen versprach. Dieser händigte ihm daraufhin den erbetenen Betrag von 1.200,00 DM aus. Der Angeklagte zahlte jedoch in der Folgezeit lediglich einen Teilbetrag von 200,00 zurück, während er ... wegen des Restes laufend vertröstete.
2.
Gegen Mitte Juli 1993 traf der Bruder des ..., aus Heidelberg kommend in Delmenhorst ein.
Dieser war als gewalttätig bekannt.
So hatte er kurze Zeit vor seiner Abreise am 14. Juni 1990 aus Albanien nach Deutschland in einer Gaststätte in Tirana die Gäste eines Restaurants massiv mit einem Gewehr bedroht und einen Schuß abgefeuert, der jedoch niemanden getroffen hatte.
In Deutschland war er vom Amtsgericht in Heidelberg am 12. November 1990 und am 4. Dezember 1991 im ersten Falle wegen versuchter räuberischer Erpressung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von l Jahr auf 3 Jahre zur Bewährung und im zweiten Falle wegen Betruges, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr ohne Bewährung verurteilt worden. Nachdem in dem ersten Verfahren die Bewährung widerrufen worden war, hatte er die erste Strafe am 3. Juli 1993 und die zweite Strafe am 21. Juni 1992 verbüßt.
Beiden Verurteilungen lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
- a)
... hatte im Juli/August 1990 in einem Ausländer wohnheim in Heidelberg gewohnt. Am 3. August 1990 hatte er das Zimmer der ... und ... betreten und ... vergeblich aufgefordert, ihm Bargeld und Zigaretten zu geben. Daraufhin hatte er Frau ... mehrfach in das Gesicht geschlagen und aufgefordert, ihm Zigaretten und den Schlüssel zu einem Schrank herauszugeben, in dem üblicherweise Geld aufbewahrt worden war. ... hatte sich daraus eine Beute von etwa 140,00 DM erhofft. Als die Mitbewohnerin ... hatte aus dem Zimmer flüchten wollen, hatte er diese festgehalten, ihr den Arm umgedreht und sie mehrfach geohrfeigt. Er hatte nun auch von ihr Zigaretten und den Schrankschlüssel gefordert. Frau ... hatte sich jedoch ... entziehen und Hilfe herbeiholen können.
- b)
Am 28. Januar 1991 hatte ... beim Arbeitsamt in Heidelberg einen Antrag auf Förderung der Teilnahme an einem Deutschkurs gestellt. Obwohl er bereits am 6. Februar 1991 den Kurs abgebrochen hatte, hatte er dennoch das für die Kursteilnehmer vorgesehene Eingliederungsgeld von etwa 1.500,00 DM widerrechtlich kassiert.
Zwischen Mitte Mai und dem 26. Mai 1991 hatte ... die Asylstelle der Stadt Heidelberg aufgesucht und vergeblich versucht, von dem Bematen Bargeld zu erhalten, wobei er auffällig mit einem 30 cm langen Messer hantiert hatte, um seinem Ansinnen so mehr Nachdruck zu verleihen.
Am 26. Mai 1990 hatte der Angeklagte zusammen mit einem anderen Albaner die Asylstelle in Heidelberg aufgesucht, um widerrechtlich für seinen Begleiter eine Bescheinigung zu erhalten, wonach dessen Verwandtschaft der Stadt Heidelberg zugewiesen worden sei. ... hatte zur Durchsetzung der Forderung die Zimmertür verschlossen, den Beamten gehindert, das Telefon zu benutzen, ihm auf die Finger geklopft und ihn daran gehindert, selber die Tür aufzusperren. Zermürbt hatte der Beamte schließlich die verlangte Bescheinigung ausgestellt.
Am 29. Mai 1991 war ... vor der Gaststätte "Lauer 18" in Heidelberg mit einigen deutschen Personen in Streit geraten. Er hatte dabei einen Blutalkohol von 2,4 %. Im Verlaufe dieses Streites hatte ... grundlos ein Messer gezogen und es gegen einen der Beteiligten gerichtet, um diesen zu verletzen. Durch das Eingreifen Dritter und das Zurückweichen des Opfers war der Eintritt eines Körperschadens verhindert worden.
3.
Nach seiner Entlassung aus Strafhaft in Heidelberg, was bei den Albanern in Delmenhorst allgemein und auch dem Angeklagten bekannt war, war ... nach Delmenhorst gefahren. Hier wohnte er wechselnd bei Landsleuten, weil sein Bruder ... in seiner Wohnung nicht genügend Platz hatte. Zuletzt hielt er sich bei ... in der Düsternortstraße 98 in Delmenhorst auf.
4.
In den unmittelbaren Wochen vor der hier abgeurteilten Tat verhielt sich der Angeklagte unauffällig und normal.
5.
Am 24 August 1993 suchte ... gegen 23.00 Uhr den Angeklagten in dessen Wohnung auf, um dort - wie bei ihm üblich zu trinken und ihn an die Rückzahlung seiner Schuld zu erinnern. Dort traf er neben dem Angeklagten den ... an, einen albanischen Landsmann. Der Bruder des Angeklagten, ... dessen Ehefrau ... und ihre beiden Kinder hielten sich in ihrem Schlafzimmer in der Wohnung auf. ... gab ... 14,00 DM, um aus der in der Nähe befindlichen Tankstelle eine Flasche Korn und eine Flasche Limonade zu kaufen. ... und ... tranken jeder im Laufe des Abends etwa die Hälfte der Flasche Korn, während der Angeklagte keinen Alkohol trank. Während man sich freundschaftlich unterhielt, berichteten der Angeklagte und ..., daß man bald beabsichtige, gemeinsam Deutschland zu verlassen und nach Albanien zurückzukehren oder in ein anderes Land, beispielsweise Italien, zu gehen. Als ... dies hörte, verlangte er von dem Angeklagten die sofortige Rückzahlung der noch offenen 1.000,00 DM. Der Angeklagte versuchte, ... wie bisher zu vertrösten. Dieser ließ sich jedoch nicht darauf ein, sondern verlangte energisch sein Geld. Der Angeklagte forderte ... nun auf, die Wohnung zu verlassen, und versprach, daß er sofort 400,00 DM und den Rest in Teilbeträgen erhalten werde. Während dieser, teilweise lauter geführten Gespräche klingelte es an der Wohnungstür. Draußen stand ..., der Einlaß begehrte. Nachmittags hatte er von seinem Bruder erfahren, daß der Angeklagte ihm noch Geld schulde und daß er sich dieses nun am Abend holen wolle. Er forderte jetzt ebenfalls massiv dessen Rückzahlung. Falls der Angeklagte verschwinde, werde man sich an dessen Brüder und Schwägerin halten. Bei einer Nichtzahlung habe der Angeklagte mit ernsten Problemen zu rechnen. ... trank ein Glas Korn und verließ danach die Wohnung des Angeklagten. Zuvor mahnte er den Angeklagten, daß man endlich Geld sehen wolle, so gehe es nicht weiter. Der Angeklagte versprach für den nächsten Tag wahrheitswidrig eine Teilzahlung. Tatsächlich hatte er kein Geld und wußte auch nicht, woher er welches beschaffen sollte. Er bezog nach wie vor nur Sozialhilfe. Ihm war jedoch klar geworden, daß ... sich nicht länger werde vertrösten lassen wollen und daß ihm in ..., der schon im Gefängnis gesessen hatte, ein gefährlicher Gegner erwachsen war. Er war sich sicher, daß ... am 25. August 1993 wieder erscheinen würde, um unbedingt die versprochene Teilzahlung zu kassieren.
6.
Am 25. August 1993 traf der Angeklagte in der Delmenhorster Innenstadt nachmittags zufällig .... Nachdem man zusammen einen Kaffee getrunken hatte, ging man gemeinsam in die Wohnung des Angeklagten in der Adelheider Straße 64. Dort traf man gegen 17.00 bis 17.30 Uhr ein. Die Schwägerin des Angeklagten, ..., brachte dem Angeklagten und seinem Begleiter ein Spaghettigericht. ... aß davon und ging gegen 18.00 Uhr zu seinem Landsmann ... und dessen Bekannter .... In der Wohnung des Angeklagten sah ... keine Waffe liegen. Auch aus den Gesprächen mit dem Angeklagten entnahm er keinen Hinweis darauf, daß der Angeklagte irgendwelche Vorbereitungen dafür getroffen hatte, falls ... oder dessen Bruder bei ihm auftauchen und ihn bedrohen sollten.
7.
Nachdem ... den Angeklagten gegen 18.00 Uhr verlassen hatte, traf sich der Angeklagte mit einem unbekannt gebliebenen Dritten. Mit diesem kam erüberein, ..., wenn dieser zum Kassieren der zugesagten Rate von 400,00 DM erscheine, gemeinsam zu töten, wobei sich jeder den Tatbeitrag des anderen wie seinen eigenen zurechnen lassen wollte. Zugunsten des Angeklagten ist die Kammer dabei davon ausgegangen, daß der Vorschlag dazu von dem unbekannt gebliebenen Dritten kam.
Der Angeklagte handelte dabei in der Absicht, sich durch die Tötung des ... von den nun drückend gewordenen Schulden gegenüber ... zu befreien. Er war sich dabei sicher, daß der Gläubiger es nach dem Tod des ..., seines Bruders nicht mehr wagen würde, die Forderung gegen ihn geltend zu machen, so daß er wirtschaftlich von ihr befreit sein würde.
Da man damit rechnete, daß sich ... nicht ohne erhebliche Gegenwehr in sein Schicksal ergeben würde, sollte er nichtsahnend in das Wohnzimmer gebeten und dann, wenn er sich arglos keines Angriffs versah und wehrlos war, gemeinsam mit Schrotschüssen aus zwei Waffen von der Wohnzimmertür her unversehens erschossen werden.
Da die Tat nicht unentdeckt bleiben würde, planten der Angeklagte und der unbekannt gebliebene Dritte, daß der Angeklagte unmittelbar nach ihrer Durchführung zu dem in der oberen Wohnung lebenden Hausmitbewohner ... gehen und diesen bitten sollte, Krankenwagen und Polizei zu verständigen. Während des Telefonats wollte der unbekannt gebliebene Dritte unter Zurücklassen der von ihm verschossenen Patronenhülsen ungesehen mit der von ihm verwendeten Waffe aus der Wohnung verschwinden, um so den Eindruck der Alleintäterschaft des Angeklagten zu erwecken. Dieser sollte sich gegenüber der Polizei auf Notwehr berufen. ... sollte ihn in der Nacht zuvor mit einer Pistole oder Revolver bedroht haben. Als er am Tattage in der Wohnung erschienen sei, habe dieser ihn sofort körperlich angegriffen. Bei dem sich anschließenden Gerangel, habe er einen schwarzen Gegenstand in ... Jacke gesehen, den er für die Pistole gehalten habe. Dabei war allgemein bekannt, daß ... stets ein Messer in seiner Jacke bei sich trug. Er habe deshalb angenommen, daß ... ihn nun erschießen werde. Er, der Angeklagte, habe deshalb nach seiner eigenen Schußwaffe, einer abgesägten. Doppelflinte, gegriffen und damit ... in Notwehr erschossen. Der Angeklagte und der unbekannt gebliebene Dritte hielten dies für einen sicheren Weg, so straffrei beziehungsweise unbekannt zu bleiben.
Beide waren sich einig, in der vorgesehenen Weise vorzugehen.
8.
Gegen 18.40 Uhr erschien ... in der Wohnung des Angeklagten in der Adelheider Straße 64. Nach seinem Klingeln wurde er in die Wohnung gelassen und in das Wohnzimmer gebeten.
Das Wohnzimmer mißt etwa 4,50m × 3,70m, wobei im Türbereich jeweils etwa 1 m abgeht, weil die Wohnzimmertür in einem Winkel von etwa 45 zu den Wänden steht.
Schaut man von der Tür aus von links nach rechts in den Raum, steht unmittelbar links von der Tür an der. Wand eine mit Stoff bezogene Couch. An der sich anschließenden Wand befindet sich das etwa 2 1/4m breite Fenster. Vor dem Fenster steht eine dreisitzige gelbfarbene Kunstledercouch. An der sich anschließenden Wandseite befindet sich eine dreisitzige dunkelfarbene Couch. In der Wohnzimmerecke steht ein Fernseher mit Rundfunkgeräten. An der von der Tür aus gesehen rechten Wand steht ein zweisitziges gelbfarbenes Sofa. Vor dem dreisitzigen gelbfarbenen und dem dreisitzigen dunkelfarbenen Sofa befindet sich ein rechteckiger Tisch. Der Fußboden ist mit einem Teppichboden ausgelegt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Skizze der Wohnung Adelheider Straße 64 (Erdgeschoß) (Anlage 2 zum Protokoll vom 2. Juni 1994) und auf die Tatortskizze, Blatt 4 der Bildmappe, Bezug genommen. Die Mitte des Zimmers ist etwa 2m von der Tür entfernt.
Als ... etwa die Mitte des Wohnzimmers erreicht hatte, schossen der Angeklagte und der unbekannt gebliebene Dritte ihrem oben geschilderten Tatplan entsprechend im bewußten und gewollten Zusammenwirken miteinander etwa von der Tür her unversehens auf ihr ahnungsloses und sich keines Angriffs versehendes Opfer. Der Angeklagte verwendete dabei eine spanische Doppelflinte mit verkürzten Läufen, sein unbekannt gebliebener Mittäter eine einläufige Langwaffe mit automatischem Auswurf. Der Angeklagte verfeuerte zwei Schrotpatronen, deren leere Patronenhülsen er in den Läufen beließ, ohne sie zu berühren. Sein Mittäter verschoß drei Schrotpatronen, deren leere Hülsen durch den Gasdruck der Schüsse jeweils automatisch nach rechts zur Seite ausgeworfen wurden, wobei mindestens zwei dieser drei Hülsen nach ihrem automatischen Auswurf zunächst an anderer Stelle als an ihrem späteren Fundort auf dem Sofa lagen. In welcher Reihenfolge der Angeklagte und der Dritte schossen, blieb unaufgeklärt. Nach Abgabe des ersten Schusses folgten zwei direkt aufeinanderfolgende, nach einer kurzen Pause von etwa 30 bis 60 Sekunden wieder zwei unmittelbare Schüsse. Von den abgegebenen fümf Schüssen trafen, drei .... Ein Schuß verletzte ihn an der Ellenseite des rechten Unterarms und im Bereich des Bauches (Schußentfernung etwa 20 bis 30 cm), ein Schuß traf ihn unterhalb der Drosselgrube im Bereich des Brustkorbes und am rechten Unterkieferast bis zur Kinnspitze reichend. Dieser Schuß wurde aus einer maximalen Entfernung von etwa 1 m abgefeuert. Ein Schuß, wobei es sich um einen sogenannten aufgesetzten Schuß handelte, durchschlug die Wirbelsäule links unterhalb der unteren Brustwirbelsäule. Dieser Schuß stammte aus der vom unbekannt gebliebenen Mittäter des Angeklagten verwendeten einläufigen Repetierwaffe. Zwei weitere Schüsse verfehlten .... Einer beschädigte die Lehne des im Wohnzimmer stehenden, mit Stoff bezogenen Sofas, ging in Verlängerung dieser Beschädigung in den Fußboden und zerfetzte an dieser Stelle den Teppichboden. Dieser Schuß wurde aus einer Entfernung von etwa 20 bis 30 cm zum Sofa abgefeuert. Der andere Schuß traf die dreisitzige dunkelfarbene Ledercouch an der vorderen Stirnseite im oberen Sockelbereich und zerfetzte sie an der Einschlagstelle. Dieser Schuß wurde aus einer Entfernung von etwa 1,5 bis 2 m abgegeben. Sämtliche sogenannte Schüsse in den Raum wurden aus dem Türbereich des Wohnzimmers abgefeuert. Die beiden Schüsse in den Raum, die ... nicht getroffen hatten, stammten aus der Waffe des Angeklagten. Die drei Schüsse, die den Körper ... trafen, kamen aus der Waffe seines Mittäters. Die genaue Einschußfolge in den Körper konnte nicht geklärt werden. Der aufgesetzte Schuß war der einzig absolut tödliche Schuß. Er durchschlug die Wirbelsäule und blieb in der Lunge stecken, wobei die Lungenlappen durchschlagen wurden. ... verstarb innerhalb von 3-5 Minuten an Verbluten nach innen und außen. Die Zerstörung der Wirbelsäule bewirkte ferner, daß er ab dem Treffpunkt nach unten gelähmt war und zu Boden fiel, weil ihm die Beine ihren Dienst versagten. Er lag etwa in der Mitte des Wohnzimmers auf dem Boden in Höhe des Tisches vor dem dunkelfarbenen Sofa vor dessen Sockelbereich. Seine endgültige Lage wurde entweder vom Angeklagten, von seinem Mittäter oder beiden gemeinsam verändert. Zum Schluß lag ... auf dem Rücken mit dem Kopf zur Wohnzimmertür, wobei seine Beine schräg zur dunkelfarbigen dreisitzigen Couch wiesen.
Nach dem letzten Schuß legte der Angeklagte sein abgeschossenes Gewehr, in dessen beiden Läufen noch die beiden abgeschossenen Patronenhülsen steckten, auf die Lehne des neben der Wohnzimmertür stehenden und mit Stoff bezogenen Sofas und verließ entsprechend seiner Absprache mit seinem unbekannt gebliebenen Mittäter etwa eine Minute später seine Wohnung und ging die Treppe hoch zur Oberwohnung seines Nachbarn .... Dort klopfte er. Sein Nachbar, der geschlafen und durch den lösten Schuß geweckt worden war, öffnete sofort seine Tür. Der Angeklagte, der ihm blaß erschien, erklärte ihm in ruhigem Ton ohne jegliche erkennbar werdende Aufregung in gebrochenem, jedoch verständlichen Deutsch, daß er soeben einen Menschen erschossen habe, und bat darum, Krankenwagen und Polizei zu verständigen. ... kam dieser Aufforderung sofort nach. Um 18.45 Uhr forderte er über Notruf 110 das Erscheinen von Krankenwagen und Polizei an.
Während dieses Anrufes legte der unbekannt gebliebene Mittäter des Angeklagten die von ihm verfeuerten drei Patronenhülsen zu der auf dem mit Stoff bezogenen Sofa abgelegten Waffe des Angeklagten, um so absprachegemäß den Eindruck zu erwecken, es habe nur einen Täter gegeben. Anschließend verschwand er unter Mitnahme seiner Waffe unerkannt aus der Wohnung.
Während ... über Notruf nach einem Krankenwagen und der Polizei telefonierte, ging der Angeklagte die Treppe wieder hinunter. Nachdem ... sein Telefonat beendet hatte, folgte er dem Angeklagten. Er fand ihn unten vor der Tür stehend vor. Eine andere Person sah ... nicht. Der Angeklagte machte auf ihn einen ruhigen und normalen Eindruck. Während man auf das Eintreffen der Polizei wartete, holte der Angeklagte eine Zigarette hervor, entzündete sie mit ruhigen Fingern und rauchte sie in Ruhe auf.
Nach etwa 5-10 Minuten traf die Polizei ein. Gegenüber dem Polizeiobermeister ... bezeichnete sich der Angeklagte spontan als Schütze.
Er ließ sich, ohne eine irgendwie geartete Erregung erkennbar werden zu lassen, in aller Ruhe durchsuchen und anschließend Handfesseln anlegen. Anschließend wurde er in den Polizeiwagen gebracht und zur Wache gefahren. Während der Fahrt sprach der Angeklagte nichts. Er wirkte jedoch weiterhin gelassen. Auch auf der Wache änderte sich sein Verhalten nicht.
Um 20.55 Uhr wurde der Angeklagte von dem Kriminalhauptmeister ... verantwortlich vernommen. Nachdem er darüber belehrt worden war, daß es ihm freistehe, vor der Polizei auszusagen oder sich nicht zuäußern, und daß er jederzeit, auch vor seiner jetzigen Vernehmung einen von ihm gewählten Verteidiger befragen könne, erklärte er, vor der Polizei aussagen zu wollen. Der Angeklagte war auch dabei ruhig und gelassen. Er gab sofort zu, ... erschossen zu haben, und berief sich gemäß seiner Absprache mit seinem unbekannt gebliebenen Mittäter wahrheitswidrig darauf, in Notwehr gehandelt zu haben. Er gab bereitwillig an, den Getöteten bereits aus Albanien her zu kennen, wo sie schon ein schlechtes Verhältnis zueinander gehabt hätten. In Deutschland habe er gerüchteweise gehört, daß der ... ihn habe umbringen wollen. In der Nacht vor der Tat seien ... Bruder, der ..., und etwas später auch der ... zu ihm gekommen. Beide hätten bei ihm Alkohol getrunken. ... habe dann vergeblich versucht, ihn zu provozieren. Er sei jedoch ruhig und gelassen geblieben und habe sie gebeten, das Haus zu verlassen. ... habe dann plötzlich aus seinem Stiefel eine scharfe Waffe gezogen, auf ihn gerichtet und gesagt, ihn jetzt erschießen zu wollen. Er habe um Gnade gebeten. Sein Bruder ... und seine Schwägerin ... seien in das Wohnzimmer gekommen. Seine Schwägerin habe angefangen zu schreien. ... habe daraufhin seine Waffe wieder weggesteckt. ... und ... hätten dann seine Wohnung verlassen, wobei ... noch seine Familie beschimpft habe. Von Geld sei zu keinem Zeitpunkt die Rede gewesen. Am Tatabend habe ... plötzlich vor seiner Tür gestanden. Er habe ihm den Eintritt verwehrt. ... habe mit einer Hand in die Innentasche seiner Jacke gefaßt und geschimpft, daß er ihn, den Angeklagten, jetzt umbringen werde. Er meine, in ... Jacke auch einen schwarzen Gegenstand gesehen zu haben. Im Hinblick auf den Vorabend sei er davon ausgegangen, daß ... ihn nun habe töten wollen. Er sei deshalb sofort in die Küche gegangen und habe dort eine auf dem Tisch liegende zweiläufige, geladene Schußwaffe und noch 5 bis 6 Patronen aufgenommen. Aus der Küche heraus habe er sofort ein - oder zweimal auf ... geschossen. Soweit der Angeklagte bis zu diesem Punkt bereitwillig und in aller Ruhe Auskunft erteilt hatte, blockte er sich nun anschließende Fragen nach dem genauen Tatablauf weitgehend ab. Er machte nunmehr nur noch ungenaue Angaben über die Stellung beider Beteiligter, die Zahl der Schüsse und den genauen Ablauf der Tathandlung. Er erklärte jedoch eindeutig, ... allein erschossen zu haben. Irgendwelche psychischen Auffälligkeiten waren bei dem Angeklagten während der Vernehmung nicht zu beobachten.
Anläßlich seiner richterlichen Vernehmung am 26. August 1993 durch den Haftrichter erklärte der Angeklagte zwar, sich in einem schlechten körperlichen Zustand zu befinden. Eine weitergehende Erklärung zu seinem Gesundheitszustand lehnte er jedoch ab. Im Gegensatz zu dieser Einlassung des Angeklagten standen sein Aussehen und sein Verhalten. Er machte einen gesunden und normalen Eindruck. Er war zeitlich und örtlich genau orientiert, äußerlich völlig gelassen und ruhig. Der Haftrichter hatte den Eindruck, daß der Angeklagte einzig unwillig war und eventuelle Fragen abblocken wollte. Anschließend bezog sich der Angeklagte auf seine polizeiliche Aussage.
Anläßlich seiner zweiten polizeilichen Vernehmung am 31. August 1993 war der Angeklagte nach vorhergegangener Belehrungüber sein Aussageverweigerungsrecht und sein Recht, auch zuvor einen Verteidiger hinzuziehen und befragen zu können, erneut zur Aussage bereit. Er war auch bei dieser Vernehmung ruhig und gelassen und vertiefte seine frühere Einlassung zur angeblich bestandenen Notwehrlage. Während er teilweise noch Aussagen zum Tatablauf im einzelnen machte, blockte er Vorhalte und vertiefende Fragen zum genauen Tatablauf sinngemäß mit den Worten ab, "das reicht", "da ist nicht mehr". An seiner Täterschaft wollte er jedoch keinen Zweifel aufkommen lassen, wobei er betonte, nur aus Angst gehandelt zu haben, selbst getötet zu werden.
9.
Der Angeklagte leidet phasenhaft an einer Psychose. Zur Tatzeit war er jedoch körperlich, geistig und seelisch gesund. Seine Schuldfähigkeit war auf keinen Fall eingeschränkt oder aufgehoben.
10.
Der Angeklagte war zur Tatzeit alkohol- und drogenfrei.
III.
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen.
IV.
Die Kammer hält den gesamten Sachverhalt so für erwiesen, wie er vorstehend in den Abschnitten I und II dieser Urteilsgründe festgestellt worden ist.
1.
Die Feststellungen über den Lebenslauf des Angeklagten, seine Erkrankungen und seine Vorstrafe beruhen auf den insoweit verlesenen Gründen des Urteils der Jugendkammer des Landgerichts Oldenburg vom 27. Januar 1992, den zum Lebenslauf damit sich deckenden Aussagen des Kriminalhauptmeisters ... soweit sich der Angeklagte ihm gegenüber anläßlich seiner verantwortlichen polizeilichen Vernehmungen vom 25. und 31. August 1993 zu seinem Lebenslauf eingelassen hatte, und den weiteren Aussagen der Zeugen ... und den insoweit gestellten Beweisanträgen der Verteidigung, die im Hinblick auf die zuvor genannten Beweismittel teils als bewiesen und teils als wahr behandelt wurden.
2.
Die Feststellungen zur Person des Getöteten ... beruhen auf den verlesenen Urteilen des Amtsgerichts Heidelberg vom 12. November 1990 und 4. Dezember 1991 sowie den Aussagen der Zeugen ... und dem Beweisantrag der Verteidigung zum Vorfall in der Gaststätte in Tirana, der als wahr behandelt wurde.
3.
Die Feststellungen zur Lage der Wohnung und der Beschaffenheit des Wohnzimmers und seiner Einrichtung beruhen auf der vom Kriminalbeamten ...überreichten, in Augenschein genommenen und mit ihm erörterten Wohnungsskizze und den unabhängig voneinander gemachten undübereinstimmenden Aussagen der Beamten ... und ....
4.
Der Angeklagte hat im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen Dritten ... getötet, wobei sich jeder den Tatbeitrag des anderen wie seinen eigenen zurechnen lassen wollte.
(a)
Der Angeklagte hat sich gegenüber seinem Nachbarn ... und anläßlich seiner verantwortlichen polizeilichen Vernehmungen durch KHM ... vom 25. und 31 August 1993 als Alleintäter mit einer Waffe bezeichnet.
Diese Angabe war falsch.
(a)
Drei der am Tatort sichergestellten Patronenhülsen stammen nicht aus der ebenfalls am Tatort sichergestellten Schußwaffe.
Wie der KHM ... und KHM ... unabhängig voneinanderübereinstimmend bekundet haben, lag im Wohnzimmer auf der links neben der Tür mit Stoff bezogenen Couch ein abgesägtes Schrotgewehr, das zwei abgeschossene Patronenhülsen enthielt. Unmittelbar vor dem Laufende befanden sich auf dem Sofa weitere drei leere Schrothülsen, die stark nach Schwefel rochen. Sämtliche Gegenstände wurden sichergesetellt und dem Niedersächsischen Landeskriminalamt in Hannover zur Untersuchung zugeleitet.
Weitere Waffen wurden in der Wohnung des Angeklagten nicht gefunden.
Der Sachverständige ..., Sachverständiger für Schußwaffen und Schußwaffenspuren beim Landeskriminalamt, hat dazu im einzelnen ausgeführt:
Bei der sichergestellten Waffe handle es sich um eine Doppelflinte spanischer Fertigung der Firma Norberto Arizmendi y CIA - Eibar für das Kaliber 12/70. Diese Waffe sei in eine Salutwaffe verändert worden. Danach seien die Sperren in den Läufen entfernt und die Läufe selbst verkürzt worden. Die Lauföffnungen an den Unterseiten der beiden Läufe seien durch Verschweißen wieder verschlossen worden, wobei sie an den Innenseiten der Patronenlager allerdings nicht ganz plan seien. Beim Verschießen von Munition drückten sich Teile der Patronenhülsen in diese Beschädigungen und bekämen so zusätzliche, für diese Waffe charakteristische Spuren auf den Hülsenaußenwänden.
Die Waffe sei im Landeskriminalamt zu Vergleichszwecken in beiden Läufen beschossen worden. Sie sei zwar wegen Verkürzungen am Schaft und an den Läufen nicht mehr handhabungs- und schützensicher, jedoch nach der Rückveränderung wieder als Doppelflinte für das Verschießen von Schrotpatronen funktionsfähig gewesen. Die mikroskopischen Vergleichsuntersuchungen der Spuren auf den in beiden Läufen befindlich gewesenen Patronenhülsen mit den im Landeskriminalamt gewonnenen Vergleichshülsen hätten aufgrund der geschilderten Besonderheiten der Verschweißungen die Übereinstimmung individueller Spurenkomplexe ergeben, so daß mit; Sicherheit gesagt werden könne, daß diese beiden Patronen aus der sichergestellten Waffe verschossen worden seien.
Dies treffe jedoch für die neben dem Gewehr gelegenen und sichergestellten drei weiteren Patronenhülsen nicht zu. Deren mikroskopische Untersuchung habe gezeigt, daß sie artgleiche und spurenmäßig gleiche Waffenspuren, nicht jedoch die Beschädigungen an den Hülsenwänden getragen hätten, die beim Verschießen durch die sichergestellte Waffe hätten auftreten müssen. Diese drei Patronen seien deshalb nicht aus der sichergestellten Waffe, sondern mit Sicherheit aus einer anderen Waffe verfeuert worden, bei der es sich wahrscheinlich um eine halbautomatische Selbstladeflinte oder einen Vorderschaftsrepetierer gehandelt haben müsse. Verfeuert worden seien sie mit Sicherheit aus einer und nicht verschiedenen Waffen, weil sich auf allen drei Patronenhülsen individuelle, identische Auswerferspuren gefunden hätten.
Diese Ausführungen des Sachverständigen waren einleuchtend, schlüssig und überzeugend. Die Kammer hat sie nachgeprüft, nachvollzogen und ist ihnen gefolgt. Danach steht zurÜberzeugung der Kammer fest, daß von den am Tatort sichergestellten Patronenhülsen zwei aus der sichergestellten und drei aus einer anderen Waffe verfeuert wurden.
b)
Aus beiden Waffen ist zur Tatzeit geschossen worden.
(a)
Der Nachbar des Angeklagten aus der Oberwohnung, der Zeuge ..., hat dazu bekundet, daß er zum Vorfallszeitpunkt geschlafen habe, als er durch einen dumpfen Knall geweckt worden sei. Danach habe er zwei direkt aufeinanderfolgende, nach einer kurzen Pause von etwa 30 bis 60 Sekunden zwei weitere, unmittelbar aufeinanderfolgende Schüsse gehört, ehe der Angeklagte im Anschluß daran etwa eine Minute später an seiner Tür geklopft und gesagt habe, er habe jemanden erschossen.
Danach hat der Zeuge ... insgesamt fünf Schüsse gehört. Durch den ersten Schuß wurde er geweckt, ehe er anschließend noch vier weitere Schüsse vernahm.
Die Kammer glaubt dem Zeugen. Er hat seine Aussage ruhig und abwägend gemacht. Er hat gleichbleibend vor der Polizei und in der Hauptverhandlung ausgesagt. Mit dem Angeklagten ist er nicht verfeindet. Zwischen ihnen hat es bisher keine Auseinandersetzungen gegeben.
(b)
Seine Aussage deckt sich im übrigen mit den Ausführungen der Sachverständigen Professor Dr. ..., der den Getöteten obduziert hat, dem Sachverständigen ... und dem Sachverständigen Dr. ..., Diplom-Chemiker beim Niedersächsischen Landeskriminalamt in Hannover.
(1)
Der medizinische Sachverständige Professor Dr. ... hat in diesem Zusammenhang in der Hauptverhandlung ausgeführt:
Bei der Obduktion habe er folgende Verletzungen beim Getöteten festgestellt:
- | Rückseite: | Links der unteren Brustwirbelsäule mit dem Zentrum 123 cm oberhalb Fersensohle eine groß leicht ovale lochförmige Durchsetzung mit einem größten Durchmesser in der Senkrechten 3,5 cm mit einem sehr deutlichen Schürfsaum von bis zu 5 mm Breite. |
---|---|---|
- | Vorderseite: | Am Unterkieferast rechts und hier bis zur Kinnspitze reichend fetzigrandige Aufreißungen der Haut und des Unterhautfettgewebes. |
An der rechten Halsvorderseite, seitlich des Kehlkopfes gelegen insgesamt fünf verkrustete bis reiskorngroße Hautdefektstellen. | ||
Unterhalb der Drosselgrube, links stärker ausgeprägt als rechts, eine quer ovale breite Aufreißung der Haut und des darunter liegenden Weichteilgewebes; Zentrum der Verletzung 142 cm oberhalb Fersensohle; Ausdehnung von 15 cm in Querrichtung und 8 cm in senkrechter Richtung ... Unterhalb des Nabels, mehr rechts gelegen, zahlreiche bis reiskorngroße lochförmige Durchsetzungen; Zentrum 104 cm oberhalb Fersensohle. An der Ellenseite des rechten Unterarmes, in mittleren Anteilen, zum einen breite Aufreißungen mit in der Tiefe erkennbaren Knochensplittern; in der Umgebung der breitklaffenden Aufreißung zahlreiche bis reiskorngroße Hautdefekte. An der Beugeseite des rechten Unterarmes, in etwa in der Umgebung der vorgeschriebenen Weichteildefekte ausgedehnte fetzigrandige Zerreißungen. | ||
Im Bereich aller Schußverletzungen seien zahlreiche Schrotkörner gefunden worden. |
Die innere Besichtigung hätte im Bereich der rechten Lunge massive Einblutungen und eine lochförmige Durchsetzung des rechten Unter- und Mittellappens ergeben. Dort hätten sich zertrümmerte Knochensplitter sowie Plastikteile wie von einer Schrotpatrone stammend und auch einzelne Schrotkörner finden lassen.
Danach hätten sich für sich betrachtet insgesamt sechs frische Verletzungen finden lassen:
Rücken;
Unterkieferast;
Halsvorderseite;
Drosselgrube;
Nabelbereich und
rechter Unterarm.
Die Lage der Verletzungen im einzelnen ist wie folgt zu skizzieren:
Aus der reinen Zahl der Verletzungen dürfe jedoch nicht geschlossen werden, daß den Körper des Getöteten sechs Schüsse getroffen hätten. Aus medizinischer Sicht sei dazu folgendes zu bemerken:
Bei dem Rückenschuß handele es sich um einen solitären Schuß, der im Rücken stecken geblieben sei. Dies sei auch der einzig tödliche Schuß gewesen, der wegen Verblutens nach innen und nach außen innerhalb von 3-5 Minuten zum Tode geführt habe.
Die Verletzungen am rechten Unterarm und im Bauchbereich seien im Zusammenhang zu sehen. Wie die tiefen und namentlichen knöchernen Verletzungen der Elle zeigten, hätte die Hauptgarbe eines Schrotschusses diesen Bereich getroffen. Demgegenüber seien die Verletzungen im Bauchbereich nur oberflächlicher Natur. Daher spreche alles dafür, daß das Opfer im Zeitpunkt der Schußabgabe leicht gebeugt seinen rechten Arm angewinkelt vor seinen Körper in Höhe des Bauches gehalten habe. Dies erkläre auch den schrot- und verletzungsfreien Raum zwischen den beiden örtlich etwas auseinanderliegenden oberflächlichen Verletzungen im Bauchbereich. Der Schuß müsse den ... tangential getroffen haben.
Die Verletzungen am Unterkieferast, Halsvorderseite und Drosselgrube lägen auf einer Linie. Bei der Verletzung unterhalb der Drosselgrube sei die Haut nebst darunterliegender Fettschicht gewaltsam schräg nach oben in Richtung der darüber liegenden Verletzungen verschoben gewesen. Dies spreche dafür, daß der Schuß das Opfer tangential getroffen habe. Damit lägen alle drei Verletzungen in einer gemeinsamen Schußrichtung.
Aus medizinischer Sicht sei deshalb von drei (Treffer-)Schüssen auf den Körper auszugehen, wobei theoretisch nicht ausgeschlossen werden könne, daß vier (Treffer-)Schüsse auf den Körper abgefeuert worden seien, wenn man bei den Verletzungen im Halsbereich von zwei separaten Schüsse ausgehe. In diesem Fallhätte jedoch nicht jeweils die gesamte Schrotgarbe den ... getroffen, so daß in diesem Fall weitere Defekte im Raum aufgetreten sein müßten, die auf eine aufgeteilte Schrotgarbe zurückzuführen sein müßten.
(2)
Der Schußwaffensachverständige ... hat sich unter dem Gesichtspunkt seines Fachbereiches den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Professor Dr. ... angeschlossen. Er hat dazu in der Hauptverhandlung ergänzend ausgeführt:
Im Wohnzimmer seien drei Defekte gefunden worden:
Die Lehne der links von der Tür stehenden mit Stoff bezogenen Couch sei furchenartig beschädigt worden;
in einer Linie dazu hätte sich im Teppichboden vor dem dreisitzigen gelben Sofa eine Zerfetzung befunden.
Ferner sei das dunkelfarbige dreisitzige Sofa im Sockelbereich nahezu konzentrisch beschädigt gewesen.
Wie sich aus Bild 18 der in Augenschein genommenen Bildmappe ergebe, seien die Beschädigung in der Lehne und der Defekt im Teppichboden vor dem gelben Sofa durch einen Zollstock zu einer durchgehenden Linie verbunden worden. Der Zollstock sei beim Defekt der Lehne zur Richtungsbestimmung in dessen Furche gelegt worden. Beide Beschädigungen bildeten eine Linie, so daß es sich hierbei um einen Schuß gehandelt habe.
Der Defekt am dunkelfarbenen Sofa im Sockelbereich bilde eine nahezu geschlossene, ovale, konzentrische Beschädigung. Daraus gehe hervor, daß hier eine volle Garbe in das Sofa gegangen sei.
Wie die Bilder vom Tatort erkennen ließen, seien weitere Beschädigungen im Raum nicht eingetreten, so daß die restlichen Schüsse alle den Körper getroffen haben müßten. Unter diesem Gesichtspunkt könne er sich nur der Schlußfolgerung des Sachverständigen Professor Dr. ... anschließen, wonach es sich bei den Verletzungen im Bereich der Drosselgrube, der Halsvorderseite und des Unterkieferastes nur um eine einheitliche, durch einen einzigen Schuß hervorgerufene Verletzung handeln könne.
Die Beamten ... und ... haben unabhängig voneinander undübereinstimmend verneint, daß es noch weitere durch Schrotkugeln hervorgerufene Beschädigungen im Wohnzimmer gegeben hat.
(3)
Der Sachverständige Dr. ... hat sich den Ausführungen beider vorgenannter Sachverständiger unter dem Gesichtspunkt seines Fachgebietes angeschlossen und ergänzend dazu ausgeführt:
Aus seinen Untersuchungen der ihm übersandten Kleidungsstücke des Opfers ergebe sich, daß zwei Primäreinschüsse auf den Körper gegangen seien. Dabei handele es sich um den Rückenschuß und den Schuß in Richtung des rechten Unterarms, weil sich neben Zerstörungen im Jackenärmel zusätzlich noch Schmauchspuren hätten finden lassen. Der Ärmel sei im Bereich seines Defektes voll zerstört worden, so daß man sagen könne, daß eine volle Schrotgarbe dort durchgegangen sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bild 7 der Bildmappe LKA verwiesen. Im Bereich des rechten Unterarmes seien knöcherne Verletzungen zu erwarten gewesen, wie sie auch vom Obduzenten Professor Dr. ... festgestellt worden seien. Neben der vollen Garbe hätten sich einzelne Ausreißer finden lassen. Die Verletzungen im Bauchbereich ließen sich zwanglos erklären, wenn der verletzte rechte Unterarm vor den Bauchbereich gehalten worden sei. Der Schuß sei dann aus dem Front- und Sichtbereich abgegeben worden und hätte den ... tangential getroffen. Eine andere Erklärung für die Verletzungen im Bauchbereich habe er nicht.
Der Schuß im Bereich der Drosselgrube, Halsvorderseite und Kieferast habe das Opfer tangential getroffen, wobei die Schrotgarbe vornehmlich in die Kinnlade gegangen sei. Er habe sich nicht auf der Kleidung abzuprägen brauchen.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden, schlüssig und nachvollziehbar dargelegten und jeweils zum selben Ergebnis kommenden Ausführungen der drei Sachverständigen ist die Kammer davonüberzeugt, daß drei (Treffer-)Schüsse auf den Körper, zwei Schüsse in den Raum und damit insgesamt fünf Schüsse abgegeben wurden, wobei zwei Schüsse aus der sichergestellten Waffe und drei Schüsse aus der Waffe des unbekannt gebliebenen Mittäters stammten.
(c)
Die Überzeugung der Kammer, daß insgesamt fünf Schüsse verfeuert wurden, deckt sich im übrigen mit der Tatsache, daß am Tatort insgesamt fünf abgeschossene Patronenhülsen gefunden und sichergestellt wurden.
Der Angeklagte hatte sich gegenüber seinem Nachbarn ... wie auch in seinen polizeilichen Vernehmungen vom 25. und 31. August 1993 als Alleintäter bezeichnet, der in Notwehr gehandelt habe. Dies haben unabhängig voneinander und übereinstimmmend jeweils der Kriminalbeamte ... und der Nachbar ... glaubhaft bekundet, wobei ... zum Vorbringen einer Notwehr nichts sagen konnte, weil ihm gegenüber der Angeklagte davon nicht gesprochen hatte. Zur Unterstützung der Einlassung des Angeklagten zur Alleintäterschaft war es erforderlich, alle Spuren so zu legen, als wenn sie vollständig dem Angeklagten zuzuordnen waren. Von daher war es folgerichtig, den tatsächlich abgefeuerten Schüssen die entsprechende Anzahl von Patronenhülsen zuzuordnen, um nach außen hin ein zutreffendes Bild zu erwecken. Dementsprechend gingen die ermittelnden Kriminalbeamten bis zum Eingang des Schußwaffengutachtens des Landekriminalamtes Niedersachsen, mit dem die notwendige Existenz einer zweiten Schußwaffe und eines zweiten Täters eingeführt wurde, von der Alleintäterschaft des Angeklagten aus, weil die äußeren Spuren insoweit seine Einlassung abdeckten.
c)
Es gab zwei Waffen und zwei Schützen:
(1)
Der Sachverständige Dr ... hat in der Hauptverhandlung ausgeführt, daß bei dem Abfeuern einer Schrotpatrone die Patronenhülse von Schmauch eingehüllt wird und zwangsläufig derjenige, der die Hülse anfaßt, nachweisbaren Schmauch an seinen Fingern zurückbehält. Wie der Sachverständige ... in diesem Zusammenhang dargelegt hat, hat es sich bei der zweiten Tatwaffe um eine halbautomatische Selbstladeflinte oder einen Vorderschaftrepetierer gehandelt. Der Täter muß entweder beim Nachladen der Waffe oder beim Aufheben der selbsttätig ausgeworfenen und zu Boden gefallenen abgefeuerten Patronenhülsen diese angefaßt und damit Schmauch an die Finger oder Hände bekommen haben. Wie der Sachverständige ... ausgeführt hat, sind die aus der Waffe des unbekannt gebliebenen Mittäters ausgeworfenen Patronenhülsen nicht wie am Tatort vorgefunden - sämtlichst akkurat auf das Sofa gefallen, auf dem sie gefunden wurden, sondern sind mit Sicherheit aufgehoben und dorthin gelegt worden. An den Händen des Angeklagten wurden jedoch keine Schmauchspuren gesichert, wie der Sachverstämdige ... ausgeführt hat, so daß er diese Patronenhülsen nicht angefaßt haben kann. Dies könnte zwar dadurch entkräftet werden, daß der Angeklagte Handschuhe getragen, diese anschließend ausgezogen und verborgen hätte. Eine Nachsuche danach hat nicht stattgefunden, weil die Polizei zunächst von einer Alleintäterschaft des Angeklagten ausgegangen ist. Dennoch stände dies der Existenz eines zweiten Schützen nicht entgegen.
(2)
Die zweite Waffe ist unmittelbar nach der Tat verschwunden.
Wie der Kriminalbeamte ... dazu in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet hat, ist eine weitere Waffe am Tatort und dessen näherer Umgebung nicht gefunden worden. Etwa eine Minute nach dem letzten Schuß war der Angeklagte vor der Oberwohnung seines Nachbarn ... erschienen und hatte dort geklopft. Er hatte deshalb im Hinblick auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit keine Gelegenheit, die Waffe verschwinden zu lassen. Zeit und Gelegenheit bestand jedoch für einen Mittäter, während der Angeklagte zum Nachbarn nach oben ging, diesen unterrichtete und ihn nach der Polizei und einen Krankenwagen telefonieren ließ, die drei Patronenhülsen auf das Sofa neben die vom Angeklagten dort abgelegte Waffe zu deponieren und mit seiner Waffe ungesehen zu verschwinden. Wie die vom Kriminalbeamten überreichte und mit ihm in der Hauptverhandlung erörterte und in Augenschein genommene Wohnungsskizze erkennen läßt, gibt es neben der Wohnungseingangstür noch mindestens eine weitere Tür zum Hinterhof/Garten, um ungesehen die Wohnung zu verlassen.
Als die Polizei am Tatort erschien, hielten sich außerhalb des unmittelbaren Tatorts einzig der Angeklagte und dessen Nachbar ... auf. Im Wohnzimmer selber waren lediglich die herbeigerufenen Rettungssanitäter und Notärztin tätig. Im vom Wohnungsflur einzig zugänglichen Schlafzimmer der Wohnung wurde die Schwägerin des Angeklagten, ..., mit ihrem zwei Monate altem Kleinkind angetroffen. Sie war völlig verängstigt und klammerte sich an ihr Kind, so daß eine Beteiligung ihrerseits an der Tat zur Überzeugung der Kammer ausscheidet.
d)
Aus der Waffe des unbekannt gebliebenen Dritten wurden die drei Schüsse abgegeben, die den Körper ... trafen:
(1)
Der Sachverständige Dr. ... hat in der Hauptverhandlung dargelegt, daß es sich bei dem Rückenschuß um einen sogenannten aufgesetzten Schuß gehandelt hat. Bei der Untersuchung der Rückseite der Bekleidungsstücke des Opfers seien von ihm massive Bleiverteilungsbilder in Form von Geschoßabriebspuren und Schmauchbesatz erhalten worden. Daraus lasse sich mit Sicherheit schließen, daß die Entfernung zwischen der Mündung der Waffe und Oberfläche des Textilgewebes auf der Rückseite der Bekleidungsstücke in keinem meßbaren Bereich mehr gelegen habe. Dem ist der medizinische Sachverständige Professor Dr. ... beigetreten. Er hat dazu ergänzend ausgeführt, daß durch die Wucht der Ladung die Wirbelsäule durchschlagen worden sei. Im Innern seien Plastikteile gefunden worden, wie sie vom sogenannten Becher einer Schrotpatrone stammten. Im Bereich der ovalen Einschußöffnung sei ein deutlicher Schürfsaum zu erkennen gewesen. Dies spreche mit Sicherheit für einen aufgesetzten Schuß. Der Schußwaffensachverständige ... hat dazu ergänzt, daß der sog. Plastikbecher als Geschoßhülsenkörper die Ladung führt. Bei Abgabe des Schusses fächert der Becher auf und fällt irgendwohin. Er geht schnell und willkürlich aus der Richtung der Geschoßgarbe heraus. Der Sachverständige Dr. ... ist dem beigetreten. Beide Sachverständige habe in diesem Zusammenhangübereinstimmend ergänzt, daß der Schuß mit Sicherheit aufgesetzt gewesen sein müsse, damit der Becher bis in das Lungengewebe habe eintreten können.
Nach diesen Ausführungen der drei Sachverständigen hat es sich bei dem Rückenschuß um einen sogenannten aufgesetzten Schuß gehandelt.
Die beiden Sachverständigen Professor Dr. ... und ... haben im Anschluß hieran in der Hauptverhandlung ergänzt, daß dafür jedoch die sichergestellte Waffe mit Sicherheit ausscheide. Bei ihr handle es sich um eine zweiläufige Waffe. Bei einem aufgesetzten Schuß zeichne sich der zweite Lauf ab, auch wenn nur ein Lauf abgefeuert werde. Wie der Sachverständige Professor Dr. ... ausgeführt hat, fehlt jedoch ein derartiger zweiter Abdruck, so daß es sich bei der aufgesetzten Waffe nach den Darlegungen des Schußwaffensachverständigen ... um eine einläufige Waffe gehandelt haben muß.
(2)
Der Schußwaffensachverständige ..., der nach der Untersuchung der sichergestellten Waffe durch den Sachverständigen Dr. ... diese zur weiteren schußwaffentechnischen Untersuchung erhalten und unter anderem zum Erhalt von Vergleichsmöglichkeiten auch beschossen hat, hat nach Inaugenscheinnahme der Bilder über die Beschädigung an der Lehne des Stoffsofas, des Defektes im Teppichboden und der Beschädigung im Sockelbereich des dunkelfarbigen Sofas erklärt, daß die Beschädigungsbilder im Vergleich zu den von ihm gewonnenen Schußbildern übereinstimmend aussähen und deshalb dafür sprächen, daß die beiden Schüsse, die diese Defekte hervorgerufen hätten, wobei die Beschädigungen an der Lehne des Stoffsofas und Teppichboden von einem Schuß herrührten, von der im Wohnzimmer vorgefundenen und sichergestellten Waffe abgegeben worden seien. Im übrigen stamme der aufgesetzte Schuß mit Sicherheit aus der verschwundenen Waffe. Deren Patronenhülsen wiesen individuelle, nur ihnen zuzuordnende Spuren auf, die auch an den beiden anderen lose auf dem Sofa liegenden Patronenhülsen festgestellt worden seien. Daher seien diese drei Hülsen nur aus einer, nämlich der verschwundenen, unbekannt gebliebenen Waffe abgeschossen worden.
Da im vorliegenden Fall Schrot verschossen worden sei, sei es nicht möglich, aus jeweils gesicherten Schrotkörnern auf die jeweilig benutzte Waffe zurückzuschließen. Die einzelnen Kugeln verfügten nicht wie eine verschossene Kugel über nachweisbare individuelle Spuren, die sich dementsprechend auf eine Laufbeschädigung und damit auf eine bestimmte Waffe zurückführen ließen.
Daher ließen sich Rückschlüsse nur aus einem Vergleich der angetroffenen und aus den aus Vergleichsschüssen gewonnenen Beschädigungsbildern herleiten, wie bereits oben dargelegt worden sei.
Daraus folge, daß die beiden anderen Schüsse, die den Körper ... getroffen haben, aus der Waffe des unbekannt gebliebenen Mittäters abgefeuert worden seien.
Die Kammer schließt sich dem nach Überprüfung an und folgert daraus, daß es nicht der Angeklagte war, der die insgesamt drei Schüsse, die den Körper ... getroffen haben, abgefeuert hat, wobei ihn dies aus Rechtsgründen nicht zu entlasten vermag.
e)
Die im Tatbestand getroffenen Feststellungen zur Entfernung und zur Richtung der abgegebenen Schüsse beruhen auf folgendem:
Die Sachverständigen Dr. ... und ... habenübereinstimmend ausgeführt, durch das Absagen und Verkürzen des Laufes streue die Munition schneller. Für die Intensität und die Streuung seien beispielsweise folgende Faktoren wie das Alter der Patrone, ihr Zustand, die Lagerung der Schrotkörner in der Patrone und die Länge des Laufes entscheidend. Daher sei es nicht möglich, durch einen Vergleichsschuß sichere Entfernungsangaben zu gewinnen, weil die einzelnen, maßgeblichen Parameter nicht wiederholbar seien. Man könne deshalb nur auf Erfahrungswerte zurückgreifen, wobei die Intensität einer Beschmauchung, das Aufkörnen der Schrotgarbe, das Trefferbild an der Einschußstelle und der Schmauch an der Einschußstelle Hinweise gäben. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ließen sich folgende Entfernungsaussagen machen:
- | Schuß auf dunkelfarbiges Sofa: | 1,50 bis 2 m Distanz; |
---|---|---|
- | Schuß auf Lehne pp: | maximal 20 bis 30 cm; |
- | rechter Unterarm pp: | etwa 20 bis 30 cm; |
- | Halsbereich: | wegen der fehlenden Beschmauchung gewisse Entfernung; die Hautaufreissung im unteren Bereich sei jedoch mit erheblichem Druck erfolgt. Daher sei von einer Entfernung von maximal 1 m auszugehen. |
- | Rücken: | aufgesetzter Schuß. |
Die Schüsse in den Raum seien aus dem Türbereich abgegeben worden, ohne daß sich der Standort des Schützen exakter eingrenzen lasse.
(f)
Der Angeklagte hat seine beiden Schüsse nicht zeitlich vor beziehungsweise unabhängig von dem Zweitschützen abgegeben. Die drei Schüsse des unbekannt gebliebenen Mittäters auf den Körper ... und die beiden Schüsse des Angeklagten waren vielmehr miteinander verzahnt.
(a)
Der medizinische Sachverständige Professor Dr. ... hat eine exakte Reihenfolge der auf den Körper abgegebenen und diesen treffenden Schüsse nicht zu geben vermocht. Seine in diesem Zusammenhang in seinem vorläufigen Gutachten vom 26. August 1993 anläßlich der Obduktion des Getötenen vertretene Auffassung, bei dem aufgesetzten Schuß habe es sich um den letzten gehandelt, hat er in der Hauptverhandlung so nicht mehr aufrechterhalten. Er hat dazu erläutert, daß dieser Schuß zu keiner zentralen Lähmung, sondern erst zu einer Lähmung ab dem Trefferpunkt geführt habe, so daß das Opfer beispielsweise noch seine Arme und seinen Kopf habe bewegen können. Durch den Schuß sei die Lunge jedoch derart verletzt worden, daß ... innerhalb von drei bis fünf Minuten nach innen und außen verblutet sei, wobei er bereits vor diesem Zeitraum handlungsunfähig geworden sei, weil durch den schnellen Blutverlust seine Hirntätigkeit sehr schnell abgenommen habe. Er schätze, daß der Armschuß der erste, der Rückenschuß der zweite und der tangentiale Halsschuß der dritte gewesen sei, ohne daß dazu jedoch sichere Aussagen gemacht werden könnten.
Angesichts dieser Unsicherheiten hat die Kammer sichere Feststellungen zur Reihenfolge der Schüsse auf den Körper nicht zu treffen vermocht.
(b)
Zur Reihenfolge der drei (Treffer-)Schüsse auf den Körper und der zwei anderen Schüsse haben die drei Sachverständigen Professor Dr. ..., Dr. ... und ... nichts aussagen können.
(c)
Der Nachbar des Angeklagten aus der Oberwohnung, der Zeuge ... hat in diesem Zusammenhang bekundet, geschlafen zu haben und aus dem Schlaf durch einen Knall geweckt, dann sofort zwei direkt aufeinander folgende und nach einer Pause von 30 bis 60 Sekunden erneut zwei unmittelbar aufeinander folgende Schüsse gehört zu haben. Die Kammer glaubt, wie bereits oben ausgeführt, diesem Zeugen. Da drei Schüsse aus der Waffe des unbekannt gebliebenen Dritten und zwei aus der sichergestellten Waffe stammten, ergibt sich nach der vom Zeugen ... aufgezeigten Schußfolge nur die Möglichkeit, daß entweder die drei Schüsse des Dritten gesammelt und nach einer Pause von 30 bis 60 Sekunden die anderen beiden Schüsse aus der sichergestellten Waffe abgefeuert oder die beiden Schüsse aus der sichergestellten Waffe und die drei Schüsse aus der Waffe des Dritten untereinander aufgeteilt abgegeben wurden. Mit Sicherheit scheidet jedoch die von der Verteidigung angedeutete Möglichkeit aus, daß der Angeklagte zunächst zwei Schüsse in den Raum gefeuert und nach einer Pause von 30 bis 60 Sekunden der Dritte unabhängig davon geschossen habe. Denn nach dieser Pause fielen nur noch zwei Schüsse. Damit wurde aus der sichergestellten Waffe und der Waffe des Dritten in allen denkbaren Fällen zeitlich stets zusammenwirkend geschossen, sieht man von der Möglichkeit ab, daß die beiden letzten von ... nach der kurzen Pause gehörten Schüsse aus der sichergestellten Waffe stammten.
Dieser Fall könnte den Angeklagten allerdings nicht entlasten, weil er dann noch in den Raum gefeuert hätte, nachdem der unbekannt gebliebene Dritte ... mit seinen drei, zeitlich teilweise versetzten Schüssen getroffen und zu Boden gestreckt hatte. Wie der Sachverständige Professor Dr. ... dazu in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, waren der Treffer am Hals und in den Rücken mit Sicherheit geeignet, ... in die Bodenlage zu bringen. Der Schuß im Halsbereich geht angesichts der Erheblichkeit der Verletzungen, 1 bis 2 cm tiefe Verletzung in das Untergewebe, mit einem Schock durch den hervorgerufenen Schmerz einher. Der Rückenschuß hatte die Wirbelsäule zertrümmert, so daß die Beine ... gelähmt waren. Die Einschußstelle lag oberhalb der davon betroffenen Nervenbahnen. Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, daß ... bereits teilsweise gelähmt am Boden lag, als aus der sichergestellten Waffe gefeuert wurde, wenn man von der Fallgestaltung ausgeht, daß der unbekannt gebliebene Dritte als erster seine ihm zuzuordnenden drei Schüsse abgegeben hatte.
(d)
Von den beiden, dem Angeklagten zuzuordnenden Schüssen ist einer mit Sicherheit in Richtung ... gegangen, auch wenn er ihn nicht getroffen hat.
Wie der Kriminalbeamte ... die Rettungsärztin Dr. ..., die beiden dazu vernommenen Rettungssanitäter ... und und die am Tatort als erste erschienenen Polizeibeamten ... und ... und der den Tatort fotografierende Kriminalbeamte ... unabhängig voneinanderübereinstimmend bekundet haben, lag der Erschossene etwa diagonal mit dem Kopf zur Wohnzimmertür und beiden Beinen in Richtung Tisch und dunkelfarbigem dreisitzigen Sofa. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bild 3 der Bildmappe verwiesen, wobei der rechte Arm des Opfers von der Polizei angewinkelt über den Körper gelegt worden war. Dies war jedoch nicht die ursprüngliche Lage .... Auf dem Boden vor dem dunkelfarbigen Sofa befanden sich zwei umfangreichere Blutwischspuren, wobei die größere einen Umfang von etwa 50 × 25 cm hatte. Wie der Sachverständige ... vom Landeskriminalamt dazu ausgeführt hat, geht hieraus hervor, daß die vorgefundene Lage des Opfers nicht dem Urzustand entspricht. Der medizinische Sachverständige Professor Dr. ... hatte dazu erläutert, daß die Wunde am Hals, am rechten Unterarm und der Rückenschuß sofort stark blutende Wunden gewesen seien. Wie sich aus Bild 3, 4 und 7 der Lichtbildmappe ergibt, auf die wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird, ist von der unmittelbar vor dem Sockelbereich der dunkelfarbigen Couch befindlichen Blutspur eine leichte, durchgehende, bogenförmige Wischspur bis in den rechten Schulterbereich des Opfers zu erkennen. Die Notärztin, Rettungssanitäter und Polizeibeamte haben für ihre Person mit Sicherheit ausgeschlossen, daß sie bei den Rettungsversuchen beziehungsweise bei der Tatortaufnahme versehentlich Blutwischspuren gesetzt haben.
Danach steht zur Überzeugung der Kammer fest, daß ... im Urzustand vor dem dunkelfarbigen dreisitzigen Sofa gelegen hat. Der Einschuß in den Sockelbereich ist nur wenige Zentimeter von der ersten kleineren Blutwischspur entfernt. Wegen weiterer Einzelheiten wird dazu auf Bild Nr. 7 und 19 der Bildmappe verwiesen. Hierbei handelte es sich um einen der beiden sogenannten Schüsse in den Raum, der damit zurÜberzeugung der Kammer zugleich in die Richtung des Körpers ... ging und ihn lediglich verfehlt hatte.
g)
Der Angeklagte war zur Tatzeit am Tatort.
Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus der glaubhaften Aussage des Zeugen ... nach der der Angeklagte etwa 1 Minute nach dem letzten Schuß bei ihm an der Tür war, klopfte und erklärte, einen Menschen erschossen zu haben. Die Wohnung des Zeugen ... liegt ein Stockwerk höher als die Wohnung des Angeklagten.
h)
Der Angeklagte hat die sichergestellte zweizügige, an den Läufen verkürzte Waffe abgeschossen.
Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus der unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Nähe des Angeklagten zum Tatort.
Dem steht nicht entgegen, daß an den Händen des Angeklagten keine Schmauchspuren und an der Waffe keine Fingerabdrücke gesichert werden konnten.
Der Sachverständige Dr. ..., der die von den Händen des Angeklagten gesicherten Abklebungen untersucht hat, hat ausgeführt, daß seine Suche nach Schmauch negativ verlaufen ist. Er hat dazu jedoch ergänzend erläutert, daß dieses Ergebnis keineswegs einer Benutzung der Waffe durch den Angeklagten widerspricht. Da die Patronenhülse bei Schrot nach hinten fast völlig abdichte, komme hinten kaum Schmauch heraus, so daß hinten keine Beschmauchung zu erwarten sei. Vorn an der Mündung trete zwar Schmauch auf, den man auch an die Hand bekommen könne, jedoch nicht müsse. Dies hänge maßgeblich davon ab, wie weit man den Lauf bis zur Mündung hin anfasse. Werde das Gewehr nur - wie im allgemeinen üblich - am Schaft und Kolben gegriffen, sei an der betreffenden Hand kein Schmauch zu erwarten. Daher könne keineswegs aus dem Nichtvorhandensein von Schmauch an den Händen des Angeklagten geschlossen werden, er habe aus der Waffe nicht gefeuert.
Wie der Kriminalbeamte ... glaubhaft bekundet hat, wurde die sichergestellte Waffe auf das Vorhandensein von Fingerspuren untersucht. Die Suche verlief negativ. Brauchbare Fingerspuren konnten nicht gesichert werden. Dies traf ebenfalls auf die am Tatort vorgefundenen insgesamt fünf Patronenhülsen zu.
Brauchbare Fingerspuren müssen nach dem Sachverständigen Dr. ... auf der Waffe nicht vorhanden gewesen sein, weil die Übertragung von Fingerspuren von dem jeweiligen, nicht reproduzierbaren individuellen Zustand der Hand abhängt, inwieweit Schweiß- und Talg auf ihr vorhanden sind.
Aus der sichergestellten Waffe ist geschossen worden. Wie der Sachverständige Dr. ... dazu erläutert hat, sind beide Läufe darauf von ihm gezielt untersucht worden. Danach wurde aus beiden Läufen gefeuert, wobei zum Zeitpunkt naturgemäß keine Aussagen gemacht werden konnten.
Im Hinblick auf die vorgenannten Umstände ist die Kammer davon überzeugt, daß zur Tatzeit aus der sichergestellten Waffe geschossen wurde und daß der Angeklagte der Schütze war.
i)
Ein Exzeß des unbekannt gebliebenen Mittäters scheidet zur Überzeugung der Kammer aus.
Der Angeklagte war zur Tatzeit am Tatort. Er hat die sichergestellte Waffe abgefeuert. Einer der beiden von ihm abgegebenen Schüsse war mit Sicherheit in Richtung ... gezielt, wobei er ihn lediglich knapp verfehlt hatte. Der Angeklagte hat seine Schüsse in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit den Schüssen des unbekannt gebliebenen Dritten abgegeben, die ebenfalls in Richtung des ... gezielt waren und ihn auch getroffen hatten. Unmittelbar nach der Tat (etwa eine Minute später) war der Angeklagte bei seinem Nachbarn ... erschienen, um ihn zu bitten, Polizei und Arzt telefonisch zu verständigen. Mit dieser Maßnahme war dieser gehindert, eventuell aus dem Fenster zu schauen oder selber nach unten zu gehen, so daß der unbekannt gebliebene Dritte Zeit und Gelegenheit hatte, unbeobachtet und damit unerkannt zu entkommen. Am Tatort waren die Spuren so gelegt, daß man bei einer äußerlichen Betrachtung von einer Alleintäterschaft ausgehen konnte, wie es die Polizei bis zum Gutachten des Landeskriminalamtes zu den sichergestellten Patronenhülsen und dem sichergestellten Gewehr auch getan hatte. Gemäß dem nach außen hin erweckten Anschein hatte sich der Angeklagte gegenüber seinem Nachbarn ... und dem sachbearbeitenden Kriminalbeamten ... wahrheitswidrig als Alleintäter ausgegeben, um so den unbekannt gebliebenen Dritten zu decken. Dies macht deutlich, daß der Tat eine vorherige Absprache mit einem genauen Plan zum Verhalten vor, während und nach der Tat zugrundegelegen hat. Ein Exzeß des Dritten scheidet hiernach mit Sicherheit aus.
Aufgrund dieser Umstände ist die Kammer deshalb davonüberzeugt, daß der Angeklagte und der Dritte gemeinsam den Entschluß gefaßt hatten, ... zu töten und sich jeweils den Tatbeitrag des anderen wie einen eigenen zurechnen zu lassen.
Dem steht auch nicht entgegen, daß ... den Angeklagten erst gegen 18.00 Uhr des Tattages verlassen hatte. ... war bei dem Angeklagten gegen 18.40 Uhr erschienen, so daß hinreichend Zeit zur Vorbereitung für den Angeklagten und dessen unbekannt gebliebenen Mittäter bestanden hatte, zumal außer dem Bereithalten der Waffen keine weiteren wesentlichen Maßnahmen zu treffen gewesen waren.
5.
Der Angeklagte handelte heimtückisch. Zur Durchführung der von ihm gemeinschaftlich geplanten Tötung nutzte er bewußt und gewollt die Arg- und Wehrlosigkeit ... aus.
(a)
... war arg- und wehrlos.
Bei der Abgabe des ersten mit Tötungsvorsatz abgefeuerten Schusses rechnete ... weder mit einem lebensbedrohlichen noch mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff.
Er war beim Angeklagten allein erschienen. Er war allein in die Wohnung und dort in das Wohnzimmer getreten. Er führte keine Schußwaffe bei sich. Das in der Innentasche seiner Jache steckende Küchenmesser von einer Gesamtlänge von 29 cm, von denen 16 cm auf eine schartige und an der Spitze abgebrochene Klinge entfielen, war nicht gezogen, sondern voll in der Innentasche verblieben. Der über der Wohnung des Angeklagten lebende Nachbar ... war aus seinem Schlaf nicht durch eine lautstarke Auseinandersetzung, sondern durch einen Knall (den ersten Schuß) geweckt worden.
Aufgrund dieser Umstände ist die Kammer davonüberzeugt, daß sich ... keines Angriffs versah, als er die Wohnung und das Wohnzimmer des Angeklagten betrat und der erste Schuß auf ihn abgefeuert wurde.
(b)
Der Angeklagte hat die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit ... bewußt für die Tatbegehung ausgenutzt.
Dies steht zur Überzeugung der Kammer bereits aufgrund der Tatausführung fest, ihn zu zweit zu erschießen, ohne daß ... eine Chance zur Verteidigung und zum Entkommen hatte. Er war planmäßig im Wohnzimmer in die Falle gegangen und wurde gemeinsam vom Angeklagten und seinem unbekannt gebliebenen Mittäter dort erschossen.
6.
Der Angeklagte handelte bei Tatbegehung ferner aus Habgier.
Durch die Tötung ... wollte er sich von der drückend gewordenen Schuld von 1.000,00 DM gegenüber seinem Gläubiger ..., dem Bruder des Getöteten, befreien.
Wie der Bruder des Getöteten, ..., und der Freund des Angeklagten, der ..., unabhängig voneinander insoweit übereinstimmend und glaubhaft ausgesagt haben, schuldete der Angeklagte dem ... noch einen Restbetrag von 1.000,00 DM, die er sich von diesem im Frühjahr 1992 hatte darlehnsweise geben lassen. Bis zum 24. August 1993 hatte es sich um eine lästige Schuld gehandelt, weil der Gläubiger ihn zwar regelmäßig an die Rückzahlung an Tagen zur Auszahlung der Sozialhilfe erinnert, sich jedoch jeweils damit hatte vertrösten lassen, er werde demnächst zahlen. Diese Sachlage hatte sich jedoch am Abend des 24. August 1993 entscheidend geändert. ... hatte erstmals erfahren, daß der Angeklagte beabsichtigte, in Kürze Deutschland zu verlassen. Er verlangte deshalb erstmals massiv die Bezahlung seiner Rückforderung, die der Angeklagte nicht begleichen konnte. Er wollte sich nicht mehr vertrösten lassen. Unterstützt in seiner Haltung wurde der Gläubiger durch seinen hinzugekommenen Bruder ..., der unmißverständlich erklärte, daß man sich gegebenenfalls auch an die Familienmitglieder des Angeklagten halten wolle, falls dieser nicht zahle. Der Angeklagte versprach eine Teilzahlung von 400,00 DM für den nächsten Tag, die er, wie er wußte, wegen Geldmangels nicht würde einhalten können. Der Angeklagte wie auch die anderen Albaner in Delmenhorst wußten, daß ... bereits wegen Gewalttaten in Heidelberg eingesessen hatte. Dem Angeklagten war klar, daß er jetzt zahlen mußte, wenn er nicht unliebsame Konsequenzen heraufbeschwören wollte. Sein Gläubiger ... und dessen Bruder ... würden sich nicht wie bisher mit haltlosen Versprechungen abspeisen lassen.
Wie der Freund des Angeklagten, der ..., der am Abend des 24. August 1993 zugegen gewesen war, unabhängig von ... und imÜbereinstimmung mit ihm bekundet hat, war ... der bestimmendere der beiden Brüder bei der Geltendmachung der Restforderung über 1.000,00 DM. ... war damit aus der Sicht des Angeklagten der gefährlichere der beiden Brüder. Würde dieser beseitigt, würde ... es aus Angst nicht wagen, seine Forderung weiterhin geltend zu machen. ... Tod würde unmittelbar dazu führen, daß ... es nicht mehr wagen würde, die Restforderung künftig noch geltend zu machen. Er würde damit wirtschaftlich von ihr befreit werden, wie es tatsächlich auch geschah. ... sah nach dem Tode seines Bruders davon ab, den Angeklagten auf eine erneute Rückzahlung der Forderung anzusprechen. Er hat auch bisher keine Anstalten gemacht, die Forderung gerichtlich geltend zu machen, um so einen Titel gegen den Angeklagten zu erhalten, wie er glaubhaft bekundet hat. Wie die Vernehmung ... in der Hauptverhandlung und der persönliche Augenschein ergeben haben, ist der Zeuge durch den Tod seines Bruders ein gebrochener Mann geworden, der den Tod seines Bruders nicht verwinden kann, wobei er einen äußerst resignierenden Eindruck hinterlassen hat.
7.
Der Angeklagte handelte rechtswidrig. Er handelte nicht in Notwehr. Eine Notwehrlage lag nicht vor.
Der Kriminalbeamte ... hat dazu glaubhaft bekundet, daß sich der Angeklagte nach vorheriger ordnungsgemäßer Belehrungüber seine Rechte ihm gegenüber am 25. August 1993 im wesentlichen dahin eingelassen hat, daß der ... und ein wenig später auch der ... ihn am Vorabend des Tattages zu Hause besucht hätten. Anwesend sei auch sein Freund ... gewesen. Im Verlaufe des Abends habe der ... laufend versucht, ihn zu provozieren, wobei er ihn auf die gemeinsame Zeit in Albanien angesprochen habe. Er sei jedoch ruhig geblieben und habe die Brüder ... zum Verlassen der Wohnung aufgefordert. Plötzlich habe ... aus dem Stiefelschaft eine Schußwaffe gezogen, wobei es sich seinerÜberzeugung nach um eine scharfe Waffe gehandelt habe. Außerdem habe er auch noch Patronen gezeigt. Die Waffe habe er auf ihn, den Angeklagten, gerichtet und erklärt, daß er ihn erschießen werde. Er habe diese Drohung für ernst gehalten und um Gnade gebeten. Seine, des Angeklagten Schwägerin und sein Bruder seien in das Zimmer zugekommen, woraufhin seine Schwägerin begonnen habe zu schreien. ... habe die Waffe vorne in den Hosenbund gesteckt und die Wohnung verlassen, wobei er noch seine Familie und ihn beschimpft habe. ... sei ebenfalls gegangen.
Am Tattage habe er sich am späten Nachmittag in der Küche aufgehalten, als es an die Tür geklopft habe. Er habe geöffnet. Vor der Tür habe ... gestanden und Einlaß begehrt. Er habe ihm den Weg in die Wohnung versperrt und ihn weggeschubst. Daraufhin habe ... mit einer Hand in die Innenseite seiner Jacke gegriffen und dabei geschimpft, daß er jetzt ihn, den Angeklagten, umbringen werde. In der Jacke habe er einen schwarzen Gegenstand gesehen, den er jedoch nicht näher bezeichnen könne. Er habe im Hinblick auf das Geschehen mit der scharfen Waffe am Vorabend geglaubt, daß ... jetzt diese Waffe ziehen und ihn umbringen werde. Er sei deshalb sofort wieder in die Küche gegangen, wo er auf dem Küchentisch eine zweiläufige, mit zwei Patronen geladene Waffe zu liegen gehabt hätte. Er habe sich die Waffe und 5 bis 6 noch auf dem Tisch liegende Patronen gegriffen und sofort von der Küche aus einer Entfernung von etwa 2 bis 3 m ein- oder zweimal auf ... geschossen, der in unmittelbarer Nähe der Wohnzimmertür auf dem Flur gestanden habe. ... habe sich gekrümmt, so daß er: annehme, ihn getroffen zu haben. Jener sei in das Wohnzimmer gelaufen und habe sich wohl am Wohnzimmertisch festgehalten. Er habe seinei Waffe neu geladen, dazu die beiden abgeschossenen Patronenhülsen herausgenommen und zwei neue Patronen nachgeladen. Es sei auch möglich, daß er die Waffe vielleicht zweimal nachgeladen habe. Wie oft er dann im Wohnzimmer auf ... geschossen habe, wisse er nicht mehr, weil er im Augenblick völlig durcheinander sei. Als jener zu Boden gegangen sei, habe er mit dem Schießen aufgehört. Ob er ... tatsächlich getroffen habe, wisse er nicht, weil er kein Blut sehen könne und deshalb nicht genau hingesehen habe. Nach dem letzten Schuß sei er sofort zu seinem in der Oberwohnung ... Nachbarn ... gegangen, habe ihm erklärt, soeben jemanden erschossen zu haben, und ihn gebeten, Polizei und Krankenwagen zu benachrichtigen, was dieser auch getan habe. Unten hätten sie gemeinsam auf die Polizei gewartet und eine Zigarette geraucht. Der eintreffenden Polizei habe er sich sofort als Täter zu erkennen gegeben.
Die Waffe habe er vor etwa 3 bis 4 Tagen in Bremen auf dem Bahnhof für 400,00 DM zum Schutz für sich und seine Familie gekauft, weil die Albaner untereinander laufend Streit gehabt hätten.
Der Kriminalbeamte ... hat glaubhaft weiter ausgesagt, daß er den Angeklagten am 31. August 1993 erneut ordnungsgemäß belehrt und ergänzend verantwortlich vernommen habe. Dabei habe sich der Angeklagte erneut vertiefend auf eine Notwehrlage bezogen. ... habe, nachdem er seine Pistole gezogen habe, die Mutter des Angeklagten schwer beleidigt, indem er davon gesprochen habe, "sie ficken zu wollen". Im Gegensatz zu seiner früheren Einlassung habe der Angeklagte jetzt jedoch nur noch davon gesprochen, daß seine Schwägerin ... (und nicht auch noch sein Bruder ...) über den Flur zur Toilette gegangen sei. ... habe auch sie, als er sie gesehen habe, beleidigt. Er habe sie Hure genannt und erklärt, er möge sie. Seine Schwägerin habe jedoch nicht reagiert. ... und ... seien schließlich gegangen, nachdem sie ihn noch vergeblich aufgefordert hätten, sie zu begleiten, was sicherlich seinen Tod bedeutet hätte. Sein Freund ... sei noch die ganze Nacht aus Angst um ihn bei ihm in seiner Wohnung geblieben.
Zum Tattag selber habe der Angeklagte sich dahin eingelassen, ... sei nach dem Öffnen der Wohnungstür sofort in den Flur getreten und habe die Tür hinter sich geschlossen. Dieser habe ihn sofort an den Hals gegriffen, woraufhin er ihn mit beiden Händen wegggeschubst habe. Dabei sei er oben gegen ... Jacke gekommen und habe gemerkt, daß sich dort innen ein harter Gegenstand befunden habe, wobei er noch etwas Schwarzes aus der Jackeninnentasche habe herausragen sehen, wobei es sich um irgendein schwarzes Griffstück gehandelt habe. Nachdem ... nun auch noch einen Griff mit seiner rechten Hand in die Jackeninnentasche getan habe, sei er überzeugt gewesen, jetzt erschossen zu werden. Er habe im Schrank unter dem Herd eine doppelläufige Schrotflinte zu liegen gehabt. Man habe sich unmittelbar im Eingangsbereich der Küchentür befunden. Er habe jetzt in den Unterschrank des Kochherdes gegriffen, das Gewehr herausgerissen und sofort in Richtung ... abgefeuert, wobei er nicht wisse, ob die Waffe einen oder zwei Abzüge habe und ob er diese gleichzeitig durchgerissen habe. ... sei in Richtung Wohnzimmer gegangen. Er habe den Lauf der Waffe abgeknickt, die beiden leeren Patronenhülsen herausgerissen, nachgeladen und erneut geschossen. An genaue Einzelheiten der Schießerei könne er sich nicht erinnern, namentlich nicht daran, wo er ... getroffen, wo dieser jeweils genau gestanden, aus welcher Entfernung er jeweils und von wo er genau geschossen habe. Manchmal sei er jedoch ganz dicht bei ihm gewesen. Nachdem ... zu Boden gegangen sei, habe er die Waffe und die leeren Patronenhülsen auf die unmittelbar neben der Tür stehende Couch gelegt. Zwei abgeschossene Patronenhülsen hätten noch im Lauf gesteckt. Diese hätte er zum Schluß noch allgemein im Wohnzimmer abgeschossen, während die drei anderen Patronen auf ... gezielt gewesen seien. Gleich danach sei er zum Nachbarn ... nach oben gegangen.
Der Kriminalbeamte ... hat noch ergänzt, daß er den Angeklagten als erster am 25. August 1993 vernommen und mit ihm ein Vorgespräch geführt habe. Nach etwa einer halben Stunde sei dem Angeklagten, der von ihm ordnungsgemäß belehrt gewesen sei, die Befragung offensichtlich lästig geworden. So habe er lachend gefragt, was sie denn noch alles von ihm wollten, er habe die Tat doch zugegeben. Konkrete Fragen nach dem genauen Standort bei den einzelnen Schußabgaben, zur Entfernung zum Opfer, zur Zahl der abgefeuerten Schüsse habe er sichtlich blockiert, während er alle anderen Fragen in aller Ruhe und Gelassenheit beantwortet habe. Er habe ihn allein erschossen, ... sei tot.
Diese über die Kriminalbeamten ... und ... eingeführte Einlassung des Angeklagten glaubt ihm die Kammer nicht. ... hat ihn weder am Abend vor der Tat noch am Tattage selber mit einer Waffe bedroht.
(a)
Gegen die Richtigkeit dieser Einlassung spricht bereits, daß sie teilweise widersprüchlich ist.
Am 25. August 1993 hat der Angeklagte davon gesprochen, sowohl seine Schwägerin als auch sein Bruder seien in das Wohnzimmer gekommen, wobei seine Schwägerin plötzlich zu schreien begonnen habe, als sie die Waffe gesehen habe. Anläßlich seiner ergänzenden Vernehmung am 31. August 1993 war es nur noch allein die Schwägerin, die über den Flur auf dem Weg zur Toilette gewesen sei und dieüberhaupt nicht reagiert habe, sondern unauffällig wieder in ihr Zimmer zurückgegangen sei.
Entsprechendes gilt für die Schilderung des Tatherganges durch den Angeklagten.
Während er am 25. August 1993 nur davon gesprochen hatte, daß ... versucht habe, in die Wohnung zu gelangen, wobei er ihn weggeschubst habe, hat er sich am 31. August 1993 dahin eingelassen, daß ... sofort einen Schritt nach vorn in den Flur getan, die Wohnungstür geschlossen und im selben Augenblick an seinen Hals gefaßt habe.
Während der Angeklagte am 25. August 1993 lediglich erklärt hatte, in der Jacke ... einen schwarzen Gegenstand gesehen zu haben, hat er am 31. August 1993 ergänzend davon gesprochen, ihn auch beim Wegschubsen als harten Gegenstand gefühlt zu haben.
Während er am 25. August 1993 gesagt hatte, vom Flur in die Küche gegangen und dort vom Küchentisch die dort liegende und geladene Waffe genommen zu haben, was möglicherweise Rückschlüsse auf eine Vorbereitung zugelassen hätte, hat er am 31. August 1993 dagegen bekundet, in der Küche, bei der man im Eingangsbereich der Küchentür gestanden habe, aus dem Unterschrank des Kochherdes die dort liegende und geladene Waffe herausgerissen und sofort auf ... abgefeuert zu haben.
Offen bleibt bei diesen Einlassungen im übrigen, wieso es ... nicht gelungen sein sollte, wenigstens sein Messer zu ziehen, nachdem er angeblich bereits mit seiner Hand in die Innentasche seiner Jacke gegriffen hatte und der Angeklagte erst noch vom Flur in die Küche mußte, um von dort das Gewehr zu holen.
Offen bleibt auch, weshalb ... nach den ersten beiden Schüssen, die nach der Einlassung des Angeklagten die Bewegungsfähigkeit seines Opfers noch nicht eingeschränkt hatten, statt nach draußen in das Wohnzimmer des Angeklagten gelaufen war.
In dieses Bild der offenen Fragen paßt das Verhalten des Angeklagten, der konkrete und präzise Angaben zum eigentlichen Tatablauf nicht zu geben vermochte, sondern stattdessen, wie der Krimin albeamte ... bekundet hat, Fragen und Vorhalte dazu abblockte und einzig pauschal dazu angab, ... erschossen zu haben.
Dem entspricht auch der Eindruck, den der Haftrichter von dem Angeklagten anläßlich dessen Vorführung zwecks Prüfung zum Erlaß eines Haftbefehls von ihm gewonnen hatte. Richter am Amtsgericht ... hat dazu glaubhaft bekundet, daß der Angeklagte angegeben habe, sich nicht gut zu fühlen und sich deshalb trotz seiner erklärten Aussagebereitschaft nicht in der Lage sehe, erneut konkret Fragen zu beantworten. Er habe bereits eine Aussage bei der Polizei gemacht, die er aufrechterhalte und auf die er sich beziehe. Im krassen Gegensatz zu diesen Angaben habe das äußere physische und psychische Bild des Angeklagten gestanden. Der Angeklagte habe einen äußerst ruhigen und abgeklärten Eindruck gemacht, so als wenn ihm nichts passieren könne. Er habe dem Angeklagten mit Hilfe einer Dolmetscherin den ihm gemachten Vorwurf erklärt. Dieser habe mit Sicherheit verstanden, worum es dabei gegangen sei. Dennoch habe der Angeklagte weiterhin ruhig und abgeklärt gewirkt. Er habe, so sei sein Eindruck gewesen, einzig keine Lust gehabt. Von einer Beeinträchtigung des körperlichen Gesundheitszustandes habe er nichts gemerkt, obwohl er gezielt darauf geachtet habe, nachdem der Angeklagte von seiner von ihm vorgegebenen schlechten körperlichen Verfassung gesprochen gehabt habe. Seine Frage, welche Beschwerden er genau habe und nach deren Grund, habe der Angeklagte nicht beantwortet, weil er es, wie er sich ausgedrückt habe, nicht für wichtig gehalten habe. Er habe trotz dieser Einlassung keine Anhaltspunkte weder für eine Verhandlungsunfähigkeit noch für eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten gehabt. Der Angeklagte habe auch nach keinem Arzt verlangt.
Sein Verhalten habe zudem in einem krassen Gegensatz zu seinem Verhalten anläßlich einer früheren Vorführung gestanden. Er habe den Angeklagten nämlich bereits aus jenem Verfahren her gekannt, in dem er später zusammen mit seinem Bruder wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden sei. Damals habe man den Angeklagten und dessen Bruder unter dem Vorwurf des versuchten Totschlags zum Erlaß eines Haftbefehls bei ihm vorgeführt. In jener Situation habe der Angeklagte gezittert und sei sehr aufgeregt gewesen. Die damalige Situation habe ihn damals sichtlich mitgenommen. In diesem Verfahren sei er jedoch die Ruhe und Abgeklärtheit in Person gewesen.
(b)
Die Einlassung des Angeklagten zu der von ihm behaupteten Alleintäterschaft ist falsch.
Nach dem überzeugenden und eindeutigen Gutachten des Sachverständigen ... vom Landeskriminalamt Niedersachsen sind drei der sichergestellten Patronenhülsen entgegen der Einlassung des Angeklagten nicht aus seiner sichergestellten Waffe abgefeuert worden. Es war noch ein zweiter unbekannt gebliebener Dritter an der Tat beteiligt, der ... mit drei Schüssen getroffen hatte.
(c)
... war nicht im Besitz der (s) ihm nach der Einlassung des Angeklagten zugeschriebenen Pistole (Revolvers).
Zwar haben die Zeugen ... und ... beide Freunde des Angeklagten, dessen Einlassung bestätigt, wonach der ... eine Waffe besessen habe. Die Kammer glaubt ihnen jedoch insoweit nicht. Diese Überzeugung gründet sich auf folgendes:
Der Albaner ... hat bekundet, am Abend des 24. August 1993 in der Wohnung des Angeklagten zugegen gewesen zu sein, als ... plötzlich nach der kompromißlos vorgetragenen Rückforderung der Restschuld von noch 1.000,00 DM eine Waffe aus seinem Stiefelschaft gezogen und in Kniehöhe gehalten habe. Er habe dabei gedroht, wenn er das Geld nicht zahle und abhaue, würde seinen Brüdern etwas passieren. Nachdem ... die Waffe kurz gezeigt habe, habe er sie wieder in den Stiefel zurückgesteckt. Später habe er den Stiefel ausgezogen und die Waffe in seine Jackentasche getan. Munition habe ... nicht gezeigt. Nachdem ... und ... die Wohnung verlassen gehabt hätten, habe der Angeklagte ihn gebeten, seinen Bruder ... aufzusuchen, ihn zu verständigen und zu warnen. Nachdem er ... unterrichtet gehabt habe, seien sie beide zum Angeklagten gefahren, bei dem ... die Nacht über aus Angst geblieben sei, daß ... und ... zurückkehren könnten. Er selber sei anschließend zu seiner Freundin gefahren.
Diese Darstellung des Zeugen deckt sich bereits nicht mit der Einlassung des Angeklagten. Wie der Kriminalbeamte ... glaubhaft bekundet hat, hatte der Angeklagte am 25. und 31. August 1993 trotz eines entsprechendes Vorhaltes durchgehend bestritten, daß bei der Auseinandersetzung zwischen ihm und ... Geld eine Rolle gespielt habe. Es sei einzig um ihr früheres Verhältnis zueinander in Albanien gegangen.
Außerdem habe der Angeklagte davon gesprochen, daß ... seine Waffe vorne in den Hosenbund wieder eingesteckt habe. Zuvor habe ..., gleichsam zur Bekräftigung, daß es sich um eine scharfe Waffe handelte, in der Hand noch Patronen gezeigt, die ihm von der Polizei gezeigten 9 mm Patronen entsprochen hätten.
Der Angeklagte habe am 25. August 1993 noch keine Einzelheiten dazu geschildert, was sich unmittelbar nach dem Weggang ... und ... ereignet habe. Am 31. August 1993 habe er jedoch davon gesprochen, daß ... die ganze Nacht über aus Angst bei ihm gebleiben sei, weil sie befürchtet hätten, die beiden ... könnten zurückkommen. Von einer Unterrichtung des Bruders durch ... und dessen Kommen in die Wohnung des Angeklagten sei nicht die Rede gewesen.
Auch in einem weiteren Punkt glaubt die Kammer dem Zeugen ... nicht.
Dieser hatte unter anderem auch bekundet, am Nachmittag des 24. August 1993 bei Mc Donald's den Angeklagten, ..., den ... und dessen Freundin ..., jetzt verheiratete ..., getroffen zu haben. Der Angeklagte habe während der Zusammenseins davon gesprochen, Deutschland verlassen zu wollen. ... habe daraufhin den Angeklagten aufgefordert; wegen einer noch offenen Geldforderung den ... anzurufen, was dieser auch getan habe, nachdem ihm die ... noch eine Telefonkarte gegeben hätte.
Der Albaner ..., ein Freund des Angeklagten, hat diesen Vorgang bestätigt, wobei er jedoch die Einschränkung machte, daß der Angeklagte erst zehn Minuten nach der Aufforderung ... mit ... zu telefonieren, zum Telefon gegangen sei. Mit wem der Angeklagte tatsächlich gesprochen habe, wisse er nicht. Im übrigen habe er zwei/drei Tage nach dem Vorfall ..., den Bruder des Angeklagten, getroffen, der nur erzählt habe, daß ein Mord geschehen sei. Nähere Einzelheiten dazu habe er nicht berichtet, er habe auch nicht danach gefragt. Eine Erklärung dafür, sich bei ... nicht nach näheren Einzelheiten erkundigt zu haben, obwohl es sich bei dem inhaftierten Angeklagten um seinen Freund gehandelt habe, hat der Zeuge nicht zu geben vermocht.
Die Ehefrau des ..., die ... geborene ..., hat bekundet, daß sie ebenfalls mit dem Angeklagten und dessen Brüdern befreundet sei. Dies sei ein fester Kreis, der den Angeklagten, dessen Brüder ... und ..., ihren Ehemann, den ..., den ... und ab und zu auch den ... umfaßt habe. Am Nachmittag vor dem Vorfallstag habe sie den Angeklagten bei MC Donald's getroffen, dem allgemeinen Treffplatz der Albaner. ... sei auf keinen Fall dort gewesen. Sie könne sich nicht erinnern daß der Angeklagte zum Telefonieren gegangen sei und sie ihm dafür noch eine Telefonkarte gegeben habe. Auch auf Vorhalt der Verteidigung ist die Zeugin bei ihrer Aussage geblieben.
Der in der Hauptverhandlung vernommene Albaner ... hat anläßlich seiner Befragung zu einer Schießerei des ... in Albanien auf die Frage hin, ob jemand wegen einer Schießerei in einem Restaurant inhaftiert gewesen sei, bekundet, daß ein Albaner niemals jemanden an die Polizei verrate. So habe auch damals keiner etwas dazu gesagt, wer geschossen habe.
So hat auch die Zeugin ..., die mit ..., dem Bruder des Angeklagten, befreundet ist, berichtet, daß ihr über die Tat auch auf Fragen von den Brüdern des Angeklagten nichts gesagt worden sei und sie bewußt herausgehalten werde.
Angesichts dieses Aussageverhaltens und der aufgezeigten Widersprüche in den Zeugenaussagen untereinander und im Verhältnis zur Einlassung des Angeklagten glaubt die Kammer den Zeugen ... und ... nicht.
Dieser Überzeugung steht auch nicht die Aussage des Albaners ... entgegen.
Dieser hat zwar bekundet, ... habe eine scharfe Waffe besessen und diese bei ihm in seiner Wohnung aufbewahrt. Am Abend des 24. August 1993, bevor dieser zur Wohnung des Angeklagten gegangen sei, habe er sie ihm auf dessen Verlangen hin ausgehändigt. ... habe ihm zwei Tage nach seiner Ankunft aus Heidelberg in einer Plastiktüte eingepackt eine Waffe zur Aufbewahrung gegeben. Warum ..., den er kaum persönlich gekannt habe, gerade ihm und nicht beispielsweise seinem Bruder die Waffe zur Aufbewahrung gegeben habe, könne er nicht sagen. Als er am Abend ... die Waffe ausgehändigt habe, habe dieser sie aus der Plastikumhüllung und aus dem Papier ausgepackt. Er, der Zeuge, habe sich die Waffe noch angesehen und erkannt, daß sie über eine Trommel verfügt habe. Als Munition hätten Kugeln gedient. ... habe die Waffe noch geladen und vor dem anschließenden Weggehen gesagt, daß er jetzt zum Angeklagten gehe, weil er dort noch etwas zu erledigen habe.
Die Kammer glaubt dem Zeugen insoweit nicht.
Seiner Aussage stehen die Bekundungen seiner Freundin ... entgegen.
Diese hat erklärt, ..., ein Freund des Angeklagten, sei zusammen mit ... am Abend des 24. August 1993 in ihre Wohnung gekommen. Man habe mit noch anderen Bekannten zusammen im Zimmer gesessen. Dort sei ... mit Sicherheit nichts von ... ausgehändigt werden. Nach etwa 5 Minuten sein ... gegangen. ... habe ihn nach draußen auf den Flur zur Wohnungstür begleitet und sei sofort zurückgekommen. Er habe sich dort kaum aufgehalten. ... sei schnell weg gewesen, er habe sich an der Tür nicht länger aufgehalten.
Danach steht zur Überzeugung der Kammer fest, daß ... dem ... auf dem Flur keine von ihm aus einem Versteck geholte und eingepackte Waffe ausgehändigt hat, die dieser in seiner Gegenwart ausgepackt, geladen und eingepackt hat, ehe er gegangen ist. Die dafür nach der Aussage der ... zur Verfügung stehende Zeit reichte dafür nicht aus. Die Kammer glaubt der Zeugin. Sie hat ihre Aussage unbeteiligt, überlegt und ohne nachteilige oder begünstigende Tendenzen gegenüber dem Angeklagten oder dem ... gemacht.
Die Überzeugung der Kammer wird ferner abgestützt durch die Bekundungen des ..., dem Cousin des .... Bei ... hatte ... etwa zwei Wochen lang vor seinem Tode gelebt. Dieser hatte zu keinem Zeitpunkt etwas von einer Waffe weder von ... noch von seinem Cousin gehört. Auch nach dem Tode ... hatte ihm ... nichts davon erzählt, daß ... im Besitz einer scharfen Waffe gewesen sei.
Entscheidend gegen die These, ... habe eine scharfe Waffe besessen, spricht jedoch, daß dieser ohne Schußwaffe am 25. August beim Angeklagten in dessen Wohnung erschienen ist. Hätte ... tatsächlich eine derartige Waffe besessen und hätte er sie tatsächlich am Vorabend dem Angeklagten gezeigt und ihm damit seinen Tod angedroht, hätte er nach der Überzeugung der Kammer mit Sicherheit am 25. August 1993 die Waffe bei sich geführt, als er den Angeklagten in seiner Wohnung aufsuchte.
(d)
... hat den Angeklagten auch nicht mit dem bei sich geführten Messer bedroht.
(1)
Die Kammer hat bereits Zweifel, ob es sich bei dem bei ... gefundenen Messer tatsächlich um sein Messer gehandelt hat.
Der Albaner ..., bei dem ... in den letzten zwei Wochen vor seinem Tode gewohnt hat, hat dazu bekundet, daß ihm dieses Messer völlig unbekannt sei. ... habe ursprünglich stolz ein sogenanntes großes Rambo-Messer mit sich geführt. Dieses sei jedoch kaputt gegangen. Danach habe ... ein anderes Messer besessen, bei dem die Spitze etwa 4 bis 5 cm abgebrochen gewesen sei. Mit Sicherheit sei dieses nicht mit dem bei ... gefundenen Messer identisch, nachdem er dessen Bild gesehen habe. Woher dieses Messer stamme, wisse er nicht. Aus seinem Haushalt komme es jedenfalls nicht.
Andererseits haben andere Zeugen bekundet, ... habe immer ein Messer bei sich geführt. Zu Gunsten des Angeklagten geht die Kammer deshalb davon aus, daß ... bei seinem Erscheinen in der Wohnung des Angeklagten das bei ihm gefundene Messer bei sich hatte.
(2)
Mit diesem Messer hat er jedoch den Angeklagten nicht bedroht.
Dieses Messer war von ... nicht gezogen worden. Dieses hat selbst der Angeklagte nicht gegenüber den ihn vernehmenden Polizeibeamten behauptet. Das Messer wurde außerdem in der Innentasche der Jacke ... anläßlich seiner Obduktion gefunden. Es steckte ordnungsgemäß in der Tasche.
... hat auch keinen Griff in seine Innentasche getan und so bei dem Angeklagten den Eindruck erweckt, er werde jetzt unmittelbar sein Messer ziehen und ihn damit angreifen.
Wie bereits oben dargelegt wurde, hätte ... Zeit und Gelegenheit gehabt, sein Messer zu ziehen, wenn er tatsächlich bereits in seine Jackeninnentasche gegriffen gehabt hätte, weil der Angeklagte nach seiner Einlassung erst noch in die Küche mußte, um dort seine Waffe zu holen. Das Messer war jedoch nicht gezogen.
Dem steht auch nicht entgegen, daß der Angeklagte anläßlich seiner polizeilichen Vernehmungen zutreffend den Griff des Messers mit schwarz beschrieben hatte. Dazu war es nicht erforderlich, vor der Tat das Messer gesehen zu haben. Wie oben schon näher beschrieben wurde, war die Lage der Leiche, wie sie von Notärztin und Polizei vorgefunden wurde, nicht die ursprüngliche. ... war zuvor bewegt und in seine endgültige Lage verbracht worden oder hatte sich möglicherweise selbst dahin bewegt. Dabei hatte er zum Schluß auf dem Rücken gelegen, so daß der Blick auf seine Jackenvorderseite frei war. Imübrigen war allgemein bei den Albanern bekannt, daß ... in der Regel ein Messer bei sich trug.
(3)
Im übrigen spricht entscheidend gegen eine akute Bedrohung am Tattage durch ein Messer oder eine angeblich vorhandene Schußwaffe und eine damit verbundene Notwehrlage des Angeklagten, daß mit ihm zusammen bereits ein unbekannt gebliebener Dritter von Anfang an bereit stand, um ... zu töten.
8.
Der Angeklagte handelte vorsätzlich.
... wurde nach einem vorgefaßten Plan ziel- und planmäßig getötet.
9.
Der Angeklagte war nach den getroffenen Feststellungen zur Zeit der Begehung seiner Tötungstat am 25. August 1993 gegen 18.40 Uhr mit Sicherheit voll schuldfähig. Seine Schuldfähigkeit war weder im Sinne des § 21 StGB vermindert noch im Sinne des § 20 StGB aufgehoben.
a)
Die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen zum unauffälligen und normalen Verhalten des Angeklagten in den unmittelbaren Wochen vor der Tat beruhen auf den unabhängig voneinander und insoweitübereinstimmenden Bekundungen der Zeugen ... und ....
Dem steht auch nicht die Aussage der ehemaligen Freundin des Angeklagten, der ..., entgegen. Zwar hat diese allgemein bekundet, ohne jedoch konkrete Tatsachen und Zusammenhänge nennen zu können, daß dieser während ihrer Bekanntschaft drei- bis viermal in der Woche plötzlich wie abwesend gewirkt und gezittert habe. Diese Vorfälle sollten sich von Anfang 1993 bis längstens Juni 1993, der Trennung vom Angeklagten, ereignet haben. Obwohl die Zeugin den Angeklagten geliebt haben will und er ihrer Erinnerung nach bereits in Albanien gelegentlich unterähnlichen Erscheinungen gelitten haben soll, wobei sie die Quelle ihres Wissens nicht mehr zu erinnern wußte, hat sie dennoch weder den Angeklagten noch dessen Brüder darauf angesprochen oder den Besuch eines Arztes vorgeschlagen. Eine Erklärung hierfür hat sie nicht zu nennen vermocht. Trotz dieser fehlenden konkreten Geschehensschilderung, der auffallend großen Erinnerungslücken und des für einen Liebenden ungewöhnlichen Verhaltens hat die Kammer zugunsten des Angeklagten angenommen, daß er in dem aufgezeigten Zeitraum derartige Verhaltensauffälligkeiten gezeigt hat. Diese waren jedoch in den unmittelbaren Wochen nach den oben angegebenen Zeugenaussagen nicht mehr aufgetreten. Die Zeugin ... konnte hierzu selber nichts mehr bekunden, weil sie während dieses Zeitraumes keinen Kontakt mehr zu dem Angeklagten gehabt hatte. Sie hatte sich von ihm im Juni 1993 getrennt.
Die von den Zeugen ... und ... in diesem Zusammenhang des weiteren bekundeten Auffälligkeiten beim Angeklagten stehen dem ebenfalls nicht entgegen. Sie liegen sämtlichst nach der Tat und betreffen den Zeitraum der Inhaftierung des Angeklagten in den Justizvollzugsanstalten Lüneburg, Oldenburg und Vechta im Zeitraum vom 27. August 1993 bis 14. Juli 1994.
Im übrigen hat die Zeugin ... dazu bekundet, bei ihren Besuchen des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt ihn stets ruhig und unauffällig erlebt zu haben. Dagegen habe ..., der Bruder des Angeklagten, später mal davon gesprochen, daß der Angeklagte sich in der Haft verändert habe und anders als sonst sei. In welcher Hinsicht dies so gewesen sein solle, wisse sie jedoch nicht. ... habe auch erzählt, daß sich der Angeklagte unberechtigt über die geringe Zahl seiner Besuche beschwert habe, obwohl er ihn in Wirklichkeit regelmäßig besucht habe. Auch sei der Angeklagte gelegentlich geistig abwesend gewesen, er habe auf Fragen nicht geantwortet, als ob er nicht zugehört habe. In der Justizvollzugsanstalt Lüneburg solle der Angeklagte berichtet haben, daß eines Tages 5 bis 6 Beamte auf seine Zelle gekommen seien, mit den Fingern auf ihn gezeigt und ihn ausgelacht hätten. Hierüber solle der Angeklagte jedoch erst vor zwei Monaten gesprochen, in Lüneburg davon jedoch nichts gesagt haben. Im übrigen wisse sie dies alles nur vom Hörensagen.
Die Kammer glaubt der Zeugin, wobei jedoch im Hinblick auf ihre Bekundung, sie werde von den Albanern bewußt unwissend gehalten, der Verdacht aufkommt, daß ihre Aussage gesteuert ist, zumal die Glaubwürdigkeit der unmittelbaren Zeugen, der Geschwister des Angeklagten und seiner Schwägerin, wegen der Geltendmachung ihres Zeugnisverweigerungsrechtes nicht durch die Kammer überprüft werden kann.
Der Albaner ... hat des weiteren ausgesagt, daß der Angeklagte ihn im Oktober 1993, als er zusammen mit dessen Bruder ... versucht habe, vom hinter der Justizvollzugsanstalt Oldenburg liegenden Parkplatz her zu ihm Kontakt aufzunehmen, ihn nicht erkannt habe. Auf seine Namensnenung durch ... habe der Angeklagte unverständig gefragt, wer denn gemeint sei. Später habe er den Angeklagten auch in der Justizvollzugsanstalt besucht. Jener habe gezittert und komische Fragen gestellt. Der Angeklagte habe wiederholt davon gesprochen, daß er Pickel am Kopf habe, obwohl eine eigene Nachschau dies nicht ergeben habe. In der Justizvollzugsanstalt Vechta habe er gar berichtet, daß er von dem in seine Zelle geleiteten Wasser beim Waschen blau und schwarz im Gesicht werde. Im August 1993 habe ihn der Angeklagte noch während seiner, des Zeugen eigener Inhaftierung in Falkenrott besucht. Da sei er ganz normal, vernünftig und unauffällig gewesen.
Der Zeuge ... ist ein Freund des Angeklagten und seiner Brüder. Er war es, der bekundet hat, ein Albaner verrate niemals jemanden an die Polizei. Angesichts dieser Umstände bestehen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Aussage.
Dennoch ist die Kammer zugunsten des Angeklagten von den von den Zeugen ... und ... bekundeten Auffälligkeiten ausge gangen, wonach der Angeklagte sich in der Haft verändert hatte und an den Wahnvorstellungen litt, in Lüneburg hätten 5 bis 6 Beamte seine Zelle aufgesucht, mit den Fingern auf ihn gezeigt und ihn ausgelacht, in Vechta werde er aufgrund des in seine Zelle gelieferten Wassers beim Waschen blau oder gar schwarz im Gesicht. Diese Vorgänge fielen jedoch sämtlichst in die Zeit der Inhaftierung des Angeklagten. Auch nach der Aussage des Zeugen ..., seines Freundes, war er bei dessen Besuch in Falkenrott im August 1993 unauffällig und normal.
b)
Die Feststellungen zu einem bei dem Angeklagten vorliegenden etwa 1 cm langen und 0,5 cm breiten oberflächlichen Hirnsubstanzdefekt links - parietal beruhen auf der Aussage des Arztes Dr. ... vom evangelischen Krankenhaus Oldenburg, der beim Angeklagten ein Computertomogramm durchgeführt hat.
c)
Der zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten gehörte psychiatrische Sachverständige Dr. ..., Arzt für Neurologie und Psychiatrie im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Wehnen, hat für die Tat eine Schuldunfähigkeit oder eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB beim Angeklagten mit Sicherheit ausgeschlossen. Der Sachverständige hat hierzu in der Hauptverhandlung im einzelnen ausgeführt:
Die insgesamt zweimalige ambulante Untersuchung des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg und im Landeskrankenhaus Wehnen habe ergeben, daß der Angeklagte zur Tatzeit körperlich, geistig und seelisch gesund gewesen sei. Soweit er phasenhaft an einer Psychose leide, auf die er noch gesondert zu sprechen komme, habe sich diese auf die Tat nicht ausgewirkt, weil er sich mit Sicherheit in einer gesunden Phase befunden habe.
Die körperliche Untersuchung des Angeklagten - allgemein, intern, neurologisch, elektroenzephalographisch - und die zusätzlich durch Dr. ... durchgeführte computertomographische Untersuchung des Schädels hätten keinen für die Frage der Schuldfähigkeit relevanten Befund erbracht.
Anhaltspunkte für eine hirnorganische Störung hätten sich nicht ergeben. Das bei dem Angeklagten von ihm selbst abgeleitete Elektroenzephalogramm habe ein dem Normbereich zuzuordnendes Hirnstrombild ohne Herd, ohne Anfallsmuster und ohne Seitendifferenzen ergeben. Das EEG enthalte auch keine Hinweise auf eine erhöhte cerebrale Anfallsbereitschaft. Die durch eine Hyperventilation und Provokation unter einer Flickerlichtstimulation hervorgerufene Hirnstromkurve, die ebenfalls keine Auffälligkeiten gezeigt habe, habe er hierbei unberücksichtigt gelassen.
Berücksichtige man deren Ergebnisse zusätzlich, hätten sich ebenfalls keine Auffälligkeiten ergeben.
Die im Computertomogramm ersichtliche, ältere, kleinere, linksseitig hochparietal dargestellte Hirnnarbe, zu deren Interpretation der Neurologe berufen sei, liege in einer Gehirnregion, die für die Motorik der Arme und Beine und für sensible Empfindungen an Armen und Beinen verantwortlich sei. Bei der körperlichen Untersuchung hätten sich insoweit jedoch keine Ausfälle wie beispielsweise Lähmungserscheinungen oder Gefühllosigkeit gefunden. Der Defekt sei auf keinen Fall geeignet, ein Zittern auszulösen. Die Narbe sei hirnelektrisch stumm, von ihr gehe keinerlei Aktivität aus. Theoretisch sei es nicht ausgeschlossen, daß eine derartige Narbe dennoch elektrisch aktiv werden könne. In diesem Falle könne ein epileptischer Anfall ausgelöst werden. Hinweise hierauf hätten sich bei der körperlichen Untersuchung jedoch nicht gefunden.
Soweit in diesem Zusammenhang die Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten in seiner Jugend und beim Militär angesprochen seien, wie sie ihm als Anknüpfungstatsachen vorgegeben seien, sei es aus medizinischer Sicht unwahrscheinlich, daß diese durch die Narbe im Gehirn verursacht worden seien. Dagegen seien jedoch cerebrale Dysfunktionen aufgrund frühkindlicher Hirnschädigung - sei es durch Sauerstoffmangel während der Geburt oder während der Schwangerschaft - geeignet, diffuse Störungen in der Kindheit hervorzurufen, die in der Regel mit Beginn der Pubertät nicht mehr aufträten.
Die neurologische Untersuchung des Angeklagten habe keine Abweichung von der Norm ergeben. Es habe sich lediglich eine deutliche Minderung des Sehvermögens links (Visus rechts 1,0; links 0,2) feststellen lassen. Die linke Pupille sei entrundet gewesen; die Lichtreaktion links sei gegenüber rechts verzögert gewesen. Der übrige Befund der Hirnnerven sei regelrecht gewesen.
Diesem Befund lag eine Augenverletzung des Angeklagten durch eine Flasche im Rahmen einer Schlägerei Mitte Januar 1993 zugrunde.
Bei der Exploration des Angeklagten unter Hinzuziehen eines Dolmetschers hätten sich auch keine Anhaltspunkte für akute psychotische Erlebnisse, für Antriebs- oder Stimmungsveränderungen oder für eine hirnorganisch bedingte Wesensänderung gezeigt. Der Angeklagte sei zeitlich, örtlich und zur Person sicher orientiert gewesen. Der Angeklagte habe insgesamt schwunglos und gleichgültig gewirkt. Im Verlaufe der Untersuchung seien zudem eine gewisse Gleichgültigkeit und ein Desinteresse zu beobachten gewesen. Erregungszustände, Unruhe oder Ungeduld seien nicht zu beobachten gewesen. Wahrnehmungsstörungen im Sinne von Illusionen, Personenverkennungen, Halluzinationen oder ähnlichem seien nicht feststellbar gewesen. Seine Auffassung sei zwar langsam und deutlich erschwert, jedoch geordnet gewesen. Er habe den Sinn an ihn gestellter Fragen erkannt, wie seine adäquaten und sinnentsprechenden Antworten hätten erkennen lassen.
Der Angeklagte habe seinen Namen nur stockend schreiben können. Einfache Sätze, beispielsweise "ein Baum steht an der Straße", habe er mit großer Mühe, Hilfe und Rechtschreibfehlern geschrieben. Einfache Rechenaufgaben habe er schließlich lösen können, solange sich diese im Zehnerbereich bewegt hätten. Die Aufgabe 5 × 7 habe er nur im Ansatz bewältigt. So habe er die 7 fünfmal auf seinem Zettel untereinander geschrieben, um sie so zu addieren. Zu einem Ergebnis sei er jedoch nicht mehr gelangt. Textaufgaben habe er nur mit umfangreicher Unterstützung und Erklärung angehen können. Die in der Hauptverhandlung in diesem Zusammenhang gehörten Zeugen wie ..., die einen engen Kontakt zu ihm gehabt hätten, hätten übereinstimmend bekundet, daß der Angeklagte sich unauffällig in Delmenhorst bewegt und das Alltagsleben mit seinen Anforderungen gemeistert habe. Insgesamt lasse sich seine Intelligenz in den Bereich der leichten Minderbegabung einordnen.
Bei seinen Untersuchungen und seiner Exploration hätten sich keine Hinweise für das Vorliegen einer Erkrankung im Sinne einer Psychose (Schizophrenie, Manie, endogener Depression) ergeben.
Soweit er im Rahmen des psychischen Befundes nicht auf die von ihm erhobenen Zusatztatsachen (Schilderung seines Lebenslaufes und des Tatablaufes durch den Angeklagten) zurückgreife, seien die darin zugleich liegenden und von ihm erhobenen Befundtatsachen untrennbar miteinander verbunden. Diese hätten keinerlei Hinweise auf eine Erkrankung des Angeklagten gegeben. Diese Schlußfolgerung treffe erst recht zu im Falle der Nichtberücksichtigung dieser Punkte.
Diese in seinem vorläufigen Gutachten getroffene Diagnose sei jedoch nunmehr im Hinblick auf das Ergebnis der Hauptverhandlung teilweise zu relativieren.
Hier seien erstmals Anknüpfungstatsachen aufgetaucht, die ihm im Rahmen der Erstattung des vorläufigen Gutachtens so noch nicht verfügbar gewesen seien. Dies treffe namentlich auf die in den Beweisanträgen der Verteidigung aufgeführten Auffälligkeiten des Angeklagten in Albanien zu, die teilweise von Zeugen vom Hörensagen bestätigt und teilweise vom Gericht als wahr behandelt worden seien und die ihm deshalb als Anknüpfungstatsachen bei der Erstattung seines Gutachtens vorgegeben worden seien. Lege man die Auffälligkeiten des Angeklagten namentlich in der Schule und während seines Wehrdienstes zugrunde, lege dies die Annahme eines psychotischen Zustandsbildes nahe. In etwa 30 % der Fälle könne es sich dabei um eine einmalige Erscheinung handeln. In etwa 30 % der Fälle könne der Zustand erneut ausbrechen und bei weiteren 30 % könne sich eine Psychose entwickeln. Bei dem Angeklagten könne sich, wenn man seine Auffälligkeiten in der Schule, während des Wehrdienstes, während seiner Bekanntschaft mit ... und jetzt zeitweilig in der Untersuchungshaft sehe, eine phasenhaft auftretende Psychose entwickelt haben. Phasen mehrmonatiger Dauer führten regelmäßig wieder zur vollen Herstellung der Ausgangspersönlichkeit, wobei zwischen den Phasen häufig mehrjährige symptomfreie Intervalle lägen. Ob bei dem Angeklagten tatsächlich eine phasenhaft auftretende Psychose zu diagnostizieren sei, könne er jedoch mit Gewißheit nicht sagen. So habe die Zeugin ... nur allgemein von gewissen Auffälligkeiten des Angeklagten gesprochen, ohne diese konkret darlegen und in die jeweilige konkrete Situation einbetten zu können, so daß er keine Möglichkeiten habe, wegen der fehlenden konkreten Schilderungen eine genaue Interpretation und Diagnose treffen zu können. Soweit bei dem Angeklagten in der jetzt laufenden Untersuchungshaft Wahnvorstellungen beobachtet worden sein sollten, könnten diese auch auf einer gesonderten Haftpsychose beruhen. Im Ergebnis könne jedoch mit Sicherheit gesagt werden, daß zur Tatzeit keine aktuelle Erkrankung des Angeklagten vorgelegen habe. Dies ergebe sich aus seinem Verhalten vor, während und nach der Tat, wie es sich als Ergebnis der Hauptverhandlung darstelle:
In den unmittelbaren Wochen vor der Tat habe sich der Angeklagte unauffällig verhalten. Er sei seinen täglichen Alltagsgeschäften nachgegangen, habe sich mit anderen Albanern getroffen, sich mit ihnen unterhalten, sei als gleichberechtigt angesehen und normal behandelt worden.
Am Vorabend des Tattages sei der Angeklagte von ... und ... unmißverständlich auf eine Rückzahlung seiner Schuld hingewiesen worden. Der Angeklagte habe wie in der Vergangenheit eine Teilzahlung und künftige Rückzahlung versprochen, wobei ihm sicherlich klar gewesen sei, daß ihm mit ... im Gegensatz zu ... ein ernsthafterer Schuldeneintreiber erwachsen sei, den er in der Zukunft nicht ohne weiteres würde vertrösten können. Der Angeklagte selber habe sich in seiner Einlassung vor der Polizei jedoch nicht darauf berufen, daß der an jenem Abend zufällig anwesende ... wegen seiner Angst seinen Bruder ... geholt habe. Entgegen der Einlassung des Angeklagten sei derer ... in jener Nacht nicht bei ihm geblieben.
Gehe man ferner davon aus, daß der ... dem Angeklagten an jenem Abend nicht mit einer Pistole gedroht habe, fehle es zudem an einer massiven Bedrohung des Angeklagten.
Der Tat selber liege ein durchdachtes Konzept zugrunde, das den Angeklagten als Alleintäter ausweise, der zudem in Notwehr gehandelt haben solle. Dieses Konzept, die Vorbereitung und Durchführung der Tat seien von einer derartigen Güte gewesen, daß die vor Ort ermittelnden Beamten diese Darstellung bis zur Erstellung des schußwaffentechnischen Gutachtens durch das Landeskriminalamt geglaubt hätten. Dabei könne es aus medizinischer Sicht dahingestellt bleiben, wie groß der intellektuelle Anteil des Angeklagten an diesem Plan gewesen sei. Der Angeklagte habe sich jedenfalls nahtlos in diesen Plan und dessen Durchführung eingepaßt. Dies gelte namentlich, wie er diese Darstellung gegenüber den Ermittlungsorganen überzeugend vertreten habe.
Der Angeklagte habe sich ferner unmittelbar nach der Tat unauffällig verhalten. So habe er etwa eine Minute nach dem letzten Schuß seinen Nachbarn ... informiert, wobei er weder sprachliche noch sonstige körperliche Auffälligkeiten gezeigt habe. Er sei einzig, wie der Zeuge ... ausgesagt habe, blaß gewesen. Seine Hände hätten nicht gezittert, als man sich während des Wartens auf die Polizei gemeinsam eine Zigarette angezündet habe. Auch den am Tatort eintreffenden Polizeibeamten wie auch den ihn anschließend vernehmenden Kriminalbeamten ... und ... seien keine Besonderheiten an dem Angeklagten aufgefallen. So habe er sich ruhig und unauffällig verhalten. Er habe sehr sicher gewirkt und bereitwillig ausgesagt, soweit man von Angaben zum genauen Tatablauf absehe. Hier habe er seine Einlassung sehr kurz gehalten, häufig nur auf Vorhalt geantwortet und versucht, Fragen dadurch abzublocken, daß er wiederholt betont habe, doch den ... getötet zu haben. Danach habe der Angeklagte in der Vernehmungssituation die Übersicht behalten und seine eigenen Fähigkeiten hinreichend einzuschätzen vermocht, indem er unverfängliche Sachverhalte offen und umfassend beantwortet, jedoch verfängliche Sachverhalte wie den Tatablauf nur unwillig geschildert habe, um Widersprüche zur von ihm behaupteten Alleintäterschaft zu vermeiden. Dies weise in einem hohen Maße ein situationsgerechtes und angepaßtes Verhalten aus.
Dem entspreche auch das Verhalten des Angeklagten vor dem Haftrichter ... Zwar habe sich der Angeklagte auf einen allgemein schlechten Gesundheitszustand berufen, ohne diesen jedoch näher begründen zu wollen. Seine Angaben hätten jedoch nach der Aussage des Haftrichters in einem deutlichen Gegensatz zu seinem äußerlichen Erscheinungsbild gestanden, wobei der Haftrichter ihn in einer entsprechenden Lage bereits anders erlebt habe. So war der Angeklagte gegen Ende Juli 1991 dem Zeugen bereits einmal unter dem Vorwurf des versuchten Totschlags zugeführt worden, wobei der Angeklagte gezittert habe und sichtlich unter dem Eindruck der erfolgten Festnahme gestanden habe. Demgegenüber habe er hier einen abgeklärten, ruhigen Eindruck hinterlassen, obwohl ihm auch hier ein versuchtes Totschlagsdelikt vorgeworfen und ihm der Vorwurf entsprechend erklärt worden sei, was er verstanden gehabt habe. Er habe sich kurz angebunden gezeigt und den Eindruck erweckt, als wenn ihm nichts passieren könne. Dies deckt sich nach der Überzeugung der Kammer mit der Aussage des Kriminalbeamten ... der bekundet hat, daß man dem Angeklagten die Alleintäterschaft im Hinblick auf die Spuren am Tatort geglaubt habe, was man ihm im Verlaufe seiner Vernehmung auch zu verstehen gegeben habe. Danach durfte der Angeklagte den Eindruck gewinnen, daß die Sache für ihn gut lief und er gute Aussichten hatte, auch seine Notwehrversion durchzubringen. Dies macht deutlich, daß er den Überblick in der Vernehmungssituation behalten und seine Chancen positiv eingeschätzt hatte.
Der Sachverständige Dr. ... hat weiter ausgeführt, daß er auch im Laufe der Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Angeklagten gewonnen habe. Zwar habe sich dieser nicht in der Hauptverhandlung zu seinem Lebenslauf und den ihm gegenüber erhobenen Vorwurf eingelassen. Dennoch habe der Angeklagte wach und aufmerksam die Hauptverhandlung verfolgt. So seien ihm laufend die Aussagen der Zeugen, die Ausführungen der Sachverständigen, die Erklärungen des Gerichts pp übersetzt worden. Der Angeklagte habe wiederholt bei denÜbersetzungen nachgefaßt, eine Erläuterung gewünscht, genickt oder sich auch mit seinen beiden Verteidigern ausgetauscht. Irgendwelche psychischen Auffälligkeiten seien in der gesamten Zeit der Hauptverhandlung nicht aufgetreten.
Aus medizinisch-psychiatrischer Sicht könne er deshalb unter den genannten tatsächlichen Prämissen mit Sicherheit eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB ausschließen. Dies gelte auch für den Fall, daß der Angeklagte phasenweise an einer Psychose leiden solle. In den unmittelbaren Wochen vor der Tat und zur Tatzeit selber habe er sich in diesem Fall in einem gesunden Intervall befunden. Einfluß auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten habe eine derartige phasenweise auftretende Psychose mit Sicherheit nicht gehabt.
Zu einem anderen Ergebnis gelange man jedoch, wenn man nach einer tatsächlichen Vorgabe der Verteidigung annehme, daß der Angeklagte am Abend zuvor tatsächlich von ... mit einer Pistole massiv bedroht worden sei. Im Hinblick auf seine Erfahrungen in albanischen Gefängnissen nach seiner Demonstrationsteilnahme und Auslieferung an die albanischen Sicherheitskräfte durch die chinesische Botschaft mit den allgemeinen Angstfolgen und seinen früheren Auffälligkeiten könne dieser Reiz eine stark angstbesetzte affektive Aufladung hervorgerufen haben. Diese könne sich zur Tatzeit noch weiter gesteigert haben, wenn ... den Angeklagten zuvor noch angegriffen habe. Mit einer derartigen Konstellation vertrage sich zwar das nachträgliche, unauffällige Auftreten des Angeklagten gegenüber seinem Nachbarn ..., den eintreffenden Polizeibeamten und den ihn anschließend vernehmenden Kriminalbeamten nicht. Dennoch könne er jedoch angesichts einer derartigen Sachverhaltsvorgabe durch die Verteidigung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB zugunsten des Angeklagten nicht ausschließen, wobei seine Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich vermindert, seine Unrechtseinsicht jedoch nicht tangiert gewesen sei.
Die Kammer ist den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... gefolgt, wobei sie aus den oben bereits aufgeführten Gründen die Sachverhaltsvorgabe der Verteidigung an den Sachverständigen aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen hat. Das Gutachten des Sachverständigen war einleuchtend, schlüssig, überzeugend und ging von zutreffenden Tatsachen aus.
Diese Einschätzung des Sachverständigen Dr. ... wird im weiteren auch durch die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen Dr. ... abgestützt, wonach auch anäßlich einer operativen Behandlung wegen einer Augenverletzung keine Besonderheiten zu beobachten waren:
In der Nacht des 15./16. Januar 1993 war der stark alkoholisierte Angeklagte in eine Schlägerei geraten, in deren Verlauf er durch den Schlag einer Flasche in das Gesicht eine Lid- und Augenverletzung erlitten hatte. Eine Schädelfraktur wurde nach Röntgen der Schädelkalotte und des überschaubaren Gesichtsschädels ausgeschlossen. Anläßlich der ersten Behandlung im Delmenhorster Krankenhaus erhielt der Angeklagte zur Beruhigung 30 mg Valium. Dennoch mußten ihn die beiden begleitenden Polizeibearaten noch festhalten, weil er sich gegen die Durchführung ärztlicher Maßnahmen wehrte und nicht behandelt werden wollte, obwohl ihm sein Begleiter ... dazu geraten hatte. Der Angeklagte sah in jedem Anwesenden einen potentiellen Gegner, wovon er einzig ... ausnahm, wie die beiden Polizeibeamten ... und ... unabhängig voneinander übereinstimmend bekundet haben. Dieses Verhalten des Angeklagten setzte sich im Pius-Hospital in Oldenburg zunächst fort, wohin der Angeklagte zur besseren Behandlung seiner Augenverletzung gebracht worden war. So war es nicht möglich ein EKG zu nehmen, weil der Angeklagte mit den Händen um sich schlug. Dennoch wurde alsbald mit der Narkosebehandlung begonnen, wobei der Angeklagte folgende Medikamente in folgenden Mengen erhielt:
Fentanyl (Opiat) : | 0,05 mg; |
---|---|
Norcuron (Muskelrelexans): | 1,00 mg; |
Trappanal(Barbiturat): | 250,00 mg; |
DHB (Neuroleptikum gegen Erbrechen): | 1,25 mg. |
Ferner wurde der Angeklagte anfänglich mit Sauerstoff beatmet, anschließend erhielt er ein Sauerstoff/Lachgasgemisch im Verhältnis 1,2: 2, als Narkosegas selber Isoflurane 0,6 vol. %. Nach dem Einschlafen bekam der Angeklagte noch 7 mg Norcuron. Während der Operation wurden ihm zur Augendruckabsenkung 250 ml Mannit und als Flüssigkeitsersatz 1500 ml Ringer-Laktat gegeben. Die Operation dauerte von 8.45 Uhr bis 9.55 Uhr. Anästhesiebeginn war 8.25 Uhr gewesen, -ende war um 10.05 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte wieder ansprechbar. Er wurde in einem ruhigen Zustand in die Aufnahmeabteilung entlassen. 20 bis 30 Minuten später wurde der Angeklagte von der Anästhesistin aufgesucht. Er schlief. Er wurde geweckt, war ruhig und ansprechbar. Besonderheiten traten nicht auf.
Diese Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Aussagen der Frau Dr. ... und der Ärztin Frau Dr. ... geborene ..., die beide am Ausgang des Verfahrens kein eigenes Interesse haben und den Angeklagten zuvor nicht gekannt hatten.
Die Sachverständige Frau Dr. ..., seit etwa 20 Jahren als Narkoseäzrtin im Pius-Hospital in Oldenburg tätig, hat dazu ausgeführt, daß es sich bei der Narkose des Angeklagten um eine sogenannte Standardnarkose gehandelt habe, wobei sich die Menge der verabreichten Medikamente einschließlich der in Delmenhorst gegebenen im normalen Bereich bewegt habe, wobei es sich bei den in Delmenhorst verabreichten 30 mg Valium im Hinblick auf die körperliche Unruhe des Angeklagten um eine etwas erhöhte Dosis gehandelt habe. Die körperliche Unruhe des Patienten sei im Hinblick auf seine Alkoholisierung nicht ungewöhnlich. So reiche die Verhaltensspannbreite alkoholisierter Patienten von ruhig bis zum Randalieren. Der Angeklagte falle mit seinem Verhalten dabei nicht aus dem Rahmen. Besonderheiten ließen sich aus dem Verhalten des Angeklagten und seiner Narkosebehandlung nicht herleiten.
Diesen überzeugenden, in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen hat sich die Kammer nachÜberprüfung angeschlossen.
Ein weiteres, neben den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... stehendes Gutachten einzuholen, war nicht geboten.
Der Sachverständige Dr. ... war von zutreffenden Tatsachen ausgegangen. Seine Ausführungen waren in sich widerspruchsfrei und schlüssig. Soweit er, wie bereits oben näher dargelegt, zu einem von seinem vorläufigen Gutachten teilweise in der Begründung abweichenden Ergebnis gekommen war, beruhte dies einzig auf einer veränderten Tatsachenlage, die sich in der Hauptverhandlung ergeben hatte.
Die Sachkunde des Sachverständigen Dr. ... ist nicht zweifelhaft. Er ist Arzt für Neurologie und Psychiatrie, arbeitet seit Jahren im Landeskrankenhaus Wehnen und ist ebenfalls seit Jahren als psychiatrischer Gutachter bei den Amts- und Landgerichten des Oberlandesgerichtsbezirks Oldenburg tätig. Er verfügt dadurchüber eine hohe forensische Erfahrung. Gegen seine Sachkunde spricht dabei nicht, daß er bei der Exploration des Angeklagten weder den Hamburg-Wechsler-Intelligenz-Test für Erwachsene noch den PMR (Progressive Matrices nach Raven) oder andere Tests durchgeführt hat.
Zunächst ist dazu festzuhalten, daß es der sachkundigen Beurteilung und dem pflichtgemäßen Ermessen des Sachverständigen überlassen ist, welche Unterlagen er benötigt. Vorliegend war es so, daß der Angeklagte sich ihm gegenüber zu seinem körperlichen und geistigen Zustand im allgemeinen als auch zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat, über den Tatvorwurf, den Anlaß dazu und sein Nachtatverhalten eingehend geäußert hatte, wobei es für den Sachverständigen zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhersehbar war, daß ein großer Teil dessen wegen des Widerspruchs des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht mehr verwertbar sein würde.
Ferner hatte der Sachverständige eine eingehende körperliche, neurologische Untersuchung bei dem Angeklagten vorgenommen. Außerdem hatte der Sachverständige, der selber Mitglied der Deutschen EEG-Gesellschaft ist, bei dem Angeklagten ein EEG gemacht, dessen Ergebnis unauffällig war. Ergänzend wurde bei dem Angeklagten, der als Kind eine Kopfverletzung erlitten hatte, vorsorglich ein Computertomogramm des Kopfes genommen, das zwar eine kleinere, jedoch für dieses Verfahren irrelevante Hirnnarbe ausgewiesen und im übrigen keinen für die Verantwortlichkeit des Angeklagten relevanten Befund gezeigt hatte. Dem Sachverständigen hatten außerdem die Akten zur Verfügung gestanden, so daß er auf einer breiten und zuverlässigen Grundlage aufbauen konnte. Angesichts dieser Sachlage stand es in seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob er noch ergänzende Tests anwenden wollte, zumal diese nur einen Baustein in der Gesamtbeurteilung darstellen. So sind die aus dem Raven-Test gewonnenen Daten in der Regel wenig ergiebig für die unmittelbare diagnostische Zuordnung. Ob die intellektuelle Leistungsfähigkeit durch eine Hemmung eingeschränkt oder in ihrer Effizienz beeinträchtigt ist, ob ein Defekt vorliegt oder überhaupt ein Mangel, läßt sich regelmäßig mit dem Intelligenztest allein eher selten auseinanderhalten, weil die Intelligenz für sich herausgelöst wird, anstatt sie in die Gesamtpersönlichkeit einzubeziehen. Nachdem die insgesamt fünfstündige Exploration des Angeklagten, seine körperliche und neurologische Untersuchung, das EEG, das Computertomogramm und die Akteneinsicht für die unmittelbaren Wochen des Tatzeitraumes keine für das Verfahren im Sinne der§§ 20, 21 StGB relevanten Befunde für den Sachverständigen geliefert hatten, durfte dieser nach seinem pflichtgemäßen Ermessen auf die Durchführung zusätzlicher Tests verzichten.
Durch die - nicht zu beanstandene - Weigerung des Angeklagten zur Frage der Verwertbarkeit von Teilen der Zusatz- und Befundtatsachen ist die vom Sachverständigen verwertbare Tatsachenbasis geschmälert worden. Dies ist jedoch keine Frage der Sachkunde des Sachverständigen, sondern berührt allein die strafprozessuale Bewertung rechtlicher Fragen, deren Beantwortung nicht im Kompetenzbereich des Sachverständigen liegt.
Gegen die Sachkunde des Sachverständigen spricht ferner nicht daß er den Angeklagten vor Beginn der Exploration nicht gemäß § 136 Abs, 1 StPO belehrt hat. Diese Rechtsfrage ist streitig. So entsprach es der bisherigen Rechtsprechung, daß die für Polizei und Richter geltende Belehrungspflicht nicht auf den Sachverständigen anzuwenden war (vgl. BGH in NJW 1968, 2297 [BGH 06.09.1968 - 4 StR 339/68]). Dementsprechend hatte sich der Sachverständige verhalten, wobei er den Angeklagten ungeachtet dessen auf seine fehlende Schweigepflicht hingewiesen und ihm erklärt hatte, daß alles, was er bei ihm sage, dem Gericht mitgeteilt werde, im übrigen war auch der Wahlverteidiger des Angeklagtenüber dessen Begutachtung durch den Angeklagten informiert. Am 3. November 1993 hatte Rechtsanwalt ... von sich aus mit dem Sachverständigen telefoniert. Dr. ... hatte ihn von der bevorstehenden Begutachtung unterrichtet, wobei der Verteidiger keine Einwände erhoben, sondern stattdessen erklärt hatte, daß es sich um eine klare Sache handle, weil der Angeklagte in Putativnotwehr gehandelt habe.
Die Sachkunde des Sachverständigen Dr. ... ist mithin nicht zweifelhaft.
Es ist ferner nicht ersichtlich, daß ein neuer Gutachterüber Forschungsmittel verfügte, die denen des Sachverständigen Dr. ... überlegen erschienen. Die Voraussetzung der überlegeneren Forschungsmittel ist jedenfalls nicht erfüllt, wenn durch Entscheidungen des Angeklagten die Verwertungsbasis des ursprünglichen Sachverständigen geschmälert und durch sein Einverständnis die Entscheidungsbasis eines neuen Gutachters in ihrem ursprünglichen Zustand wiederhergestellt würde.
Aus dem gleichen Grunde scheidet auch die Zuziehung eines weiteren Gutachters von Amts wegen aus.
Die geschilderte Vorgehensweise eines Angeklagten bedeutete in diesem Falle eine bewußte Manipulation und Umgehung des§ 73 StPO, wonach der Sachverständige vom Gericht ausgewählt wird. Gegen die Person des Sachverständigen waren bis zu dem gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag auch keine Gründe geltend gemacht worden, die gegen seine Berufung zum Sachverständigen gesprochen hätten. Der Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen ist in der Hauptverhandlung abgelehnt. Der Angeklagte hat keine zureichenden Gründe, die eine Abberufung des Sachverständigen hätten rechtfertigen können. Mit der Weigerung, sich im Hinblick auf seinen Widerspruch gegen eine teilweise Verwertung der erhobenen Befunde einer ergänzenden Begutachtung durch Dr. ... zu stellen, steht er deshalb dem Angeklagten gleich, der sich generell oder speziell ohne zureichenden Grund überhaupt einer Begutachtung verweigert. In diesem Fall ist das Gericht gehalten, durch die Hinzuziehung des Sachverständigen zur Hauptverhandlung und durch eine ergänzende Beweiserhebung die Frage der Schuldfähigkeit zu klären. Auf keinen Fall ist das Gericht verpflichtet, nur einen dem Angeklagten genehmen Sachverständigen hinzuzuziehen, von dem er sich ein bestimmtes, für ihn günstigeres Ergebnis verspricht, wobei er den vom Gericht bestellten Sachverständigen sofort akzeptiert hätte, sobald er zu dem ihm genehmen Ergebnis gelangt wäre, wie im hier vorliegenden Fall zur Bejahung des § 21 StGB.
Im übrigen stellt das Verhalten des Angeklagten, der seine eigene Begutachtung beantragt, ein venire contra factum proprium dar, wenn er grundlos den gerichtlich bestellten Gutachter ablehnt. Dies ist ein mißbräuchliches Verhalten, aus dem keine Rechte abgeleitet werden können und dürfen.
V.
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte eines gemeinschaftlichen Mordes schuldig gemacht, §§ 211 Abs. 1, 2; 25 Abs. 2 StGB.
Der Angeklagte handelte bei der Tötung ... in einem bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen Dritten, wobei sich jeder jeweils den Tatbeitrag des anderen wie seinen eigenen zurechnen lassen wollte, so daß es unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt im Rahmen der rechtlichen Einordnung irrelevant ist, welche Handlungen genau der Angeklagte oder der unbekannt gebliebene Dritte getan haben und wer welche Waffe genau geführt hat. Somit hatte sich der Angeklagte auch den tödlich aufgesetzten Schuß des Dritten wie einen eigenen zurechnen zu lassen, weil die Tötung ... dem zuvor gemeinsam gefaßten Tatplan entsprach.
Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft.
Eine Notwehrhandlung scheidet aus tatsächlichen Gründen aus. Ein gegenwärtiger Angriff ... gegen den Angeklagten und/oder den unbekannt gebliebenen Dritten lag nicht vor.
Der Angeklagte handelte mit direktem Tötungsvorsatz. ... Tötung entsprach dem zuvor gefaßten Tötungsplan.
Die Tötung ... geschah auf die Person des Angeklagten bezogen aus Habgier.
Der Tat lag das bestimmende und bewußtseinsdominante Motiv zugrunde, durch die Tötung ... von der drückend gewordener Schuld von 1.000,00 DM gegenüber dessen Bruder ... wirtschaftlich unmittelbar frei zu werden, weil dieser es nach dem Tode seines Bruders künftig nicht mehr wagen würde, die Forderung in irgendeiner Weise weiterhin geltend zu machen. Der Angeklagte wollte durch die Tötung ... wirtschaftlich von dieser Schuld unmittelbar und endgültig frei werden.
Der Angeklagte handelte ferner heimtückisch bei der Tötung ....
Dieser versah sich bei Beginn der Tötungshandlung, der ersten Schußabgabe, keines Angriffs. Er war arglos. Sein Messer hatte er nicht gezogen. Er war über den Flur in das Wohnzimmer des Angeklagten gegangen.
Er war ferner wehrlos. Er trug keine Schußwaffe bei sich, um sich gegen den überraschenden Angriff auf sein Leben zur Wehr setzen zu können. Er war dem gemeinsamen mit Schußwaffen vorgetragenen Angriff des Angeklagten und seines unbekannt gebliebenen Mittäters wehrlos ausgeliefert.
Die Arg- und Wehrlosigkeit ... entsprach dem Tatplan des Angeklagten. Er war sich damit der Heimtücke seiner Handlung bewußt und wollte sie.
Die Unrechtseinsicht und /oder die Fähigkeit des Angeklagten, dieser Einsicht gemäß zu handeln, waren nicht aufgehoben. Seine Steuerungsfähigkeit war auch nicht erheblich eingeschränkt. Er war schuldfähig. Schuldausschließungsgründe standen ihm nicht zur Verfügung.
Der Angeklagte war daher wegen Mordes zu bestrafen.
VI.
Gegen den Angeklagten war gemäß § 211 Abs. 1 StGB auf eine lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
Milderungsgründe lagen nicht vor.
VII.
Im Rahmen der Erwägungen zu § 57 a Abs. 1 Nr. 2 StGB hat die Kammer zugunsten des Angeklagten bedacht, daß sich nicht ausschließe läßt, daß der konkrete Tatplan durch den unbekannt gebliebenen Dritten initiiert wurde. Ferner war es nicht der Angeklagte, der den aufgesetzten, allein tödlichen Schuß abgefeuert hat. Zugunste des Angeklagten sprachen ferner seine Jugend, sein bisheriger Werdegang, insbesondere seine familiären und häuslichen Verhältnisse, unter denen er in Albanien aufgewachsen ist, und seine fehlende Integration in Deutschland. Andererseits ist der Angeklagte in Deutschland bereits wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Er stand deswegen zur Tatzeit unter Bewährung und hat sich die damit verbundene Abmahnung nicht zur Warnung dienen lassen. Ferner hat der Angeklagte zwei Mordmerkmale kumulativ erfüllt.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Umstände und der Persönlichkeit des Angeklagten hält sich das Schuldmaß noch im unteren Bereich der für die lebenslange Freiheitsstrafe maßgebenden Wertung. Damit verbleibt dem Angeklagten im Hinblick auf sein Alter nach entsprechender Vorbereitung und Mitarbeit die Chance, nach einer Entlassung ein sozial angepaßtes Leben führen zu können.
VIII.
Dem Hilfsbeweisantrag der Verteidigung brauchte nicht stattgegeben zu werden, weil die in ihm behaupteten Tatsachen bereits bewiesen waren.
IX.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.
Heiß
Otterbein
(1) Red. Anm.: