Amtsgericht Hameln
Beschl. v. 04.12.2006, Az.: 7 F 215/06 SO
Voraussetzungen für eine Aufhebung einer gemeinsamen elterlichen Sorge; Übertragung einer alleinigen elterliche Sorge und eines Aufenthaltsbestimmungsrechts; Herausgabe eines Kindes und Bekanntgabe des Aufenthaltsortes des Kindes
Bibliographie
- Gericht
- AG Hameln
- Datum
- 04.12.2006
- Aktenzeichen
- 7 F 215/06 SO
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 39841
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHAMEL:2006:1204.7F215.06SO.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1632 BGB
- § 1671 BGB
Fundstelle
- FamRZ 2007, 761-762 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Die elterliche Sorge für ...
In der Familiensache
...
hat das Amtsgericht - Familiengericht - Hameln
auf die mündliche Verhandlung vom 03. November 2006
durch
die Richterin am Amtsgericht Quak
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Antragstellers, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den gemeinsamen minderjährigen Sohn der Parteien, ... zu übertragen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Kind an ihn herauszugeben sowie der Antrag, die Kindesmutter zu verpflichten, ihm den Aufenthaltsort des gemeinsamen Sohnes bekannt zu geben, wird zurückgewiesen.
Die im Verfahren der einstweiligen Anordnung entstehenden Kosten gelten für die Kostenentscheidung als Teil der Kosten für die Hauptsache, §§621 g, 620 g ZPO.
Gründe:
Die beteiligten Eltern des betroffenen Kindes ... heirateten am 15.12.2000 und leben seit dem 11.02.2006 nach Auszug des Antragstellers aus dem gemeinsamen Haus voneinander getrennt. Das gemeinsame Kind verblieb im Haushalt der Kindesmutter, die nicht berufstätig ist. Die Kindesmutter ist im Iran geboren und hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Kindesvater ist Vertriebsleiter eines litauischen Unternehmens der Möbelbranche mit Schwerpunktgebiet Deutschland. Der Firmenbesitz befand sich in der Vergangenheit in Uslar und wurde nunmehr von dem Antragsteller nach Bad Pyrmont verlegt. Mit der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers ist eine erhebliche Reisetätigkeit verbunden, wobei der Antragsteller beabsichtigt, diese zukünftig einzuschränken, so dass er ca. 2/3 seiner Arbeitszeit vor Ort anwesend wäre und nur noch 1/3 der Arbeitszeit auf Reisen. Die Mutter des Kindesvaters ist Rentnerin und wohnt direkt neben dem Antragsteller.
Der Antragsteller stellt sich vor, dass der gemeinsame Sohn in seinen Haushalt wechseln soll. Das Kind solle von 8.00 bis 16.00 bzw. 17.00 Uhr in den Kindergarten gehen und sodann von ihm bzw. in den Fällen seiner berufsbedingten Abwesenheit von seiner Mutter betreut werden. Er meint, die Kindesmutter habe sich als erziehungsungeeignet dadurch erwiesen, dass sie das Kind ohne die Zustimmung des Antragstellers in den Iran "entführt" und ihn dort einem völlig fremden Kulturkreis ausgesetzt habe.
Er beantragt,
vorab im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Herausgabe des Kindes an ihn und die Bekanntgabe des Aufenthalts des Kindes.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Kindesmutter wünscht einen Verbleib des Kindes in ihrem Haushalt. Probleme hinsichtlich der Ausübung des Umgangsrechtes habe es in der Vergangenheit aus ihrer Sicht nur deshalb gegeben, weil der Vater dieses nicht regelmäßig wahrgenommen habe.
Auf den Bericht des Jugendamtes vom 20.10.2006 (Bl. 42 ff d.A.) sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2006 (Bl. 51 ff d.A.) sowie den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen wird Bezug genommen.
Es lässt sich derzeit nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge gemäß §1671 BGB vorliegen. Ebenso wenig ist die Antragsgegnerin verpflichtet, das gemeinsame Kind an den Antragsteller gemäß §1632 BGB herauszugeben, da sie es diesem nicht widerrechtlich vorenthält. Soweit die Kindesmutter verpflichtet war, dem Kindesvater den Aufenthalt des gemeinsamen Kindes im Iran, insbesondere die dortige Anschrift, bekannt zu geben, hat sich der Antrag des Kindesvaters nach Rückkehr des Kindes nach Deutschland erledigt.
Hinsichtlich des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt es bereits an dem Regelungsbedürfnis. Denn ein solches setzt voraus, dass der Erlass der vorläufigen Entscheidung notwendig ist, um eine Rechtsgefährdung abzuwenden. Zum Schutz des Kindes und der Abwehr einer akuten Gefährdung müsste ein dringendes, bis zur endgültigen Sachentscheidung nicht aufschiebbares Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten bestehen. Ein solches Bedürfnis hat der Kindesvater - jedenfalls nach Rückkehr des Kindes aus dem Iran in den Haushalt der Kindesmutter - nicht dargelegt und ein solches ist auch nicht ersichtlich. Das Kind verblieb nach Auszug des Kindesvaters aus dem gemeinsamen Haus im Einvernehmen der Kindeseltern im Haushalt der Kindesmutter und wurde von dieser allein betreut. Im übrigen wurde das Kind auch bereits vor der Trennung in erster Linie von der nicht berufstätigen Kindesmutter betreut, so dass diese die Hauptbezugsperson für das Kind sein dürfte. Dies ergibt sich daraus, dass der Kindesvater nach Verlegung seines Firmensitzes von Uslar nach Bad Pyrmont für die Zukunft eine reduzierte Auswärtstätigkeit in Aussicht stellte, diese allerdings immer noch auf 1/3 seines Gesamtarbeitszeit bezifferte. Soweit der Kindesvater der Kindesmutter vorwarf, dass diese das Kind vor dessen "Verschleppung in den Iran" sehr oft fremd betreuen ließ, fehlt diesem Vorbringen jede Substanz. Wenn der Kindesvater der Meinung war, das Kind werde von der Mutter nicht hinreichend betreut, so stellt sich die Frage, warum er es nach der Trennung überhaupt im Haushalt der Kindesmutter beließ.
Es lässt sich im Rahmen des Hauptsacheverfahrens auch derzeit noch nicht feststellen, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht, §1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB.
Zwar verweist der Antragsteller zutreffend darauf, dass die Kindesmutter durch die Veranlassung des Aufenthaltes des gemeinsamen Kindes im Iran allein in Begleitung der Großmutter das Kindeswohl zumindest erheblich beeinträchtigt, vielleicht sogar gefährdet hat. Maßgebend ist zur Überzeugung des Gerichts hier nicht in erster Linie der Kontakt des betroffenen Kindes mit dem fremden Kulturkreis, den es im Vorjahr im Alter von nur zwei Jahren bereits mit Zustimmung des Kindesvaters hatte. Dass der Sohn diese Reise unternehmen musste und der Antragsteller einen Visumsantrag unterschreiben musste, hier eine Verpflichtung bestand, hat sich nach Anhörung der Parteien allerdings nicht feststellen lassen. Die Antragsgegnerin hat vielmehr nachvollziehbar und von dem Antragsteller unbestritten ausgeführt, dass sie das gemeinsame Kind zweisprachig erzieht und in diesem Zusammenhang im Vorjahr Einvernehmen bestand, dass Jan mit der Kindesmutter und der Mutter der Kindesmutter in den Iran gereist ist. Nach dem Ergebnis der Anhörung lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kindesvater an dieser Reise wegen beruflicher Verpflichtungen anlässlich einer Möbelmesse nicht teilnahm, sondern er hat in der mündlichen Verhandlung vielmehr bekundet, in den Iran würde er niemals reisen. Vorzuwerfen ist der Kindesmutter unter dem Gesichtspunkt der Kindeswohlgefährdung vielmehr, dass sie den Auslandsaufenthalt des Kindes, das bereits unter der Trennung der Eltern leiden dürfte, veranlasste, ohne gleichzeitig die eigene Begleitung des Kindes sicherzustellen. Dass sich das Kind nunmehr wochenlang in einem fremden Kulturkreis ohne jeden persönlichen Kontakt zu seinen Eltern befand, dürfte dem Kindeswohl außerordentlich abträglich gewesen sein. Das Gericht teilt ebenfalls die Einschätzung des Antragstellers, dass diese Verhaltensweise, insbesondere die offensichtliche mangelnde Reflektion der Beeinträchtigung der Belange des Kindes, Zweifel hinsichtlich der Erziehungseignung der Kindesmutter begründen können. Unabhängig davon verweist der Antragsteller zutreffend darauf, dass die Kindesmutter im Rahmen der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge selbstverständlich verpflichtet war, bezüglich der Auslandsreise als einer erheblichen Angelegenheit der elterlichen Sorge die Zustimmung des Kindesvaters einzuholen und sich bei mangelnder Zustimmung gegebenenfalls um eine gerichtliche Entscheidung gemäß §1628 BGB zu bemühen. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass der Antragsteller entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin dieser gegenüber mit einer diesjährigen Auslandsreise nicht einverstanden erklärt hat. Dass es die Antragsgegnerin mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, hat sie durch ihre Erklärungen gegenüber dem Jugendamt und dem Gericht dokumentiert. So hat die Antragsgegnerin noch gegenüber dem Jugendamt erklärt, das Kind halte sich bei ihrer Mutter auf, als es sich bereits nachvollziehbar im Iran befand. Auch die Erklärung gegenüber dem Gericht, die Antragsgegnerin habe die Umgangsrechtsvereinbarung unterzeichnet, wurde durch die Erklärungen des Jugendamtes widerlegt.
Andererseits sind Sorgerechtsentscheidungen nicht dazu da, ungewünschtes Elternverhalten zu sanktionieren. Vielmehr sprechen Gründe der Betreuungs- und Erziehungskontinuität für einen - jedenfalls vorübergehenden - weiteren Verbleib des Kindes im Haushalt der Kindesmutter.
Das Gesichtspunkte der Kontinuität zurückzutreten haben, weil der Kindesvater in der Lage ist, das Kind besser zu fördern, eine höhere Bindungstoleranz aufweist, über bessere gefühlsmäßige Bindungen zu dem Kind verfügt oder ansonsten erziehungsgeeigneter als die Kindesmutter ist, lässt sich derzeit nicht feststellen. Nach seinen Gründen für die mangelnde Zustimmung zum Iranaufenthalt, den die Kindesmutter zunächst gemeinsam mit dem Kind beabsichtigte, befragt, hat der Kindesvater auch nicht die Erwägungen des Jugendamtes zu der Beeinträchtigung des Kindeswohles durch das Verbringen der Zeit im fremden Kulturkreis nach der Trennung der Eltern aufgegriffen, sondern lediglich ausgeführt, die Parteien hätten damals erheblich Stress miteinander gehabt und warum habe er da zustimmen sollen. Die Kindesmutter habe aus seiner Sicht Jan in der Vergangenheit als Druckmittel benutzt, unter anderem habe er das halbe Haus überschreiben sollen, damit sie hier bleiben und nicht nach Hamburg zu ihrer Mutter gehe. Dies vermittelt nicht den Eindruck, dass es dem Antragsteller hier in erster Linie um die Interessen des Kindes ging, als er die Zustimmung zu dem Auslandsaufenthalt, den er noch im Vorjahr gestattete, versagte. Der Antragsteller hat auch nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei der Antragsgegnerin bereits um seine vierte Ehefrau handelt, so dass auch Zweifel hinsichtlich der Bindungsfähigkeit des Antragstellers bestehen könnten. Darüber hinaus ist der Antragsteller im Gegensatz zur Antragsgegnerin nicht nur vollschichtig berufstätig, sondern übt nach eigener Einschätzung auch 1/3 dieser Zeit im Rahmen von Auslandsaufenthalten aus. Es wird daher davon auszugehen sein, dass in nicht unerheblichem Umfang eine Fremdbetreuung von Jan-Martin beim Wechsel in den Haushalt des Kindesvaters erforderlich wäre.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich allerdings nicht feststellen, dass die Kindeseltern bereits hinreichend versucht hätten, ihrer Konsensverpflichtung aus §§1626, 1627 BGB zu genügen. Zur Überzeugung des Gerichts dürfte es hier entsprechend dem Vorschlag durch das Kreisjugendamt sachdienlich sein, wenn die Parteien im Interesse des Kindeswohles an einer Mediation teilnehmen. Dem Kindeswohl entspricht es am besten, wenn die Kindeseltern einvernehmlich ihrer Elternverantwortung genügen.