Amtsgericht Herzberg
Beschl. v. 22.02.1983, Az.: II 10/82

Anfechtung eines Wohnungseigentümerbeschlusses, indem die Schneeräumung durch die Wohnungeigentümer beschlossen wurde, um die Durchfeuchtungsschäden durch Nichträumung des Schnees zu verhindern

Bibliographie

Gericht
AG Herzberg
Datum
22.02.1983
Aktenzeichen
II 10/82
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1983, 13211
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHERZB:1983:0222.II10.82.0A

Verfahrensgegenstand

Antrag auf Ungültigkeitserklärung eines Beschlusses der Wohnungseigentümer

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Herzberg am Harz
durch
den Direktor des Amtsgerichts Geßner
am 30. Dezember 1982
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

  3. 3.

    Die [xxxxx] der Beteiligten werden gegeneinander aufgehoben.

  4. 4.

    Der Gegenstandswert wird auf 3.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer der Penthouse-Wohnung III K, eingetragen im Grundbuch von Bad Sachsa Bd. 89, Bl. 2699, Diese Wohnung besteht aus folgenden Einzelflächen:

Kochnische21,56 qm
Schlafzimmer11,20 qm
Bad und WC3,60 qm
Flur2,25 qm
Terrasse6,15 qm
Terrasse4,52 qm
Summe:49,28 qm
2

Von der Wohnung aus nutzbar ist eine weitere Terrassenfläche von 12,57 qm (9,44 × 1,32 m). Ebenso wie bei den übrigen Penthouse-Wohnungen und allen übrigen Wohnungen gehören nach der Teilungserklärung vom 23. April 1976 (Nr. 265 der Urkundenrolle für das Jahr 1976 des Notars Thode in Bad Sachsa) alle Fußbodenbeläge zum jeweiligen Sondereigentum. Auf der Penthouse-Ebene sind alle Fußbodenbelänge der Terrassenflächen wasserdurchlässig ausgebildet. Unter den wasserdurchlässigen Fußbodenbelängen befindet sich eine Isolierschicht, auf der das Wasser zu den Fallrohren abgeleitet wird. Diese Isolierschicht ist wannenartig ausgebildet und an den Begrenzungswänden der Freisitzflächen über die Oberkante des Fußbodenbelages einige Zentimeter hochgezogen. Zwischen den Parteien herrscht Einigkeit darüber, daß die Randisolierung nicht genügend hoch ausgeführt worden ist. Im Winter 1980/81 kam es zu erheblichen Schneefällen. Nach Eintritt des Tauwetters ereignete es sich, daß Wasser aus der Freisitzfläche des Antragstellers in die unterliegende Wohnung in größeren Mengen eindrang. Der Antragsteller hat neben anderen Wohnungseigentümern in der Vergangenheit darauf gedrängt, daß die bei der Herstellung des Bauwerkes beteiligten Firmen zur Beseitigung dieser und anderer Mängel herangezogen werden sollten. Zwischen der Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft einerseits und den Beteiligten Unternehmen andererseits sind dann Verhandlungen geführt worden, die zu einem Vergleich geführt haben, der durch die Wohnungseigentümergemeinschaft in der Versammlung vom 14. Okt. 1982 gebilligt worden ist. Dieser Beschluß ist inzwischen von einem Wohnungseigentümer durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG angefochten worden. Das Verfahren II 12/82 ist noch beim Amtsgericht Herzberg am Harz anhängig. Die angefochtenen Baumaßnahmen sehen die Verbesserung der Isolierung der Freisitzflächen und eine verbesserte Wasserabführung vor.

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Die Mehrheit der Wohnungseigentümer ist aber darüberhinaus der Auffassung, daß auch eine verbesserte Isolierung und eine günstigere Wasserabführung Wasserschäden zu vermeiden nicht geeignet sind, falls größere Schneemengen eintreten und diese größeren Schneemengen nicht rechtzeitig von den Terrassenflächen geräumt werden. Unter dem Tagesordnungspunkt 10 (Beschlußfassung über die Schneeräumung auf den Dachterrassen und Balkohen) hat demgemäß der Wohnungseigentümer Meißner in der Wohnungseigentümerversammlung vom 26. Juni 1982 folgenden Antrag gestellt:

"Ausgehend von der Tatsache, daß der Bauträger auf den Freiflächen der Penthouse-Wohnungen die Höhe der Isolierung mit ca. 15 cm angegeben hat, der Schnee auf der Freifläche der Penthouse-Wohnungen jedoch in der Vergangenheit eine maximale Höhe von teilweise bis zu 80 cm aufwies, wird zur Vermeidung von Durchfeuchtungsschäden durch Nichträumung des Schnees beschlossen, daß die jeweiligen Wohnungseigentümer ihre Freiflächen vom Schnee von einer Schneehöhe von ca. 20 cm selbst räumen bzw. auf eigene Kosten selbst räumen lassen. Da die Freiflächen ausschließlich nur einem bestimmten Wohnungseigentümer zugänglich sind und daher von diesem auch nur allein genutzt werden können, sind diese Gebäudeteile Sondereigentum. Aus § 14 Nr. 1 WEG ergibt sich, die Verpflichtung eines jeden Wohnungseigentümers, seine, im Sondereigentum stehende Gebäudeteile instandzuhalten. Dazu gehört zweifelsfrei auch die Verpflichtung, diese vom Schnee zu befreien, wenn durch die Schneemassen eine Gefahr für das Gemeinschaftseigentum oder das Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer ausgeht. Die Einhaltung und Überwachung obliegt gem. § 3 des Verwaltervertrages der Hausverwaltung. Bei Nichtdurchführung wird die Hausverwaltung namens und für Rechnung des jeweiligen Eigentümers die Arbeiten durch eine geeignete Person oder Fa. durchführen lassen."

4

Dieser Antrag wurde mit 25 Ja-Stimmen gegen 3 Nein-Stimmen angenommen.

5

Der Antragsteller ist der Auffassung, daß er nicht zur Schneeräumung der zu seiner Wohnung gehörenden Flächen herangezogen werden könne, solange die bestehenden Isolierungsmängel nicht beseitigt worden seien.

6

Er beantragt:

Den Beschluß der Wohnungseigentümer vom 26. Juni 1982 zu Nr. 10 für ungültig zu erklären.

7

Die Antragsgegner beantragen:

Den Antrag zurückzuweisen.

8

Die Verwalterin trägt vor:

9

Auch nach Durchführung aller notwendigen Nachbesserungsmaßnahmen werde die Randisolierung nicht über 20 cm oberhalb Oberkante der Terrassenfläche hinausragen. Bei höheren Schneemengen bestehe die Gefahr, daß Schneewasser hinter der Isolierung in das Gebäude dringen könne.

10

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze des Antragstellers sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 3. Dezember 1982 Bezug genommen.

11

II.

Das Begehren des Antragstellers ist unbegründet. Mit Recht weist die Verwalterin darauf hin, daß die Freisitzflächen nicht gegen jede Schneehöhe isoliert werden können. Es ist gerichtsbekannt, daß die wannenartige Isolierung auf Freisitzflächen mindestens 15 cm über dem begehbaren Belag hochgezogen werden muß. Eine höhere Isolierung wäre zwar für den Raum des Harzes wünschenswert, entspricht aber nicht der Üblichkeit. Die vorgesehenen Nachbesserungsarbeiten sehen nach dem Vortrag der Verwalterin auch keineswegs vor, daß die Randisolierung über 20 cm hinaus hochgezogen werden sollen. Damit steht schon jetzt fest, daß auch künftig bei Naßschneehöhen von mehr als 20 cm auf den Freisitzflächen zu befürchten ist, daß oberhalb der Randisolierung Schmelzwasser in das Gebäudemauerwerk eindringen kann. Dieser Gefahr muß, da weitergehende Baumaßnahmen nicht verlangt werden können, durch rechtzeitiges Schneeräumen ab einer Schneehöhe von ca. 20 cm begegnet werden. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Wohnungseigentümer diese notwendige Arbeit jeweils dem Wohnungseigentümer auferlegen, zu deren Wohnung die jeweils zu räumenden Flächen gehören. Der angefochtene Beschluß entspricht auch § 14 Nr. 1 WEG, indem es u. a. heißt, daß jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten, daß dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Die gleiche Verpflichtung normiert § 9 Abs. 2 der Teilungserklärung vom 15. April 1976 (Nr. 265 der Urkundenrolle für das Jahr 1976 des Notars Thode in Bad Sachsa), in welchem es heißt:

"Der Wohnungseigentümer ist verpflichtet, die dem Sondereigentum unterliegenden Teile des Gebäudes so instandzuhalten, daß dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein ... Nachteil erwächst ........."

12

Aus alledem ergibt sich, daß dem Antragsteller wie den anderen Penthouse-Besitzern auch nichts Unzumutbares abverlangt wird. Der Antragsteller wird daher entsprechend dem angefochtenen Beschluß die zu seiner Wohnung gehörenden Freisitzflächen bei einer Schneehöhe ab ca. 20 cm räumen müssen. Ob zur Wohnung des Antragstellers auch die ca. 12,57 qm nach Westen gelegene Terrassenfläche gehört, braucht in diesem Zusammenhange nicht entschieden zu werden. Hierzu werden noch nähere Ermittlungen durch die Verwaltung egeführt werden müssen. Sollte sich herausstellen, daß diese Fläche ebenfalls zur Wohnung des Antragstellers gehört, was aber aus der Teilungserklärung bisher nicht ersichtlich ist, muß der Antragsteller ebenfalls diese Fläche von Schnee räumen. Andernfalls müßte die Schneeräumung durch die Gemeinschaft selbst durchgeführt werden.

13

Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, daß der angefochtene Beschluß schon jetzt eine Ersatzvornahme vorsieht für den Fall, daß der Antragsteller oder ein anderer Wohnungseigentümer seinen Pflichten künftig nicht genügen sollte. Wie die Hausverwaltung die Ersatzvornahme durchführt, muß ihr überlassen bleiben. Vorsorglich sei aber schon jetzt darauf hingewiesen, daß die Berechtigung zur Ersatzvornahme der Hausverwaltung nicht das Recht gibt, den Zugang zur Wohnung eines pflichtvergessenen Wohnungseigentümers zur Durchführung der Ersatzvornahme zu erbrechen. Das gewaltsame Öffnen des Zuganges setzt einen vorherigen richterlichen Beschluß notfalls im Wege einer einstweiligen Anordnung voraus.

14

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Es entsprach der Billigkeit, jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, aber die gerichtlichen Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen.

15

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs. 2 WEG.

Streitwertbeschluss:

Der Gegenstandswert wird auf 3.000,00 DM festgesetzt.

Geßner, Direktor des Amtsgerichts.