Sozialgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.01.2005, Az.: S 20 AY 2/05 ER

36 Monate; Abschiebehindernis; Abschiebemaßnahme; Abschiebung; Ashkali; Asylbewerber; Asylbewerberleistung; Aufenthalt; Ausländer; Ausreise; Ausreisemöglichkeit; Ausreisepflicht; Beeinflussung; Dauer; Erfüllung; freiwillige Ausreise; Grund; Heimatland; humanitärer Grund; Kosovo; Neuregelung; Rechtsmissbrauch; rechtsmissbräuchliche Beeinflussung; Rückführung; Sozialhilfe; Wartezeit; zumutbare Ausreisemöglichkeit; Zumutbarkeit; Änderung

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
25.01.2005
Aktenzeichen
S 20 AY 2/05 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50941
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab 1.1.2005 Leistungen gemäß § 2 Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

2. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt W.-S. aus G. bewilligt.

Gründe

1

1. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG i. d. F. vom 5.8.1997 BGBl. I S. 2022 zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.7.2004 BGBl. I S. 1950) zu verpflichten, ist begründet.

2

Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch (den materiell-rechtlichen Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistung) als auch den Anordnungsgrund (die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Regelung) glaubhaft gemacht (§ 83 b Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 935 ZPO).

3

Ein Anordnungsgrund ist stets dann gegeben, wenn ein Antragsteller, so wie hier, existenzsichernde laufende Leistungen nach dem AsylbLG für die Gegenwart und die nahe Zukunft begehrt.

4

Der ebenfalls erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich hier aus § 2 Abs. 1 AsylbLG. Danach ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten, Leistungen nach § 3 erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.

5

Der Antragsteller hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG glaubhaft gemacht. Der länger als 36-monatige Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG ist unstreitig. Glaubhaft gemacht ist ebenso, dass er die Dauer seines Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat. Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts setzt vor allem voraus, dass der Ausländer eine zumutbare Ausreisemöglichkeit in sein Heimatland hat, damit er überhaupt auf die Dauer seines Aufenthalts Einfluss nehmen kann. Der Rückkehr des Antragstellers in seine Heimat stehen derzeit humanitäre Gründe im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG alte Fassung entgegen. Daher kann ihm aktuell auch die freiwillige Ausreise in seine Heimat nicht zugemutet werden und eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer ist nicht ersichtlich.

6

Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsteller unstreitig zu der ethnischen Volksgruppe der Ashkali gehört und aus dem Kosovo stammt. Nach den März-Unruhen im Jahre 2004 sind aufgrund der sehr instabilen Sicherheitslage zunächst alle Abschiebungen storniert worden (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Serbien und Montenegro/Kosovo vom Juli 2004, Seite 14). Auch im September 2004 hatte sich die Lagen offenbar noch nicht derart stabilisiert, dass Rückführungen wieder möglich wurden (vgl. Erlass des nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 23.9.2004, Az.: 45.22-12231/3-6-SCG-K). Auch wenn der Verdacht bestand, dass die UNMIK/ORC die Parlamentswahlen im Oktober und die sich daran anschließenden Wintermonate abwarten wolle, führte dies jedoch nicht zu einer Wiederaufnahme von Abschiebungen. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich hieraus, dass eine freiwillige Ausreise von Ashkali in den Kosovo bis zu einer Wiederaufnahme der Rückführungen durch die UNMIK/ORC nicht zumutbar ist (vgl auch VG Oldenburg – 13 B 3972/04 -, Beschluss vom 23.11.2004).

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; es ist im vorliegenden Fall billig, dass der unterliegende Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers trägt.

8

2. Dem Antragsteller ist nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren, da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die Rechtsverfolgung aus obengenannten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.