Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 30.01.2013, Az.: 6 B 82/12
Arzneimittel; Arzneimittelbegriff; Abgrenzung; Pflegemittel; Präsentationsarzneimittel; Tierarzneimittel; Tierarzneimittelbegriff
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 30.01.2013
- Aktenzeichen
- 6 B 82/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64226
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 AMG
- § 69 Abs 1 AMG
Gründe
I.
Die Antragstellerin vertreibt über ihren Internetauftritt „G.“) mit eigenem Firmenlabel ausgewiesene Produkte insbesondere für die Nutztier-, Haus- und Hobbytierhaltung (Tag des Seitenaufrufs: 18.12.2012). Sie gibt dabei an, Naturprodukte zu entwickeln, die insoweit den hohen Ansprüchen des Gesundheitsmanagements gerecht werden und durch optimale Versorgung, insbesondere mit Mikronährstoffen, die physiologischen Organfunktionen und Stoffwechselvorgänge unterstützen und die Gesundheit erhalten würden. Durch die Verwendung hochwertiger Zutaten und die schonende Verarbeitung ihrer Produkte werde die Gesundheit effektiv mit der Kraft der Natur unterstützt, ohne den Organismus unnötig zu belasten. Sie verwende hochwertige, naturbelassene Öle, Kräuter, ätherische Öle und Mikronährstoffe aus natürlichen Quellen und verzichte bewusst auf den Einsatz von synthetischen Zusatzstoffen und Konservierungsmitteln.
In der linksseitigen Hauptmenüführung ihres Shops werden sowohl tierart- als auch anwendungsbereichsbezogene Begriffe aufgeführt, über die der Anwender Zugang zu im mittleren Bereich des Internetauftritts aufgelisteten Produktkategorien und Produktlisten und im weiteren Verlauf zu Vorstellungen von Einzelprodukten erhält. In einer rechten Spalte werden u.a. unter verschiedenen Überschriften wie „Neue Artikel“, „Angebote“ oder „Top Artikel“ verschiedene Produkte aufgelistet, wobei der Anwender auch über diesen Bereich Zugang zu Vorstellungen dieser Einzelprodukte erhält.
So erhält der Anwender bei Aufruf des Hauptmenüpunkts „Landwirtschaft“ die Kategorien „Natürliche Insektenabwehr (Landwirtschaft)“, „Natürliche Pflegemittel (Landwirtschaft)“, „Milchkühe“, „Sauen & Mastschweine“ „Geflügel“, „Spezialprodukte (Landwirtschaft)“ und „Zubehör (Landwirtschaft)“ gefolgt von einer umfangreichen Auflistung von Einzelprodukten angezeigt. Bei Aufruf einer Kategorie erhält der Anwender eine Auflistung der von der Antragstellerin dieser Kategorie zugeordneten Produkte. Zu der Kategorie „Natürliche Pflegemittel (Landwirtschaft)“ findet sich am Tag des Seitenaufrufs u.a. das mit Abbildung eines Kanisters angebotene Produkt „MortellaroVet ProBiotic 25 Liter - NEU -“, das als „Pflegemittel für Kühe“ zu 267,75 € angeboten wird. In der rechten Angebotsspalte findet sich zudem unter „Angebote“ das ebenfalls mit Abbildung eines Kanisters unter Angabe einer Ersparnis von 20 % beworbene Produkt „MortellaroVet forte 10 Liter - Sorbe -“ zu 119 €. Dieses Angebot befindet sich auch bei Aufruf der Kategorie „Spezialprodukte (Landwirtschaft)“ in gleicher Weise in der rechten Spalte. Bei Aufruf der Kategorie „Spezialprodukte (Landwirtschaft)“ wies die Angebotsrubrik der rechten Spalte ebenfalls unter Angabe eines Preisnachlasses von 20 % mit Abbildung eines Kanisters das Produkt „MortellaroVet forte 25 Liter - Sorbe -“ zu 249,90 € auf.
Bei Aufruf des Produkts „MortellaroVet forte 25 Liter - Sorbe -“ erhält der Anwender - am Tag des Seitenaufrufs - die folgenden Angaben:
„Produktbeschreibung
MortellaroVet forte 25 Liter
Bioaktives Stallbehandlungsmittel insbesondere in Klauenbädern
MortellaroVet ist ein natürliches Klauenpflege- und Stallbehandlungsmittel.
MortellaroVet ist ein rein biologisches Produkt, das durch natürliche Vergärung entstanden ist.
Ungiftig, zu 100% biologisch abbaubar, in Gülle und Mist rottefördernd und hat somit positive Umwelteinwirkung auf die Gülle.
MortellaroVet ist ein natürliches Pflegemittel zur Gruppenversorgung und Pflege bei Klauenproblemen.
Zusammensetzung:
Fermentierter Pflanzenauszug aus Wild- und Gewürzkräutern.
Synthetische Zusatzstoffe je kg/Liter: KEINE
Anwendungsempfehlung:
ca. 10 - 20 Stunden vor der Anwendung 1:3 mit Wasser vermischen
Im Klauenbad: 10%-ige Lösung später kann auf 5% reduziert werden,
anfangs sollte es mind. 2 - 4 mal je Woche angewendet werden,
später reicht meistens alle 2 - 4 Wochen
Laufflächenbehandlung: 20%-ige Lösung anfangs alle 2 Tage, später alle 3 - 4 Wochen
Vor der ersten Laufflächenbehandlung empfiehlt sich eine Reinigung mit A. BioClean.
Warnhinweis:
Gefährlich für Mortellaro-verursachende Mikroorganismen, da diese durch MortellaroVet verdrängt werden können.“
Im Anschluss daran findet sich eine mit „zusätzlich empfohlen“ überschriebene Anführung des Produkts „BioClean Intensivreinigerkonzentrat“.
Das Produkt „MortellaroVet forte 10 Liter - Sorbe -“ wird bei Aufruf mit entsprechend abweichender Mengenangabe in im Übrigen wortgleicher Weise beworben.
Ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ist dieser aufgrund Internetrecherchen vom 3.7. und 8.10.2012 von inhaltsgleichen Anpreisungen des Produkts „MortellaroVet forte - Sorbe -“ ausgegangen.
Zudem hat der Antragsgegner bei diesen Internetrecherchen identische Anpreisungen des Produkts „MortellaroVet plus 10 Liter“ aufgegriffen, das ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Ausdrucke wie folgt beworben wurde:
„Produktbeschreibung
MortellaroVet plus 10 Liter
Klauenbad für Rinder, kleine Wiederkäuer und Schweine
MortellaroVet Plus ist eine effektive, natürliche Unterstützung der Klauengesundheit,
Hygiene und Pflege insbesondere in Kombination mit natürlicher
Micronährstoffversorgung (A. MicroMineral).
Zusammensetzung:
Kernholzwasser, Aesculus, Birkenblatt-Extrakt
Synthetische Zusatzstoffe je Liter: KEINE
Anwendungsempfehlung:
Anwendung im Klauenbad: 10%; optimal: 50%-ige Lösung zum Einsprühen
Bei besonders hohem hygienischen Druck kann A. MortellaroVet plus mit A.
H. im Wechsel im Klauenbad eingesetzt werden.“
Dieses Produkt wurde bei der Recherche am 18.12.2012 nicht im Internetauftritt der Antragstellerin aufgefunden.
Zudem hat der Antragsgegner eine von der Antragstellerin im Rahmen ihrer Produktwerbung als „Kräuterkunde“ verbreitete, bebilderte alphabetische Auflistung von Pflanzen aufgegriffen, bei der zu den einzelnen Pflanzen Angaben zu deren Inhaltsstoffen gemacht und Produktnamen der Produkte der Antragstellerin angeführt werden, z. B. (aus der Produktwerbung „Pferd“)
Kernholzwasser:
antibakteriell, pilz- und keimreduzierend
Hufpflegespray
bzw. (aus der Produktwerbung „Hund & Katze“)
Kernholzwasser:
antibakteriell, pilz- und keimreduzierend
Maulhygienespray, Wund-& Pflegebad, Ohrenpflege mild
Nach Anhörungsschreiben vom 17.7.2012 und Stellungnahme der Antragstellerin vom 27.8.2012 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Arzneimittelgesetz - AMG - mit Bescheid vom 25.10.2012 das weitere Inverkehrbringen der Produkte „MortellaroVet forte“ und „MortellaroVet plus“ in sämtlichen Verpackungsgrößen und -arten und ordnete die sofortige Vollziehung an. Auf diesen Bescheid wird Bezug genommen. Darin führt der Antragsgegner zur Begründung aus, bei den Produkten handele es sich um Präsentationsarzneimittel. Die Antragstellerin weise dem Präparat die subjektive Zweckbestimmung eines Arzneimittels zu. Bei der Mortellaroschen Krankheit (kurz Mortellaro genannt) handele es sich um eine oberflächliche, schmerzhafte Hautentzündung an den Füßen, z.B. von Milchkühen. Dem Verbraucher werde durch den Produktnamen und die Bewerbung der Eindruck vermittelt, die Mortellarosche Krankheit könne mit diesem Produkt behandelt, die Krankheit geheilt, gelindert oder verhütet werden. Die Pflege des Fells oder der Haut sei demzufolge nicht die alleinige Zweckbestimmung des Produkts. Die Deklaration des aufgeführten Inhaltsstoffs „Kernholzwasser“ als „antibakteriell, pilz- und keimreduzierend“ festige den Eindruck des Verbrauchers, mit dem Produkt könne eine Behandlung von Mortellaro erfolgen. Die genannten Inhaltsstoffe seien nicht für die Pflege von Fell und Haut bekannt. Der angeführte „Warnhinweis“ unterstütze die Auffassung des Verbrauchers, es handele sich um ein Produkt, das die für die Krankheit ursächlichen Faktoren (Mikroorganismen) verdrängen und damit die Mortellarosche Krankheit lindern oder heilen könne. Bei Mortellaro handele es sich zweifelsfrei um eine krankhafte Beschwerde, die mit der Anwendung des Präparats eine Linderung erfahren solle.
Die Antragstellerin hat am 12.11.2012 Klage erhoben - 6 A 195/12 - und am 10.11.2012 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sie macht im Wesentlichen geltend, ihre Produkte seien keine Arzneimittel, sondern Pflegemittel. Sie habe sich dem Vertrieb von Naturprodukten verschrieben, die gerade keine pharmakologischen Wirkungen haben sollten, sondern die natürlichen Bedingungen von auch in Haltung befindlichen Tieren aufgriffen. Bei der bislang ungeklärten Mortellaroschen Krankheit handele es sich um ein Kompositum von Krankheiten unterschiedlicher Auslöser, die als Klauenfäule beschrieben werden könne. Der Begriff „Mortellaro“ sei ein unspezifischer Kunstbegriff, der mehrere Verursachungskomponenten eines durch Schlechtbehandlung induzierten Phänomens unter dem Namen des Erstbeschreibers zusammenfasse. Ihre pflegerischen Produkte zielten im Vorfeld der Ursachenbildung auf die typische Feuchtigkeitshaltung von schlecht gehaltenen Tieren. Eine schlecht gepflegte, feuchte Hufhygiene sei mögliche Ursache einer Erkrankung. Ein Tierhalter, der Veränderungen an seinem Tier aufgrund z.B. schlechter Ernährung und/oder Standbedingungen (dauerhaft in Feuchtigkeit bei Gülle und Dreck) wahrnehme, sei gehalten, sofort pflegerisch die Klauen durch Pflegemittel milieumäßig zu entlasten. Dies bedeute auch, die Standflächen zu behandeln. Der Effekt sei, dass der Antibiotikaeinsatz erheblich vermindert und bei Kühen die Milchproduktion weniger Belastungen ausgesetzt sei. Die unglückliche Bezugnahme auf „Kernholzwasser“ in der sog. „Kräuterkunde“ in ihrem vormaligen Produktkatalog sei auf Hinweis des Antragsgegners um jedem Zweifel zu entgehen herausgenommen worden und in der Internetwerbung nicht in Bezug genommen gewesen. Unvermeidliche Restanten könnten nicht berücksichtigt werden, was erkläre, das der Antragsgegner noch eine Werbebroschüre aus einem Teil ihres Sortiments (Rind) mit dem „Kästchenhinweis“ einer „Kräuterkunde“ erhalten habe. Die gesamte Aufmachung ihrer Broschüren zeige jedoch, dass sie für den landwirtschaftlichen Bereich Hilfs(pflege)mittel auf natürlicher (Kräuter-)Basis in den Verkehr bringe. Wenn ein mit Kräutern und ähnlichen Naturprodukten arbeitendes Unternehmen den Bezug zur altbekannten Erklärung von Kräutern wähle, indiziere das beim durchschnittlich informierten Verbraucher nicht die Erwartung, es handele sich um ein Arzneimittel. Ihre Produkte würden auch überhaupt nicht im Bereich der Pferde eingesetzt, wie es die Bezugnahme des Antragsgegners auf den Produktkatalog „Pferd“ behaupte. Der „Warnhinweis“ sei so zu verstehen, dass die Verwendung des Produkts auf Stallböden und an den Hufen einen Verdrängungseffekt gegenüber Keimen habe, die mit der sog. Mortellaroschen Krankheit gewöhnlich benannt würden. Damit werde aber nicht heilend etc. in einen Organismus eingegriffen, was Voraussetzung für eine pharmakologische Wirkung wäre. Ihre Pflegemittel seien ausschließlich objektiv dazu bestimmt, unterstützend zu pflegen, und enthielten keine „Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die vom Verkehr außerhalb der Apotheke ausgeschlossen sind“(§ 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG). Die betriebswirtschaftlich/kaufmännisch zu betrachtende Preisbildung induziere nicht die Zugehörigkeit eines Stoffes zum Arzneimittelregime. - Als milderes Mittel kämen im Übrigen entsprechende Bewerbungsanordnungen in Betracht, die das Produkt als solches verkehrsfähig halten und seine Bewerbung rechtskonform gestalten würden.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält an seinem Bescheid fest und macht ergänzend geltend, es sei für die rechtliche Einstufung eines Produkts unerheblich, durch welche subjektiven Momente es bedingt sei, dass eine Produktwerbung wie die Kräuterkunde noch existent sei. Fakt sei, dass der Verbraucher die Bewerbung des Präparates ebenso vorfinde, wie dies Grundlage für die Einstufung als Arzneimittel sei. Irrelevant sei, ob sich hinter einem Krankheitsbegriff, der für die Bewerbung verwendet werde, ein „Erkrankungssammelbegriff“ verberge. Die Mortellarosche Krankheit sei unabhängig davon eine mit Arzneimitteln behandelbare Krankheit, welcher Erreger das Krankheitsbild im Einzelfall hervorrufe. Dem Verbraucher werde vermittelt, dass das gesamte Erkrankungsbild mit dem Produkt behandelt werden könne. Insoweit sei der Wortlaut des sog. „Warnhinweises“ bedeutsam.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen oder wiederherstellen. Diese Entscheidung erfolgt aufgrund einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und dem Interesse des Rechtsschutzsuchenden an der vorläufigen Aussetzung des angefochtenen Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, während bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts regelmäßig dem Aussetzungsinteresse des Rechtsschutzsuchenden Vorrang einzuräumen ist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze tritt vorliegend das öffentliche Interesse hinter den privaten Interessen der Antragstellerin zurück, weil sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtwidrig erweisen wird.
Die angegriffene Verbotsverfügung beruht auf § 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen, insbesondere können sie das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn dessen erforderliche Zulassung oder Registrierung nicht vorliegt.
Einigkeit besteht zwischen den Beteiligten darüber, dass eine Zulassungspflicht nach §§ 21 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AMG besteht, sofern es sich bei dem Produkt der Antragstellerin um ein (Tier-)Arzneimittel handelt, und dass es an einer solchen Zulassung fehlt, schon weil die Antragstellerin annimmt, dass es sich bei ihrem Produkt nicht um ein (Tier-)Arzneimittel handelt und sie deshalb die Zulassung nicht betrieben hat. Demgegenüber sieht der Antragsgegner das Produkt als (Tier-)Arzneimittel an.
Definiert wird der Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass diese Definition bei gemeinschaftskonformer Auslegung (auch) im Hinblick auf Tierarzneimittel der Begriffsbestimmung entspricht, wie sie das Gemeinschaftsrecht mit Art. 1 der Richtlinie 2001/82/EG i.d.F. der Änderungsrichtlinie 2004/28/EG enthält (BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 3 C 34/06 -, NVwZ-RR 2007, 771 = juris; Urteil vom 24.11.1994 - 3 C 2/93 -, NVwZ-RR 1995, 625 = juris; für Humanarzneimittel vgl. Nds. OVG, U. v. 3.2.2011 - 13 LC 92/09 -, http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de, m.w.N.).
Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie enthält für den Begriff des Arzneimittels eine zweifache Definition, die die das Gemeinschaftsrecht kennzeichnende Unterscheidung zwischen den so genannten Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach Bezeichnung) und den Funktionsarzneimitteln (Arzneimittel nach Funktion) aufnimmt (BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 3 C 34/06 -, a.a.O.).
Die Beteiligten gehen davon aus, dass es sich bei dem Produkt der Antragstellerin nicht um ein Funktionsarzneimittel handelt. Insoweit fehlt es auch an jedem Anhaltspunkt dafür, dass das Produkt der Antragstellerin bei seiner Anwendung eine hinreichend erhebliche Auswirkung auf die Körperfunktionen zur Folge hat, die die Zuordnung zu den Arzneimitteln rechtfertigte.
Vorliegend kommt es deshalb auf die Frage an, ob es sich bei dem Produkt der Antragstellerin um ein sog. Präsentationsarzneimittel im Sinn vorgenannter Bestimmungen handelt. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 24.11.1994 - 3 C 2/93 - (a.a.O.), ausgeführt:
„Entscheidend ist die Bestimmung des Produkts, so wie sie einem durchschnittlich informierten Verbraucher gegenüber in Erscheinung tritt. Diese "Bestimmung" - der Verwendungszweck - erschließt sich aus der stofflichen Zusammensetzung des Präparats, seiner Aufmachung und der Art seines Vertriebes. Mit seinem Erscheinungsbild begründet das Produkt Erwartungen und Vorstellungen über seine Zweckbestimmung oder es knüpft an eine schon bestehende Auffassung der Verbraucherkreise über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an.
Das Erscheinungsbild - und mit ihm die Zweckbestimmung - eines Präparats hängen weitgehend von der Konzeption ab, mit der Hersteller oder Vertreiber es dem Markt präsentieren. Derjenige, der das Präparat in den Verkehr bringt, entscheidet über die Wahl der Wirkstoffe, ihre Dosierung, die Form des Produkts, seine Bezeichnung; er hat - wenn es sich um ein Fertigarzneimittel handelt - für die Kennzeichnung (§ 10 AMG) zu sorgen und es mit einer Packungsbeilage (§ 11 AMG) zu versehen. Die bloße Erklärung des Herstellers, sein Präparat sei kein "Therapeutikum" - kein Arzneimittel -, bewirkt für sich genommen deswegen noch nicht, daß es nicht als Arzneimittel einzustufen ist. Der Anwendungsbereich der arzneimittelrechtlichen Vorschriften ist vielmehr wegen der erstrebten Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere im Hinblick auf ihre Qualität, ihre Wirksamkeit und ihre Unbedenklichkeit (vgl. § 1 AMG), "objektiv" an Hand tatsächlicher Gegebenheiten abzugrenzen. Diese "Objektivierung" des Arzneimittelbegriffs (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 7/3060, Besonderer Teil, S. 44 zu § 2) hat der Gesetzgeber bei der Novellierung des Arzneimittelrechts im Jahre 1976 dadurch verdeutlicht, daß er den Wortlaut der bisherigen Definition des Arzneimittelbegriffs in § 1 Abs. 1 AMG 1961 geändert hat.“
Die einschlägige Verwaltungsrechtsprechung zum Rechtsbegriff des Präsentationsarzneimittels fasst das Nds. Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 3.2.2011 (a.a.O.) - mit Blick auf Humanarzneimittel - wie folgt zusammen:
„Ein Produkt erfüllt die Voraussetzungen eines Präsentationsarzneimittels i. S. v. Art. 1 Nr. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2001/83/EG und § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet wird oder aber sonst beim Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (BVerwG, Urt. v. 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, juris Rdnr. 21; EuGH, Urt. v. 15.11.2007 - C-319/05 (Knoblauchkapseln), juris Rdnr. 46). Maßgeblich ist hier - wie auch im Lebensmittelrecht - auf einen fiktiven typischen Verbraucher abzustellen, also einen normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, wie er in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konturiert wurde (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 16.07.1998 - C-210/96 -, juris Rdnr. 37) und auch in den Rechtssetzungsakten der Europäischen Union seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa Erwägungsgrund 16 der VO (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel ("Health-Claims-Verordnung")). Ob ein Produkt infolge seiner Form und seiner Aufmachung einem Arzneimittel genügend ähnelt, ist fallbezogen anhand konkreter Merkmale zu bestimmen. Für diese Bewertung sind insbesondere seine Verpackung und sein Beipackzettel mit möglichen Hinweisen auf pharmazeutische Forschungen, auf von Ärzten entwickelte Methoden oder Stoffe oder auf von Ärzten abgegebene Zeugnisse im Hinblick auf das Produkt in den Blick zu nehmen. Neben der eigentlichen Produktinformation sind auch dem Hersteller oder Vertreiber zurechenbare Veröffentlichungen oder öffentliche Empfehlungen in die Betrachtung einzubeziehen (OVG Nordrh.-Westf., Beschl .v. 13.10.2010 - 13 A 1187/10 -, juris Rdnr. 23 ff. m. w. N.). Für ein arzneimittelartiges "Erscheinungsbild" eines Produkts reicht es nicht aus, dass diesem nach allgemeiner Verkehrsanschauung gesundheitsbezogene Wirkungen zugeschrieben werden. Vielmehr wird ein Produkt nur dann als Arzneimittel "präsentiert", wenn es auf dem Etikett, durch die Angaben auf der Verpackung oder in sonstiger Weise den Eindruck erweckt, dass es Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten besitzt. Für den erforderlichen Heilmittelbezug genügt es daher nicht, dass einem Erzeugnis Eigenschaften zugeschrieben werden, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind. Es muss vielmehr gerade um die Funktion der Verhütung oder Heilung von menschlichen Krankheiten gehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.02.2010 - 9 S 3331/08, juris Rdnr. 36).“
Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.
Bei Betrachtung der unmittelbar produktbezogenen Umstände teilt die Kammer die Auffassung des Antragsgegners, dass die Verwendung einer in Fachkreisen wie auch produktinteressierten Verbraucherkreisen - vorliegend Rinderhalter und somit überwiegend Landwirte - gleichermaßen geläufigen Krankheitsbezeichnung zumal unter Zufügung des häufig veterinärfachliche Bezüge kennzeichnenden Kürzels „Vet“ für sich genommen aus objektivierter Verbrauchersicht die Annahme nahelegen kann, dass es sich bei einem so bezeichneten Produkt voraussichtlich um ein Tierarzneimittel handelt, ohne dass dadurch jedoch die Möglichkeit, dass es sich um ein Produkt anderer Art - wie z.B. Hygiene-, Pflege- oder Futter(ergänzungs)mittel - handelt, bereits ausgeschlossen erscheint. Vielmehr wird ein produktinteressierter Rinderhalter bei der gebotenen objektivierten Sichtweise sich wohl veranlasst sehen, anhand weiterer Umstände zu klären, ob sich der damit gegebene erste Anschein eines (Tier-)Arzneimittels bestätigt. Allein die Verwendung eines Krankheitsbegriffs erweckt bei einschlägig versierten Verbraucherkreisen - vorliegend in erster Linie weder mit einem solchen Krankheitsbild noch mit der Unterscheidung tierärztlich vertriebener Arzneien und frei erhältlicher und autonom-eigenverantwortlich zu verwendender Produkte unerfahrener rinderhaltender Landwirte - voraussichtlich kaum abschließend den Eindruck, bei einem solchen Produkt könne es sich ausschließlich um ein Tierarzneimittel handeln. Zwar erkennen gerade diese im Umgang mit veterinärärztlichen Dienstleistungen und Tierarzneimitteln vertrauten Verbraucherkreise die mit der Verwendung des Kürzels „Vet“ beabsichtigte Assoziation und den damit verbundenen sprachlichen Bezug zum Tier wie auch zum tierärztlichen Berufsfeld, ohne dass dadurch jedoch ihre Erwartungshaltung von vornherein auf (Tier-)Arzneimittel verengt werden dürfte. Die insoweit nicht auf tierärztliche und tiermedizinische Bezüge beschränkte Verwendung des Kürzels kommt im Übrigen auch in Namensgebungen wie dem Firmennamen der Antragstellerin zum Ausdruck, ohne dass die einschlägigen Verbraucherkreise bei so benannten Unternehmen regelmäßig einen Produzenten oder einen Vertrieb von Tierarzneimitteln vermuten dürften.
Auch folgt die Kammer dem Antragsgegner darin, dass der in die Produktbeschreibung aufgenommene sog. „Warnhinweis“ jedenfalls bei oberflächlicher Kenntnisnahme geeignet erscheint, bei dem Verbraucher einen mit der Namensgebung verbundenen Eindruck, bei dem Produkt könne es sich um ein (Tier-)Arzneimittel handeln, durch die Assoziation mit zumindest vordergründig vergleichbaren Warnhinweisen auf den bei Arzneimitteln gebräuchlichen „Beipackzetteln“ zu verstärken. Diese Assoziation wird indes auch bei nur flüchtiger Kenntnisnahme des Inhalts des Warnhinweises sogleich zerstört, weil entgegen dieser Erwartung nicht vor von dem Produkt ausgehenden oder mit seiner Verwendung verbundenen Gefahren gewarnt, sondern vielmehr in kaum misszuverstehender Formulierung die erwünschte „schädigende“ Wirkung auf aus der Sicht des Verbrauchers unerwünschte und zu bekämpfende Mikroorganismen angepriesen wird, so dass sich der „Warnhinweis“ auch einem eher flüchtigen Leser als eine tendenziell marktschreierische Bewerbung des Produkts erschließt.
Demgegenüber stehen andere Umstände der Produktgestaltung und des Vertriebs der Bildung einer Verbrauchererwartung entgegen, bei den Produkten der Antragstellerin handele es sich um ein Tierarzneimittel. Die grafische Präsentation des Produkts mit Abbildung von Plastikkanistern und die mengenmäßige Abgabe zu 25 bzw. 10 Litern schließt zwar die Annahme eines Tierarzneimittels nicht von vornherein aus, gleicht jedoch der Präsentation von Desinfektions- oder Pflegemitteln, wie sie auch von der Antragstellerin in erheblicher Zahl mit vergleichbarer Darstellung angeboten werden. Auch spricht die der grafischen Darstellung folgende Produktbeschreibung sogleich von einem „Stallbehandlungsmittel“, „Klauenpflegemittel“ und natürlichem „Pflegemittel“, wodurch die Antragstellerin ihre Produkte sprachlich wohl unmissverständlich den Pflege- und nicht den Arzneimitteln zugeordnet hat. Die Wortbildung „Stallbehandlungsmittel“ erweckt beim Verbraucher auch nicht die Vorstellung von einem „Behandlungsmittel“ im Sinn eines Mittels zu einer (tier-)ärztlichen Behandlung. Vielmehr liegt ein zwangloses Begriffsverständnis nahe, dass das Mittel nicht nur zur unmittelbaren Anwendung am Tier, sondern (auch) zur Behandlung des Stalls angepriesen wird. Dieses Begriffsverständnis wird von der nachfolgenden Anwendungsempfehlung aufgegriffen, die zwischen einer Anwendung „im Klauenbad“ und somit am Tier sowie einer Anwendung zur „Laufflächenbehandlung“ und damit insbesondere des Stallbodens unterscheidet. Im Zusammenhang mit einer pflegerischen Verwendung des Produkts in sog. „Klauenbädern“ erweckt auch der Begriff der „Gruppenversorgung“ neben einer Pflege bei Klauenproblemen nicht den Eindruck, bei dem Produkt handele es sich gerade nicht (nur) um ein Pflege-, sondern um ein (Tier-)Arzneimittel, denn er bezieht sich aus der Sicht des Rinderhalters auf die Anwendungsmethode des Produkts bei einer typischen Gruppenhaltung von Rindern in einer Stallung, bei der die Rinder mittels einer von ihnen nicht zu vermeidenden Wegführung durch eine Bodenwanne geleitet werden, die das Klauenbad enthält, wodurch die Versorgung eines jeden Tieres mit einem in das Klauenbad eingebrachten Pflege- und/oder Arzneimittel gewährleistet werden soll.
Der von der Antragstellerin in - wie sie geltend macht - abnehmendem Umfang über den zur Zusammensetzung des Produkts angeführten Begriff „Kernholzwasser“ mittels ihrer „Kräuterkunde“ hergestellte Zusammenhang mit einer dem Produkt dadurch beigemessenen antibakteriellen, pilz- und keimreduzierenden Wirkung erscheint vor diesem Hintergrund kaum geeignet die Verbrauchererwartung zu begründen, bei dem Produkt handele es sich um ein Arzneimittel. Eine antibakterielle, pilz- und keimreduzierende Wirkung wird vom Verbraucher insbesondere auch Desinfektions- und Reinigungsmitteln beigemessen und ist ihm - gewissermaßen als begleitende oder unterstützende, aber willkommen erscheinende Begleiterscheinung - auch von Pflegeprodukten geläufig. Ein für die äußerliche Anwendung gedachtes Produkt wird für den Verbraucher nicht allein aufgrund des Umstands, dass einem seiner pflanzlichen Bestandteile (auch) eine antibakterielle, pilz- und keimreduzierende Wirkung beigemessen wird, notwendig zu einem Arzneimittel. Eine derartig weitreichende Verbrauchererwartung wird durch die im Rahmen einer sog. „Kräuterkunde“ von der Antragstellerin verwendeten adjektivistischen Beschreibungen auch in Verbindung mit den vorliegend in Rede stehenden Produktbeschreibungen im Übrigen nicht hervorgerufen.
Losgelöst von einzelnen Produktbeschreibungen gibt der Internetauftritt der Antragstellerin insgesamt gesehen zunächst auch kaum einen Anhalt für die Annahme, von der Antragstellerin könnten (Tier-)Arzneimittel angeboten werden. Sowohl die insoweit entweder sprachlich neutral formulierten oder den Begriff der Pflege und Pflegemittel betonenden Bezeichnungen von Menüpunkten und Produktkategorien als auch die Vielzahl der ausdrücklich als solche bezeichneten Pflegeprodukte und der weiteren offensichtlich jedenfalls nicht den Medizinprodukten oder Arzneimitteln zuzuordnenden Produkte lassen eine Verbrauchererwartung, die Antragstellerin betreibe einen Handel mit Tierarzneimitteln, für sich gesehen (noch) nicht aufkommen. Dies schließt zwar nicht aus, dass von der Antragstellerin auch (einzelne) Tierarzneimittel vertrieben werden, doch bedarf es - um eine solche Verbrauchererwartung zu erwecken - angesichts der Gestaltung des werbenden Auftritts der Antragstellerin dafür hinreichend aussagekräftiger produktbezogener Angaben, die hinsichtlich der vorliegend in Rede stehenden Produkte "Mortellaro plus" und "Mortellaro forte" fehlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG mangels produktbezogener Angaben der Antragstellerin unter Berücksichtigung vergleichbar gelagerter, aber andere Produkte betreffende Verfahren der Beteiligten sowie der Empfehlung in Ziffern 25.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, NVwZ 2004, 1327 im Wege des gerichtlichen Schätzungsermessens.