Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.08.1990, Az.: 10 L 139/89

Ausschluß der Verpachtungsberechtigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.08.1990
Aktenzeichen
10 L 139/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 13073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0829.10L139.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig - 05.08.1987 - AZ: 9 A 127/86 (91)
nachfolgend
BVerwG - 11.03.1993 - AZ: BVerwG 3 C 90.90

Amtlicher Leitsatz

§ 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG schließt in entsprechender Anwendung die Verpachtung einer Apotheke durch den überlebenden, erbberechtigten Ehegatten auch dann aus, wenn dieser eine Apothekenbetriebserlaubnis bei Eintritt des Erbfalls bereits besitzt.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht - 9. Kammer - vom 5. August 1987 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger war Eigentümer der ...-Apotheke in S., seine Ehefrau Eigentümerin der ...-Apotheke ebenfalls in S.. Nach dem Tode seiner Ehefrau im Dezember 1985 verpachtete er als ihr Alleinerbe mit Vertrag vom 16. Oktober 1986 die ...-Apotheke an die Apothekerin ..., die er zuvor mit der Verwaltung der Apotheke betraut hatte. Deren Antrag auf Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 18. November 1986 mit der Begründung ab, der von ihr mit dem Kläger geschlossene Pachtvertrag sei wegen Verstosses gegen § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Apothekenwesen vom 15. Oktober 1980 (BGBl. I 1993) - ApoG - unwirksam. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

2

"Die Verpachtung einer Apotheke ist nur in folgenden Fällen zulässig:

3

...

4

3. durch den überlebenden, erbberechtigten Ehegatten bis zu dem Zeitpunkt der Wiederverheiratung, sofern er nicht selbst eine Erlaubnis gemäß § 1 erhält."

5

Gegen den Bescheid, der keine Rechtsbehelfsbelehrung erhielt, legte die Apothekerin N. keinen Rechtsbehelf ein.

6

Durch Vertrag vom 20. November 1986 verkaufte der Kläger die ...-Apotheke an die Apothekerin N.. Auflösende Bedingung des Vertrages war nach seinem § 1 Abs. 3 Satz 2, "daß im Rahmen einer Gerichtsentscheidung festgestellt wird, daß der Verkäufer berechtigt gewesen wäre, den Apothekenbetrieb zu verpachten". Außerdem behielt sich der Kläger in § 8 des Vertrages ein Rückkaufrecht vor. Der Beklagte erteilte der Apothekerin in N. für die ...-Apotheke eine Betriebserlaubnis.

7

Im September 1989 machte der Kläger von dem ihm eingeräumten Rückkaufrecht Gebrauch und übernahm selbst die ...-Apotheke. Die ...-Apotheke überließ er der Apothekerin N., mit der er unter dem 4. September 1989 Mietverträge über die Betriebsräume und ihre Einrichtung sowie einen Kaufvertrag über das Warenlager der Apotheke schloß. Der Beklagte erteilte der Apothekerin N. unter dem 2. Oktober 1989 als Eigentümerin der ...-Apotheke eine Apothekenbetriebserlaubnis.

8

Am 4. Dezember 1986 hat der Kläger gegen den Beklagten Klage erhoben und beantragt,

9

festzustellen, daß der Beklagte dem Antrag der Apothekerin N. auf Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis für die ...-Apotheke, H.straße ... in ..., zu Unrecht nicht stattgegeben hat,

10

hilfsweise,

11

festzustellen, daß der Kläger berechtigt ist, die ...-Apotheke in ... zu verpachten.

12

Er hat die Auffassung vertreten, daß er berechtigt gewesen sei, die ...-Apotheke an die Apothekerin N. zu verpachten. § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG stehe der Verpachtung nicht entgegen. Diese sei nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur dann ausgeschlossen, wenn der überlegende erbberechtigte Ehegatte nach dem Tode seines Ehegatten eine Betriebserlaubnis erhalte, nicht aber auch dann, wenn er im Zeitpunkt des Todes seines Ehegatten bereits eine Betriebserlaubnis für eine andere Apotheke innegehabt habe.

13

Der Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Er hat erwidert, nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG sei eine Verpachtung nur zu Versorgungszwecken zulässig. Diese Voraussetzung sei für den Kläger nicht erfüllt gewesen, da er eine eigene Betriebserlaubnis für eine andere Apotheke besessen habe.

16

Durch Urteil vom 5. August 1987 hat das Verwaltungsgericht dem Hauptantrag der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die erhobene Feststellungsklage sei zulässig. Das Feststellungsinteresse folge aus der in § 1 Abs. 3 des Kaufvertrages festgelegten auflösenden Bedingung. Der Kläger habe keine andere Möglichkeit gehabt, sein Rechtsschutzziel zu erreichen. Eine Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Betriebserlaubnis an die Apothekerin N. habe er nicht erheben können. Der Bescheid vom 18. November 1986 sei im übrigen noch nicht bestandskräftig. Die Klage sei auch begründet, da die Verpachtung der ...-Apotheke nicht gegen § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG verstoßen habe. Der vom Beklagten vertretenden erweiternden Auslegung stehe Art. 14 GG entgegen. Das vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheke" rechtfertige lediglich ein Verbot des Mehrbetriebs, nicht aber auch ein generelles Verpachtungsverbot.

17

Mit der gegen das am 7. Oktober 1987 zugestellte Urteil eingelegten Berufung, die am 2. November 1987 bei Gericht eingegangen ist, trägt der Beklagte vor: Mit dem Rückkauf der ...-Apotheke durch den Kläger sei für die Klage das Feststellungsinteresse entfallen. Die Berufung müsse im übrigen auch in der Sache Erfolg haben. § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG lasse die Verpachtung einer Apotheke nur ausnahmsweise aus Versorgungsgründen zu. Derartige Gründe bestünden für den Kläger nicht. In seinen Rechten aus Art. 14 Abs. 1 GG werde er durch diese Auslegung des Gesetzes nicht verletzt. Er habe lediglich das "Apothekengehäuse" geerbt, über das er im Rahmen des Apothekenrechts verfügen könne. Das Verpachtungsverbot beeinträchtige ihn deshalb nicht in einer Eigentumsposition, sondern beschränke ihn lediglich in der Nutzung weiteren Erwerbschancen. Spürbare wirtschaftliche Nachteile erleide er nicht, da er bei einer Vermietung der Apothekenräume und einem Verkauf des Warenlagers ein dem Pachtzins entsprechendes Entgelt erhalte.

18

Der Beklagte beantragt,

19

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er macht geltend, daß er auch nach dem Rückkauf der ...-Apotheke ein Feststellungsinteresse habe. Das Rückkaufrechts habe er aus steuerlichen Gründen ausgeübt, um die von ihm betriebene Apotheke im eigenen Haus führen zu können. Die Räume der ...-Apotheke seien nur gemietet gewesen. Zwischen einer Verpachtung und einem Zwangsverkauf bestehe ein erheblicher wirtschaftlicher Unterschied. Wegen des ihm insoweit entstandenen Schadens wolle er gegen den Beklagten gerichtlich vorgehen, sobald die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten gegenüber der Apothekerin N. rechtskräftig festgestellt worden sei. Die vom Beklagten vertretene Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG sei nicht haltbar. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig. Er dürfe nicht aus rechtspolitischen Erwägungen verfälscht werden. Auch der Sinn der Vorschrift spreche gegen ein generelles Verpachtungsverbot, da sie nicht auf die Bedürftigkeit des Verpächters abstelle. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Apothekenrecht lasse sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Die abweichende Kommentierung der Vorschrift durch Schiedermair beruhe auf berufspolitischen Erwägungen.

23

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die die ...-Apotheke und die ...-Apotheke betreffen, haben vorgelegen und sind in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

24

II.

Die Berufung des Beklagten ist begründet.

25

1. Der Hauptantrag ist unzulässig. Mit ihm will der Kläger feststellen lassen, der Beklagte habe der Apothekerin N. als Pächterin die Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis für die ...-Apotheke zu Unrecht versagt. Für diese Feststellung fehlt es an einem berechtigten Interesse des Klägers im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO, da eine fortwirkende Beeinträchtigung des Klägers durch das frühere Verhalten des Beklagten gegenüber der Apothekerin N. nicht zu erkennen ist. Insbesondere läßt sich das Feststellungsinteresse nicht damit begründen, daß der Kläger vom Beklagten den Ersatz des Schadens verlangen will, der ihm durch den Verkauf der ...-Apotheke an die Apothekerin Niebuhr anstelle einer Verpachtung entstanden ist. Ein auf Art. 34 Satz 1 GG, § 839 Abs. 1 BGB gestützter Amtshaftungsprozeß wäre offensichtlich aussichtslos, da ein Verschulden des Beklagten nicht ersichtlich ist (zu diesem Erfordernis vgl. vor allem BVerwG, Urt. v. 2. 10. 1986, NVwZ 1987, 229 u. Urt. v. 15. 11. 1984, NVwZ 1985, 265, 266) [BVerwG 15.11.1984 - 2 C 56/81]. Der Beklagte hat die Versagung der Betriebserlaubnis auf eine Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG gestützt, die nicht als vorsätzliche oder fahrlässige unrichtige Rechtsanwendung anzusehen ist. Über den hier streitigen Regelungsinhalt ist bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich entschieden worden. Der Gesetzgeber erwägt eine klarstellende Änderung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG, die der Auslegung des Beklagten entspricht (Bundesrat, Drucksache 583/87 v. 5. 2. 1988; Bundestag, Drucksache 11/2481 v. 14. 6. 1988). Ebenso hält einer der führenden Kommentare zum ApoG (Schiedermair/Pieck, Apothekengesetz, 3. Aufl. 1981, § 9 RdNr. 71) die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung für zutreffend. Unter diesen Umständen kann von einem schuldhaften Verstoß des Beklagten gegen die ihm bei der Rechtsanwendung obliegenden Sorgfaltspflichten keine Rede sein.

26

2. Der Hilfsantrag, der auf die Feststellung gerichtet ist, daß der Kläger die ...-Apotheke verpachten darf, ist zulässig, aber nicht begründet.

27

Für ihn ist ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO gegeben. Unter Berücksichtigung der im Laufe des Berufungsverfahrens eingetretenen Rechtsänderungen ist er sinngemäß dahin zu verstehen, daß der Kläger die Feststellung begehrt, neben der von ihm selbst betriebenen Apotheke eine weitere ihm gehörende Apotheke verpachten zu dürfen. Für eine Verpachtung kommt nach der gegenwärtigen Rechtslage allein die ...-Apotheke in Betracht. Die ...-Apotheke, die er ursprünglich der Apothekerin N. verpachtet und später verkauft hatte, führt er aus den von ihm dargelegten wirtschaftlichen Gründen nunmehr selbst. Der von ihm in Aussicht gestellten späteren Verpachtung dieser Apotheke an die Apothekerin N. stünde § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG entgegen, da der Kläger die Betriebserlaubnis für diese Apotheke erst nach Eintritt des Erbfalls erhalten hat. Eine spätere Verpachtung der ...-Apotheke wäre dagegen bei wörtlicher Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG nicht ausgeschlossen. Zwar hat er diese Apotheke inzwischen der Apothekerin N. überlassen. Die zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Regelungen, die neben einem Kaufvertrag über den Warenbestand aus langfristigen Mietverträgen bestehen, lassen aber eine Vertragsauflösung zu. Damit hätte der Kläger die rechtliche Möglichkeit, den mit der Apothekerin N. geschlossenen Überlassungsvertrag später wieder in ein Pachtverhältnis umzuwandeln. Voraussetzung ist, daß er daran nicht durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG gehindert wird. Für ihn hat deshalb der hier streitige Anwendungsbereich der Vorschrift nach wie vor konkrete wirtschaftliche Bedeutung.

28

Der Feststellungsantrag kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Der Kläger darf die ...-Apotheke bereits deshalb nicht verpachten, weil er bei Eintritt des Erbfalls eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 2 ApoG besaß. § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG schließt zwar nach seinem Wortlaut eine Verpachtung nur dann aus, wenn der Erbe eine Apothekenbetriebserlaubnis "erhält". Danach entfällt also die Verpachtungsberechtigung nur dann, wenn dem Erben eine Betriebserlaubnis erstmals nach Eintritt des Erbfalls erteilt wird. Der hier streitige Fall, daß der Erbe eine Erlaubnis bereits vor Eintritt des Erbfalls erhalten hat, wird dagegen nicht erfaßt. Der Ausschluß der Verpachtungsberechtigung gilt aber auch für ihn, da § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG insoweit entsprechend anzuwenden ist.

29

§ 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG enthält eine Regelungslücke. Der hier streitige Anwendungsfall ist dem in dieser Vorschrift geregelten Ausschluß der Verpachtungsberechtigung gleichgelagert und damit in gleichem Maße regelungsdürftig. Weder aus dem ApoG selbst noch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (hierzu im einzelnen die Auszüge in Schiedermair/Pieck, aaO, Mat. B, S. 569 ff. u. Mat. D, S. 618 ff) ist aber zu entnehmen, daß der Gesetzgeber den Erben, der bei Eintritt des Erbfalls bereits eine Betriebserlaubnis besitzt, anders als den Erben behandeln wollte, der eine Betriebserlaubnis erst danach erhält. Das Schweigen des Gesetzes ist deshalb dahin zu verstehen, daß der Gesetzgeber diesen Anwendungsfall nicht erkannt und deshalb auch nicht ausdrücklich geregelt hat.

30

Die bestehende Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG zu schließen. Die Methode der Analogie entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG (BVerfG, Beschl. v. 3. 4. 1990, JZ 1990, 811 [BVerfG 03.04.1990 - 1 BvR 1186/89]). Sie stellt sich nicht als eigenmächtiges Handeln dar, mit dem sich die Gerichte über den erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen. Vielmehr darf sie nur dann angewandt werden, wenn ein bestimmter Regelungswille des Gesetzgebers gerade nicht festzustellen ist und sich aus den dem Gesetz zugrundeliegenden Wertungen ableiten läßt, in welcher Weise die bestehende Lücke geschlossen werden soll (BVerfG, aaO).

31

Das ApoG geht vom gesundheitspolitischen Leitbild des selbständigen Apothekers aus, der seine Apotheke persönlich und in eigener Verantwortung leitet (BVerfG, Urt. v. 13. 2. 1964, BVerfGE 17, 232, 238; BVerwG, Urt. v. 20. 6. 1972, BVerwGE 40, 157, 164) [BVerwG 20.06.1972 - I C 25/71]. Diese verfassungsrechtlich unbedenkliche Grundvorstellung (BVerfGE 17, 240 ff.) läßt es zu, den Mehrbesitz von Apotheken auszuschließen (§ 3 Nr. 5 ApoG) und die Verpachtung von Apotheken weitgehend einzuschränken (§ 9 Abs. 1 ApoG). Die in § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG zugelassene Möglichkeit der Verpachtung einer Apotheke durch den überlebenden, erbberechtigten Ehegatten bis zu dessen Wiederverheiratung beruht auf dem sozialpolitischen Gedanken des Schutzes der Familie (BVerfGE 17, 250). Die wirtschaftliche Existenz des hinterbliebenen Ehegatten und der nächsten Angehörigen soll für einen begrenzten Zeitraum dadurch gesichert werden, daß die wirtschaftliche Nutzung des Apothekenbetriebes gestattet wird. Der davon in § 9 Abs. 1 Nr. 3 vorgesehenen Ausnahme, daß der erbberechtigte Ehegatte selbst eine Apothekenbetriebserlaubnis erhält, liegt die Vorstellung zugrunde, daß dieser Erbe nicht auf eine Existenzsicherung angewiesen ist, sondern mit der Erteilung der Erlaubnis für sich und seine Familie sorgen kann. Die gleiche Interessenlage ist gegeben, wenn der Erbe eine Erlaubnis bereits vor Eintritt des Erbfalls erhalten hat. Er verfügt im gleichen Maße über ein gesichertes Einkommen, das eine zusätzliche Sicherung überflüssig macht. Die Grundvorstellung des Gesetzgebers, eine Verpachtung allein aus sozialpolitischen Gründen zuzulassen, erfordert auch in diesem Fall den Ausschluß der Verpachtungsberechtigung und führt damit zu einer entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG (ebenso Schiedermair in Schiedermair/Pieck, aaO, § 9 RdNr. 71).

32

Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der Kläger wird nicht in seinen Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. In der Freiheit der Berufswahl wird er nicht beeinträchtigt, da es ihm unbenommen bleibt, in einer ihm gehörenden Apotheke als selbständiger Apotheker tätig zu sein (BVerfGE 17, 240). Die durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG bewirkte Beschränkung der Berufsausübung rechtfertigt sich aus der Grundentscheidung des ApoG, den freiberuflichen Charakter des Apothekerstandes zu erhalten (BVerfGE 17, 243). Dieser wäre nicht nur durch den Mehrbetrieb von Apotheken, sondern auch durch eine uneingeschränkte Verpachtung von Apotheken gefährdet. Ein Apothekenpächter besitzt nicht die gleiche Selbständigkeit wie ein freiberuflicher Apotheker. Auch wenn seine berufliche Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit gewährleistet ist (§ 9 Abs. 2 Satz 1 ApoG), bleibt er vom Verpächter wirtschaftlich abhängig. Damit ist das Institut der Verpachtung im Apothekenrecht prinzipiell nicht mit der Grundkonzeption des Gesetzes vereinbar, die darin besteht, die Arzneimittelversorgung in die Hand eines Standes freier, selbständiger Apotheker zu legen (zu letzterem BVerfGE 17, 246 f.).

33

Ebensowenig werden durch die entsprechende Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG Grundrechte des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Wie beim Verbot des Mehrbetriebes (BVerfGE 17, 248) werden ihm durch den Ausschluß der Verpachtung keine Eigentumsrechte genommen. Er wird lediglich in einer Möglichkeit zur Nutzung weiterer Erwerbschancen begrenzt. Sein Erbrecht wird nicht berührt. Da die Betriebserlaubnis als höchstpersönliches Recht nicht auf den Erben übergehen kann, besteht das Erbe in der Übernahme des "Apothekengehäuses" (BVerfGE 17, 249), des Apothekenunternehmens im betriebswirtschaftlichen Sinne (BVerwGE 40, 165). Hierüber kann der Erbe unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen Regelungen des Apothekenrechts privatrechtlich verfügen.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 706 Nr. 10 ZPO.

35

Die Revision ist zuzulassen, da die entschiedene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung der bundesrechtlichen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

36

Dr. Jank

37

Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heidelmann ist wegen seiner Abordnung an das Bezirksgericht Magdeburg gehindert zu unterschreiben. Dr. Jank

38

Dr. Greve