Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 15.09.1999, Az.: 1 RE-Miet 2/99

Widerruf einer Willenserklärung nach dem Haustürwiderrufsgesetz

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
15.09.1999
Aktenzeichen
1 RE-Miet 2/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 18225
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1999:0915.1RE.MIET2.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - AZ: 5 S 91/98
AG ... - AZ: 3 C 180/98

Fundstellen

  • NJW-RR 2000, 63-65
  • NWB 1999, 4743
  • NZM 1999, 996-997
  • WuM 1999, 631-633 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZMR 2000, 16-18

Verfahrensgegenstand

Mietrückzahlung

In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Präsidenten des Oberlandesgerichts ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 15. September 1999
im Wege des Rechtsentscheids beschlossen:

Tenor:

Auf das Recht zum Widerruf einer Willenserklärung, die unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HausTWG zum Abschluss eines Mietvertrages über Wohnraum geführt hat, ist die Vorschrift des § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG nicht analog anzuwenden. Jedoch kann das Widerrufsrecht verwirkt sein, wenn nach Vertragsschluss ein Jahr verstrichen ist und die bisherige Vertragslaufzeit dem Widerrufsberechtigten die von ihm eingegangenen Verpflichtungen hinreichend deutlich vor Augen geführt hat.

Gründe

1

I.

Die Kläger verlangen vom Beklagten, ihrem Vermieter, Rückzahlung eines Teils der von ihnen gezahlten Miete und Mietnebenkosten und machen geltend, sie hätten den am 06.10.1993 mit dem Beklagten abgeschlossenen Staffelmietvertrag wirksam nach den Vorschriften des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften widerrufen.

2

Die Kläger hatten die Wohnung ursprünglich vom Rechtsvorgänger des Beklagten gemietet. Nach dem Tode des Vermieters veräußerte die Erbengemeinschaft das Haus an den Beklagten. Die Miete erhöhte sich zum 01.10.1993 vertragsgemäß auf DM 420,00 monatlich. Am 06.10.1993 suchte der Beklagte die Kläger in ihrer Wohnung auf und schloss mit ihnen einen neuen, auf 10 Jahre befristeten Mietvertrag zu einem monatlichen Mietzins von DM 650,00 netto, der sich nach Maßgabe einer Staffelmietvereinbarung jährlich um 3 % erhöhen sollte, zuletzt ab 01.10.2003 auf DM 873,50. Außerdem wurden die Kosten für die Hausverwaltung neu in den Betriebskostenkatalog aufgenommen. Die Kläger zahlten bis einschließlich Oktober 1997 die in dem neuen Mietvertrag vereinbarten Monatsmieten und Mietnebenkosten. Durch Anwaltsschreiben vom 22.01.1998 widerriefen die Kläger den Mietvertrag vom 13.10.1993.

3

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der Mietvertrag vom 06.10.1993 sei wegen des Widerrufs nicht wirksam geworden. Es habe sich um ein Haustürgeschäft gehandelt. Da sie über ihr Widerrufsrecht vom Beklagten nicht belehrt worden seien und das Mietverhältnis fortbestehe, also noch nicht beiderseits vollständig erfüllt worden sei, habe ihr Widerrufsrecht nach § 2 HausTWG fortbestanden. Sie könnten daher die Miete, soweit sie über die nach dem alten Mietvertrag geschuldeten Beträge hinausgegangen sei, und die Mietnebenkosten, soweit sie auf Aufwendungen für den Hauswart entfielen, im Betrag von zusammen DM 13.520,68 zurückverlangen.

4

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, das HausTWG sei auf Wohnraummietverträge nicht anwendbar. Die Kläger seien aber ohnehin nicht berechtigt, im Januar 1998 den Vertrag zu widerrufen, nachdem sie sich seit Oktober 1993 an den Mietvertrag gehalten und den erhöhten Mietzins vorbehaltlos gezahlt hätten.

5

Das Amtsgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen in vollem Umfang stattgegeben und den Widerruf der Kläger für wirksam gehalten. Es hat die Anwendbarkeit des HausTWG und die Voraussetzungen des § 1 HausTWG bejaht und ausgeführt, das Widerrufsrecht der Beklagten sei weder nach § 2 Abs. 1 S. 4 HausTWG noch durch Verzicht der Kläger erloschen. Durch den Widerruf sei es bei der Geltung des früheren Mietvertrages geblieben.

6

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er unter Beibehaltung seines Rechtsstandpunkts die Abweisung der Klage begehrt; hilfsweise beruft er sich hinsichtlich der weiter zurückliegenden Mietzahlungen auf Verjährung. Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil.

7

Das Landgericht ... hat die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt zur Einholung eines Rechtsentscheides über folgende Rechtsfrage: "Ist im Falle des Widerrufs einer Willenserklärung, die zum Abschluss eines Mietvertrages über Wohnraum geführt hat, nach Maßgabe der Vorschriften des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften (HWiG) § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG analog anzuwenden, mit der Folge, dass das Widerrufsrecht spätestens ein Jahr nach Abgabe der betreffenden Willenserklärung erlischt?" Das Landgericht hält, dem Rechtsentscheid des OLG Koblenz vom 09.02.1994 folgend (NJW 1994, 1418 = MDR 1994, 475 = WuM 1994, 25), das HausTWG für auf den Vertragsschluss zwischen den Parteien anwendbar. Weder aus der europäischen Richtlinie über den Verbraucherschutz beim Abschluss von Haustürgeschäften noch aus dem Sinn der Vorschriften des HausTWG noch aus der Vorschrift des § 10 MHG könne entnommen werden, dass Mietverträge vom Anwendungsbereich des HausTWG ausgeschlossen sein sollten. Der Kläger habe bei Vertragsabschluss geschäftsmäßig gehandelt. Er sei von den Klägern auch nicht in ihre Wohnung bestellt worden. Die Verjährungseinrede greife nicht durch, da die Rückzahlungsansprüche aus § 3 HausTWG der 30-jährigen Verjährung unterlägen. Das Widerrufsrecht sei auch nicht verwirkt.

8

Das Landgericht möchte jedoch § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG entsprechend anwenden. Das HausTWG sei für Dauerschuldverhältnisse nicht konzipiert. Daher habe sich dem Gesetzgeber das Problem einer Ausschlussfrist nicht gestellt. Aus den gleichen Gründen, aus denen später in § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG eine Ausschlussfrist bestimmt worden sei, müsse eine solche Ausschlussfrist auch im Bereich der dem HausTWG unterfallenden Dauerschuldverhältnisse als sachgerecht angesehen werden. Die Frage der analogen Anwendung des § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG sei von grundsätzlicher Bedeutung, da sie in einer Vielzahl von Fällen auftreten könne und bislang noch nicht entschieden worden sei.

9

II.

Die Vorlage ist gem. § 541 Abs. 1 S. 1 ZPO zulässig. Der Senat beantwortet sie wie aus der Beschlussformel ersichtlich.

10

1.

Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt. Die Rechtsfrage betrifft unmittelbar zwar die Anwendung von Vorschriften des HausTWG und des VerbrKrG. Ihre Beantwortung erfordert aber eine Interessenabwägung, die Gesichtspunkte aus dem Recht der Wohnraummiete zu berücksichtigen hat. Der hierin liegende sachliche Bezug zum Wohnraummietrecht rechtfertigt die Vorläge zur Einholung eines Rechtsentscheids.

11

Die Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Landgerichts über die Berufung des Beklagten auch erheblich.

12

a.

Wie das Landgericht zutreffend ausfuhrt, fallen Wohnraummietverträge grundsätzlich in den Anwendungsbereich des HausTWG, wenn dessen nähere Voraussetzungen gegeben sind. Der Senat folgt dem Landgericht und dem Rechtsentscheid des OLG Koblenz vom 09.02.1994 a.a.O. Auf die Ausführungen in diesem Rechtsentscheid, denen sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen.

13

b.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beklagte bei Abschluss des Mietvertrages vom 06.10.1993 geschäftsmäßig gehandelt hat, so dass das HausTWG nicht nach § 6 Nr. 1 HausTWG unanwendbar ist. Es hat ferner die Voraussetzungen des § 1 HausTWG festgestellt, nämlich die mündlichen Verhandlungen über den Mietvertrag in der Privatwohnung der Kläger ohne vorherige Bestellung des Beklagten. Offenbleiben kann, ob hinsichtlich eines Teils der Rückforderungen Verjährung eingetreten ist, da die vorgelegte Rechtsfrage jedenfalls für die Entscheidung über die restlichen Rückforderungsansprüche für die Zeit ab April 1994 erheblich bleibt. Soweit sich das Landgericht schließlich mit der Verwirkung des Widerrufsrechts befasst hat, steht dieses Problem nach Auffassung des Senats in engem Zusammenhang mit der Vorlagefrage; auf die nachfolgenden Ausführungen (unten 3.) wird verwiesen.

14

c)

Das Landgericht hat allerdings nicht geprüft, ob das Widerrufsrecht der Kläger nicht schon nach § 2 Abs. 1 S. 4 HausTWG erloschen ist. Diese Frage ist jedoch im Ergebnis zu verneinen. Man könnte allerdings daran denken, die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 4 HausTWG, nach der das Widerrufsrecht des Kunden bei Unterbleiben der Belehrung einen Monat nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung erlischt, bei Wohnraummietverträgen dahin zu verstehen, dass die beiderseitige Vertragserfüllung in einem einzigen Abschnitt der Mietzeit ausreicht, um die Widerrufsfrist von einem Monat in Gang zu setzen. Von Wolf (in Soergel, BGB, Bd. I, 12. Aufl. 1987, § 2 HWiG Rdnr. 6) wird für Dauerschuldverhältnisse, die nicht auf einen einheitlichen Gesamterfolg gerichtet sind, sondern bei denen die einzelnen Leistungsabschnitte nach der Verkehrsauffassung eine in sich abgeschlossene Bedeutung haben, die Auffassung vertreten, es sei auf die beiderseitige Erfüllung in einem einzelnen Leistungsabschnitt abzustellen. Diese Auslegung, die nach Wolf auf Zeitschriftenabonnements oder Unterrichtsverträge Anwendung finden kann, würde bei ihrer Anwendung auf Wohnraummietverträge jedoch teilweise zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen. Schließt beispielsweise ein Vermieter mit dem Mieter einen den alten Mietvertrag ersetzenden oder ändernden neuen Vertrag, durch den nicht - Sofort - die Miete erhöht, aber beispielsweise die Mietzeit verlängert wird, so fehlt es, wenn beide Vertragsparteien im nachfolgenden Monat ihre mietvertraglichen Verpflichtungen erfüllen, dennoch an jeder Verdeutlichung des Umfangs der eingegangenen Verpflichtungen für den Mieter. Sinn des. § 2 Abs. 1 S. 4 HausTWG ist aber gerade, dass die beiderseits vollständige Erbringung der Leistung dem widerrufsberechtigten Kunden vor Augen führt, wozu er sich verpflichtet hat, so dass von ihm, will er sich vom Vertrag lösen, nunmehr der alsbaldige Widerruf erwartet werden kann. Da diese Warnfunktion bei beiderseitiger Erfüllung im ersten Zeitabschnitt nach Vertragsschluss nicht in jedem Fall gegeben sein muss, kann hieran für den Lauf der einmonatigen Widerrufsfrist nicht angeknüpft werden. Nach dem HausTWG ist das Widerrufsrecht der Kläger damit nicht ausgeschlossen, so dass es - abgesehen von der unter 3. behandelten Frage der Verwirkung - auf die vom Landgericht formulierte Vorlagefrage ankommt.

15

2.

Die vorgelegte Rechtsfrage, ob auf das Widerrufsrecht des Mieters nach § 1 HausTWG die Vorschrift des § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG analog anzuwenden ist, ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.

16

a.

Es kann bereits keine Gesetzeslücke festgestellt werden, die eine Analogie rechtfertigen würde. Es mag sein, dass im Gesetzgebungsverfahren vor Inkrafttreten des HausTWG die Frage der Geltung für Wohnraummietverträge nicht bedacht worden ist. Dagegen spricht allerdings, dass die EG-Richtlinie betreffend den Verbraucherschutz bei dem Abschluss von Haustürgeschäften vom 20.12.1985 (Richtlinie 85/577/EWG), die Immobiliarmietverträge in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) ausdrücklich ausnimmt, schon erlassen, wenn auch noch nicht verbindlich geworden war, als das HausTWG in Kraft trat. Vor allem aber sind die hier einschlägigen Gesetze, nämlich das HausTWG und das VerbrKrG, zuletzt jeweils durch das Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden vom 20.12.1996 (TzWrG) geändert worden, ohne dass Regelungen über das Widerrufsrecht und sein Erlöschen bei Wohnraummietverträgen eingefügt wurden. Bei den Beratungen über das TzWrG war aufgrund des Rechtsentscheids des OLG Koblenz a.a.O. längst geklärt, dass Verträge über Wohnraummiete aus dem Anwendungsbereich des HausTWG nicht ausgenommen sind. Wenn die Gesetzgebungsorgane in Kenntnis des möglichen Widerrufsrechts der Mietvertragsparteien keine ergänzende Regelung getroffen haben, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Vorschrift des § 2 HausTWG das Widerrufsrecht auch im Bereich der Wohnraummiete ausreichend und abschließend regeln soll. Für die Annahme einer Gesetzeslücke ist kein Raum.

17

b.

Darüber hinaus ist die Interessenlage der Vertragsparteien bei Rechtsgeschäften, die dem VerbrKrG unterliegen, nicht die gleiche wie bei Verträgen über Wohnraummiete, die unter den Voraussetzungen des HausTWG abgeschlossen worden sind. Kreditverträge und Kreditvermittlungsverträge sind von ihrer Struktur her und der Ausgestaltung der beiderseitigen Vertragspflichten nicht mit Mietverträgen vergleichbar. Der vereinbarte Kredit wird in der Regel innerhalb der Jahresfrist des § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG längst gewährt sein und der Verbraucher längere Zeit die vereinbarten Zins- und Tilgungsraten gezahlt haben, so dass ihm der Umfang seiner Verpflichtungen deutlich vor Augen geführt worden ist, bevor sein Widerrufsrecht erlöschen kann. Dies ist jedoch bei Verträgen über Wohnraummiete, wie oben ausgeführt, keineswegs immer der Fall.

18

3.

Deswegen muss der Rechtsgedanke aus der Vorschrift des § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG jedoch nicht ohne Bedeutung für das Widerrufsrecht bei Wohnraummietverträgen sein. Er ist vielmehr bei der Prüfung der Verwirkung zu berücksichtigen.

19

a.

Der Senat ist mit dem OLG Hamm (MDR 1999, 537) der Auffassung, dass die in der genannten Vorschrift bestimmte Jahresfrist im Rahmen des Instituts der Verwirkung herangezogen werden kann. Es hängt allerdings, was in der zitierten Entscheidung des OLG Hamm nicht hinreichend zum Ausdruck kommt, auch von den übrigen Umständen des Einzelfalls ab, ob, wenn seit Vertragsschluss ein Jahr verstrichen ist, das Widerrufsrecht nach dem HausTWG verwirkt ist. Nach Auffassung des Senats muss zu dem Zeitmoment, das im Ablauf der Jahresfrist liegt, im Regelfall noch wie auch sonst ein Umstandsmoment hinzutreten. Dieses kann dann angenommen werden, wenn der widerrufsberechtigten Mietvertragspartei die von ihr im Vertrag übernommenen Verpflichtungen durch die beiderseitigen Leistungen während des ersten Jahres nach Vertragsschluss hinreichend deutlich vor Augen geführt werden, so dass Anlass bestanden hätte, sich über ein mögliches Lösen vom Vertrag rechtzeitig Gedanken zu machen.

20

b.

Wann dieser Warnfunktion Genüge getan ist, kann allerdings nicht allgemein festgelegt werden. Erschöpft sich beispielsweise ein Änderungsvertrag zwischen Vermieter und Mieter in einer sofortigen einmaligen Mieterhöhung, wird man nach Jahresfrist von ausreichender Klarheit für den Mieter ausgehen können, während, wenn das Schwergewicht des Vertrages oder der Vertragsänderung auf der besonderen Länge der Mietzeit liegt, allein die beiderseitige Vertragserfüllung während des Jahres nach Vertragsschluss nicht wird ausreichen können. Ob bei einer mehrfachen Mieterhöhung im Wege der Staffelmiete, wie sie hier vereinbart war, die Zahlung der erstmals erhöhten Miete über ein Jahr ausreicht, hat der Senat nicht zu beantworten, da dies nicht zur Vorlagefrage gehört. Die Kläger haben allerdings nicht nur ein Jahr lang die erhöhte Miete gezahlt, sondern insgesamt vier Jahre lang mit jährlicher Mieterhöhung.

21

c.

Auch wenn die dem Rechtsgedanken des § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG zu entnehmende Jahresfrist abgelaufen ist und der Umfang der vertraglichen Verpflichtungen für die widerrufsberechtigte Mietvertragspartei deutlich geworden ist, muss dies noch nicht zwangsläufig zur Verwirkung führen. Im Rahmen des auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhenden Instituts der Verwirkung ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, die das Verhalten der Vertragsparteien im Einzelfall einbezieht. So wird Verwirkung beispielsweise ausscheiden, wenn die widerrufsberechtigte Mietvertragspartei durch ihren Vertragspartner vom rechtzeitigen Widerruf abgehalten worden ist. Es bleibt daher Sache der für Mietsachen zuständigen Gerichte, im konkreten Fall die Frage der Verwirkung zu beurteilen.

22

d.

Obwohl letztlich der Einzelfall maßgeblich bleibt, kann die Grundsatzfrage, ob beim Widerruf von Verträgen über Wohnraummiete nach dem HausTWG die in § 7 Abs. 2 VerbrKrG geregelte Frist im Rahmen des Instituts der Verwirkung von Bedeutung ist, als allgemeine Rechtsfrage im Rahmen des Rechtsentscheids beantwortet werden. Die Frage der Verwirkung hat das Landgericht zwar verneint und demzufolge nicht zum Gegenstand der Vorlage gemacht. Die auf die analoge Anwendbarkeit der Norm gerichtete Vorlagefrage umfasst ihrem Sinn nach aber auch die Frage, ob die Vorschrift des § 7 Abs. 2 VerbrKrG überhaupt in irgendeiner Form für die Entscheidung des Rechtsstreits heranzuziehen ist

23

Außerdem hat das Landgericht zur Frage der Verwirkung wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen. Die vorlegende Kammer hat die Auffassung vertreten, der Zeitablauf allein könne nicht zur Verwirkung fuhren, und dabei die weiteren Umstände, vor allem die vorbehaltlose Vertragserfüllung während mehrerer Jahre durch die Kläger, nicht berücksichtigt Ferner hat die Kammer in Folge ihrer Auffassung, § 7 Abs. 2 VerbrKrG sei analog anzuwenden, die Möglichkeit übersehen, den Rechtsgedanken dieser Vorschrift im Rahmen des Instituts der Verwirkung mit heranzuziehen. Der Senat ist daher an die Rechtsauffassung des Landgerichts zur Verwirkung nicht gebunden. Er kann die Frage der Verwirkung in den Rechtsentscheid einbeziehen und sie im dargestellten Sinn beantworten.