Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.02.2016, Az.: 7 B 493/16

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
22.02.2016
Aktenzeichen
7 B 493/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43219
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Neubewertung der Toxizität von Nikotin durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) vom 10. Oktober 2015 ist eine andere Information im Sinne der Ziffer 1.2.1 des Anhangs VI der Richtlinie 67/548/EWG.
2. Maßgeblich für die Einstufung von Nikotingemischen sowie die daraus resultierenden Kennzeichungs- und Verpackungspflichten ist der sich aus der Bewertung der ECHA ergebende Wert für die Akute Toxizität (ATE) von Nikotin (5 mg/ml) und nicht die Mindesteinstufung gemäß der Tabelle 3.1 des Anhangs VI der Richtlinie 67/548/EWG.

Tenor:

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 912.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1. Der nach § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO zu beurteilende Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 26. Januar 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Januar 2016 ist unbegründet.

Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat ein Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in einer - wie hier auf der Seite 6 des angegriffenen Bescheides - den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Art und Weise die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat. Die Antragstellerin vermag mit ihren Einwänden gegen die Begründung des Antragsgegners, hier die sofortige Vollziehung anzuordnen, nicht durchzudringen. Der Antragsgegner hat in Abwägung der widerstreitenden Interessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung seiner Verfügungen bejaht.

Für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Widerspruch zu berücksichtigen. Bei einem offensichtlich Erfolg versprechenden Widerspruch überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller in der Sache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Hier wird der Widerspruch der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben. Nach summarischer Prüfung spricht Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Antragsgegner die Antragstellerin ordnungsgemäß im Sinne von § 28 VwVfG angehört.

Auch in materieller Hinsicht ist der Bescheid rechtlich nicht durchgreifend zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Anordnungen des Antragsgegners ist hier § 23 Abs. 1 ChemG. Danach kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Absatz 2 Satz 1 genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig sind.

Die Antragstellerin hat hier gegen die Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des europäischen Parlaments und des Rates

vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 - VO (EG) Nr. 1272/2008 (nachfolgend: CLP-VO) - und die ChemVerbotsV verstoßen.

Die CLP-VO ist eine EG-Verordnung im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 ChemG, da sie Sachbereiche des ChemG betrifft und ihre Durchführung den Mitgliedstaaten obliegt.

Die ChemVerbotsV ist eine Verordnung im Sinne des § 23 Abs. 1 ChemG.

Die Antragstellerin hat gegen ihre Pflichten aus Art. 4 Abs. 4 und Abs. 7 CLP-VO verstoßen. Danach sind Lieferanten eines Stoffes oder Gemischs, der bzw. das als gefährlich eingestuft ist, verantwortlich dafür, dass der Stoff oder das Gemisch vor seinem Inverkehrbringen gemäß den Titeln III und IV der CLP-VO gekennzeichnet und verpackt wird.

Die Antragstellerin ist Lieferantin im Sinne der CLP-VO. Gemäß Art. 2 Nr. 26 CLP-VO ist Lieferant jeder Hersteller, Importeur, nachgeschalteter Anwender oder Händler, der einen Stoff als solchen oder ein Gemisch in Verkehr bringt. Händler ist gemäß Art. 2 Nr. 20 CLP-VO jede natürliche oder juristische Person mit Sitz in der Gemeinschaft, die einen Stoff als solchen oder ein Gemisch lediglich lagert und an Dritte in Verkehr bringt; darunter fallen auch Einzelhändler.

Die Antragstellerin ist Lieferantin von Nikotin und Nikotingemischen. Die CLP-VO stuft Nikotin als gefährlich ein, da es in Teil 3 des Anhangs VI, Teil 3, Tabelle 3.1, Index-Nr. 614-001-00-4 aufgeführt ist.

Die Kennzeichnungs- und Verpackungspflichten für Lieferanten von gefährlichen Stoffen und Gemischen richtet sich insbesondere nach Titel III und IV der CLP-VO.

Gemäß Art. 17 Abs. 1 CLP-VO muss ein Stoff oder Gemisch, der bzw. das als gefährlich eingestuft und verpackt ist, ein Kennzeichnungsetikett mit folgenden Elementen tragen:

a) Name, Anschrift und Telefonnummer des bzw. der Lieferanten;

b) Nennmenge des Stoffes oder Gemisches in der Verpackung, die der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, sofern diese Menge nicht auf der Verpackung anderweitig angegeben ist;

c) Produktidentifikatoren gemäß Artikel 18;

d) wo zutreffend Gefahrenpiktogramme gemäß Artikel 19;

e) wo zutreffend Signalwörter gemäß Artikel 20;

f) wo zutreffend Gefahrenhinweise gemäß Artikel 21;

g) wo zutreffend geeignete Sicherheitshinweise gemäß Artikel 22;

h) wo zutreffend ein Abschnitt für ergänzende Informationen gemäß Artikel 25.

Diesen Anforderungen genügt die Antragstellerin hinsichtlich der Piktogramme, der Verschlüsse und der Gefahrenhinweise nicht vollständig.

Gemäß Art. 19 Abs. 1 CLP-VO hat das Kennzeichnungsetikett das/die relevante/-n Gefahrenpiktogramm/-e zur Vermittlung einer bestimmten Information über die betreffende Gefahr zu enthalten.

Nach Art. 19 Abs. 2 CLP-VO ergibt sich das den jeweiligen Einstufungen entsprechende Gefahrenpiktogramm aus den Tabellen in Anhang I der CLP-VO, in denen die für die einzelnen Gefahrenklassen erforderlichen Kennzeichnungselemente aufgeführt sind.

Maßgeblich ist hier insoweit die Tabelle 3.1.3 im Anhang I:

Wie sich hieraus ergibt, richtet sich die Kennzeichnung nach der einschlägigen Gefahrenkategorie. Diese wiederum bestimmt sich nach der Akuten Toxizität (ATE).

Nach der Tabelle 3.1.1 im Anhang I sind Stoffe und Gemische anhand ihrer ATE wie folgt zu kategorisieren:

Gemäß Nr. 3.1.3.6 des Anhangs I wird die ATE eines Gemisches für die orale, die dermale oder die inhalative Toxizität nach folgender Formel aus den ATE-Werten aller relevanten Bestandteile errechnet:

Streitig zwischen den Beteiligten ist hier insbesondere der Wert, der für die Akute Toxizität von Nikotin anzusetzen ist.

Der Antragsgegner hat zu Recht eine ATE von 5 mg/kg angenommen.

Zwar ist der der Einstufung von Nikotin in der Richtlinie 67/548/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe vom 27. Juni 1967 (Richtlinie 67/548/EWG) und der harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung für bestimmte gefährliche Stoffe gemäß der CLP-VO (Anhang VI) zugrunde liegende Wert für die orale ATE von Nikotin 50 mg/kg.

Dies führt nach der Tabelle 3.1 des Anhang VI zu harmonisierter Einstufung und Kennzeichnung für Nikotin:

Bei der Einstufung von Nikotin in dieser Tabelle handelt es sich hinsichtlich der oralen Wirkung jedoch nur um eine Mindesteinstufung, die hier nicht zur Anwendung kommt.

Gemäß Nr. 1.2.1 des Anhangs VI der CLP-VO entspricht die Einstufung gemäß den Kriterien der Richtlinie 67/548/EWG für bestimmte Gefahrenklassen, darunter akute Toxizität und spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition) nicht direkt der Einstufung in eine Gefahrenklasse und -kategorie gemäß dieser Verordnung. In diesen Fällen gilt die Einstufung in diesen Anhang als Mindesteinstufung. Die Mindesteinstufung in Bezug auf eine Kategorie ist - wie hier hinsichtlich der Einstufung der oralen Toxizität von Nikotin - in Tabelle 3.1 in der Spalte „Einstufung“ durch „*“ gekennzeichnet. Diese Einstufung gilt, wenn keine der nachstehenden Bedingungen gegeben ist:

- Der Hersteller oder Importeur hat Zugang zu in Anhang I Teil 1 genannten Daten oder anderen Informationen, die zur Einstufung in eine im Vergleich zur Mindesteinstufung strengere Kategorie führen. Dann gilt die strengere Einstufung in die höhere Kategorie.

- Die Mindesteinstufung kann auf der Grundlage der Umwandlungstabelle in Anhang VII weiter verfeinert werden, wenn dem Hersteller oder Importeur der Aggregatzustand des bei der Prüfung auf akute Inhalationstoxizität verwendeten Stoffes bekannt ist. Die sich aus Anhang VII ergebende Einstufung tritt dann an die Stelle der in diesem Anhang angegebenen Mindesteinstufung, falls sie von dieser abweicht.

Hier lagen „andere Informationen“ im Sinne der Verordnung vor, die hinsichtlich der oralen Toxizität von Nikotin zur Einstufung in eine im Vergleich zur Mindesteinstufung strengere Kategorie führen.

Zwar genügt nicht jedwede wissenschaftliche Studie, um die Mindesteinstufung eines Stoffes abzulösen. Vielmehr muss die Information solches Gewicht und solche Aussagekraft haben, dass sie eine grds. Neubewertung der Toxizität eines Stoffes rechtfertigt.

Eine Information, die diesen Anforderungen genügt, lag hier vor.

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat am 10. September 2015 einen Vorschlag ihres Ausschusses für Risikobeurteilung (Committee for Risk Assessment - RAC -) zur Neubewertung der Klassifizierung und Kennzeichnung von Nikotin einstimmig angenommen und ein entsprechendes Dossier veröffentlicht (http://echa.europa.eu/documents/10162/f9510930-4e5e-45ff-bb3a-888cefaf6592). Bei der ECHA handelt es sich um eine mit besonderer Sachkunde ausgestattete, speziell zu diesem Zweck eingerichtete Agentur der EU. Das RAC hat sich auf Initiative der Niederlande über mehrere Monate hinweg mit der Überprüfung der Toxizität von Nikotin befasst und hierzu eine Vielzahl von Studien ausgewertet.

Danach liegt der Wert für die akute orale Toxizität von Nikotin nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft bei 5 mg/ml. Daraus resultiert nach der von der ECHA adaptierten Auffassung des RAC die nachfolgende Neubewertung der Kategorisierung von Nikotin nach der Tabelle 3.1:

Danach ist die orale akute Toxizität von Nikotin nunmehr in die Kategorie 2 einzuordnen.

Die Einwände der Antragstellerin gegen die Anwendung der in dem ECHA-Dossier festgestellten ATE von 5 mg/kg greifen nicht durch.

Der Umstand, dass die Tabelle 3.1 im Anhang VI noch nicht entsprechend dem ECHA-Vorschlag geändert worden ist, steht der Anwendung des dortigen ATE-Wertes nicht entgegen, da es sich bei der dort bisher aufgeführten Kategorisierung ausdrücklich nur um einen vorläufige Mindesteinstufung handelt, die nicht nur durch die Änderung der VO, sondern bereits - wie hier - durch „Informationen, die zur Einstufung in eine im Vergleich zur Mindesteinstufung strengere Kategorie führen“ abgelöst werden kann.

Durchgreifende Zweifel an der Belastbarkeit der Bewertung der ECHA hat das Gericht nicht. Wie bereits ausgeführt, handelt es bei der ECHA um eine mit besonderer Sachkunde ausgestattete, speziell zu diesem Zweck eingerichtete Agentur der EU. Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geht davon aus, dass es hierbei um die „aktuellste wissenschaftliche Bewertung“ handelt (Beiakte „A“, Schreiben der BAUA vom 12. Oktober 2015). Substantiierte inhaltliche Zweifel vermag die Antragstellerin nicht zu begründen. Die von ihr vorgelegte Studie der Bibra (Bibra toxicology advice & consulting, Großbritannien) begründet keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Neubewertung der ATE. Zum einen ist die Bibra-Studie älter als das Dossier der ECHA. Zum anderen ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Bibra-Studie von einem Interessenverband der Elektrozigaretten-Industrie - der ECITA (Electronic Cigarette Industry Trade Asociation) - in Auftrag gegeben wurde, so dass Zweifel an der Unparteilichkeit dieser Studie nicht ausgeschlossen werden können.

Unter Zugrundelegung der oralen ATE von 5 mg/kg hat der Antragsgegner in seinem Bescheid rechnerisch und rechtlich zutreffend festgestellt, dass Nikotingemische mit einem Nikotingehalt von mehr als 1,67 % nach der Tabelle 3.1.1 im Anhang I der CLP-VO in die Kategorie 3 einzuordnen und damit entsprechend der Tabelle 3.1.3 im Anhang I der CLP-VO mit dem Gefahrenpiktogramm GHS06 zu kennzeichnen und mit dem Gefahrenhinweis H301 „Giftig bei Verschlucken“ zu versehen sind.

Gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und 3 CLP-VO muss ein solches Gemisch auch in einer kindergesicherten Verpackung aufbewahrt und mit einem tastbaren Gefahrhinweis versehen werden.

Ebenfalls rechnerisch und rechtlich zutreffend ist die Feststellung, dass Nikotingemische mit einem Nikotingehalt von mehr als 0,25 % nach der Tabelle 3.1.1 im Anhang I der CLP-VO in die Kategorie 4 einzuordnen und damit entsprechend der Tabelle 3.1.3 im Anhang I der CLP-VO mit dem Gefahrenpiktogramm GHS07 zu kennzeichnen und mit dem Gefahrenhinweis H302 „Gesundheitsschädlich bei Verschlucken“ zu versehen sind.

Diesen Anforderungen genügen die Kennzeichnungen der von der Antragstellerin angebotenen Nikotingemische nicht. Sie verstößt daher gegen die Bestimmungen der CLP-VO.

Der Antragsgegner hat zu Recht die Abgabe der nicht ordnungsgemäß im Sinne der CLP-VO gekennzeichneten und verpackten Nikotingemische untersagt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem Bescheid verwiesen (Seite 6 des Bescheides).

Es begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass der Antragsgegner festgestellt hat, dass die Antragstellerin für die Abgabe von Gemischen der Kategorie 3 einen Sachkundenachweis zu erbringen hat. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus § 3 Abs. 2 ChemVerbotsV.

Gleiches gilt für das Verbot der Abgabe der Gemische der Kategorie 3 an private Endverbraucher im Versandhandel. Dies folgt aus § 4 Abs. 2 ChemVerbotsV.

Zwar bezieht sich der hierfür maßgebliche Gefahrenbegriff in der ChemVerbotsV auf die Einstufung bzw. Kennzeichnung "giftig" nach der Richtlinie 67/548/EWG, welche nicht vollständig mit dem Begriff der Gefährlichkeit nach der CLP-VO übereinstimmt. Gleichwohl steht dies der Anwendung des § 3 Abs. 2 ChemVerbotsV im vorliegenden Fall nicht entgegen. Maßgeblich ist infolge der Ablösung der Richtlinie 67/548/EWG durch die CLP-VO allein der dortige Gefahren- und Giftigkeitsbegriff. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen nach der Gefahrstoffverordnung, auf deren Giftigkeitsbegriff sich die ChemVerbotsV bezieht, nunmehr gemäß § 4 Abs. 1 GefahrstoffV nach der CLP-VO richten (vgl. hierzu auch VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 3 L 355/14). Im Übrigen verweist das Gericht hinsichtlich der Anwendung der ChemVerbotsV auch in Anbetracht der Ablösung der Richtlinie 67/548/EWG durch die CLP-VO ergänzend auf die Ausführungen des Antragsgegners in seinem Bescheid und der Antragserwiderung vom 8. Februar 2016, denen sich das Gericht anschließt.

Der Rechtmäßigkeit der Anordnungen des Antragsgegners stehen auch nicht die weiteren Einwände der Antragstellerin entgegen. Diese sind im Wesentlichen im Zuge der Überprüfung der Ermessensentscheidung des Antragstellers zu berücksichtigen.

Diese ist nicht durchgreifend zu beanstanden. Nach § 114 Satz 1 VwGO ist das Gericht darauf beschränkt, die Ermessensentscheidung des Antragsgegners darauf zu prüfen, ob seinen Anordnungen deshalb rechtswidrig sind, weil sie die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die Anordnungen des Antragsgegners lassen danach keine Ermessensfehler erkennen.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Anordnungen des Antragstellers für die Antragstellerin weitreichende wirtschaftliche Nachteile haben können. Diese Folgen für die Antragstellerin haben jedoch nicht solches Gewicht, das sie in der Abwägung mit den für die Anordnung streitenden Interessen der Öffentlichkeit (Verbrauchersicherheit und -gesundheit) zu einer anderen Entscheidungsfindung zwingen müssten. Der Antragsgegner hat die widerstreitenden Interessen erkannt und in nicht zu beanstandender Art und Weise miteinander abgewogen.

Auch der Vortrag der Antragstellerin, sie werde rechtswidrig gegenüber anderen Mitbewerbern benachteiligt, weil in anderen Bundesländern und EU-Mitgliedsstaaten weiterhin der alte ATE-Wert von 50 mg/kg angewendet werde, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG resultiert hieraus nicht.

Auch die Zwangsgeldandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung festzustellen wäre, hier bei der sodann gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen das öffentliche Interesse an dem Schutze der Allgemeinheit und die Interessen Dritter das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs überwiegen würde. Die mit den Anordnungen verbundenen wirtschaftlichen Nachteile der Antragstellerin müssen im Zweifelsfalle bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens im Interesse des Schutzes anderer Menschen (hier z.B. vor den gravierenden gesundheitlichen Folgen eines unbeabsichtigten Verschluckens der Flüssigkeitskapsel) hingenommen werden. Die Anordnung des Antragstellers dient dem Schutz gewichtiger öffentlicher Interessen, denn es droht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter durch die unsachgemäße Abgabe gefährlicher Chemikalien.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.