Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 13.03.2002, Az.: 17 A 4967/01

Beschäftigte; BSHG-Kräfte; Personalvertretung; Personalvertretungsrecht; Wahlrecht

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.03.2002
Aktenzeichen
17 A 4967/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 41858
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die nach § 19 Abs. 1 1. HS BSHG beschäftigten Personen zählen personalvertretungsrechtlich zu den Beschäftigten der Dienststelle und sind gemäß §§ 11 und 12 NPersVG wahlberechtigt.

2. Ein Fehler bei der Feststellung der Zahl der Beschäftigten einer Gruppe wirkt sich wahlbeeinflussend auch auf die Wahl in den anderen Gruppen aus.

Gründe

1

I. Vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Region H., mit dem ein Übergang der Zuständigkeit der kommunalen Aufgaben der Erwachsenenbildung von dem ehemaligen Landkreis H. auf die regionsangehörigen Gemeinden einherging, schloss der Landkreis H. mit fünf kreisangehörigen Städten und Gemeinden einen Vertrag. Darin verpflichten sich die Gemeinden, die Kreisvolkshochschule H. zu übernehmen und an ihrer Stelle künftig einen gemeindlichen Zweckverband einzurichten. Sie vereinbarten ferner, dass der Landkreis H. den Zweckverband bis auf Weiteres beauftragte, Beschäftigungsmaßnahmen unter anderem im Rahmen der Hilfe zur Arbeit für Sozialhilfeempfänger durchzuführen. Nach § 3 Nr. 4 der Satzung des Zweckverbands vhs H.-Land verfolgt dieser ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.

2

Am 29. Oktober 2001 wurde erstmalig die Wahl des Personalrats des Zweckverbands vhs H.-Land (Beteiligter zu 2.) durchgeführt. In dem Personalrat sind die Bediensteten in der Gruppe der Beamtinnen und Beamten mit keinem Mitglied, in der Gruppe der Angestellten mit zwei Mitgliedern und in der Gruppe der Arbeiterinnen und Arbeiter mit fünf Mitgliedern repräsentiert. Da jeweils nur ein Wahlvorschlag gemacht wurde, fand in beiden repräsentierten Gruppen eine Mehrheitswahl statt. Auf die am 30. Oktober 2001 erfolgte Bekanntgabe der Wahlergebnisse hat die Antragstellerin als in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft die Wahl mit der am 12. November 2001 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift angefochten.

3

Die Antragstellerin macht geltend, die Wahl sei ungültig, weil diejenigen 53 Arbeiter und Arbeiterinnen, die im Zeitpunkt der Wahl bei dem Zweckverband vhs H.-Land im Zuge von Maßnahmen nach den §§ 18 und 19 Abs. 1 BSHG beschäftigt waren, nicht durch Aufnahme in das Wählerverzeichnis in den Kreis der Wahlberechtigten einbezogen worden seien.

4

Die Antragstellerin beantragt,

5

festzustellen, dass die am 29. Oktober 2001 durchgeführte Wahl des Personalrats des Zweckverbands vhs H.-Land ungültig ist.

6

Die Beteiligten zu 1. und 2. stellen keine Anträge.

7

Der Beteiligte zu 1. geht davon aus, dass die angefochtene Wahl nur in der Gruppe der Arbeiterinnen und Arbeiter ungültig sei, weil die gewählte Kandidatin K. wegen fehlender Wahlberechtigung nicht in den diesbezüglichen Wahlvorschlag hätte aufgenommen und gewählt werden dürfen. Im Übrigen sei der Personenkreis der als Hilfe zur Arbeit Beschäftigten nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 5. April 2000 nicht wahlberechtigt, weil er nicht in den Betrieb des Zweckverbands eingegliedert sei. Diese Beschäftigten seien wie Frau K. überwiegend für die Region H. tätig und dienten daher nicht dem arbeitstechnischen Zweck der Dienststelle Zweckverband vhs H.-Land, vielmehr seien sie selbst Gegenstand des Betriebszwecks.

8

Der Beteiligte zu 2. trägt vor, er habe einstimmig beschlossen, die Personalratswahl solle wiederholt werden, weil die im Rahmen des Förderprogramms "Maßnahmen zur Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Region H. (BSHG)" Beschäftigten von der Wahl ausgeschlossen worden seien. Wie die ABM-Kräfte seien aber auch diese Beschäftigten für die Dauer eines Jahres mit einer Vergütung von 80 % der Lohngruppe 1 BMT-G bei dem Zweckverband vhs H.-Land eingestellt worden.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts ist auf die Schriftsätze der Antragsteller sowie der Beteiligten nebst Anlagen und auf die zum Gegenstand der öffentlichen Anhörung gemachten Wahlunterlagen zu verweisen.

10

II. Die auf Feststellung der Ungültigkeit der am 29. Oktober 2001 bei dem Zweckverband vhs H.-Land durchgeführten Wahl gerichtete Wahlanfechtung ist zulässig und begründet. Die am 29. Oktober 2001 durchgeführte Wahl des Beteiligten zu 2. ist für ungültig zu erklären.

11

Gemäß § 21 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen - NPersVG - kann eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft binnen einer Frist von 14 Tagen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses gerechnet, die Wahl unmittelbar bei dem Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist, eine nach der Wahlordnung zulässige und beantragte Berichtigung nicht vorgenommen worden ist und der Verstoß das Wahlergebnis ändern oder beeinflussen könnte.

12

Die Voraussetzungen einer erfolgreichen Wahlanfechtung sind erfüllt, denn die angefochtenen Wahlen sind mit wesentlichen Vorschriften des NPersVG und der Wahlordnung für die Personalvertretungen im Land Niedersachsen - WO-PersV - über das Wahlrecht und das Wahlverfahren nicht in Einklang zu bringen, und eine Berichtigung des dadurch zustande gekommenen Wahlergebnisses ist angesichts der Art des Wahlfehlers nicht möglich.

13

Zu den wesentlichen Vorschriften über die Wählbarkeit und das Wahlverfahren zählen naturgemäß die Regelungen der §§ 11 und 12 NPersVG über die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit. Das aktive und passive Wahlrecht haben danach alle Beschäftigten (§ 4 Abs. 1 NPersVG) der Dienststelle, bei der die Personalvertretung einzurichten ist. Beschäftigte sind nach § 4 Abs. 1 NPersVG unter anderem die Arbeiterinnen und Arbeiter der in § 1 NPersVG genannten Verwaltungen, hier des Zweckverbands vhs H.-Land. Zu diesen zählen nicht nur die ständig Beschäftigten, sondern auch die Personen, mit denen Arbeitsverträge geschlossen werden, nachdem ihnen in Anwendung der §§ 18 und § 19 Abs. 2 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz - BSHG - zum Zweck der Arbeit bei der Dienststelle durch Verwaltungsakt (BVerwGE 68, 97 = NVwZ 1984 S. 243; BVerwGE 105, 370 = NVwZ 1998 S. 734; VG H., Urteil vom 23.10.2001 - 7 A 2718/01; Beschl. vom 28.12.2001 - 9 B 5096/01 -) der Sozialhilfebehörde Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit geboten worden ist.

14

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 26. Januar 2000 (BVerwGE 110, 287 = NVwZ 2000 S. 1182 ff.) zu den den Vorgaben der §§ 4 Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG - und 4 NPersVG entsprechenden Regelungen für das Personalvertretungsrecht des Landes Schleswig-Holstein entschieden, dass Arbeitsverhältnisse nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG den Begriff der Beschäftigten erfüllen und dass deshalb die Schaffung von Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Es hat ausgeführt, dem Sozialhilfesuchenden solle es ermöglicht werden, durch Verwertung seiner Arbeitskraft selbst für den Unterhalt zu sorgen, seine soziale Absicherung in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung (Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung) zu verbessern, seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und seinen Selbsthilfewillen zu stärken. Die mitverfolgten rehabilitativen Ziele sollten den Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses nicht zurückdrängen. Vielmehr sollten sie im Rahmen eines regulären Arbeitsverhältnisses erreicht werden. Die Arbeit sei nicht bloßes Therapiemittel, sondern habe eine eigenständige Bedeutung. Insofern sei die Beschäftigung eines Sozialhilfeempfängers nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG zu unterscheiden von einer solchen nach § 20 Abs. 1 BSHG. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG gehe vom Mangel an Arbeitsgelegenheit aus und setze voraus, dass der Sozialhilfesuchende arbeitsfähig und arbeitsbereit ist. Ziel einer Maßnahme nach § 20 BSHG sei dagegen im Gegensatz zu § 19 BSHG nicht die Arbeitsbeschaffung, sondern die Beschäftigungstherapie. Bei Maßnahmen nach § 20 BSHG stehe nicht die Arbeitsleistung, sondern der Therapiezweck der Beschäftigung im Vordergrund. Auch dieser Normenvergleich mache deutlich, dass im Gegensatz zu denjenigen nach § 20 Abs. 1 BSHG keine der von § 19 Abs. 1 Halbsatz 1 BSHG erfassten Gruppen von Hilfesuchenden den Nichtbeschäftigten i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 2 BPersVG zuzurechnen seien (BVerwG, a.a.O.).

15

Im Anschluss an diese Rechtsprechung gilt auch für den Bereich des NPersVG, dass jedenfalls die gemäß § 19 Abs. 1 1. Alternative BSHG beschäftigten Personen personalvertretungsrechtlich zu den Beschäftigten der Dienststelle zählen und deshalb gemäß §§ 11 und 12 NPersVG für die Wahlen der Personalvertretung in dem Teil der Verwaltung, für den sie eingestellt worden sind, wahlberechtigt und wählbar sind (VG Göttingen, PersR 2001 S. 433 [VGH Baden-Württemberg 24.04.2001 - PL 15 S 2420/00]).

16

Dem stehen die Gründe der von dem Beteiligten zitierten Entscheidung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Wahlrecht und Beschäftigtenbegriff der §§ 7 und 5 BetrVG (Beschluss vom 5.4.2000 - 7 ABR 20/99 -, ZfSH/SGB 2000 S. 678) nicht entgegen. Sie ist nach Überzeugung der Kammer nicht auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art für das NPersVG zu übertragen. Das Bundesarbeitsgericht stellt bei der Verneinung des Beschäftigtenbegriffs entscheidend darauf ab, dass die nach § 19 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BSHG beschäftigten Personen nicht "dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebes" dienen, sondern selbst Gegenstand des Betriebszwecks sind. Mit dieser Begründung lässt sich die Beschäftigteneigenschaft im vorliegenden Fall schon deshalb nicht verneinen, weil die in Rede stehenden 53 Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Beschäftigungsverhältnisse nicht mit dem ihnen Hilfe nach Maßgabe der §§ 18 und 19 BSHG leistenden Sozialhilfeträger eingegangen sind, sondern mit einer anderen Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Außerdem ist es angesichts der ihm zugedachten Verbandsaufgabe gerade Aufgabe und damit "arbeitstechnischer Zweck" ihres Arbeitgebers, sie zu beschäftigen. Er arbeitet generell nicht vorrangig zu eigenwirtschaftlichen Zwecken und lässt sich hinsichtlich der mitwirkungsrechtlichen Bedeutung der in Rede stehenden Anstellungsverhältnisse daher nicht mit einem privatrechtlich verfassten Arbeitgeber vergleichen. Vielmehr liegt in personalvertretungsrechtlicher Hinsicht ein Vergleich des Zweckverbands vhs H.-Land mit einer Beschäftigungsgesellschaft nahe, soweit er keine Aufgaben der Erwachsenenbildung erfüllt, sondern die ihm darüber hinaus zugedachten Aufgaben im Bereich von Beschäftigungsmaßnahmen wahrnimmt. Das entspricht der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 5.10.2000 - 1 ABR 14/00 -) zum betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigtenbegriff bei gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaften. Auch in diesem Bereich werden die Arbeitnehmer, denen Hilfe zur Arbeit nach § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. BSHG gewährt wird, im Rahmen des arbeitstechnischen Zweckes des Betriebes der Arbeitgeberin beschäftigt, denn in derartigen Betrieben ist es gerade Ziel und Inhalt eines solchen Arbeitsverhältnisses, es dem Sozialhilfeempfänger zu ermöglichen, durch Verwertung seiner Arbeitskraft selbst für den Unterhalt zu sorgen, seine soziale Absicherung in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung zu verbessern, seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und seinen Selbsthilfewillen zu stärken (BAG, ebd.). Hierin wird auch kein Widerspruch zu der oben genannten Entscheidung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 5. April 2000 (a.a.O.) gesehen, weil es sich bei den in jener Entscheidung genannten Beschäftigten um solche handelte, die nicht bei der Arbeitgeberin selbst beschäftigt waren, sondern bei einem Dritten, dessen arbeitstechnischen Zwecken sie dienten.

17

Der Verstoß gegen die Regelungen der §§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und 12 Abs. 1 Satz 1 NPersVG und die damit verbundenen Fehler bei der Feststellung der Zahl und Zusammensetzung der Beschäftigten der Dienststelle sind stets wesentlich und wahlbeeinflussend im Sinne von § 21 NPersVG (vgl. Lorenzen u.a., Bundespersonalvertretungsgesetz, § 25 Rdnr. 7 m.w.N.). Das gilt vorliegend für die Wahl insgesamt und nicht nur für die Wahl in der Gruppe der Arbeiterinnen und Arbeiter. Zwar ändern sich durch die Berücksichtigung der im Rahmen der Hilfe zur Arbeit eingestellten 53 Arbeiterinnen und Arbeiter im Ergebnis nicht die nach Maßgabe des § 14 NPersVG zu ermittelnden Vertretungsverhältnisse der Gruppen (2 : 5) im Personalrat, zu denen angesichts der geringen Zahl der in der Dienststelle beschäftigten Beamtinnen und Beamten gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 NPersVG nur die Gruppen der Angestellten und Arbeiterinnen und Arbeiter zählen. Dennoch wirkt sich der Wahlfehler auch auf die Wahl in der Gruppe der Angestellten aus. Es lässt sich nicht ausschließen, dass in dieser Gruppe fristgerecht und zulässig andere und zusätzliche Wahlvorschläge gemacht worden wären, wenn der Kreis der Wählberechtigten um 53 Personen erweitert worden wäre. Insoweit reicht im Rahmen des § 21 NPersVG jede theoretische und nicht widerlegbare Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses aus.