Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.01.2008, Az.: 3 W 73/07

Öffentliche Zustellung einer Klageschrift wegen Verweigerung der Preisgabe einer zustellungsfähigen Anschrift eines Beklagten durch seine ausländische Bank; Zulässigkeit einer öffentlichen Zustellung gegen den Beklagten bei Berufung der ausländischen Bank auf das Bankgeheimnis

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
11.01.2008
Aktenzeichen
3 W 73/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 36661
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2008:0111.3W73.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 04.10.2007 - AZ: 8 O 1641/07

Fundstellen

  • NJW-RR 2008, 1523 (Volltext mit red. LS)
  • OLGR Braunschweig 2009, 75

Redaktioneller Leitsatz

Ist zwar eine ausländische Bankverbindung einer Prozesspartei bekannt, deren Anschrift bzw. Aufenthalt im Übrigen unbekannt ist, verweigert die Bank jedoch unter Berufung auf das Bankgeheimnis die Bekanntgabe der zustellungsfähigen Anschrift, so ist die öffentliche Zustellung zulässig.

In der Beschwerdesache
...
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
am 11. Januar 2008
durch
den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 04.10.2007 abgeändert und dieöffentliche Zustellung der Klageschrift vom 26.06.2007 bewilligt.

Die weiteren Anordnungen im Rahmen der öffentlichen Zustellung werden dem Landgericht Braunschweig übertragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Erstattung eines Geldbetrages in Anspruch, der ihm durch eine unautorisierte Überweisung von einem bei ihr geführten Girokonto zugeflossen ist. Ihr ist lediglich der Name des Beklagten bekannt, da die kontoführende spanische Bank die Preisgabe einer zustellungsfähigen Anschrift unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigert hat.

2

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Die in § 185 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung liegen vor.

3

Der Aufenthaltsort des Beklagten ist unbekannt, so dass eine Zustellung an ihn nicht möglich ist. Die Tatsache, dass die kontoführende Kenntnis von einer zustellungsfähigen Anschrift des Beklagten haben dürfte, steht dem nicht entgegen, da sie diese Information nicht erteilt (vgl. dazu OLG Celle, OLGE 7, 407).

4

In dieser Situation kommt es darauf an, ob alle sonstigen Möglichkeiten, eine Zustellung zu bewirken, ausgeschöpft sind. Dies ist hier der Fall. Der Klägerin selbst stehen nach ihrer erfolglosen Kontaktaufnahme zur keine weiteren erfolgversprechenden Rechercheansätze zur Verfügung. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es der Bank nach ihrer eigenen Auskunft selbst ebenfalls nicht gelungen ist, den Kontakt zum Beklagten herzustellen.

5

Auch der Senat hat sich - im Ergebnis ohne Erfolg - darum bemüht, die kontoführende Bank zur Mitteilung der Adresse des Beklagten zu bewegen. Im Rahmen der gerichtlichen Fürsorgepflicht hat der Senat eingehende Ermittlungen geführt, welche der Klägerin angesichts der Mitteilung der, sie werde die Anschrift nur im Falle einer gerichtlichen Aufforderung mitteilen, nicht zumutbar waren. Trotz mehrerer Anrufe des Einzelrichters bei dem zuständigen Leiter der Rechtsabteilung sowie einer schriftlichen - per Telefax übermittelten - Aufforderung ist die Bank bei ihrer Weigerungshaltung geblieben. Ein Anruf des Einzelrichters bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig hat ergeben, dass die dortigen Rechtshilfeersuchen bisher ebenfalls ergebnislos geblieben sei, woran sich erfahrungsgemäß auch in den nächsten zwei bis drei Jahren voraussichtlich nichts ändern werde.

6

Die vorzunehmende Abwägung zwischen dem Rechtsverfolgungsinteresse der Klägerin und dem Rechtsschutzinteresse des Beklagten fällt vor diesem Hintergrund zugunsten der Klägerin aus. Denn der Beklagte sieht sich selbst im Falle seiner fehlenden Beteiligung an dem der Klage zugrundeliegenden Betrugssachverhalt jedenfalls einem bereicherungsrechtlichen Anspruch ausgesetzt, dem er angesichts seiner Bösgläubigkeit nicht den Einwand der Entreicherung entgegenzusetzen vermag. Es ist ihm deshalb zuzumuten, die gravierenden Rechtsnachteile einer öffentlichen Zustellung hinzunehmen.

7

Die Tatsache, dass die Existenz des Beklagten angesichts der professionellen Vorgehensweise bei der betrügerisch veranlasstenÜberweisung fraglich sein könnte, steht einer Bewilligung deröffentlichen Zustellung ebenfalls nicht entgegen. Insofern ist nur erforderlich, dass eine Individualisierung der beklagten Partei möglich ist. Dies ist der Fall, da sie über die Inhaberschaft des betreffenden Kontos gewährleistet werden kann. Sollte sich herausstellen, dass es sich bei dem Namen nur um ein Pseudonym handelt, so ginge ein Urteil gegen den Beklagten ins Leere, so dass dieser auch nicht beschwert wäre.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Beschwerdewert war mit einem Bruchteil - nämlich 1/10 - der in der Hauptsache verfolgten Forderung festzusetzen, da die Zustellung der Klageschrift nur einen Schritt zur Titelschaffung darstellt (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 1999, 220).