Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.07.2008, Az.: 1 ARs 46/08
Unzulässigkeit eines Antrags auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach Beantragung der Kostenfestsetzung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.07.2008
- Aktenzeichen
- 1 ARs 46/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 20692
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0729.1ARS46.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 14 RVG
- § 42 RVG
Fundstelle
- NStZ-RR 2009, 31-32
Verfahrensgegenstand
Falsche uneidliche Aussage u.a.
Amtlicher Leitsatz
Für einen Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG ist bereits dann kein Raum mehr, wenn der Verteidiger nach Ausübung seines Ermessens zur Bestimmung der angefallenen Gebühren Kostenfestsetzung beantragt hat.
In der Strafsache
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf den Antrag des Wahlverteidigers, Rechtsanwalt v. F. aus H., vom 9. April/5. Juni 2008
nach Anhörung des Vertreters der Landeskasse
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......,
den Richter am Oberlandesgericht ....... - dieser zu 1. als Einzelrichter - und
den Richter am Oberlandesgericht .......
am 29. Juli 2008
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Sache wird dem Senat übertragen.
- 2.
Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr wird abgelehnt.
Gründe
I.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war eine Anklage wegen falscher uneidlicher Aussage und versuchter Strafvereitelung vor dem Amtsgericht H.. Der Antragsteller war in diesem Verfahren als gewählter Verteidiger des Angeklagten tätig. Das Verfahren endete am 13. November 2007 in zweiter Instanz mit dem Freispruch des Angeklagten. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen wurden der Landeskasse auferlegt. Das Urteil und die Kostenentscheidung sind seit dem 21. November 2007 rechtskräftig.
Für seine Tätigkeit als Wahlverteidiger machte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2007 Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 5.422,65 EUR geltend und beantragte Kostenfestsetzung in dieser Höhe. Nachdem der Bezirksrevisor beim Amtsgericht H. eine Festsetzung nur in Höhe von 5.299,50 EUR für gerechtfertigt hielt und dessen Ausführungen dem Antragsteller am 27. Februar 2008 zur Stellungnahme übersandt wurden, nahm der Antragsteller seinen Antrag mit Schreiben vom 9. April 2008 zurück und beantragte unter Ansetzung der jeweiligen Höchstgebühr nunmehr die Festsetzung von 9.177,10 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass die für die Kostenfestsetzung zuständige Mitarbeiterin seines Büros von der Mittelgebühr ausgegangen sei, ohne zu berücksichtigen, dass es sich um ein äußerst umfangreiches und schwieriges Verfahren handelt. Mit Schreiben vom 5. Juni 2008 ergänzte der Antragsteller sein Schreiben und stütze seinen Antrag ausdrücklich auf § 42 RVG.
II.
1.
Der Einzelrichter hat die Sache gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 RVG auf den Senat übertragen, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Der Senat hat sich zur Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 Abs. 1 RVG erst in einem Fall geäußert und entschieden, dass nach rechtskräftigem Abschluss des Kostenfestsetzungsverfahrens eine Pauschgebühr für den Wahlverteidiger nicht mehr in Betracht kommt (Beschluss vom 20. März 2008, 1 ARs 20/08 P). Ob dieser Grundsatz auch für den Fall gilt, dass der Wahlverteidiger lediglich die Kostenfestsetzung beantragt hat, ist - soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung gewesen.
2.
Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr ist unzulässig, weil der Antragsteller bereits mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 Kostenfestsetzung beantragt hat, ohne zuvor beim Oberlandesgericht die Feststellung einer Pauschgebühr beantragt zu haben.
Wie der Senat in seinem Beschluss vom 20. März 2008 (a.a.O.) bereits ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber die Regelung für Wahlverteidiger zum Teil anders konzipiert als die für Pflichtverteidiger geltende Vorschrift des § 51 RVG. Demnach wird die Pauschgebühr für Wahlverteidiger nicht "bewilligt", sondern nur festgestellt. Die Entscheidung ist kein Vollstreckungstitel. Die Festsetzung der Vergütung unter Einschluss der Auslagen erfolgt vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften in den darin vorgesehenen Verfahren, insbesondere dem Kostenfestsetzungsverfahren, für das die Feststellung nach § 42 Abs. 4 RVG bindend ist. Daraus ergibt sich, dass der Wahlverteidiger, wenn er die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis für nicht zumutbar hält, zunächst beim Oberlandesgericht die Feststellung einer Pauschgebühr beantragen muss und erst anschließend das Kostenfestsetzungsverfahren betreiben kann (vgl. Burhoff, RVG, 2. Aufl., § 42 Rdnr. 25).
Mit dem OLG Jena (JurBüro 2008, 82) hat der Senat daher die Zulässigkeit eines Antrags auf Feststellung der Pauschgebühr als unzulässig abgelehnt, wenn das Kostenfestsetzungsverfahren bereits durch förmlichen Festsetzungsbeschluss zum Abschluss gelangt ist. Der Senat erstreckt diese Auffassung auch auf die Fälle, in denen der Wahlverteidiger bereits eine Kostenfestsetzung beantragt hat. Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden (vgl. Gerold/SchmidtMadert, § 14 RVG Rn. 4. Hartmann, Kostengesetze, § 14 RVG Rn. 12). Denn die Ausübung des Ermessens ist Bestimmung der Leistung durch den Verteidiger und erfolgt gemäß § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber seinem Mandanten bzw. aufgrund der in der Strafprozessvollmacht vereinbarten Abtretung von Erstattungsforderungen gegen die Landeskasse dieser gegenüber. Mit der Geltendmachung der Kostenfestsetzung durch Schriftsatz vom 11. Dezember 2007 war dem Antragsteller damit die Möglichkeit genommen, seinen Antrag "nachzubessern", da er einen entsprechenden Vorbehalt nicht mitgeteilt hat. Dadurch konnte aber auch die Feststellung der Pauschgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung mehr finden.
Im Übrigen wäre der Antrag auch in der Sache nicht erfolgreich gewesen. Eine Pauschgebühr nach § 42 RVG kommt nämlich nur in Betracht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des VV bestimmten Gebühren nicht zumutbar sind (§ 42 Abs. 1 Satz 1 RVG). Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller indes Gebühren lediglich in einer Höhe, die den vom Gesetz vorgesehenen Gebührenrahmen gerade nicht übersteigt.