Landgericht Göttingen
Beschl. v. 09.08.2012, Az.: 10 T 38/12
Auswirkungen einer mangelhaften Leistung eines Insolvenzverwalters auf die Festsetzung seiner Vergütung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 09.08.2012
- Aktenzeichen
- 10 T 38/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 22140
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2012:0809.10T38.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 18.05.2012 - AZ: 74 IN 13/01
- nachfolgend
- BGH - 06.11.2014 - AZ: IX ZB 90/12
Rechtsgrundlage
- § 11 InsVV
Fundstelle
- ZInsO 2013, 355-356
Redaktioneller Leitsatz
Gegenüber dem Anspruch des Insolvenzverwalters auf Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter besteht ein Zurückbehaltungsrecht der Masse nicht.
In dem Insolvenzverfahren
über das Vermögen der B. GmbH, R. ., .... G.,
Schuldnerin,
am Verfahren beteiligt:
1. Rechtsanwalt Peter F. R. v. D., R. V., .... W.,
Insolvenzverwalter und Beschwerdeführer,
2. Rechtsanwalt Dr. . F., F.-Straße .., ..... K.,
Sonderinsolvenzverwalter,
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Pape, die Richterin am Landgericht Butzmann und die Richterin am Amtsgericht Cron
am 09.08.2012
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss vom 18.05.2012 wird aufgehoben.
Das Amtsgericht wird angewiesen, von seinen Bedenken gegen die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter dem Grunde nach Abstand zu nehmen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Mit Beschl. v. 18.1.2001 ist der Beschwerdeführer zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Das Insolvenzverfahren ist am 1.4.2001 eröffnet.
Im Laufe des Verfahrens hat das AG den Insolvenzverwalter mehrfach unter Fristsetzung aufgefordert, seinen Tätigkeiten nachzukommen, insbesondere Rechnung zu legen. Gegen den Insolvenzverwalter sind mehrfach Zwangsgelder festgesetzt worden. Mit Beschl. v. 10.11.2005 hat das AG den Rechtsanwalt Dr. F zum Sonderinsolvenzverwalter bestimmt. Sein Aufgabenkreis umfasst die Prüfung der Frage, ob gegen den Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche zugunsten der Masse geltend gemacht werden können. In der Folgezeit hat das AG den Aufgabenkreis des Sonderinsolvenzverwalters erweitert (vgl. Beschl. v. 18.1.2008 sowie Beschl. v. 16.5.2008).
Nachdem der Insolvenzverwalter seine Schlussrechnung vorgelegt hat, hat das AG den Sachverständigen Dipl.-Finanzwirt K mit der Überprüfung der Rechnungslegung des Insolvenzverwalters beauftragt. Der Sachverständige K kommt zu dem Ergebnis, dass die Rechnungslegungen des Insolvenzverwalters zum vorläufigen und zum eröffneten Insolvenzverfahren zu beanstanden seien. Es würden eine Vielzahl von Belegen fehlen bzw. seien fehlerhaft. Für bestimmte Bankkonten und Kassen liege keine (vollständige) Buchführung vor. Zudem sei kein aussagefähiger Bericht zum vorläufigen Insolvenzverfahren bzw. aussagefähiger Zwischenbericht zur Zwischenrechnung erstellt.
Am 15.2.2012 hat der Insolvenzverwalter die Festsetzung seiner Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter i.H.v. insgesamt 18.531,10 EUR beantragt.
Der Sonderinsolvenzverwalter hat hiergegen Einwendungen erhoben und ausgeführt, gegen den Insolvenzverwalter bestünden Schadensersatzansprüche. Dies ergebe sich aus dem Bericht des Sachverständigen K. Die mangelhafte Pflichterfüllung des Insolvenzverwalters sei bei der Festsetzung seiner Vergütung zu berücksichtigen. Aufgrund der bestehenden Schadensersatzansprüche könne sich die Masse auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Der Schaden, den der Insolvenzverwalter verursacht habe, belaufe sich auf mindestens 400.000 EUR. Da der Insolvenzverwalter die Schlussrechnung nicht ordnungsgemäß gelegt habe, müssten diese Arbeiten sowie die Führung der Kassenbücher zulasten der Insolvenzmasse nochmals ausgeführt werden. Dies verursache Kosten i.H.v. mindestens 300.000 EUR. Ein weiterer Schaden liege darin, dass die Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters erforderlich gewesen sei. Allein dessen Gebühren betrügen voraussichtlich mindestens 100.000 EUR. Ferner seien die gegen den Insolvenzverwalter anhängigen Schadensersatzprozesse zu berücksichtigen, aus denen aller Voraussicht nach Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter entstünden.
Der Sonderinsolvenzverwalter meint, wegen der schwerwiegenden Verletzungen der Amtspflichten habe der Insolvenzverwalter seinen Anspruch auf Festsetzung einer Vergütung verwirkt.
Mit Beschl. v. 18.5.2012 hat das AG den Antrag des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt D auf Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter als zzt. unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, da sich der Sonderinsolvenzverwalter auf Schadensersatzansprüche berufe, die den Vergütungsanspruch der Höhe nach übersteigen würden, bestehe ein Zurückbehaltungsrecht. Nach der Rechtsprechung des BGH (ZInsO 2010, 2134) sei dies zu berücksichtigen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Insolvenzverwalter mit der sofortigen Beschwerde. Er trägt vor, aus der zitierten Rechtsprechung ergebe sich nicht, dass gegen den Anspruch auf Festsetzung der Vergütung ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden könne. Es handele sich bei der Vergütung des Insolvenzverwalters um eine reine Tätigkeitsvergütung. Der Einwand mangelhafter oder erfolgloser Leistung beeinflusse grds. die Vergütung nicht. Mangelhafte Leistungen stellten sich regelmäßig nur als ein haftungsrechtliches Problem dar, von dem jedoch die Tätigkeitsvergütung unbeeinflusst bleibe.
Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des LG zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters ist gem. §§ 6 Abs. 1, 64 Abs. 3 InsO zulässig, sie ist auch insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben ist. Das AG muss über den Antrag des Insolvenzverwalters auf Festsetzung seiner Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter entscheiden.
Gem. § 11 InsVV hat der vorläufige Insolvenzverwalter einen Anspruch für seine Tätigkeit in dem vorläufigen Insolvenzverfahren. Gegen diesen Anspruch als solchen besteht kein Zurückbehaltungsrecht der Masse. Dagegen spricht bereits, dass ein Zurückbehaltungsrecht erst dann geltend gemacht werden kann, wenn der Anspruch - hier der des vorläufigen Insolvenzverwalters auf Vergütung - festgestellt ist. Darüber hinaus ergibt sich auch nicht, dass hier tatsächlich ein fälliger Gegenanspruch der Masse gegen den Insolvenzverwalter besteht. Der Gegenanspruch muss voll wirksam und fällig sein. Hier sind jedoch Schadensersatzansprüche, die der Sonderinsolvenzverwalter vorträgt, bislang weder gerichtlich festgestellt noch - soweit sich solche Schadensersatzansprüche aus der fehlerhaften Rechnungslegung des Insolvenzverwalters ergeben sollen - beziffert.
Aus demselben Grund scheidet auch eine Aufrechnung im derzeitigen Verfahrensstadium aus.
Der Sonderinsolvenzverwalter kann sich in Bezug auf seine Auffassung, dass gegenüber dem Anspruch des Insolvenzverwalters auf Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter ein Zurückbehaltungsrecht wegen Ersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter bestehe, nicht auf die Entscheidung des BGH v. 23.9.2010 - IX ZR 243/09 - berufen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich nicht, dass dem Anspruch des Insolvenzverwalters auf Festsetzung seiner Vergütung ein Zurückbehaltungsrecht entgegengesetzt werden kann. Der BGH führt in dieser Entscheidung aus, bei der Festsetzung seiner Vergütung könne eine mangelhafte Pflichterfüllung des abberufenen Verwalters berücksichtigt werden und zu einem Schadensersatzanspruch führen. Daraus folgt, dass eine bestehende Vergütung ggf. aufgrund eines Schadensersatzanspruchs gemindert werden kann, nicht jedoch, dass im Hinblick auf einen ggf. bestehenden Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter er seinen Anspruch auf Festsetzung der Vergütung nicht geltend machen kann. Dasselbe folgt auch aus der Entscheidung des BGH v. 6.5.2004 - IX ZB 349/02 (NZI 2004, 440). Auch in dieser Entscheidung führt der BGH aus, dass zwar Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Dass solche Schadensersatzansprüche jedoch bereits die Festsetzung der Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter oder Insolvenzverwalter grds. hindern, folgt aus dieser Entscheidung indes nicht.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wird die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.
Butzmann
Cron